Nr 529* 47. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 11. November 1930
Die bekannten Nationalökonomen Professor Heinrich H er k ner- Berlin, Professor Christian Eckert- Köln und Professor Götz Brief- Berlin haben unter Bezugnahme auf die dem Reichstag vorliegenden wirtschaftspolitischen Anträge der Nationalsozialistischen Partei die folgende Offene Anfrage an die national- sozialistische Re i chs ta g sfra k ti o n gerichtet: l. Brechung der Zinsknechtschaft durch Einschränkung des Zinsfußes auf 4 Proz. zuzüglich einer Amortisationsrate von 1 Proz., Tilgung der Schuld nach spätestens SV Jahren. Die Begrenzung des Zinsfußes auf 4 Proz. würde die S p a r- kafsen, Banken ufm. zwingen, höchstens iVi Proz. auf Einlagen zu vergüten, da ja die Kosten der Verwaltung und Risikoprämien nicht vernachläffigt werden dürfen. Wodurch soll nun oermieden werden, daß die Ein- kommen der kleinen Sparer und der Rentner zugunsten der Schuldner— unter denen sich ja auch große Unternehmer befinden — konfisziert werden? Wodurch soll es verhindert werden, daß bei einer Begrenzung des Zinsfußes auf 4 Proz. die Lebensversicherungsanstalten genötigt werden, ihre Tarife zu ändern und die den Bersicherten versprochenen Renten vielleicht bis zu 50 Proz. zu kürzen? Wie soll die Schmälerung der Finanzkrast unserer Sozial- Versicherungsinstitut«, soweit sie aus Zinseinnahmen ruht, ausgeglichen werden? Wie wäre es zu vermeiden daß künftighin nicht jeder Gewerbetreibende und Kaufmann auf Grund semer Vertrauenswürdigkeit und seines Geschäftsganges bei einem Geld- institut Kredit finden würde, sondern daß er— bei der raschen Steigerung der Kreditnachfrage infolge Senkung des Zinsfußes— von der Gnade oder der Wohlmeinung des Geldgebers völlig abhängig wäre? Soll dieser Zinssatz von 4 Proz. auch gegenüber Auslands- onleihen gelten? Sollen all« laufenden Auslandsanleihen ge- kündigt und auf 4 Proz. konvertiert werden, und welche Maß- nahmen sind vorgesehen, wenn die Gläubiger Rückzahlung des dar- geliehenen Kapitals vorziehen? Soll das Gesetz nur gegenüber deutschen Gläubigern, also deutschen Sparern gelten, nicht ober gegenüber ausländischen? Welche Mittel sind in diesem Falle in Aussicht genommen, um die Abwanderung deutschen Kapitals ins Ausland zum Zweck der Erzielung einer höheren Verzinsung— eventuell in
der Form ausländischer Anleihen in Deutschland selbst—. zu verhindern? Wie soll den Wirkungen einer solchen Kapitalflucht be- gegnet werden, die um so größer sein müßte, als dieser Umweg dem deutschen Sparer— auch dem kleinsten— nicht nur größere Sicherheit, sondern auch weit höhere Verzinsung bringen würde, während gegenwärtig der hohe Zins in Deutschland das Geld im Laiche hält? 2. verbot des Lörsenhandels mit Effekten. Wie soll bei einem Verbot des Börsenhandels die Gründung neuer Aktiengesellschaften, die Auflegung neuer Aktien bei bestehenden Gesellschaften, d. h. die Geldbeschaffung für d i« I n d u st r i e in den modernen Rechtsformen ermöglicht werden? Wie soll verhindert werden, daß die ausländischen Börsen weiter deutsche Aktien handeln und so die deutschen Aktienbesitzer an sich ziehen? Oder wie sollen die noch größeren Schäden abgewehrt werden, die daraus entstehen könnten, daß die ausländischen Börsen die deutschen Aktien von ihrem Kurszettel streichen? Wie soll verhindert werden, daß die deutschen Sparer, welch« ihr Vermögen in Aktien angelegt haben, durch Einstellung des Börsenhandels gezwungen wären, im Falle einer Notlag« ihren Aktienbesitz mit großen Verlusten an Winkelspekulanten abzustoßen? Wodurch sollen die Schäden von der deutschen Industrie abgewehrt werden, welche die Folge einer Zerstörung ihrer komplizierten Verflechtung mit dem Kapitalmarkt wären? Wie sollte dieser Kapitalmarkt ohne den börsenmäßigen Effektenhandel funktio- nieven? Wie könnte der vermehrten Arbeitslosigkeit gesteuert werden, die iin Zuge schwieriger Kapitalbeschaffung unvermeidlich wäre? Da wir nicht daran zweifeln, daß die Wirtschafts- und Finanz- sachverständigen der Nationalsozialistischen Partei in reislicher Ueberlegung aller Konsequenzen ihrer Anträge auch die Mittel und Wege vor Augen haben, um diese unseres Erachtens notwendig eintretenden lebensgefährlichen Schädigungen der gesamten Volks- Wirtschaft abzuwehren, würden wir es im Interesse der Oeffentlich- teit für sehr wünschenswert holten, wenn diese Fragen alsbald von den zuständigen Wortführern der Nationalsozialistischen Partei geklärt würden.
