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BERLIN Freitag 21. November 1930

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntag 3.

"

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B 272 47. Jahrgang

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Abenteuerfahrt über den Ozean

Bedenkliches Spiel mit Flugboot Do X Krisentagung der Landgemeinden

Der Probeflug des neuen Riesenflugzeuges ,, Do X" findet mit Recht Aufmerksamkeit in der Oeffentlichkeit. Daß der geplante Trans­ozcanflug aber mehr ein Abenteuer als eine ernste Unternehmung darstellt, darüber sendet uns der bekannte Flugfachmann Walter Binder die folgenden Betrachtungen, die geeignet sind, das größte Aufsehen zu erregen.

In diesen Wochen ist die Tagespresse aller Länder erfüllt mit ausführlichen Berichten über die ersten Küstenflüge unseres neuesten und größten Flugzeuges Do X". Zweifellos

Große internationale Kundgebung

Heute, Freitag, 19 Uhr

in der Autohalle am Kaiserdamm Redner: Fritz Adler , Sekretär der Sozialistischen Arbeiter. internationale; George Hicks, Abgeordneter des englischen Unterhauses, Generalsekretär des britischen Bauarbeiter. Verbandes und Mitglied der Exekutive des britischen Gewerk­schaftsbundes; G. E. Modigliani , Italien , ehemaliger Depu­tierter; Walter Schevenels, Sekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes; Otto Wels , Vorsitzender der SPD . Arbeiter, Angestellte, Beamte! Erscheint in Massen! Bekundet Euern Willen zum Kampf gegen den Faschismus! Der Bezirksvorstand.

stellen diese Versuchsfahrten eine wirkungsvolle Propaganda für deutschen Erfindergeist und deutsche Werkmanns­arbeit dar. Auch wer weiß, daß dies Flugzeug noch weit entfernt ist von der idealen Lösung des transozeani­schen Verkehrsmittels, wird sich dem imposanten Eindruck, den " Do X" auf den Fachmann ebenso wie auf den Laien macht, nicht " Do X" auf den Fachmann ebenso wie auf den Laien macht, nicht

entziehen können.

Bie aber ist es zu erklären, daß man den Do X entgegen allen früheren Angaben und offenbar besseren Einsichten für einen Transozeanflug noch dazu im November!- einsetzt?

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,, Der Do X ist kein Transozeanflugboot" das waren die eigenen Worte, mit denen Dr. Dornier sein Erzeugnis der Deffentlichkeit und der Fachwelt vorstellte. Auf den gleichen Ton waren alle Veröffentlichungen der Firma ge­stimmt. Man war und ist! sich durchaus der Problematit eines Flugbootes mit zwölf(!) Benzinmotoren bewußt, deren ge waltiger Brennstoffverbrauch auf größeren Reichweiten jede Rentabilität ausschließt, ganz zu schmeigen von den außerordentlich zahlreichen Störungsquellen, die sich aus den viele hundert Meter langen Kabeln und Zuleitungen für Del, Wasser, Benzin usw. ergeben.

Die Firma Dornier hat daher mit Recht in der Vergangenheit

stets betont, daß die normale Verkehrsreichweite des Bootes zwischen 1000 und 1500 Kilometer läge. Mit anderen Worten ausgedrückt: Der Do X ist als

ausgesprochenes Küsten- und Binnenmeer- Flugboot anzusehen, das besonders etwa zwischen den stark besiedelten Küsten­teilen des Mittelmeeres oder der Ostsee eine wertvolle Aufgabe er­füllen fönnte. Freilich mird von allen Luftverkehrspraftifern einft meilen start bezweifelt, daß es irgendwo in der Welt in ab­fehbarer Zeit eine ausreichende Verkehrsfrequenz für die 3u ladungstonnage des Do X geben werde. Aber dieser Einwand begegnete fchließlich auch den ersten Eisenbahnen, und man muß abmarten, ob fich nicht auch diesmal das Wort bewahrheitet, daß die Verkehrsmittel den verstärkten Verkehr erst nach sich ziehen.

Stärffte Bedenten und scharfen Widerspruch muß es jedoch meden, wenn man sich heute allen vernünftigen technischen Erwägungen zum Trotz

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aus voreiliger Reflamefucht und Senfationshafcherei

mit dem Do X in ein Abenteuer begibt, das in unverantwort ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Ansprachen Brünings und Geverings

Im Sizungssant des Reichstags sand heute der Land­gemeindetag 1930 statt. Die Anwesenheit des Reichskanzlers Brüning , mehrerer Reichsminister somie des preußischen Innen­ministers Severing und zahlreicher Staatssekretäre verlieh der Tagung einen hochpolitischen Charakter.

