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BERLIN  Donnerstag 27. November

1930

Der Abend

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B 277 47. Jahrgang

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Staatsfommiffare für Berlin  

Einführung der Bürgersteuer und der Gemeindegetränkesteuer

Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg  : Berlin  hat auf Grund des§ 191, II, 6 des Allgemeinen Breuni schen Landrechtes in Verbindung mit§ 7 des Zuständig. teitsgesches und§ 42 des Landesverwaltungsgesetzes den Oberregierungsrat Dr. bon Stein als Staatskommissar für den Magistrat und den Ober. regierungsrat Dr. Koppen als Staatskommissar für die Stadtverordnetenversammlung von Berlin   mit dem Auftrag zur Besserung der Haushalts- und Kassen, Jage eingesetzt.

Der bindende Auftrag der beiden Staatskommissare geht dahin, für die voneinander nicht zu trennenden Haushaltsjahre 1930 und 1931 die Erhebung der Bürgersteuer nach der Reichsverordnung vom 26. Juli 1930 und der Gemeindegetränkesteuer nach der Musterordnung mit 10 Proz. ab 1. Dezember d. J. ein- und durchzuführen; ebenso die Erhöhung des Gemeindezuschlags zur Grundvermögensstener auf 312,5 Proz.

Diese Erhöhung ist aber bereits in Durchführung be­griffen, da die Festsetzung dieses Zuschlages auj 250 Broz. für 1930 erst im Juli erfolgt ist, aber für das ganze Jahr gilt, was eben eine Gesamterhöhung auf 312% Broz. bedeutet. Eine Erhöhung der Mieten tritt durch die Erhöhung der Grundvermögenssteuer nicht ein.

Weiter haben die Kommissare den Auftrag, die bereits in der Magistratsvorlage vorgesehenen Ausgaben minderungen von 14% Millionen durchzuführen; weitere Ersparnisse für die Haushaltsjahre 1930 und 1931 durch Streichungen, Verringerung von Ausgaben für gewisse Einrichtungen usw. behält sich der Ober­präsident vor.

Selbstverständlich bleiben Magistrat und Stadtver­ordnetenversammlung weiter bestehen, sie sind nur für die oben bezeichneten Steuern nicht mehr zur Beschlußfassung berechtigt, da diese auf die Staatskommissare über­gegangen ist. Alle anderen Aufgaben der Selbstver­waltung sind auch weiter von Magistrat und Stadtver­ordnetenversammlung wahrzunehmen.

Die Ernennung der Staatskommiffare, ist schneller erfolgt, als man in der Deffentlichkeit erwartet hat. Im Rathause war man noch heute vormittag der Meinung, daß die Berufung erst am morgigen Freitag erfolgen würde, um den Stadtverordneten heute noch einmal die Möglichkeit zu geben, von sich aus eine Ent fcheidung über die Steuervorlagen des Magistrats herbeizuführen. Andererseits war man sich allgemein darüber klar,

daß eine Steuermehrheit auch in der heutigen Sihung in feinem Falle vorhanden gewesen wäre.

Die Besprechungen, die noch vor einigen Tagen der Bürgermeister Solh mit den Führern der Rathmusirattionen hatte, haben das eindeutig gezeigt. leberraschend ist, daß zwei Staats tommiffare eingesetzt worden sind. Einem der Beauftragten fällt dabei die Aufgabe zu, die Beschlüsse der Stadt­perordnetenversammlung zu ersetzen. Der zweite Beauf tragte wird die Beschlüsse des Magistrats zu ersetzen haben.

Beide Beauftragte der Staatsregierung, die nunmehr die Auf­gabe haben werden, den start ins Banten geratenen Haushalt Berlins   in Ordnung zu bringen, find seit langem im Oberpräsidium in führenden Stellungen tätig.

Liebermann wird entlassen.

Auch die Abgeordneten Witos und Puter.

Warschau  , 27. November.( Ost- Expreß.) Jm Laufe des heutigen Tages follen die Abgeordneten Witos  , Liebermann und Puter, die kürzlich aus Breft- Citowft nach Grojet übergeführt worden find, gegen Kaution aus der Haft eatlaffen werden.

Der deutsche Schritt in Genf  

Keine außerordentliche Ratstagung beantragt

Die Reichsregierung hat in ihrer gestrigen Spät foujuls von Grünau  - Kattowitz   über die Gewaltakte und abendsikung den eingehenden Bericht des General: Wahlentrechtungen gegen die deutsche Minderheit in Polnisch- Oberschlejien entgegengenommen und, nach gründlicher Beratung darüber, die Erhebung der Beschwerde nach Artikel 72 des Genfer   Abkommens an den Völkerbund beschlossen.

Sie wird im Laufe des heutigen Tages nach Genf   ab­Die Note hat einen Umfang von etwa 30 Seiten. gesandt und ihr Inhalt wird gleichzeitig den Ratsmächten zur Kenntnis gebracht. Die Veröffentlichung der Note soll möglichst bald erfolgen.

ist heute mittag der Reichsinnenminister Dr. Wirth mit dem preußischen Staatssekretär Dr. Abegg nach Oppeln   gereist, um mit den Vertretern aller Parteien die Situation zu besprechen und für die Bermeidung aller Zwischenfälle zu mirten.

bergichen Deutschen Schnelldienstes" wird amtlich festgestellt, daß Entgegen einer geradezu gewisseulofen Behauptung des Hugen­diesseits der deutschen Oberschlesiengrenze feinerlei Unruhen vor­gefommen find.

