1930
Der Abend
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Nr. 528
B263 47. Jahrgang
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Wahl- Sieg in Desterreich!
Schwere Niederlage des Faschismus- Verluste der Seipel- Partei
Wien , 10. November.( Eigenbericht.) Die Verteilung der Mandate auf die Parteilisten ist noch nicht vollständig, denn dazu ist das genaue Wahlergebnis erforderlich. Aller Voraussicht nach hat der Nationalrat folgende Zusammensetzung:
Sozialdemokraten 73( 2 Mandate ge
wonnen),
Christlichsoziale 66( 7 verloren), Schober- Block 19( 1 verloren), Heimatblock 8.
Der Heimatblock erhielt in Obersteiermark 28 404 Stimmen und damit sein Grundmandat, so daß er auch für seine in ganz Oesterreich abgegebenen 300 000 Stimmen Mandate erhält. Obersteiermark umfaßt neben Bauerndörfern die Eisenindustrie von Bruck , Leoben , Eisenerz. Dort üben die Leiter und Ingenieure der Alpinen Montangesellschaft , die dem reichsdeutschen Stahltrust gehört, seit Jahren den brutalsten Terror auf die Arbeiter aus; dasselbe geschicht in Kapfenberg bei den Böhler- Werken. Auch St. Lorenzen, wo die Faschisten ein Arbeiter: fest beschossen, liegt in Obersteiermark .
Trotz alledem haben in Obersteier, wie der Wahlfreis amtlich heißt, die Sozialdemokraten 74 572, die Christlichsozialen 32915 Stimmen erhalten. Gegen über 1927 haben die Sozialdemokraten dort 8000 Stimmen, die Christlichsozialen aber 27 000 Stim: men verloren.
Eine schwere Niederlage der Regierung Baugoin- Starhemberg, vor allem der Christlichsozialen Partei, das ist das entscheidende Merkmal der Neuwahl.
Die Sozialdemokraten haben sich glänzend behauptet und sind durch den beträchtlichen Mandatsverlust der Christlichsozialen die weitaus stärkste Partei im Nationalrat geworden.
Der Schober- Blod, das sind die Großdeutschen und Landbündler, hat den Christlichsozialen drei Mandate abgenommen, darunter zwei in Wien und eins in Borarlberg, doch hat seine Liste in Steiermark überraschend schlecht abgeschnitten. Man darf aber bei dieser Betrachtung nicht vergessen, daß diese Parteien 1927 in vielen Wahlkreisen in die Seipelsche Einheitsliste einbezogen waren, ihre Mandate im vorigen Nationalrat also nicht aus eigener Kraft errungen hatten.
Die Heimwehr hat ihre Mandate auf Kosten der Christlichfozialen errungen.
laubte und der Behörde bekannte Schützenvereinsflinten waren, hat der Arbeiterpartei vor den Wählern nichts anhaben können. Jedermann sieht und kennt die großen Leistungen der ,, Rathausmargisten" in Wien , Graz , Linz und anderen Städten, wo immer ihnen die Volksmehrheit die Verwaltung anvertraut hat. Bon diesem Befähigungsnachweis beißt feine Maus einen Faden ab und weder Berleumbung noch Drohung fann der Werbekraft dieser Werke Abbruch tun.
Diefer Siegestag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschöstererichs erfüllt die Herzen ihrer Freunde und Genoffen mit tiefer Freude. Die ganze Internationale weiß, mas sie gerade an dieser Sektion mit ihren führenden Köpfen, mit der unablässigen Attivität und nimmer nachlassenden Energie dieser Genossen und der unverbrüchlichen Treue der deutschösterreichischen Werftätigen zu der Partei Viktor Adlers und seiner Nachfolger hat.
Mit Genugtuung verzeichnen wir im Interesse unseres Bruder landes den wohlverdienten Rückgang der Seipel- Bartei, und mit dem gleichen Gefühl die erfreuliche Latsache, daß der Nationalrat auch weiter von der offenen Nazipeft frei und die Spaltungsarbeit der Kommunisten selbst auf dem Boden traurigsten Maffenelends erfolglos bleibt. Die paar Heimwehrleute im Nationalrat merden nun praktisch ihre Arbeiterfreundlichkeit zu beweisen haben!
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Der Zusammenbruch des Nationalrats wird alsbald Klarheit über die weitere Entwicklung in unserem Bruderland schaffen. Gewissen Anschlußgegnern, die es nur außerhalb des deuifchen Sprachgebiets gibt, sei aber sehr empfohlen, darüber nach3udenten, ob Deutschösterreich überhaupt in diesen StarhembergZustand gekommen wäre, wenn man den Willen seiner ersten Ber fassung respektiert hätte, ein Glied der deutschen Republik zu sein! Weg mit der Heimwehrregierung!
