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Nr. 563» 47. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Dienstag. 2. Dezember 1930

Alexander v. Sacher-ltlafoch:

Hier bog sich der Weg dem nahen Dor-fe zu und in der Weg- schleife stand Krumvbein. die Nase vorsichtig zwischen zwei Gräsern havorstrcckend Cr leuchte ein wenig von der heißen Sonne, die tropfend« Zunge hi»g ihm aus dem Maul. Drei Schritte weiter schiinmert« der weisse Staub der Landstraße, kaum beschattet vom schütteren Laubwerk der Akazien, die an ihrem Rand entlang standen. Drüben lag Radkersburg . das mittelalterliche Städtchen, und dahinter kam die jugoslawische Grenze. Krummbein hielt gerade Rast hier, denn er hatte einen langen Weg hinter sich. Immer muhte er vorwärts laufen, nachts riß ihm der Abenteurertrieb die Nase hoch, so daß er aus dem Schlafe taumelte, eine Strecke weiter rannte, bis ihm dann wieder vor Müdigkeit die Augen zufielen. Oft schlief er auf der Landstraße und lag eingerollt wie ein Paket Wolle in der Mitte. Denn er verschmähte es, versteckt unter Büschen oder hinter verfallenen Zaunrändern zu rasten. Mitunter kam es vor, daß er mitten aus süßesten Träumen hochgewirbelt wurde durch jene Urkraft, die, ihm selbst unbewußt, in ihm ruhte, eine Sekunde, ehe ihn der Huf eines Pferdes und einen Atemzug, ehe ihn ein Wagenrad erreicht hatte. Er entwickelle dabei eine Schnelligkeit, über die er selbst am meisten erstaunt war. überkugelte sich einige Mal« und kollert« in den Graben oder schlug mit der Nase gegen einen Zaunpfosten, jetzt erst vollends erwachend. Und bellte dem Gefährt, das immer kleiner werdend, in die unbekannte Fern« hineinrollte, wütend und mit gesträubten Haaren nach, Ein empfindliches Riechorgan, wachsame Ohren, spitze Zähne, kräftige Kinnladen urtd zwar krumme aber sehnige Beine waren gute Weggenossen. Nicht zu vergessen die unentwegte Rute, ein wahres Perpetuum mobile. Drüben, in der entgegengesetzten Richtung des Städtchens, lag die Sonne wie eine rostrote Kugel bereits tief über der Landstraße. Aber es war noch keine Kühle zu spüren. Hier schob sich etwas zwischen Krummbein und die Sonne, wurde größer und näherte sich zusehends. Fremde Wüterung von durchweichten Stiefelsohlen und faserigen Kleidern kam erst ganz zart, dann stärker von der Land- ftraße. Krummbein, der nicht gut auf die Menschen zu sprechen war, zog sich ein wenig hinter die dichten Gräser zurück und beschloß, diese Fremdheit an sich vorüberziehen zu lassen, ohne sein In- kognito zu lüften. Eule, der Landstreicher, war jedoch, ohne von Krummbelns Dasein oder von Knunmbeins Well etwas zu ahnen, gerade zu dem Entschluß gekonmien, zu rasten. Nachts hatte es oereznet und Eule fand nur notdürftigen Unterschlupf in einer Scheune auf freiem Feld. Daher rochen seine ungegerbten Lederstiefel so stark, daß Krummbeins Fell sich verächtlich sträubte. Dennoch war es irgendwie eine originelle WUterung. denn Eule roch außer nach ungegerbten, Leder auch noch nach schwerem Tabak, nach Harzer Käse, nach Zwiebeln und nach Armut. Halt, ich habe noch etwas vergessen; nach Schnaps roch er auch noch. Nun hatte Krummbein selbst noch nie Schnaps gekostet, ober er mied die Leute dieser Geruchsgattung. denn er wußte, daß sie launisch waren und albern. Bielen war er zu unrechter Stund« über den Weg geiausen, und viele Tritt« hatte er empfangen. Krummbein verhiell sich also ganz still hinter den Gräsern. Eule hingegen stellt« die schwabbeligen Beinbewegungen i in, mit deren Hilfe er sich fortbewegte, nahm seinen Hut ab, hängte seinen Reck an den niederen Ast einer Akazie und setzt« sich auf den erhöhten Grabenrand, gegenüber von Krumml'eins Versteck. Jetzt entledigte er sich seiner Stiefel, was Krummbein mit unverhohlenem Mißtrauen beobachtet, und stellte sie neben sich auf. Die Stiefel waren langschäftig und blieben ohne welleres stehen, so hart waren sie durch die Feuchtigkeit der Nacht geworden. Er wickelt« die arg mitgenommenen Fußlappen ab, woraus neun knotig«, in verschiedene Windrichiungen zerbogene Zehen von