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Der aufsteigende Chinakapitalismus Lmile Vandervelde; Die Wirren i�es Bürgerkrieges
Schanghai  , im Oktober.(Eigenbericht.) Der Zeitungsleser, ter die verworrenen, sich widersprechenden Nachrichten aus China   in den europäischen Zeitungen liest, wird sicherlich der Meinung sein, daß es ein leichtes sei. sich an Ort und Stelle in Schanghai nächst Kanton die größte Stadt Chinas  , und eine der chochburgen des Imperialismus zuverlässig über die Lage der Dinge zu unterrichten. Ein schwerer Irrtum. Das Dunkel des Krieges, das 1914 bis 1915 über Europa   lag, war nicht«ntsernt so undurchsichtig wie jetzt beim Bürgerkrieg in China  , szeute gibt es in Schanghai   über 199 Zeitungen, die in chinesischer Sprache erscheinen, gegen nur eine noch vor wenigen Jahrzehnten. Außer- dem gibt es noc!? ,chas Journal von Schanghai", dannThe China Preß" und andere teils chinesische, teils ausländische Zeitungen in englischer Sprach«. Liest man die einen und läßt man sich die anderen übersetzen, so wird man sehr bald zu der Ueberzeugung kommen, daß die Zensur, die Tschang-Kai- Schek ausübt, in nichts derjenigen Akillerands mährend seiner Zeit als krlegsminister nachsteht. Folgendes war beispielsweise imJournal von Schanghai" am 2. Oktober zu lesen:Gegenwärtig sind wir in allem auf bloße Vermutungen angewiesen. Außer den offiziellen Commu- niquez, die wir wie das ersehnte Manna ausnehmen, erfahren und wissen wir gar nichts, chatten alle Chinesen dieselbe Bildung ge- nassen wie wir, so würden sie sich kaum über den Ausgang des Bürgerkrieges beunruhigen, aber unglücklicherweise manche wieder jagen glücklicherweise haben fast alle«ine andere Erziehung als wir gehabt und sind viel neugieriger als wir. Sie sind der S i e g e s- Nachricht satt, d:e die chinesischen   Zeitungen täglich veröffent- lichen und verlangen zuverlässig eresMaterial als es diese Meldungen sind, die vielleicht ün Augenblick ihres Erscheinens der Wahrheit entsprechen, am nächsten Tag« aber schon wieder falsch sind.. Zu der Zeit, wo ich diese Zeilen schreibe, ist dieser Artikel fünf Tage alt. Es scheint, als ob gegenwärtig, wenigstens aus kurze Sicht, die Lage sich etwas geklärt hat. Der Außenminister Wang teilte uns gestern mit, daß die Truppen Tschang-Äai-Scheks mit der Einnahme von Kaisen, cm der Bahnlinie nach Lounghai, einen entscheidenden Erfolg davongetragen hätten. Jen, der Muster- gouverneur. hat sich in seine Provinz zurückgezogen. Inoffiziell wird mügcteilt, daß Feng, der christliche General, sich zum Studium der sozialen Frage nach Europa   begeben will und in den int«. nationalen Kreisen Schanghais glaubt man, wenn auch noch nicht an den Frieden, so doch an eine genügend lange Ruhepause, die für Nanking günstig wäre. Gesckäst wie gewöhnlich. Man täte unrecht, anzunehmen, daß dieser endlose Bürgerkrieg, oder besser gesagt, diese endlosen Bürgerkrieg« in China   die gleichen verhängnisvollen Folgen hätten, wie es in Europa   der Fall wäre. Gewiß leidet die unglückliche Bevölkerung, auf deren Boden die Generäle ihre Schlachten ausfecksten, unsagbar. Man muß nur«in- mal die Berichte gelesen haben, die zum Beispiel dieRevue sranco- chinois" aus den Provinzen veröffentlicht, um sich ein Bild von dem grauenhasten Elend zu machen, das in manchen Provinzen herrscht.. Die Mandschurei   dagegen hat durchweg Wohlstand zu ver- zeichnen, mit Ausnahme der Bezirke, die unter den Ueberschwemmun- gen zu leiden hatten. Ein französischer Berichterstatter, der S ch« n s i aus ausgezeichneten Straßen im Autobus durchreist hatte, erklärte, daß Marschall Jen vielleicht kein besonders tüchtiger General, aus jeden Fall aber das Muster eines Gouverneurs sei. Ein so gut unterrichteter Beobachter wie