Immer mehr sächsisch« Städte und Gemeinden werden durch Stillegungen großer Werke, welche meist jahrzehnte- lang Arbeitern und Angestellten Brot und Verdienst gegeben habe», finanziell und wirtschaftlich ruiniert. Erinnert sei nur an Freiberg mit seinem ehemals blühenden Silberbergbau, Glashütte mit der weltbekannten Uhren- und Radeberger Glasindustrie. Seit Ansang lgZv kämpft die Stadt Freital um die Erhaltung des größten Werkes im Plauenschen Grunde, der Sächsischen Gußstahlwerke Döhlen A..G. Dieses michcrn ausgebaute Werk, welches noch im Frühjahr 1930 2400 Arbeiter und 270 Angestellte befchäftigt«, soll nach dem Willen eines Konsortiums des Westens stillgelegt werden, ob- wohl der Präsident der Industrie- und Handelskammer Dresden erst kürzlich— gestützt auf sachverständige Gutachten— die Lebensfähigkeit des Unternehmens bezeugte! Die Hintergründe der umkämpften Stillegung hat das„Magazin der Wirtschaft"(6. Jahrgang. Nr. 1) zusammenfassend in einem Aufsatz„Eisenindustriellc Planwirtschaft bis 1930" dargestellt. Der Kernpunkt jener Darlegunzen ist der Satz:„Durch den Neuaufbau der deutschen Eisenverbände werden die letzten Reste freien Wettbewerbs innerhalb der deutschen Eisenwirt- schast ausgeräumt. Die Quztendiffcrenzen zwischen den Syndikats- Mitgliedern sind bereinigt, die bisher noch bestehenden Außenseiter in die Verbände einbezogen." Also: der Auß-ensciter„Gußstahlwerk" soll durch die Stillegung der Kartell- und Syndikatspolitik der deutschen Eisen- industrie zum Opfer fallen. Quotenforderungen und Kartellplan- Wirtschaft sind die einzigen Gründe dafür,«in bedeutendes sächsisches Industrievolt stillzulegen, damit den sächsischen Arbeits markt weiter schwer zu belasten und den leidtragenden Gemeinben neue gewaltig« Fürsorgelasten aufzubürden. Dabei entfallen nach den amtlichen Zahlen auf 1000 Einwohner am 15. August 1930 im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen 40,7, Rheinland 48,0, in Sachsen aber 81,1 Arbeitslose! Am 15. August 4930 wurden im Bezirk Westfalen auf 1000 Einwohner 3,8, Rhein- land 7,6, in Sachsen aber 16.7 Hauptunterstützungsempfänger in der Krijenfürsorge gezählt! Aus der statistischen Vellage des Reichsarbeitsblattes geht hervor, daß am 31. Juli 1930 vom Bezirk Westfalen 8,1, Rheinland 12,2, in Sachsen aber 6.6 Arbeitslos« erfaßt wurden, die weder Arbeitslosen- noch Kriscnunterstützung erhielten. Der Fall Döhlen ist ein neuer Beweis für die grundlegende strukturelle Umgestaltung des Industrielandes
Sachsen infolge der rücksichtslosen Produktionspolitik der Kartell- interessenten, bedeutet also neues schweres Unheil für die sächsische Wirtschaft und den sächsischen Arbeiksmarkk. Die Folgen einer Kaxtell-Syndikatspolitik, welche die Produktion und die Erhaltung von Produktionsstätten ausschließlich vom geschäftlichen Standpunkte aus betrachtet, sind für die sächsische Wirtschaft und die sächsischen Gemeinden über- aus verhängnisvoll. Die Gemeinden sind durch wachsende Fürsorgelasten, insbesondere für Wohlfahrtserwerbslosc und Krifcnunter stützte, überlastet. Auch die neuen Steuer- einnahmen auf Grund der Notverordnung sind ein durchaus unzu- reichender Ersatz für diese Ayfwcndungen. Bei den riesigen Schwierig- keilen, welche heute besonders die sächsischen Gemeinden bei der Aufstellung und Durchführung ihrer Haushaltspläne zu über- winden haben, muß jede Neubelastung der kommunalen Etats ver- mieden werden, um die Za h l u n g s s ä h i g k e i t sicherzustellen. Aber auch aus staatspolitischen Gründen muß alles daran gesetzt werden, dem Industrieland Sachsen weitere Betriebs- stillegungen zu