1930
Der Abend
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Nr. 538
B 268 47. Jahrgang
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& öln, 15. November.( Eigenbericht) Nachdem die Lohnverhandlungen in der Rheinschiffahrt gescheitert maren, haben die Rheinreeder ihrem Personal gekündigt. Wer ab 22, November für einen um 9,9 bis 23,25 Pro3. ver. schlechterten Cohn arbeiten will, muß dazu bis 21. November feine Zustimmung erklären. Wer sich weigert, gilt als entlassen und muß das Schiff verlassen.
Diese Drohung der Unternehmer verstößt gegen den Schiedsspruch des Reichsarbeitsminifteriums vom 4. November 1928, wonach bei Abbruch der direkten Parteiverhandlungen das Reichsarbeitsministerium verständigt werden mußte, zur Einsetzung eines Schlichters.
Die Reeder haben staff deffen sofortkampfmaßnahmen getroffen.
Das Personal wird jedoch eine Einzelverfräge ab schließen.
Wie wir nachträglich erfahren, haf der Kölner Schlichter die Barteien zu Berhandlungen geladen, die am Dienstag in Duisburg beginnen.
Neuer Vorstoß in der Holzindustrie.
Der Mantelvertrag von den Unternehmern gekündigt. Der Arbeitgeberverband der Deutschen Holzindustrie und des Holzgewerbes hat von seinem vertraglichen Recht Gebrauch gemach und den Mantelvertrag für das deutsche Holzgewerbe zum Ablauf am 15. Februar 1931 gefündigt. Dieser Vertrag erffredt fich auf 16 Bezirke; ihm unterstehen etwa 100000 Arbeilet.
Das zu dem Bertrage gehörige Cohnabkommen ist bereits am 1. August 1930 abgelaufen und nicht wieder erneuert worden. Ob es zu einer Erneuerung des Mantelvertrages fommt, ffeht dahin.
Die Organisationsverhältnisse bei den Unternehmern im deutschen Holzgewerbe find zur Zeit so verworren, daß nicht übersehen werden fann, ob ein zentraler Bertragsabschluß überhaupt noch möglich fein wird.
Her mit dem Achtstundentag!
Forderung der Berliner Eisenbahner.
Die Ortsgruppe Berlin des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands veranstaltete Freitagabend im Gewerf. f.haftshaus eine öffentliche Versammlung zum Proteft gegen die Haltung der Reichsbahnverwaltung.
Das Referat über die Arbeitszeitregelung aus dem neuen Reichss bahngesetz und die Kündigung der Arbeitszeitbestimmungen hielt der Genosse Neuendorf. Immer dringlicher, so führte er aus, werden die Forderungen der Schichtlohnempfänger auf eine Neuregelung der Arbeitszelt auf Grund des neuen Reichsbahngefehes.
Die Bertreter der Reichsbahnverwaltung verfuchen mit allen möglichen Mitteln zu begründen, daß sie auf die Anwendung der Diensttauervorschriften für das Betriebs- und Verkehrspersonal nicht verzichten könnten. Man geht sogar so weit, daß die auf größeren Güterböden beschäftigten Arbeiter und die mit der Fahrzeug: ausbesserung betrauten Arbeiter der Betriebswerkstätten, die unbe stritten unter die Gruppe B Anlage 2 des Reichsbahngesetzes fallen, bis zu 6 Stunden Ueberzeitarbeit
leisten sollen. In den bisherigen Verhandlungen über die Einbeziehung eines großen Teiles des gesamten Bahnhofsdienstes in die Gruppe B fam es zu scharfen Auseinandersehungen.
An der Arbeitszeitregelung sind auch die Bahnunterhaltungsarbeiter und die in der elektrischen Zug beförderung Beschäftigten interessiert. Der Widerstand und die Verschleppungsmanöver der Reichsbahnverwaltung haben die Tarifgewerkschaften veranlaßt, die Arbeitszeitparagraphen zu fün-. digen, um die Arbeitszeitverkürzung zu erzwingen.