Ta Schen, Professor an der Universität von Hawai  , erklärt in einem Aufsatz In derMonthly Labor Review" des otnerikanischm Arbeitsdeparements über die Arbeitsverhältnisse in China  , bah in den meisten Fällen die Kriege nur einen Konflikt zwischen zwei militärischen Gruppen darstellten, der die Bevölkerung an sich gar nicht interessierte. Die große Masse geht ihrem Tagewerk wje gewöhnlich nack), in den Fabriken, Geschäften und Handelshäusern wird gearbeitet, soweit sie nicht direkt in der Kriegszone liegen. Sic leiden natürlich indirekt auch unter dem Einfluß des Krieges, aber es ist trotzdem ein« Tat- fache, daß trotz der unsicheren politischen Lage die moderne Industrie beträchtlich an Ausdehnung gewinnt. Di« Bereinigung der Pächter, die von den Besitzern unerhört ausgebeutet wurden, und die Gewerkschaften wachsen ständig und in demselben Maße wie die Fabritarbeit vordringt, gehen die alten Handwerkergi'den zurück. Ich gebe hier nur in groben Umrissen die Richtung der Entwicklung wieder. Der Aufsatz von Ta Schen enthält hierüber eingehende Mit- teilungen und genaue Daten von größtem Interesse. China   erobert sich Schanghai   zurück. Nirgendwo kann man die Entwicklung des junge» China   besser beobachten als in Schanghai  . Im Jahre 1845 zur Zeit der eng- tischen und französischen   Konzessionen noch ein elender Platz dritten Grades, ist Schanghai   heute der sechst größte Hafen der Welt, unmittelbar hinter Antwerpen  , Rotterdam   und Hamburg  . Die Bevölkerung wächst rapide und erreicht nahezu 3 Millionen (2 999 999 nach der neuesten chinesischen   Statistik, die allerdings wie immer in China   nur annähernde Schätzungen darstelli). Es gibt! wohl kaum einen Ort der Erde, wo man so unwiderstehlich an de» bekannten FilmMetropolis" eriiinert wird, mit seinen schreiende» Gegensätzen zwischen dem üppigsten Wohlleben und dem tiefsten Elend. Das ist natürlich auch in Europa   mohibetannt, aber was man nicht so gut weiß, ist die beherrschend« Roll«, die die Chinesen selbst bei dieser Entwicklung spielen. Das entscheidende Merkmal der letzten Jahre ist, daß China   die Gebiete wirtschaftlich wiedererobert, die es einst den Fremden Hai überlassen müssen. InGroß-Schanghai" nimmt das französische   Pachigebiet und dos internationale Gebiet, das die Engländer mehr und mehr mit den Amerikanern teilen müssen, den größten Teil der bebauten Fläche ein. In diesem Gemisch leben, die Settlements«inbegriffen, etwa 15 000 Japan  «. 15000 Europäer und etwa ebensoviel Russen; Flüchtling«, die nach der Revolution hierher gekommen sind und die im Gegensatz zu den meisten anderen Europäern meist nur arme Schlucker sind und nur dem chinesischen   Straßenhandel Konkurrenz machen. Man wird annehmen, daß diese gegenüber den 3 Millionen Chinesen verschwindend« Minderheit den größten Teil- des Reichtums und der in den verschiedenen Unternehmungen investierten Kapitalien besitzt, und daß zu ihrem Schutz gegen dl« enterbten und verhungerten Massen und den grollenden Zorn Chinas   alle die Geschwader von fremden Kriegsschiffen auf dem Whampo liegen, französische, englische und amerikanische. Diese in Europa   allgemein verbreitete Ansicht entspricht jedoch immer weniger den Tatsachen. Gegenwärtig bc-
finden sich, so«klärte mir ein Herr vom Credit soncier, nahezu 99 Proz. des immobilen Besitzes in chinesischen   Händen. Zwar sind in den letzten Iahren eine Anzahl Fabriken mit chinesischer Arbeiterschaft unter europäischer oder japanischer Leitung errichtet worden, aber die Zahl der rein chinesischen   Unternehmungen wächst rapide mit der zunehmenden Arbeit, deren Bedingungen übrigens geradezu trostlos sind. Wenn die Re- gierung von Nanking  , in der die Familie des Reformators Sun- jatsens so wettgehend vertreten ist, noch dem Prinzip desExistenz- Minimums" treu bleiben will, so ist es Zeit, allerhöchste Zell  , daß, beispielsweise zum Schutz der Kinder Arbeitsbestimmungen erlasien
