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Im Reichstag der SprechchSre.

Vir machen einen Vorschlag zur Güte: Man übertrage das Präsidium einem bewährten Konzertdirigenten!

Finnischer Polizeizynismus. Erwacht das Gewissen des Bürgertums?

Feme gegen Reichsrichter. Die neueste Forderung des Dr. Goebbels . Der Berliner Sportpalast ist eigentlich schon umgebaut zur Sechstage-Radrennsaison. Wer t>a Dr. Goebbels , jetzt durch sein« Immunität geschlitzt, sich noch einmal reden hören wollt«, wurden noch einmal Stühle in die Radrennarena gestellt. Dort bot sich am Dienstagabend«in besonderes Schauspiel. Vor dem Eingang und auf den Wandelgängen promenierten einige SW Leute der National. soziallsten mit roter Armbinde und oben am Rednerpult spiest««ine Kapell« fortwährend Königsmärsche. Di« Berliner SZl.-Leute hatten sich diesmal besonders proletarisch lostitmiert. Sie hatten ihr« Jacken ausgezogen, die cherndärmel aufgekrempelt uird ohne Kragen mit der roten Armbind« rückten sie zur Versammlung an. Das heiht ein Teil der Berliner SA. Herr Dr. Goebbels hatte zwar noch om Vorabend der Bersaminlung seilt« Berliner Sturmtruppführer zusammengerufen und ihnen das Versprechen abgenommen, ge- ichlosien anzurücken. Diesem strikten Befehl waren aber von den 36 Stan- dartcn nur lZ nachgekonnnen und so waren nur etwa 406 SA.-Leute im Saal. Dafür aber umsomehrS A.-B r ä u t«, die. mit Klingelbeuteln bewaffnet, für die verschiedensten Zwecke sammelten. Eiirmal für die verwundete SA., dann für die hungernde SA., dann für die kämpfend« SA., und schließlich noch für«inen Kamtzsfonds zur Befreiung politischer Gefangener. Im Saal war«n die ersten Reihen von diesen Proleten freigehallen worden und dort setzten sich dann die geladenen Gäste. Darunter so manches Unter» nehmergesicht und nicht zu verg«si«n auch das Rozimitglied August Wilhelm . Die Kapelle spielt« indes immer noch Königsmärsche, zwischen­durch den Einzugsmarsch für die Fahnen. Da aber noch nicht so viel« hcrangeschafst waren, um endlich den Fahneneimnarsch statt» rinden zu lassen, nmßten sich die Spießburger, die schon von ihren Sitzen geschnellt waren, immer wieder hinsetzen. Dann endlich um 'A9 Uhr abends biegen sechs Ringkämpferfiguren in den Saal und hinter ihnen erscheint der kleine Dr. Goebbels , dein«s mit Mühe und Rot gelingt, mit seiner SS. -Mannschaft gleichen Schritt zu halten. Er marschiert unter den Klängen de» Fridericus-Rex in den Saal. Dann wird die Versammlung eröffnet und der Ansoger bittet zunächst seine Anhänger, nach Schluß der Versammlung ruhig nach Hause zu gehen. Das gelle besonder« für die Straßen- bezirke hinter dem Bülowbogen. War das min ehrlich gemeint oder war dos eine versteckte An- deutung, daß man lieber hinter dem Bülowbogen randalieren sollte, da von dort ab weniger Schutzpolizei postiert war? Dann spricht der klein« Hitler : Goebbels. Anderthalb Stunden erzählt er von der Locarno -Politik, von der Dawes-Politik, er redet und redet von außenpolitischen Dingen, ohne auch nur einmal zu sagen, wie man es hätte bester machen sollen. Ganz schomisch er­innert er daran, daß man doch nur ein paar Fensterscheiben klirren zu lasten braucht, um die Republik zu erschüttern. Mit fanatischem Haß ruft«r w den Saal: äawohl. wir wollen den Kredit der Republik untergraben� dieser Republik , die sich nur hallen kann mit einem gepumpten General. Auch Hilgenberg wird gestäupt. Er habe nach Goebbels Meinung zwar eine Voltspartei, aber kein Volt. Goebbels verteidigt sellsttverständlich den Hochverrat der drei Reichswehroffiziere und knüpft daran die Hoff- nung, daß sich in dem S0-Mllioa«i-Volk doch einige finde» werden, die mit den Systemrichter», die diese Offiziere in die Gefäogvlstc geschickt haben, ein Volksgericht halten werden. Goebbels hat zwei Stunden gesprochen, und da» einzige, was er den aufhorchenden Wählern verrät, ist das Eingeständnis, daß die Nationalsoziallsten em Programm aufgestellt hätten, dos sich vielleicht einmal in zehn Jahren verwirklichen ließ«. Recht er» munternd war dieses Eingeständnis für die re&elliereixden Spieß­bürger, die nationalsozialistisch gewählt hatte», mm gerade nicht. Zum Metallarbeiterstreik führte Goebbels aus, daß sich die Nationalsozialistische Partei entschlosten habe, ihre Mitglieder aufzufordern, den Streit mitzumachen. Di« Ratio- nalsozialistische Arbeiterpartei wolle mit der Beteiligung an diesem Streik gegen die Unternehmer und Kapital! st en entscheiden, die so lange erfüll ungsfreudig waren und jetzt die unerfüllbaren Verpflichtungen auf die schwächsten Schultern des Volkes abwälzen wollen. Nach Schluß der Versammlung zogen die Nazianhänger durch die Potsdamer Straße und brüllten einige Male: Deutschland er» mache! Da die Polizei aber auf dem Posten war, und rücksichtslos alle Ansammlungen zerstreute, konnten die Goebbcls-Leut« nach Hause kommen, ohne noch einmal Fensterscheiben zertrümmert zu haben.