Die maßen:
Die Regierung Baugoin- Starhenberg hat feine Mehr heit. Sie muß demissionieren. Bundeskanzler Baugoin ist in seinem Wiener Stimmbezirk durchgefallen. Auch die beiden Heimwehrminister haben in ihren Wahlbezirken tein Mandat erlangt und kommen nur durch das zweite Ermittlungsverfahren in das Barlament. Die Christlichsozialen haben eine schwere Niederlage crlitten. Sozialdemokraten sind es. Sie sind nicht mehr die stärkste Partei, sondern die
Die Heimwehrpolilif Seipels und Baugsins hat nicht den Sozialdemokraten gefchadet, sondern den Chriftlichsozialen. Das Bolf hat gegen die Heimwehrpolitik und gegen den Faschismus entschieden. Noch wichtiger ist, daß die Wahlen die Schwäche der Heimwehren enthüllt haben.
Die offiziellen Hitler Leute haben einen relativ starten Geit Jahren hat man von der unwiderstehlichen Volksbewegung" Stinnenzuwachs zu verzeichnen, doch nirgends ein Grundmandat erhalten. Ihre Stimmen sind infolgedessen verloren gegangen.
Die Kommunisten haben froß der Arbeitslosigkeit nur wenig mehr Stimmen als 1927 bekommen und erhalten ein Mandat ebensowenig, wie die Wiener Splitterparteien, Zionisten, Demokraten und Aufwertler.
Mit dem altgewohnten Mittel der Verleumdung, in der neueren ,, antimarristischen" Berkleidung des Arbeiterhasses haben die Führer des Ausbeutertums und seine Göldlinge die Burg des roten Wien berannt. Mit brutalstem Terror haben sie draußen auf dem Lande, besonders im nordsteiermärkischen Industriegebiet Arbeiter in die Faschistenarmee gepreßt. Bösartige Schifanierung der sozialdemofratisch gesinnten Wehrmänner, Aufnahme nur solcher Bewerber in das Heer, die vom Pfarrer und anderen christlichsozialen Parteistellen empfohlen sind das sind die Waffen, mit denen Herr Baugo in feit zehn Jahren die Wehrmacht zu einer Schuhtruppe reaktionären Butschistentums machen will. Das Elend der Zehntausende aus gesteuerter Arbeitsloser sollte den Kommunisten den Steigbügel halten. Nazimethoden sind zu bekannt, als daß ihre Anwendung in Deutschösterreich noch erläutert werden müßte.
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Die ganze Meute hat sich die Zähne ausgebissen. Noch stärker als bisher steht die Sozialdemokratie da. Selbst der schamlose Mißbrauch der Staatsgemalt durch die feine Kumpane! Seipel- Starhemberg- Baugoin zum Wahltrick der Aufdeckung margistischer Waffenlager", die in Wirklichkeit staatliche Waffen bestände in gemeinfomem Barteien- Gemahriam oder gefeglich er
Amsterdam , 10. November. Das Flugschiff Do X ift 10.05 Uhr aufgeffiegen und hat Amfterdam verlaffen. Kurz vor 10.30 Uhr überflog es die Zuiderfee.
3n Weißensee brennt Holzschwellenlager. In der Nacht zum Sonntag war die Berliner Feuerwehr in Reinickendorf und Weißenfee mit der Bekämpfung zweier Großfeuer stundenlang beschäftigt.
Gegen 3 Uhr brannte es in dem einstöckigen Lagergebäude der
der Heimwehr gesprochen und von Millionen Heimwehrleuten gefaselt Seit drei Jahren haben die Heimwehren Desterreich terrori fiert. Heute sieht man, wie wenig hinter den Heimwehren stedt und daß nur wenige Prozent des österreichischen Volkes für den Faschismus gestimmt haben. Von einer fleinen Minderheit wird sich das Bolt nicht terrorisieren [ affen.
Der Schober- Block hat aus eigener Kraft diesmal 19 Mandate erlangt. Während die Großdeutschen früher nur durch die Hilfe der Chriftlichsozialen in das Parlament tamen, hat jetzt der SchoberBlod 19 Mandate bekommen,
denn das Bürgerfum sieht die Führung Schobers als Bürgschaft gegen faschistisches Abenteurertum an.