werden, die nicht nur auf dem Papier stehen oder zum Schein existieren. Aber das ist wieder ein anderes Kapitel und überdies würden sich die im internationalen Gebiet ansässigen Japaner einer solchen Maßnahme unbedingt widersetzen. Tatsache ist und bleibt aber, daß die Chinesen, die bisher völlig in den Hiniergrund gedrängt waren, jetzt Herren zwar nicht der wenig entwickelten Industrie, wohl aber des Handels sind, sowohl des Groß- als des Klein- Handels. Noch 1925 erklärt Sunjatsen  , daß es in China   keine Reichen gäbe, sondern nur mehr oder weniger Arme. Das gilt auch im großen und ganzen heut? noch, wenn man China   als Ganzes betrachet. Zum mindesten aber kommt man für Schanghai   zu dem Schluß, daß im neuen China   der Kapilalismus in immer geringerem Maße das Monopol ders r e m d e n Teufel" bildet, wenn man durch die großen Warenhäuser einkaufen fährt, und sieht, wie in dem fran- zösischen Gebiet ganze chinesische   Städte wie Pilze aus der Erde schießen, und wenn man in der Handelskammer den dicken chinesischen  Äaufleulen begegnet, in seidenen Gewändern, mit satten, zufrieden lächelnden Gesichtern, meist englisch sprechend wie Amerikaner und dabei von einer gesässiftlichen Tüchtigkeit, Verschlagenheit und Wage- mut wie kaum ein anderes Boll auf Erden.
Die Aufgaben der Etädiischen Oper Ensemblebildung, soziale pflichten, Morgenfeiern
Wie wir in der heutigen Morgennummer bereits mitteilten, ist Dr. Kurt Singer, der frühere vortrefflich« Musikkritiker des Vorwärts", als Intendant mit der vorläufigen Leitung der Städtischen Oper betraut worden. Wir haben Dr. Singer gebeten, uns über seine nächsten Absichten und Pläne zu informieren, und haben darauf Mitteilungen erhalten, denen wir folgendes ent- nehmen: In dieser Spielzeit besteht noch vollkommen die Arbeitsgemein- schaff zwischen Staat und Stadt. Verhandlungen über die spätere Gestaltung aller Arbeitsgemeinschaftssragen oder Fragen der Inter  - essengemeinschast werden bald in die Wege geleitet werden. Hier werden Staat und Stadt ja sicher auch über das Probien: der sozialen kunskpslege zu einer Verständigung kommen. Ich persönlich habe jetzt in dem Moment, wo alles noch im Fluß ist, nur den einen Wunsch, in Ruhe arbeiten zu können, und bin voll und ganz mit der Aufgabe beschäftigt, das Repertoire für die kommenden Monate zu fixieren und dem dringenden Problem der Bildung eines einheitlichen Ensembles wester mein Augenmerk zuzuwenden. Dabei liegt mir natürlich das soziale Schicksql der einzelnen Mitglieder sowie der Gruppen, künstlerischer wie Arbeitergruppen, am Herzen. Ich will versuchen, bei der Behörde durchzusetzen, daß nicht nur die General  - proben für die Erwerbslosen offengehalten werden, wie es sa jetzt schon geschieht, sondern daß eventuell auch noch den, Vorbild anderer Bühnen an den Abenden Blähe für die Erwerbslosen zur Bersüguiig gestellt werden. DI« Einführung neuer Werke in Farn, von Morgenfeiern sind der Oeffentlich- keit ja schon bekanntgeworden. Ich will auch das noch weiter aus- bauen, denke sogar daran, später gelegentlich kleine klassische Werte, Spielopern, vergesse,»« Werke alter Zest, an Sonntagvormittage» auch zur Aufführung zu bringen. Alles das hängt aber von der Genehmigung des Aufsichtsrates ab, dem ich diesbezügliche Bor  - schlage nwchen werde. Der allgemeinen Wirtschaftslage entsprechend wird natürlich auch die Etatsfrage eine große Rolle in den jetzigen und zukünftigen Dispositionen spielen. Also soll man von mir nicht verlangen, daß ich gar zu viel sage, weil ich nur sagen möchte, was ich unbedingt hallen kann.