Diefer Kampf fann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn der Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands in straffer Geschlossenheit zusammensteht.( Lebhafte Zustimmung, die fidy gegen törichte Zwischenrufe der fommunistischen Opposition durch setzt.) Neuendorf schloß: Die Stunde ist zu ernst, als daß wir uns felbft zerfleischen tönnen. Eine Zerflüftung der Eisenbahner würde Die Berwaltung ftüßen und ihr die Mittel geben, unsere Forderungen abzulehnen. Solidarität muß uns veranlassen, alles Trennende beiseite zu stellen und in geschlossener Front unseren Kampf, bei dem
mir mahrscheinlich die Schlichtungseinrichtungen anrufen müſſen, durchzuführen.
In der Diskussion traten einer tommunistisch- oppofitionellen Minderheit die Genossen Meez, Beischmidt, Neumann, Schulze, Krüger und Holz mit starten fachlichen Gründen entgegen. Beson. ders revolutionär" gebärdeten sich Lucas und Jörsch, ganz im Gegensatz zu ihrem Berhalten in der Dienststelle, wo sie als die größten Kriecher gelten. Die Bersammlung bewies, daß die arbeiter schädliche Opposition der Kommunisten fich im Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands nicht durchzusetzen vermag.
Lohnfonflikt in Englands Bergbau. Die Einführung der 7- Stunden- Schicht gefährdet. Um einen Abbau der Löhne für Bergarbeiter bei Einführung des neuen Kohlengefeges zu verhüten, hat Bergwertsminister Shinwell der englischen Regierung vorgeschlagen, die Inkraftfehung des Teiles 3 des Gesetzes vorläufig hinauszuschieben.
Der Teil 3 des Gesetzes sieht die Einführung des 7% Stundentages in den Gruben vor und sollte am 1. De3ember in Kraft treten. Da die Grubenbefiher fich entschieden weigern, einer Berkürzung der Arbeitszeit ohne Cohnherabjehung zuzuffimmen, haben die Bergarbeiter in Südwales den Bergwerksbesitzern mittellen laffen, daß sie es vorziehen, acht Stunden bei gleichbleibendem, als 7% Stunden bei verfürztem Cohn zu arbeiten.
Bei Annahme des Borschlages durch die Regierung müßte ein Sufahantrag zu dem Bergbaugesetz nachträglich im Parlament eingebracht werden. Der Bergarbeiterführer Cook erklärte, daß ein Streit von 650000 Bergarbeitern nicht zu vermeiden sei, falls die Regierung nicht bis zum 1. Dezember zugunsten der Bergarbeiter in den gegenwärtigen Lohnkonflikt bei den Grubenbesitzern interveniere. Die Grubenbefizer verlangen Cohnfürzungen, die zwischen 3 und 12 Schilling schwanken.
Das Fleischexperiment
Widerfinnige Verbilligungsmethoden"- Statt Fleisch„ Gutscheine"
Der Haushaltsausschuß des Reichstags hat| annimmt, daß 16 Millionen Menschen, die nach den Schätzungent am Freitag nach Ablehnung mehrerer Anträge auf Erleichte der Regierungspreffe Anteil an der Berbilligung haben würden, rung der Gefrierfleischeinfuhr einen fommuniffischen Antrag wöchentlid je ein Pfund verbilligtes Fleisch verzehren angenommen, wonach unter Gewährung von Reichszuschüffen würden, so würde sich bei einem Berbilligungsbetrag von 40 Pfennig Frischfleisch zum bisherigen Preis für zoll. pro Pfund immer erst eine Ausgabe von etwa der Hälfte jener freies Gefrierfleisch an alle Erwerbslojen, 650 Millionen ergeben. Sehr wahrscheinlich würde aber ein großes Fürsorgeberechtigten, Sozial- und klein. Teil der 16 Millionen Bersonen auf ihr Pfund Fleisch pro Woche renfner abgegeben werden soll. Die Mehrheit, die für verzichten, weil er entweder auch das verbilligte Fleisch nicht laufen den Antrag stimmte, bestand aus den Vertretern des Cand.cder, wie die Kinder, es nicht verzehren kann. Trotzdem hat die volt, des Christlichen Volksdienstes, der National. Regierungspreffe recht, wenn sie den Ausschußbeschluß anficht, freilich fozialisten, der kommunisten und der Sozial- in einem ganz anderen Sinne als sie meint. demokraten.