Der Borsitzende, Bürgermeister Lang Weißwasser, verwies auf die schwere Belastung der Gemeinden, denen die schier undurchführ bare Aufgabe überlassen bliebe, die Erwerbslosen über affer zu halten. Das Sanierungsprogramm der Reichsregie rung dente leider nicht an die Gemeinden, die doch das Fundament des Staates bildeten. Der Heze gegen die Beamten müsse energisch entgegengetreten werden.( Beifall.) Die Vorwürfe gegen die Be. schwendungssucht der Kommunen tönnten auch gegen das Reich an­gemandt merden, denn die untere Finanzverwaltung des Reiches sei doch erheblich übersetzt,

Reichskanzler Brüning

mies, in seiner Begrüßungsrede auf die allgemeinen Finanz- und 28irtschaftsschwierigkeiten und ihre internationale Verflechtung hin. Die Regierung sei sich darüber im flaren, daß sie nicht auf einmal allen helfen fönne. Sie wisse genau, daß der fürchterliche Stoß der Agrar- und Industrickrise die Landgemeinden, die ohne steuer­liche Reserven daständen, besonders hart treffe.( Sehr richtig!) Deutschland sei aber nicht das einzige Land, das die Wirtschafts­entwicklung falsch eingeschätzt habe und nunmehr zu drakonischen Sparimaßnahmen greifen müsse; die Politik der Reichsregierung habe die stärkste Unterstützung auch der preußischen Regierung und aller Länderregierungen gefunden.

Die Lage sei erheblich ernster als Ende 1923. Man könne diesmal nicht ein Wunder erwarten, wie es seinerzeit fönne, jei nur, eine Stabilisierung der gesamten öffentlichen die Schaffung der Rentenmark darstellte. Was man zunächst tun Finanzwirtschaft herbeizuführen. Wer glaube, daß die Reparationen allein die Schuld für unsere Schwierigkeiten haben, verschließe die Augen vor der Wirklichkeit. Man müsse aber gestehen, daß wir

Aufgezwungener Brotpreis.

Ausschluß von Brotfabriken, weil sie zu billig" verkaufen.

Die Bereinigung der Berliner Brotfabriken geht jetzt gegen ihre Mitglieder, die sich ihrem Preisdiftat nicht fügen wollen, mit rigorosen Mitteln vor. Die Brotfabriken, die unter dem kartellpreis verlaufen, werden aus der Bereinigung ausgefchloffen.

Gegen den Kartellpreis haben sich zunächst die Brotfabrik Eduard Goldader Nachfolger und Köppen in Bantom gewandt. Die Firma Eduard Goldacker Nachfolger verkauft seit längerer Zeit ihr 1250- Gramm- Brot mit 40 Pf. und hat auch nach der Preisfestsetzung auf 48 Pf. ihren alten Preis aufrechterhalten. Die Bereinigung Berliner Brotfabriken hatte bei den Verhandlungen im Reichsernährungsministerium mehrfach zu hören bekommen, daß der Brotpreis sicher herabgesetzt werden könnte. Es wurde dabei auf die billigen Preise der vorgenannten Firma Bezug genommen. Die Bereinigung hat darauf in einer Barstandssigung die Firma Goldacker Nachfolger von der Vereinigung ausge schlossen. Die Firma Köppen, die hauptsächlich Berliner Milchhandlungen beliefert, gibt ebenfalls das Brot für 41 Pf. ab, so daß die Berliner Milchhändler bei einem Verdienst von 5 Pf. pro Brot die Bäckereien, die 48 Bf. verlangen, unterbieten fönnen. Auch diese Firma sollte wegen der Nichteinhaltung der Kartell preise ausgeschlossen werden. Die Firma Röppen ist aber durch freiwilligen Austritt zuvorgekommen.

Die Bereinigung Berliner Brotfabriten war gegründet worden, um den Bäckerinnungen bei den Verhandlungen die geschlossene Front der Brotfabriken entgegenstellen zu können. Dieser Bereini­gung schloffen fich zunächst fast alle großen Fabriten an. Durch innere Streitigkeiten schied schon vor einiger Zeit eine Reihe Firmen aus, aber auch die in der Vereinigung bleibenden richteten sich nicht in allen Punkten nach ihren Beschlüssen.

selbst zu der lleberschätzung unserer Leistungsfähige feit bei den Gläubigerländern durch unsere falsche Finanzpoliti beigetragen haben.( Lebhafte Zustimmung.) Die Beamtex dürften sich von den ihnen zugemuteten Opfern nicht aus schließen, da es doch anderen Bevölkerungsschichten noch weitaus schlechter ginge.

