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werden, daß er solche Bestreitungen im Interesse des Ansehens der Justiz nicht aussprechen oder gar schreiben darf.

Ist es übrigens richtig, daß Franzen am gleichen Abend, da er zur Legitimierung des Guth zur Polizei gebeten wurde, die Ein­ladung gerade in Gesellschaft des Landtagsabgeord neten Lohse erhielt, mit dem er im ,, Bayrischen Hof  " kneipte? Und ist es richtig, daß als Dritter im Bunde vorher jener Guth mitgefneipt hatte, der sich dann als Lohse ausgab und als olcher von Franzen legitimiert wurde, unter dem ausdrücklichen Hinweis, daß der Mann als Abgeordneter immun sei und deshalb freigelassen werden müſſe?

,, 14 Prozent gesichert!"

Die Interessengemeinschaft der Aktionäre. Während die Kumpels tief in der Erde verbrennen, ersticken und erschlagen werden, während der Jammer der Witwen und Waisen alle Herzen erstarren macht, denkt der beteiligte deutsche Kapi­: alismus in vollkommener Seelenruhe an seine Sicher= heit. In der Bergwertszeitung", dem Hauptorgan der rheinisch- westfälischen Industrie, findet man am Mittwochmorgen eine lafonische Notiz, wonach die kurse des Eschweiler Bergwerfs­ vereins   infolge des Unglücks an der geftrigen Börse gestrichen worden jeien. Dann aber wird gesagt:

,, Auf die Dividenden dürfte das Unglüd jedoch keinen Einfluß haben, da diese auf Grund der Interessengemeinschaft mit der Arbed bis zum Jahre 1942 in der Höhe von 14 Prozent gesichert sind."

Die Arbed" ist die Bezeichnung für den Luxemburgischen Stahl­fonzern.

Die Dividenden sind gesichert! Ruhig darf der Aktionär sein Haupt betten. Die Interessengemeinschaft forgt für ihn. Damit ist sein Interesse an lebendigen Menschenwesen erschöpft.

Die Geldnot der Stadt.  s

Die Steuervorlagen heute vor dem Stadtparlament. Die ständig wachsenden Ausgaben für die Wohlfahrts­fürsorge und für die ausgesteuerten Erwerbslosen haben die finanzielle Cage der Stadt schwer erschüttert. Das Defizit, das bisher auf 60 Millionen Mart geschätzt wurde, wächst von Tag zu Tag. Wie groß im Augenblick die kajsenschwierig. teiten der Stadt find, zeigt die Tatsache, daß die Gelder für die Polizeitosten, die die Stadt laufend zu überweisen hat, nicht flüffig gemacht werden konnten. Die ordnungsmäßige Auszahlung der Beamten- und Angestelltengehälter fonnte in letzter Zeit nur durch Hereinnahme von kassenkrediten er­möglicht werden.

Der Magistrat, der sich durch diese schwierige Situation gezwungen sah, die Erhebung neuer Steuern vorzuschlagen, wird dem Stadtparlament heute den Nachtragsetat vorlegen. Es wird allerdings noch nicht zu einer Beratung der Magistratsvorlage im Plenum fommen; voraussichtlich wird man die Vorlage, die eine umfangreiche Durcharbeitung erfordert, an den Haushalts­ausschuß zur genauen Brüfung überweisen. Aber schon jetzt fann gesagt werden, daß die Stadtverordneten menig Neigung verspüren, die neuen Steuern zu bewilligen. Während die Stadt Berlin   sich in schwerster Not befindet, ist die Frage eines neuen Ober­hauptes nach wie vor gänzlich ungeklärt, es ist auch noch nicht zu sehen, wer fünftig Stadtkämmerer von Berlin   sein wird. Die heutige Stadtverordnetenfißung wird durch die Fortsetzung der nicht endenwollenden Böß- Debatte eingeleitet werden. Für die Sozialdemokraten wird der Fraktionsvorsitzende Erich Flatau sprechen. Die Tagesordnung fieht als einen der wichtigsten Buntte einen Antrag der sozialdemokratischen Frattion wegen der Wahrung der Interessen Berlins   gegenüber dem Landesplanungsverband Brandenburg- Mitte vor. Zu dieser Frage, die im Borwärts" bereits eingehend behandelt mor­den ist, wird der Stadtverordnete Dr. Siegfried Weinberg das Wort nehmen.

Ueberfall im Tiergarten.

Erfolgreiche Abwehr des Angegriffenen.