Die regierungstreue Presse rechnet aus, daß die Durchführung des Beschlusses 650 Millionen erfordern würde und erklärt, die Regierung dente nicht daran, dem Antrag zu entsprechen. Zunächst wird das Plenum des Reichstages zu dem Antrag noch Stellung zu nehmen haben. Dabei wird sich herausstellen, daß bei Berechnung der finanziellen Birkung des Antrages in alarmierender Abficht enorm übertrieben worden ist. Selbst wenn man
Frick in der Schupokaserne
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„ Ein Spitzelnest!"
Das ganze von der Regierung vorgeschlagene
Berfahren der Fleischverbilligung ist widersinnig
und paßt zu der großen Preisabbauaftion wie die Fauft aufs Auge. Sofort nach dem Sturz der Regierung Hermann Müller ist das 3011freie Gefrierfleischtontingent von 50 000 Tonnen aufgehoben worden. Ernährungsminister Schiele fündigte damals an, er werde der minderbemittelten Bevölkerung den bis herigen Fleischverbrauch auf einem auch den Bedürfnissen der Land wirtschaft gerecht werdenden Bege ermöglichen. Nachdem nun die legten Gefrierfleischvorräte verbraucht sind. will die Regierung die Berbilligung von Frischfleisch für bedürftige" Bersonen vermittels eines Gutscheinsystems durchführen mit der Wirkung, daß
alle 14 Tage pro Person ein Gutschein für 20 Pfennig ausgegeben würde. Die Regierung mill dafür 20 Millionen zur Ber fügung stellen, die aus den Erträgen der erhöhten Weizenzolle genommen werden sollen. Ganz abgesehen davon, daß das teine spürbare Berbilligung ist, bedingt dieses System eine Prüfung der Bedürftigkeit, eine Kontrolle der Gutscheinverwertung, eine Klassifie zierung der Fleischläufer und einen erheblichen Verwaltungsapparat.
Das alles ließe sich vermeiden, wenn die Regierungspartejen dem sozialdemokratischen Antrag zustimmen würden, daß schleunigst ein Gefeßentwurf vorzulegen sei, der entweder eitt zollfreies Gefrierfleischtontingent von 100 000 Tonen oder eine unbeschränkte Einfuhr von Gefrierfleisch zu einem von 45 auf 15 Mart ermäßigten Zollfaz vorfieht. Das gegen früher erhöhte Kontingent von 100 000 Tonnen wurde in Rücksicht auf die inzwischen start gestiegene Not vorgeschlagen.
Nicht nur von den Bertretern der Sozialdemokratie, auch vom Bolksparteiler Dr. Cremer wurde nachgewiesen, daß von der Zu laffung einer begrenzten Menge 3ollfreien Gefrierfleisches
die inländische Fleischerzeugung nicht berührt würde, weil die Menschen, die das Gefrierfleisch verzehren, nicht in der Lage find, Frischfleisch zu laufen. Es wäre also ein Widersinn, erhebliche Ausgaben zu Casten des Reiches zu machen, wenn man dasselbe Ziel viel vollkommener ohne diese Ausgabe erreichen könne. Da aber außer den volksparteilichen Vertretern die Regierungsparteien für diesen Gedankengang tein Verständnis hatten und der sozialdemokratische Antrag abgelehnt wurde, so wurde von der