Dem Vorwurf des Vorsitzenden wegen der verspäteten Sparpolitik des Reiches müsse er entgegenhalten, daß das Reich bereits 1929 mit dem Einsparen begonnen habe, daß diese Sparpolitik jedoch noch nicht bis in die einzelnen Zellen der Kom­munalpolitk durchgedrungen sei.( Buruje.) Der Reichskanzler schloß feine Ausführungen mit dem Hinweis, daß trotz des Ernstes der Situation fein Grund vorhanden sei, zu verzweifeln, sondern es handle sich darum, daß in dieser schwersten Stunde alle zuzugreifen hätten. Dann sei auch die Zukunft der Landgemeinden gesichert. ( Lebhafter Beifall.)

Sodann nahm, stürmisch begrüßt, der

1 preußische Innenminister Severing

das Wort. Severing erklärte unter allgemeiner Heiterkeit, daß er in der Diskussion zwischen dem Reichskanzler und den Landgemeinden als ein Landesminister den unparteiischen Schiedsrichter abgeben wolle. Er glaube, man werde mit seinem Schiedsspruch zufrieden sein, denn nach seiner Meinung sind wir alle Sünder gewesen. ( Heiterkeit und zurufe.) Die preußische Regierung und besonders der Innenminister als Kommunalaufsichtsminister haben die gleichen Sorgen wie die Reichsregierung. Und er gestehe, daß die täglich wachsenden Schwierigkeiten der fleinen Gemeinden diese Sorgent täglich vergrößerten.

Erörterungen über eine Reform der Selbstverwaltung seien in diesem Augenblid, wo die Regierung fast jeden Tag Staats­fommiffare einsetzen muß, nicht am Platze.

Aber man fönne wohl Rationalisierungsmaßnahmen in der Ver­waltung, etwa durch Zusammenlegung von leistungsschwachen Land­freisen und Gemeinden, durchführen,( Unruhe.) Hier aber seien gerade die Vertreter der kleinen Landgemeinden die stärksten Befür­morter, alles beim alten zu belassen.

Es komme heute nur darauf an, gemeinsam die Möte des Winters zu meistern. Der schlimmste innere Feind, der feine Parteibezeichnung trüge, sei der Hunger. Er müsse mit allen Mitteln bekämpft werden. Ein anderer ge­fährlicher Feind sei der Pessimismus. Severing erklärte weiter, daß er der letzte sei, der die Dinge in Deutschland rot in rot malen, das heißt, der die Dinge schönfärberisch zeichnen möchte. Bei allem Erkennen des großen Ernstes könne der Pessimismus, besonders auch von den Landgemeinden, die doch in ihrer Art auch Führer des Boltes seien, nicht energisch genug bekämpft werden. Wie der Ton von den Führern angegeben wird, so werde im Lande die Musik gemacht. Zu der Frage der Arbeitszeitfürzung erklärte Severing, daß sie im Interesse der Bekämpfung der Ar­beitslosigkeit durchaus zu vertreten sei. Ais Kommunalminister Preußens werde er sich gegen etwaige Pläne auf Rechtlos ma dhung der Beamten wenden. Die Beamten müßten aber begreifen, daß fie gegenüber dem Heere der Arbeitslosen in der heutigen Zeit doch erheblich günstiger daftänden. Severing soloß mit einem Appell zu gemeinsamer Arbeit an der leber­windung der gegenwärtigen Notzeit. Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn es mit Deutschland bei gemeinsamem Anpaden nicht wieder aufwärts ginge.( Stürmischer Beifall.)

Nach weiteren Begrüßungsansprachen nahm dann das Wort zu seinem Vortrage über den Einfluß der Wirtschafts= Prise auf die öffentlichen Finanzen der frühere Reichsfinanzminister

Abg. Dr. Hilferding:

3wischen der Wirtschaftskrise, den Gemeindefinanzen und dem all. gemeinen Sanierungsprogramm bestände ergster Zusammenhang. Die Krise der öffentlichen Finanzen sei ebenso international, mie die Wirtschaftskrise eine Weltkrise sei. Die öffentlichen Finanzen Englands, Italiens und selbst der Bereinigten Staaten seien ebenso wenig nom Defizit verschont geblieben wie die deutschen Finanzen.

.( Der Redner spricht bei Schluß des Blattes weiter.)