Mit welcher unglaublichen Frechheit die Gilde der in letzter Zeit wieder überhandnehmenden Tiergartenverbrecher vorgeht, beweist wieder einmal ein Ueberfall, der geffern abend, bald nach Einbruch der Dunkelheit, auf den 23jährigen Sekretär des GdA., Erich kranz  , in der Nähe des Großen Sterns verübt wurde.

R. ging gegen 18 Uhr durch den Tiergarten. Plötzlich trat dem Spaziergänger ein Mann entgegen, der um Feuer für seine 3i­garette bat. Als K., gleich nichts gutes ahnend, die Bitte ablehnte, tauchte aus dem Dunkel unvermutet ein zweiter Mann auf, der fich auf Kranz stürzte und ihn niederzuschlagen verfuchte. Die beiden Burschen waren aber an den Unrechten geraten. Der lleberfallene wehrte den einen Angreifer zunächst durch einen fräf­tigen Borhieb ab. Dabei war Kranz die Aktentasche entfallen, die der andere Täter an sich riß und damit zu flüchten versuchte. R. gelang es jedoch die Tasche wieder an sich zu bringen. Als die beiden Wegelagerer sahen, daß sie so nichts erreichen tonnten, 30g einer von beiden eine Pistole hervor und feuerte auf K. zwei Schüsse ab. Die Kugeln trafen die Aktentasche und blieben glück­licherweise in einem Buch steden. Die Täter enttamen leider unerfannt; eine Polizeistreife blieb ohne Erfolg.

Marsch auf Wien   abgesagt. Heimwehr   bleibt zu Hause oder im Gefängnis.

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Wien  , 23. Oktober.  ( Eigenbericht.) Für den 2. November hatte die Heimwehr   in Wien  einen großen Aufmarsch angekündigt, zu dem aus ganz Oesterreich Zuzug angekündigt war. Es waren Eisen­bahntransporte für 40 000 Heimwehrleute in Aussicht genommen. Die Heimwehren waren auch bereits mit Dolchmessern und Revolvern ausgerüstet worden und sollten für zwei Tage Proviant mitnehmen. So. gar die Plakate für diese Kundgebung waren schon ge­druckt. Unter dem Eindruck der Enthüllungen, die Otto Bauer   im ständigen Unterausschuß gemacht hat, und der zu erwartenden Gegenwehr der Arbeiter Wiens mußte jetzt die ganze Kundgebung abgesagt werden.

Totenliste auf 248 angewachsen

Man vermutet noch mehr Opfer über und unter Zage

Alsdorf  , 23. Oktober.

Da nunmehr sämtliche Strecken freigelegt sind, wurden die Bergungs- und Aufräumungsarbeiten am Donners­tag um 1 Uhr früh für einige Stunden eingestellt. Die Zahl der bisher geborgenen Toten be= trägt insgesamt 248. 19 davon sind bei dem Ein­sturz des Förderturmes und Verwaltungsgebäudes ums Leben gekommen, vier sind in Krankenhäusern gestorben und 225 wurden tot aus dem Schacht zutage gefördert. Ob noch Berglente im Schacht sind, läßt sich zur Zeit nicht feststellen, da von 225 aus dem Schacht geförderten Toten nur 60 identifiziert sind.

sich dann aber die verheerenden Wirkungen unter Tage nicht er< fiären. Die in den Schacht einströmende Luft hätte durch die Benzin­erplosion nach oben gerissen werden müssen. Demnach müsse es als ausgeschloffen gelten, daß die Explosion nach unten bis tief auf die Sohlen von 360 und 560 Metern Tiefe gewirkt habe. Dort unter feien aber die Folgen viel verheerender als oben.

Zweitens unter Tage.

Nach dieser Annahme habe im Revier eine Schlagwetter­explosion stattgefunden. Der gewaltige Luftdruck von unten habe oben das Faß Benzin zertrümmert und das auslaufende Benzin sei durch irgendwelche noch nicht geklärte Einwirkung explodiert und habe das Gebäude in Trümmer gelegt. Der Schacht sei durch den Stoß von unten luftleer geworden, und nun sei durch die Benzin­explosion ein Rückschlag der Flammen nach unten er­folgt. Wodurch die Schlagwetter entzündet worden seien, bleibe allerdings auch bei dieser Kombination noch ungeklärt.

Nach Angabe der Rettungsmannschaften liegen auf der 460- meter- Sohle noch 15 Tote, die in den nächsten Stunden herauf befördert werden sollen. Unter den Trümmern über Tage vermutet man noch fünf bis zehn Tote. Demnach wäre insgesamt mit 250 Toten zu rechnen. Das Revier 10 ist noch nicht ganz abgesucht, dort dürften sich ebenfalls noch Tote befinden. Ferner sollen auf der zweiten Sohle noch nicht alle Tote geborgen sein. Da außerdem noch mehrere Eingeschlossene versucht haben, den Schacht herauf- Die Aachener Bergmertstatastrophe hat in der zuflettern, ist anzunehmen, daß einige von ihnen abgestürzt sind ganzen Welt lebhafteste Anteilnahme hervorgerufen, und dem.