ersparen. Eine der üblen volkswirtschaftlichen Folgen der Stillegung der Gußstahlwerk« ist z. B. die, daß die F e r t i g w o r e n i n d u st r i e Sachsens gezwungen wird, an Stelle billigen Döhlencr Oualitätsstahls Stahl von auswärts zu beziehen und dafür höhere Kosten aufzuwenden. Duhende angesehene sächsische Firmen (u. a. Seidel u. Naumann, Schnellpressenfabrik, Dolze u. Slotta, Hillewerke, Aulosabrik Nacke, Wanderer-Werke, Ble'chert u. Co., Zschopauer Motorenwerke) würden gezwungen sein, chren Rohstahl von auswärts zu höheren Preisen zu beziehen. Auf die Verarmung auch der Kreise des Handels und Gewerbes im Plauenschen Grunde durch das Ausbleiben kaufkräftiger Kunden sei nur kurz hingewiesen. Ilm das Guß st ahlwerk Döhlen in Betrieb zu halten, ist die Sicherung des Schienenkontingents für Döhlen notwendig. Der deswegen geführte Kampf ist noch nicht beendet. Das Wirtschaftsmtnisterium vertritt— in Uebereinstimmung mit sämtlichen beteiligten Stellen— die Auffassung, daß auf Grund von § 23 des Staatsvertroges dos Sächfen zustehende Schienen- k o n t i n g c n t auch in Sachsen bleibt. Der Stahlwertoverband erstrebt, nachdem die Absicht der völligen Stillegung des Werkes Döhlen mit Erfolg durchkreuzt
worden ist— einen Austausch der Schienenquote gegen Ersatz- aufträge. Gegen diese neuerlichen Bestrebungen, die großen Aufträge an Eisenbahnoberbaumaterial auszuwechseln mit unbestimmten, vielleicht schon nach kurzer Zeit ganz ausfallenden Privatausträgen, muß Stellung genommen werden. Hoffentlich führen die von dem Wirt- schaftsministerium geleiteten Verhandlungen zu dem Ergebnis, daß das Gußstahlwerk dem Land Sachsen erhalten bleibt.
Entlastete Reichsbank. Rückkehr zu normalen Verhältnissen. Der Ausweis der Reichsbank vom 7. November läßt einen sehr starken Geldrückfluß in der ersten Novemberwoche erkennen. Di« gesamte Kapitalanlage der Zentralnotenbank ging um 362,0 auf 2382,5 Millionen Mark zurück, wobei die Be- stände an Handelswechseln ein« Verringerung um 167,1 auf 2133,7 Millionen Mark und die Lombard bestände einen Ab- bau um 216,5 auf 101,2 Millionen Mark erfuhren. Trotz dieser starten Lombardabdeckungen, die eine Lockerung des Geldmarktes in der ersten Novemberwoche verhinderten, muß der Bestand von 101,2 Millionen jedoch noch als außergewöhnlich hoch an- gesehen werden. Auch der Wechselbestand hat noch nicht die er- wartete Entlastung gesunden und bleibt in Anbetracht des geringen wirtschaftlichen Beschäftigungsgrades hoch. Diese Totsache kommt auch in einem weiteren Devisen- Zugang zum Ausdruck. Der Posten„deckungsfähige Devisen", der schon in der vorhergehenden Woche um fast 36 Millionen zuge- nommen hatte, weist in der Berichtswoche einen Zugang um 20,7 Millionen Mark auf. Der Abzug von Giroguthaben, der mit dein Abbau der Lombardbestände zusammenhängt, hat zu einen, weiteren Rückgang des fremden Geldes um 69,4 auf 313,7 Millionen Mark geführt. An Reichsbanknoten und Rentenbankscheinen zusammen flössen in der Berichtswoche 333,2 Millionen Mark in die Kassen der Reichsbank zurück. Der Umlauf an Reichsbanknaten hat sich um 301,8 auf 4372,9 Millionen und derjenige an Rentenbankscheinen um 31,4 aus 407,0 Millionen Mark verringert. Die Bestände an Gold und deckungsfähigen Devisen sind um 20,5 auf 2399,2 Millionen g e st i e g e n. Im einzelnen ging der Goldbestand um 200 000 Mark auf 2180 Millionen Mark zurück, währen» ein Devisenzufluß von 20,7 auf 219,2 Millionen Mark zu verzeichnen war. Die Deckung der Roten durch Gold allein stieg von 46,6 auf 49,9 Proz. und diejenige durch Gold und deckungs- fähige Devisen von 50,9 auf 54.9 Proz.