Deutsches Heim in Thorn überfallen.

Thorn, 27. November.  ( III.) Bereits vor acht Tagen waren einmal Boten im deutschen Klublotel erschienen und hatten eine Lampe zertrümmert. Sie hatten aber damals von weiteren Ausschreitungen abgesehen, da nur ein Deutscher anwesend war. Sie hatten gerufen: Es lohnt uns nicht, mir tommen mieder, menn mehr Deutsche hier sind." Am gestrigen Mittwoch gegen 5% Uhr drangen zunächst drei Polen  in das deutsche Heim ein und überfielen die anwesenden drei Deutschen   mit Stühlen und Stöcken. Fünf noch hinzukommende Polen   warfen dann Bierflaschen auf die Deutschen   und demolierten die gesamte Einrichtung. Ein älterer Deutscher wurde schwer verlegt, zmei andere leichter. Die Polizei erschien erst nach deutschen Konsul in Thorn wurde sofort Mitteilung gemacht, er erschien auch am Tatort und stellte Ermittlungen an.

schügend vor eine Minderheit stellt; bisher hat sie sich im Völker­Zum ersten Mate geschieht es hier, daß die Reichsregierung sich bundsrat lediglich den Aktionen der Minderheiten angeschlossen. Die Behandlung dieser Beschwerde wird Gelegenheit geben, das Minderheilenproblem überhaupt zu besprechen. Die Beschwerde wird die ordentliche Januartagung des Völkerbunds rates beschäftigen. Gegen das Verlangen, eine außerordentliche Tagung einzuberufen, sprechen verlängerer Zeit und nahm schließlich eine Verhaftung vor. Den schiedene Bedenken. Wahrscheinlich würden an einer derartigen Tagung mur die Berner Gesandten der Ratsmächte teilnehmen, die alles nur anhören, und um Instruktionen ihrer Regierungen bitten fönnten.

Das Erscheinen der Außenminister und der Vertreter der großen Presse aller Länder wäre nicht zu erwarten. Die außerordentliche Tagung würde aber, wenn die polnische Gegen­äußerung noch nicht vorläge, sich zu deren Entgegenahme vertagen. Da die außerordentliche Sigung frühestens am 10. Dezember zu­fammentreten tönnte, würde man mit einer folchen Vertagung bereits nahe an die ordentliche Januartagung herankommen.

Die Schande des Stahlhelms.

Die Folgen des Abrückens des Reichspräsidenten  . Der Tag" wittert hinter dem Abrücken des Reichspräsidenten von der Stahlhelmhuldigung für Mussolini   eine groß angelegte politische Intrigue. Er meist mit dem Finger auf das Auswärtige Amt und stellt die Frage: was geht hier vor?

Ja, was geht hier vor, daß der Tag" stillschweigend unter­

"

Da sich in Deutsch  - Oberschlesien   eine beträchtliche Erregung zeigt, ftellt, der Reichspräsident sei nur Wertzeug, ohne eigenes Urteil

Litwinow   speist bei Mussolini

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FASCHISTEN SCHLAGEN AUF KOMMUNISTEN

EDBATH

Guten Appetit, wohl befomm's!

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und ohne eigenen Willen?

Man mill verbergen, daß der Reichspräsident aus sehr guten Gründen ein Gegner des Sichheranwerfens an Mussolini   ist, daß er ein gefünderes und nationaleres Urteil über ihn hat als die Stahl. helmführer. Kurzum, man will die eigene Schande verbergen, und deshalb erfindet man einen Räuberroman.

Ist es denn gar so außergewöhnlich, daß der Reichspräsident von einer Kundgebung der Würdelosigkeit abrüdt?

Der Tag" nennt das Abrüden des Reichspräsidenten   ,, eine außenpolitische Aftion". Daraus ergibt sich, daß der Stahlhelm­fotau vor Mussolini   als außenpolitische Aktion gedacht war, und daß sich gewisse Leute einbilden, die deutsche Außenpolitik werde nicht mehr vom Außenminister, sondern von den Herren Seldte und Hitler betrieben und nun beklagen sie sich, daß das Auswärtige Amt auch noch da ist, und außerdem fogar noch ein Reichspräsident. Die Herrschaften scheinen ihre Wunschträume schon für tic Realitäten des Tages zu halten!

Mörder Ostsee  .

Dreimastschoner mit acht Personen verschollen.

Stettin  , 27, Jovember.

Der Dreimafffchoner Lütt" hatte mit einer Ladung Holz am 15. Oftober den Hafen von Trausgrund in Finnland   mit der Bestimmung Stettin   verlassen. Das Schiff ist aber hier noch nicht eingetroffen. Man hatte bisher geglaubt, daß der Schoner auf Bornholm   oder in einem anderen Hafen Schuh gesucht hat. Ue Nachforschungen blieben jedoch ergebnislos, fo daß der Schones als verloren gelten muß. Die Besatzung besteht aus acht Personen, darunter die Frau des Kapitans und Schiffseigner Neufchüß aus Bellin im Kreise Udermünde.