Heber die Fin anzverhältnisse der Städtischen Oper erfahren wir aus dem Städtischen Nachrichtendienst folgendes: Ans dem Geschäftsbericht der Städtischen Oper A.-G. für das Jahr 1929 geht hervor, daß die Finanzverhällnisse der Oper mehr denn je von der Gestaltung der allgemeinen Wirtschastslage abhängig sind. Lei den Einnahme n ist ei» Rückgang im Tageskassenverkauf von 199 894 auf 149.Z verkaufie Karten festzustellen. Das bedeurct eine Verminderung gegenüber dem Borjahr um 12,25 Proz. Da- gegen konnte der Umsatz an S ta m m s> tz k a rt e i, fast aus der gleichen Hol)« gehalten werden; er betrug im Geschästsjahr 1928 287 348 Stanmisitzkarten gegen einen solche» von 286 991 in, Berichts­jahre. Dos bedeutet einen Rückgang von nur 9,44 Proz. Diese Tatsache ist um so erfreulicher, als infolge der Erhöhung der Anzahl der Dolksvorstellungen gegenüber den, Vorjahre von 25 mif 38 Vor- stellunge» etwa 2999 Abonnenten der Stammsitzmictvertrag auf- gekündigt werden mußte. Auch die Stabilität des Abonnements ist ein Beweis dafür, daß die angespannte Wirtschaftslage die eigentliche Ursach« für den Rückgang der Einnahmen aus dem Kartenumsatz und nicht ein vermindertes Interesse der Bevölkerung in der Oper ist. Eine dem Geschäftsbericht beigegebene Statistik läßt deutlich erkennen, daß eine Abwanderung von den teuren nach billigeren Plätzen stattgefunden hat. Der Einnahmerückgang gegenüber 1928 beträgt nur 48 636,36 Mark, d. h. 2,27 Proz.(2144 874,48 M. für 1928; 2 996 238,12 M. für 1929). Den finanziellen Ausgleich haben hier vor allem die besonderen Aufführungen(in, Reuen Palais in Potsdam   und die zwei Gastspiele der Mailänder Scala   und des Diaghileff-Balletts) gebracht. Die B e t r i e b s u n k o st e i, haben über die in den Stadt- Haushalt cingestelllen Zuschüsse in Höhe von zusammen 2 629 339 M. hinaus eine Steigerung von 128 999 M. auf insgesamt 2 757339 W. erfahren. Durch sparsamst« Bewirtschaftung insbesondere der für die sächlichen Ausgaben zur Verfügung stehenden Mistel konnte die Inanspruchnahme der nachbewilligten oben erwähnten 128 099 M. um 84 896,17 M., also auf 43 103B3 M. herabgemindert werden. Somit beträgt der endgültige Bedürfniszuschuß laut Ge- winn- und Verlustrechnung per 31. März 1939 2 672 433,83 M. Das ursprungliche Zuschußsoll 2 629 339 M. ist also um 1,6 Proz. überschritten worden. Im Berichtsjahr? ist der Spielplan um 11 Erstaufführungen und 2 Neueinstildierungen erweitert worden. Aon den 43 Werken, die im Lauf« des Jahres insgesamt aus- geführt wurden, entfallen 29 auf deutsche und 23 auf ausländische Komponisten.