Südafrikanischer Mitlionenauftrag. Deutsche Maschinenbau A-<S. baut afrikanische Stahlwerke. Die Deutsche Maschinenbau A.-G. in Duisburg hat gegen schärfste internationale Konkurrenz den Auftrag, für die maschinelle Einrichtung südafrikanischer Stahlwerke erhalten. Der Auftrag, der bis zum Jahre 1932 durchzuführen ist, hat einen Wert von 17 Millionen Mark. Di« nunmehr durchgeführte Austragsvergebung für den Baus und die maschinelle Einrichtung von Hüttenwerken in Südafrika zeigt, daß die Südafrikanische Union jetzt allen Ernstes daran geht, ihr« großen Eisenerzläger in der Gegend von Pretoria auszubeuten und sich eine eigene Stahlbasis im Lande zu verschaffen. Diese Entwicklung, die dem europäischen Maschinenbau größere Aufträge bringt, wird von der europäischen Eisenindustrie allerdings weniger angenehm empfunden werden, da die Südafrikanische linion infolge der Erschließung weiter Gcbietsftrecken durch Eisenbahnbauten bisher zu den besten Kunden von Schienen und anderem Eisenmaterial gehört«. Süddeutsche Kaufhäuser in Schwierigkeiien. Das Kaufhaus S. Wronker u. Co. in Ludwigshafen hat nach dem„Konfektionär" seine Zah fingen eingestellt. Die Per- bindlichkeiten des Unternehmens belaufen sich auf etwa 850 000 M., denen jedoch Aktiva von annähernd 800 000 M. gegenüberstehen. Di« tiefer« Ursache dieser Zahlungseinstellung ist darin zu suchen, daß dieses Kaufhaus sich bei den in den letzten Iahren durch- geführten großen Umbauten erheblich übernommen Hot. Diese Umbauten sollen allein 350 000 M. gekostet haben. Während die Forderungen bis zu 300 M. voll befriedigt werden sollen, wird den übrigen Gläubigern ein Vergleich von 70 Proz. vorgeschlagen. Auch das Warenhaus Wronker u. Co. in Offenbach am Main hat feine Zahlungen überraschend«ingestellt. Ueber die Höhe der Verbindlichkeiten und den Stand der Aktiven bei diesen: Unternehmen sind noch kein« Einzelheiten bekannt. Di« Hermann Wronker A.-G. in Frankfurt a. M. steht mit diesen Zahlungs- einstellungen nicht in Verbindung
Neuer verlustabschluß bei der Sauerbrey-Waschineusabrik. Ein Umsatzrückgang von 10 Proz. ist bei der Sauerbrey. Maschinenfabrik A.-G. in Staßsurt eingetreten. Die Gesellschaft, die hauptsächlich Maschinen und Apparat« für den Kali- bergbau herstellt, hat also von der anhaltend guten Kalikoniunttur nicht profitiert. Der Betriebsverlust stellt sich 1929/30 auf rund 85 500 Mark, so daß sich der Gesamtoerlust auf 828 000 Mark, also auf mehr als ein Biertcl des Aktivkapitals erhöht. Stillgelegte Papierfabrik bei Hirschberg wieder erössuel. Die im Riesengebirge gelegene Schlesische Zellulosen- und Papierfabriken W-G. bei Hirfchberg wird chren vor einiger Zeit wegen Auftragsmangel stillgelegten Betrieb wieder aufnehmen. Zunächst wird nur die Papierfabrikativn wieder ausgenommen, während die Zellulosesabrikation voraussichtlich erst im Dezember wieder einsetzt. Die Bctriebserösfnung bat zunächst die R c u e i n- stellung von etwa 100 Arbeitern zur Folge. �
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