Ausländisches Beileid.

Die Aufbahrung

der Todesopfer vor der Waschkaue des Unglücksschachts

Staaten Beileidstundgebungen zugegangen.

und nur wenige herausgezogen werden konnten. Es besteht daher| Reichspräsidenten sind bereits von den verschiedensten ausländischen die Möglichkeit, daß die Zahl der Toten noch steigt. Diese Be­rechnungen können sich aber nur auf Vermutungen stüßen, da die Angaben der

Reffungsmannschaften, die heute schon zehn Stunden, ohne etwas zu effen, gearbeitet haben,

Im Rahmen dieser Beileidsbezeugungen fällt besonders auf, daß der englische   König den britischen Botschafter in Berlin  angewiesen hat, den Reichspräsidenten seiner persönlichen Anteil­nahme an dem schweren Unglück zu versichern. Da es im allge­meinen nicht üblich ist, daß Staatsoberhäupter bei der

ist diese Kundgebung des englischen Königs als ein Ausdruck der ganz besonders herzlichen Anteilnahme des englischen Boltes aufzufassen, das selbst vor wenigen Tagen erst an den frischen Gräbern der Luftschiffopfer getrauert hat.

nur mit großer Vorsicht aufgenommen werden dürfen. Vor derartigen Unglücksfällen persönlich ihrem Mitgfühl Ausdruck geben, Bechenanlage harrt noch immer bis in die späten Nachtstunden eine große Menschenmenge geduldig aus, um die neuesten Ergebnisse zu erfahren. Am Schacht II, wo die Toten heraus befördert werden, stehen die Rettungsmannschaften, Sanitäter und Feuerwehr in dumpfem Schweigen und warten auf jeden Förder­forb, der aus der Tiefe emporsteigt. Die Meldung, wonach eine aus einem Steiger und 20 Mann bestehende Rettungstolonne durch einen Zusammenbruch von Stollen völlig von der Außenwelt ab­geschnitten worden sei, entspricht nicht den Tatsachen.

Das schwerste Unglück, das vor der Katastrophe in der Grube Anna II den deutschen   Bergbau traf, geschah im Jahre 1908 in der Zeche Radbod bei Hamm  , bei dem 360 Tote zu beflagen maren. Weiterhin feien aus den letzten vier Jahrzehnten vermerft: 1885: Camphausen- Schacht bei Saarbrüden 180 Tote, 1891: Hi­bernia- Schacht bei Gelsenkirchen   52 Tote, 1898: Karolinen- Grube bei Bochum   119 Tote, 1905: 3eche Borussia bei Bochum   39 Tote, 1907: Beche Reden im Saarrevier 148 Tote, 1912: Zeche Lothringen bei Bochum   117 Tote, 1912: Grube Achenbach bei Dortmund  43 Tote, 1914: Grube Achenbach bei Dortmund   22 Tote, 1920: Kaiserstuhl II bei Dortmund   30 Tote, 1921: Zeche Mont Cenis bei Herne   79 Tote, 1923: Heinig- Grube bei Beuten 112 Tote, 1925: Zeche Minister Stein   bei Dortmund   135 Tote, 1925: Beche Dorst­feld bei Dortmund   45 Tote, 1929: Glückhelf- Friedens- Hoffnungs­grube( Waldenburgresier) 33 Tote, 1929: Klein- Roffel( Sieg) 24 Tote, 1930: Kurt- Schacht der Wenzeslausgrube bei Neurode 151 Tote. Eine furchtbare Statistik! Die schlimmste Katastrophe im Bergwert traf Frankreich  : Bei der Kohlenstauberplosion von Courrières   im März 1906 fanden 1200 Menschen den Tod.

Das Explosionsrätsel.