Geld wie Heu." Neues Tbeaier am Zoo Daß eine Frau aus gerichtstechnischen Gründen ihren Mann tot sagt, passiert schon in Müller-SchlössersSchneider Wibbel". Und daß eine schwerhörig« alte Tonte immer alles falsch versteht und ihre Mißverständnisse den, Autor die Einfälle für den halben Theaterabend ersetzen, ist höchstensoch auf einer Schmiere dritten Ranges zulässig. Aus diesen beiden Geistesblitzen unter Hinzunahme einiger schon etrnas sehr oft bewährter Bühnentricks entstand das angeblich aus dem Englischen stammende LustspielGeld wie H e u", als dessen Verfasser der Theaterzettel Will Evans und Valentine nannte. Trotzdem zeigte sich das Publikum be- geistert, denn das Stück war bei dieser Aufführung im Neue» Theater am Zoo durchaus unwesentlich, Aufmachung und Darstellung waren alles. Die Musik hatte man als Dekorations- kunst mitverwandt: Peter Keuder und Leo Stein   haben nicht nur die eingefügten Chansons von Max Kolp« und Bert Reisfeld   vertont, sondern Iiuchstäblich mit Musik in die Kulisse hineingetuscht, und Dinge und Gesten und banale Gespräche kriegte,, ihre von Gott   weiß woher geholten Klangmottoe. Aus dieser fröhlich aufgelockerten Szene bewegten sich mit fröhlich ausgelockertem Körper Iren« Ambrus und Paul Heidcmann. dazu Else Böttcher, Ieisie Vihrog usw. uiro. Und man lachte aus vollen, Herzen Dxck. Mißglückter Versuch einerAeugestaltung GounodsMargarete" in der Lindenoper. Diese Faust-Opcr, unter dem NamenMargarete" auf der deutschen Bühne heimisch, hat nie den Anspruch erhaben, ein ..Musikdrama" zu fein. Für das Publikum der Pariser Großen Oper und nach seinem Geschmack war dies blond« Opern-Gretchen mll dem tragischen Schicksal, das die Librellisten Barbier und C a r r« in Goethes Dichtung fix und fertig vorgebildet fanden, gewiß eine rührend« und reizende Bllhnsnfigur, Aber Gaunads und Goethes Faust  ", die Oper und das Drama das sind für uns zwei Welten, und wir müssen diese vergessen, um als Hörer jener gerecht zu werden. Ein« Reihe von opernmäßig gestalteten Szenen und Lituationen, gebunden an den Verlauf einer Handlung, die jeder kennt, aber getrogen und gehoben von einer Musik, die in der
reichen Fülle echter Einfälle, in ihrer aufrichtigen Grundhaltung und in der vorbildlichen Sauberkeit der Arbeit noch nach siebzig Jahren ihr Daseinsrechj unzweiselhaft behauptet das ist für uns Gounods OperMargarete". Ihre Neueinstudierung tonnte Anlaß werden, das Bild der Aufführung von den Spuren schlechter Theater- gewohnheiten, die sich in zahllosen Wiederholungen des abgespielten Werkes eingebürgert haben, gründlich zu reinigen. Di« Neuinszenierung der Lindenoper, für die H ö r t h und Blech verantwortlich zeichnen, will just das Drama neu entdecken. | Dgrum wird der dramatische Tenor eines begabten inngen Sängers, F r i tz< W o l f f, gezwungen, die Grenzen seiner Eignung in einer Ausgabe bloßzustellen, deren lyrischer Stil ihm fremd ist; die Sopran- partie des Siebet, beliebteHosenrolle" des Soubrettenfaches, wird einem männlichen Darsteller übertragen und damit das klangliche Gesamtbild, für das die Verteilung der Stimmwerte entscheidend ist, peinlich verfälscht. Das Musikalische wird zurück-, das verincintliche Dramatisch« künstlich vorgedrängt sehr geschickt ist der berühmte Soldatenchor ganz in szenischen Borgang, der ihm unterlegt wird, umgesetzt. man möchte Goethe spielen, statt Gounod   zu singen. und der Erfolg: Man bringt die Oper um und die Unmöglichkeit dieses Faustdramas ans Licht. Das mißglückte Experiment der Erneuerung, in dem viel gute Arbeit augelegt ist, kommt für uns um«in Mens chei, alter zu spät; aber der unzeitgemäße Versuch, diese Oper in Drama zu ver- wandeln während im Gegenteil das heutige Operntheater sich grundsätzlich bemüht, die Irrtümer eines allzu unentwegten Wagner- Epigonentums zu korrigieren, der Versuch ist obendrein mit be- merkenswerter Inkonsequenz zu Ende geführt; die Aufführung steht im Zeichen der Unentschlossenheit und geistigen Halb- und Halbheit, die in diesem Opernhaus der ewigen Kompromisse und Konzessionen immer wieder zu spüren ist. Aus mißverstehender Werktreue wird aus der Portie des Valentin, für die die schönst« Stimme des Abends, der herrliche Bariton Herbert Ianssens, ausgeboten ist, das Gebet" entfernt das freilich nicht in der Originalpartitur steht, doch, situations- und stilgemäß«lngesügt, als gesangliche Glanznummer leinen Platz in der Oper gefunden hat; musikalisch belanglol� drama­turgisch entbehrlich? Dialoge werden wieder hergestellt. Aber au« Gott   weih welchen Gründen wird die populärst« Nummer der Partitur, die Arie Siebels gestrichen vielleicht nur, well sie gar so populär ist; aber im letzten Akt, in der Walpurgisnacht, wir nicht nur die elende Ballettimrsik wieder aufgenommen, die ci' Tarmstädter Hofkapellmeister hi.nzukomponiert hat, sondern vo