Die Schwarze Fahne. Oer»stprevßifche Landvolkprozeß. Ga sauberer Amksvorsteher. Konigsbcrg. 2t. Oktober. Bei der weiteren Zeugenvernehmung im ostpreußischen Land« oolkprozeß erklärte der Amtsvorftcher T e i ch« r t aus Gut Gudlacken, als der Staatsanwall auf Widersprüche und Unklarheiten hinwies, er verweigere l«in« Aussage. Der Staatsanwalt stellte darauf fest, daß der Zeuge ihm m der Voruntersuchung gesagt habe, wer auf«in Grundstück biet«, bekomm« eins von ihm mit der Axt vor den Kopf, ganz gleich was geschehe. Der Zeuge Brausewetier, der das Amt eines Prestcwarts in der Bauernbewsgirng bekleidet und in einem Brief geschrieben hotte, daß die Bauenrzeitungführend und hetzend* wirken müsse, er- klärte, daß man lediglich mit legalen Mitteln habe arbeiten wosiair. Der Zeug« ist jetzt Redakteur der Landoolk-ZeitungSchwarze Fahne*. Der Angeklagt« Thymian beantragt«, die Verhandlung auf zwei Tage auszusetzen, tu er wegen Krankheit der Verhandlung nicht mehr zu folgen vermöge. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Nach der Pause gibt der Vorsitzende, Landgerichrsturektor Raab«, bekannt, daß ihm durch die Post eine Postkarte zugestellt worden ist, mit der Drohung: Hüten Sie sich! Der Vorsitzende erklärt, daß solche Drohungen ihn nicht beeinsluffen können und daß er an- nehme, daß diese Drohung nicht von den Prozeßbeteiligjen stamme. Die Verhandlung wird dann durch Gerichtsbeschlutz b i? Donnerstag, 9 Ahr, ausgesetzt, da da? Gericht nicht den?lnschein erwecken wolle, die Vertetdigung der Angeklagten ein­zuschränken. Da» Sfuttgarke? kommunistische Blatt wurde am Dienstag wiederum weg-m Vergehen? gegen§ 110 des Strafgesetzbuches be- schlagnahmt. E° soll zum Steiierstreik aufgefordert haben.