Der Reichstagsabgeordnete Sollmann hat den Unter­suchungen über die Ursachen der Grubenkatastrophe in Alsdorf   bei gewohnt. Er hat an den Beratungen des Unfallausschusses und der vierstündigen Befahrung der Grube Anna II sowie an dem Zeugen­rerhör teilgenommen und mit sämtlichen Behördenvertretern über die möglichen Ursachen des Unglücks Rücksprache gehalten. Soll­mann legte seine Beobachtungen und Erfahrungen in einem Bericht der Rheinischen Zeitung" nieder, der in mehreren Einzel­heiten von den bisher befanntgegebenen Feststellungen abweicht. Es heißt darin u. a.: Die Untersuchung scheint mit zweifelsfreier Deut lichkeit zu ergeben, daß die ursprüngliche Annahme, es habe eine Sprengstoffentladung stattgefunden, fallen gelassen werden muß. Wir fanden die drei Sprengstofflager intatt. Die Er­scheinungen werden von den Sachverständigen als einzigartig be. zeichnet und lassen einen Bergleich mit früheren Explosionsfata sirophen faum zu. Die Arbeiter vermuten entgegen der Annahme mancher Fachleute doch eine Schlagmetteregplosion unter Tage. Sie vermeisen darauf, daß öfters die Wirkungen einer solchen Explosion an ihrem Herd selbst verhältnismäßig gering sind und sich erst auf weitere Entfernungen auswirken. Ueber die Ursachen der Explosion werden zur Zeit zwei Möglichkeiten erörtert:

Erstens über Tage.

Danach seien 150 Liter Benzin am Berwaltungsgebäude Danach seien 150 Liter Benzin am Berwaltungsgebäude explodiert. Diese Menge Benzin habe an sich das große Haus in Trümmer legen und den Förderturm umwerfen fönnen. Man könne

Hilfsspende des Parteivorstandes.

An den Vorsitzenden des Bergarbeiterverbandes in Bochum  , der Reichstagsabgeordneten Husemann, richtete der Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei folgendes Telegramm:

Der Parteivorstand betrauert mit Euch die auf dem Schlachtfeld der Arbeit gefallenen Arbeiter und ihre so schwer getroffenen An­gehörigen. Er überweist Euch zur ersten Hilfeleistung tele­graphisch 6000 Mart. Der Parteivorstand: Wels.

Schachts Weisheit.

Arbeiter und Reparationen.

Die deutsche Arbeiterschaft beginne einzusehen, daß die Auf Herr Schacht hat in einer neuen New- Yorker Rede erklärt: bringung der Reparationslasten ihren Lebensstandard empfindlich beeinträchtige." Das Berliner Tageblatt" hat recht, wenn es jage, daß die Arbeiterschaft das seit einem Jahrzehnt misse, aber eben­fomenig wie Herr Schacht die Tatsache ändern kann, daß Deutschy­land den Krieg verloren hat.

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Herr Schacht hat offenbar vollkommen vergessen, wie er als Bantdirektor immer wieder die Fühlung mit Sozialdemo traten und anderen Politikern aufnahm, um die Notwendigkeit der Erfüllungspolitit" und den Irrsinn des Nichtzahlenwollens" darzulegen. Herr Schacht hat offenbar auch ganz vergessen, daß er sich dabei auf seine engen Beziehungen zu französischen und amerikanischen   Banttreisen berief, die durchaus bereit seien, Deutschland   entgegen zu fommen. Allerdings vergaß er dabei, nicht zu bekennen, daß dazu ein Mann an der Spitze der Reichs­bant stehen müsse, der im Auslande etwa das Vertrauen genieße wie er Herr Dr. Schacht. Daß die Reparationsleistungen legten Endes nur aus deutschen   Exportgeschäften gedeckt werden können, ist keine Entdeckung des Herrn Schacht und der letzten Tage. Die sozialdemokratische Presse, die sozialdemokratische Literatur, be­sonders aus der Zeit des Londoner Imtimatums, spricht davon, daß übersteigerte Reparationsleistungen zu einer Erhöhung der deutschen  Arbeitsleistung und Unterbietung seiner ausländischen Konkurrenten führen müßten, die den Charakter eines Dumpings tragen und Arbeitslosigkeit in den Ländern der Reparationsgläubiger zur Folge haben müßten. In Spa hat schon der verstorbene Genoffe Otto Sué darauf hingewiesen, daß die Lieferung so gewaltiger Mengen von Reparations tohle nach England oder Stellen, die sonst Ab­nehmer englischer Kohle wären, den englischen Bergarbeiter arbeits­los machen würden. Die funfelnagelneuen Entdeckungen des Herrn Schacht sind also für die Sozialdemokratie längst Binsenwahrheiten. Daran ist auch nichts geändert durch die Kommerzialisierung der Reparationsschuld, denn alles, was Deutschland   zahlen kann, muß es nach der Zerstörung aller Werte durch Krieg und Inflation erst erarbeiten. Es ist doch erstaunlich, was für ein fluger Mann Herr Schacht ist, daß er Dinge, die jeder Sozialdemokrat längst als selbstverständlich erkannt hat, jetzt als Wunderweisheit der staunen­den Mitwelt verraten fann..