Seit Jahren hat das Bürgertum die Politik des Antimargismus betrieben. Mit Unternehmerterror, mit Zeitungstonfistationen, mit Waffenfuchen und mit Drohungen hat man unsere Wähler einzuschüchtern versucht. Aber nicht geschwächt, sondern ge stärft zieht die Sozialdemokratie in das Parlament als stärkste Bartei ein. Das ist der vollständige Bankrott der Politik des Antimargismus. Wenn wir einige tausend Stimmen weniger bekommen haben, so find das die Stimmen der Arbeiter, die infolge der Be triebseinstellungen auswandern mußten. Glänzend hat sich das rote Wien gehalten, wo wir selbst in den bürgerlichen Bezirken die stärkste Partei sind. Aber auch in den Terrorgebieten der Alpine haben wir unsere Stellungen behauptet. Die Ohn= zialdemokratie ist dargetan.
macht des Antimargismus gegen die unbezwingbare Kraft der So
Das Biener Ergebnis.
Das Gesamtresultat in Wien lautet: Gültige Stimmen 1192 674( legte Wahl 1 163 440); davon er
hielten:
Sozialdemokraten 703 421( 1927 693 621),
Christlichsoziale 282 882,
Heimatblod 26 377
Schober- Blod 124 376,
Nazis 27 544( 7248),
Kommunisten 10 591( 7521),
Aufmertler 8419(-),
Demokraten 6719( 15 112),
Zionisten 2134( 10 845).
( Einheitsliste 423 650)
Von den Wiener Mandaten haben die Sozialdemokraten 30 ( 29), die Chriftlichsozialen 11( 14), Schober- Block 4( 2).
Bundeskanzler, Baugoin war vorsichtshalber in drei Wahlfreisen aufgestellt, ist aber in seinem Wiener. Stammmah(= freis, wo er an zweiter Stelle hinter Kunschafp kandidierte, durchgefallen. Minutenlanger Jubel von 20 000 Menschen, die vor dem Parteihaus auf die Ergebnisse warteten, begrüßte diese Nachricht. In den beiden anderen Kreisen, wo er Spitzenkandidat war, ist Bangoin gewählt.
Starhemberg ist in seinem Heimatrahlkreis Oberösterreich durchgefallen, ebenso Steidle in Tirol. Beide erhalten nur Reststimmenmandate.
Trotzdem bedeutet das gestrige Resultat für die Heimwehr eine Niederlage. Der Rimbus der Boltsbewegung", mit dem fich die Hahnenschwänzler umgeben hatten, ist verflogen. Es ist nunmehr erwiesen, daß sie
nur einen Bruchteil des Boltes hinter sich haben. In Wien haben feine 5 Proz. Starhemberg Gefolgschaft geleistet. Im obersteirischen Hüttenzentrum Donamiß, wo die Heimwehr 6000 Mitglieder zählt, hat sie nur 2700 Stimmen erhalten, während 3300 diejer 3wangsmitglieder bei der geheimen Wahl ihre Stimmen der Sozialdemokratieigegeben haben müffen, die mit etwa 5300 Stimmen die absolute Mehrheit in Donawit behauptet hat..
Heberaus bezeichnend ist es, daß in der Wiener AlbrechtsStimmenmehrheit der Soldaten für die Sozial=
Möbeljabrit von Kernte in der Hauptstraße 13 in Reinickendorf. faserne, in der fein Sozialdemokrat mehr Vertrauensmann ist, die
Die Gefahr wurde erst bemerkt, als das etwa 400 Quadratmeter große Gebäude in fast ganzer Ausdehnung bereits lichterloh brannte. Die Flammen fanden an fertigen Möbeln und Holzvorräten reiche Nahrung und griffen auf eine angrenzende Maschinenanlage über. Das Feuer wurde unter Leitung des Oberbranddirektors Gempp aus sieben starken Schlauchleitungen bekämpft. Nach angestrengten Bemühungen gelang es den Wehren, gegen 6 Uhr des Feuers Herr zu werden. Der Schaden ist sehr groß.
Bon dem zweiten Großfeuer wurde eine Firma für Feldbahnbedarf in der Franz- Joseph- Straße in Beißensee beimgesucht. Größere Vorräte von Holzschwellen und Teile einer Halle fielen den Flammen zum Opfer.
demokratie war!
Präfident Hoover erklärte fich bereit, in der Dezember Session des Bundeskongresses größere Silfsfonds für die Arbeitslosen anzufordern. Diese Hilfsfonds, deren Höhe noch unbe stimmt ist, sollen zur Ausführung der Bauprogramme dienen. Das Kriegssekretariat ordnete gleichzeitig die Ausgabe von Armee betten und Deden an bedürftige Arbeitslose an.