Hclsingsor«, 18. Oktober. (Eigenbericht durch Luftpost.) Jeder Tag bringt neue Enthüllungen über die Metho- den des finnischen Faschismus. Di« Entführung des ehemaligen Reichspräsidenten Prof. Stahlberg, eines der angesehensten Männer Fimrlands, durch die faschistischen Horden war in dieser Hinsicht ausschlaggebend, denn sie konnte nicht verschwiegen werden wie diejenigen von Hunderten von Arbeitern. Die faschistische Press« sprach wohl im Anfang vonunvevairt- wörtlichen Elementen*, die angeblich die Tot vollbracht, oder gar von Lockjpitzelei. Ztunmehr ist der Sekretär der führenden faschistischen Zentralorganisation, des Suomen Lukka, ein Rechtsanwalt M i k k o Jaskart verhaftet worden als Urheber der Entführung des Professor Stahlberg. Mille Juli würden, wie bekannt, zwei kommunistische Abgeordnete von der Sitzung einer Reichstagskommission ent- führt und nach Lappo, nach dem Hauptjitz der Lappobewegun� ge- bracht. Di« Entführer warm bekannt, sie konnten bisweilen beob- achtet werden ofiziell aber warm sie nach Schweden entflohen. Bor einigen Tagm wurde einer von ihnen, ein gewisser Wuorimaa, wieder beobachtet, und zwar in Lappo als Auge- stellter im Büro der Lappobewegung. Die Ortspolizei sollte ihn ver­hasten, macht« es aber in der Weis«, daß er ohne Mühe entfloh. Der betreffmd« Polizeimeister ist selbst Mitglied der Zentralleitung der Lappobewegung. Jetzt befragt« die Redaktion de» sozialdemokratischen Zentral. Mattes alle Behörden, die mit der Sache zu tun haben sollten, und bekam folgende für die Stellung der Bürokralle bezeichnende Antworten: Der Innenminister:Habe wohl gehört, daß der Wuorimaa in Lappo sein soll. Ich bin aber keine Polizeibehörde, die Perhaftung ist nicht mein« Sache. * Die geheime Staatspolizei:Ja, Wuorimaa ist im Büro der Lappobewegung. Sein« Verhaftung ist die Sache der ordentlichen Polizei, nicht unsere. Der Regierungspräsident von Was«:Habe wohl gehört, daß er im Büro der Lappobewegung angestellt sein soll. Der Polizeimcister von Lappo hat das gesagt. Ich bin aber nicht berechtigt, zu seiner Verhaftung zu schreiten/' Der Polizei meist er von Lappo:Wir suchen gerade dm Wuorimaa. So, ist er in dem Büro?... Nun, weshalb ich

ihn nicht verhaftet habe, das ist eine Frage, worüber ich mich jetzt nicht äußern möchte.* Landwirt Kosola, der Führer der Lappobewegung:Ja. Wuorimaa ist hier bei mir. Er beabsichtigt, sich den Behörden zu stellen. Wir warten auf den Polizeimeister.* Alle dies« Ereignisse haben aber unter den Demokraten aller Schattierungen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Man fordert, daß es denunbekannten Männern* nicht mehr gestattet sein soll, Finnland zu terrorisiere». Di« Lappobewegung, die ihre Mitverantwortlichkeit für diese groben Verbrechen vergebens zu leugnen sucht, befindet sich nun- mehr samt der gesamten Reamon in der Defensive. Ihr« Aktien verlieren täglich an Wert. Immer mehr sagen sich von ihr los. Ihre. Drohungen mit dem Staatsstreich erwecken in diesen, Augenblick mebr Entrüstung als Furcht. Das. was die Entfüh- rungen und Mißhandlungen von Hunderten von Arbeitern nicht leisten konnten, das hat die gegen den Präsidenten Stahlbe.rg be­gangene Missetat erreicht: sie hat das Gewissen der Bour» geoi sie wachgerufen. R. U. Wiifc� Eröffnung des Parlaments."» HeMngsors, 21. Oktober. Der finnisch« Reichstag wurde am Dienstagmittag«rössnet. Ministerpräfldent Soinhufvüd bedauerte in feiner Eröff­nungsansprache die Entführung Stahlbergs, der als Abgeordneter der Fortschrittspartei an der Sitzung teilnahm. Zum Reichstags- Präsidenten wurde der frühere Ministerpräsident Bankdirektor Kolli a (Agrarpartei) gewählt, zu Vizepräsidenten Professor Tulenheimo (Konfervallve Sommlungspartei) und Hakkila(Sozialdemokrat). Die Lappo-Leute Harlo und R e k o l a, denen zur Last gelegt war, den sozialdemokratislchen Bürgermeister Haltila entführt zu haben, wurden auf Anordnung des Innenministers am Dienstag- mittag aus der Haft entlassen. In Helsingsors sammelten sich am Montag 500 solche Lappolsute. die an Entführungsaktionen teilgenommen haben, um sich selbst anzuzeigen. Durch diese Mafienanzeige soll die Justiz sabotiert werden. Der Innenminister verwies einer ZOköpfigen Abordnung auf den Weg zu den Heimatsgerichten de» Täter.

Rußland erklärt Handelskrieg. Einfuhrverbot gegen Frankreich . Ivgsstawien. Ungarn und Rumänien . London , 2t. Oktober. (Eigenbericht.) Der Berichterstatter desDaill, Herald" drahtet seinen» Blatt aus MoSkau : Ein von Rh low unter- zeichnetes Dekret verbietet die Wareneinfnhr ans Frankreich . Jugoslawien . Ungar« und Munlänien. Auch der Transport russtscher Gitter ans Schiffe« der boykottierte» Länder ist untersagt worden. Die russische Regierung begtüiudct dies« Repressalie» mit der von den gleichen Ländern geübten Taktik gegen russische Produkte, sowie mtt der von diese« Staaten gegen Moskau betriebenen Dumping-Agitation. Polen , die Vereinigte» Staate« und andere Lander werden einstweilen von Moskau nur verwarnt.

Norwegische Giorihingwahl. Arbeiterpart-! hält sich gvt. OÄo. 21. Ottober.(Eigenbericht.) Wie das noch nicht vollständige Resultat der Siorthing-Wahl erkennen läßt, ist es der norwegischen Arbeiterpartei trotz intensiver Wahlpropaganda der Bürgerlichen gelungen, ihr« Position zu halten. 5lus 491 Landbezirken und 39 Städten ergibt sich das vorläufige Ergebnis: Arbeiterpartei: 211651(in den gleichen Wahlbezirken 1927: 206 136). Smmnelliste der Konservativen und Freisinnigen 156142(103 756), Bauernpartei 144 106(111951), sogenannte Linke 158 734(115 955), Radikale Bolkspartei 7650(10819), Sonderliste der Freisinnigen 7707(4205) und Kommmristen 9408(14697) Stimmen. Die Wahlbeteiligung war im ganzen Lande außerordent- llch stark: sie betrug durchschnittlich 80 Proz.

Die Ehrenpflicht eines Lungdeutschen. Mahraun vor und nach dem Sündenfall. Wie wir erfahren, hat jetzt der Führer der Volksnationalen! Neichsoereinigung und des JnNgdeutjchcn Ordens, Arthur Mahrqzn, in einem Schreiben seine Ortsgruppen und Balleien im Lande wissen lafien, daß sie für die Schulden der Deutschen Staatepartei nicht mehr aufzukommen hätten. da ja die Volksnational« Reichsvereinigung mit dieser Partei nichts mehr zu tun habe. Hierzu ist interessant, festzustellen, daß der treu- deutsch « Mahraun in der letzten Hauptalttonsausschuß-Sitzung der Deutschen Stoatspartei auf Befragen von demokratischer Seite hin ausdruiflich erklärt«, daß natürlich seine Freund« ihren Anteil an den von der Deutschen Staatspartei gemachten Sckmlden beibringen würden. Damals sagte Mahraun, daß«s E h rem Pflicht jedes deutsch «» Mannes sei, die von ihm ge- machten Schulden auch zu bezahlen. Jetzt will Herr Mahraun von dieser Ehrenmonnspflicht nichts mehr wissen und verpflichtet mtt treickieutschem Gruß seine Gesinnungsfreund«, nicht zu zahlen.

Auch Englands Arbeiislofigkeit steigi. Erhöhung des schulpflichtigen Alters. Loudou, 21. Oktober. (Eigenbericht.) Die Zahl der A r b« i t» l o s e» hat sich in der letzten Woche um 12 481 mff 2 190 000 erhöht. Als n«us Maßnahm« wird die Labour-Rsgierung dem Parlament«ine Vorlag« über di«»untere Erhöhung des schulpflichtig«« Alter» bi» zu IS Jahren zugehen lassen. Auch die Familienunterstützung für die Eltern der unter das Gesetz fallenden Kinder soll erhöht werden. Di« Regierung hofft, das Gesetz bis Weihnachten unter Doch und Fach bringen zu können. Di« Krise des Zionismus . Als Protest gegen die neue Zionisten- Politik hat auch der konservative Abgeordnete Lord Melchett (Alfred Mond ) ferne Vorstandsämter in den zionistischen Orgoni- sotionen niedergelegt.