fragwürdiger Sauberkeit sicht- bar wurden. Die zehnte fehlte. Eule hatte sie gelegenllich einer schweren Fußellerung einmal mit einem Taschenmesser entfernt, denn er war kein Freund der Aerzte. Eule fluchte leise vor sich hin, denn seine Füße schmerzten sehr. und er hatte sich fett Togen nur mangelhaft zu ernähren vermocht. Er zog ein kleines Paket mit Wurstresten und Speckschwarten aus der Tasche, das er noch gestern von einem Schlächter um Gotteslohn eingehandelt hatte. So geschah es, daß Krummbein plötzlich phan- tastisch schön« Witterung bekam. Seine Nase hob sich und schnupperte voll Begeisterung in Eules Richtung, er reckte den Hals vor und bei dieser Gelegenheit stolperte er über seine krummen Beine und fiel nach vorn. Allerdings sprang er gleich wieder zurück. Aber Eules lcharse Landstreicheraugen hatten bereits sine feucht« Schnauze. spitze, hochgestellte Ohren und zwei zwischen struppigen Haaren halb- verborgen«, kohlschwarze, blitzende Aeuglein bemerkt. Und er erriet gleich, daß Krummbein nicht gern gesehen sein wollte. Er hiell Krummbein für einen entlaufenen Dorfköter aus der Umgegend. einen jener lauten, widerspenstigen und gefährlichen Hüter der Rechte und des Eigentums ihrer Sklavenhalter, kurz, für ein W:sen, das er fürchten und verachten gelernt hatte. Und so beschloß er, Wurstpellen und Schwartenreste nach beendeter M ihlzeit lieber wieder einzupacken und mttzunehmen, ehe er sie dem Feind überließ. Krummbein sah in Eule einen lener ewig nußgelaunten, prügel- und trettustigen Hungerleider, mit deren Stöcken er mehr als einmal unliebsam« Bekanntschaft gemacht hatte. Er empfand echten, dicken Haß gegen ihn, der kaum durch den Dust der er- wähnten Wurstreste gemildert wenden konnte. So saßen sie sich mm gegenüber, ohne daß Krummbein ahnte, daß Eule ül'er seine Existenz informiert war und ohne daß Eule wußte, daß er sich in Krummbein getäuscht hatte, der«in Landstreicher wir, so gut wie er selbst. Inzwischen hatte Eule seine Mahlzeit, langsam und genießerisch kauend, beendet, wickelte die übriggebliebenen Wurstpellen und Rest« wieder in das Papier und steckte das Paket in die Tasche. Das tat er, nickst ohne unter seinen buschigen Augenbrauen schadenfroh und verstohlen zu den Gräsern hinüberzuschielen, di« Krummbein vcr- deckten. Nichts wester wäre geschehen, und diese Begegnung wäre be- deutungslos verlaufen, wenn Eule zu sich selbst mst Recht hätte sagen können: Du bist jetzt satt, ruhe also und verdaue. Ntmn er konnte sich jedoch Eule zu solch infamer Lüg« entschließen. D mn er mußt« bedauernd feststellen, daß jenes umfangreiche Loch, das durch die Fastenkur der letzten Tage tn seiner Leibesmitt« entstanden war. fast noch ebenso leer gähnte, wie vorher. Die Wurstgeschicht« hatte wenig geHolsen. Er spähte also in alle möglichen Richtungen umher, und richtig entdeckte er in geringer Entfernung einen Kartoffelacker, dessen vertrocknete Stauden in seinen, Herzen süße Perspektiven wachriefen. Er fackeste nicht lange, sondern verschwand im nächsten Augenblick in die Richtung des Ackers und aus jtrummbeins Ge-

sichtsfelb, um wenige Minuten später mst einem Hutvoll verschieden großer, brauner Knollen zurückzukehren. Nichts hatte sich geregt. Die Gegend schien verlassen. Die Gegend schien verlassen, aber sie war es nicht. Denn Iosl Pils, der Besitzer des Kartoffelackers, hatte sich gerade an diesem Morgen aufgemacht, um nachzusehen, wie weit die Ernte min in Gottes Namen gediehen sei. Und Iosl tauchte gerade in dem Augen- btick auf der einen Seit« des Ackers auf, als Eule ihn auf der anderen verließ, nicht ohne noch schnell gewisse Schlüsse zu ziehen. Beim Näherkommen sah er nun auch deutlich die Spuren vm Eules Wirllamkeit, denn cm Haulen ausgerissener Stauden und das gelockerte Erdreich zeigten ihm deutlich, worum es hier gegangen war. Iosl war«in stämmiger, stiernackiger Kerl von hohem Blut- druck und sein Kopf wurde gleich puterrot vor Zorn. Viechskerl, elender!* knurrte er mit geballten Fäusten und näherte sich langsam von hinten dem Landstreicher. Eule saß nichtsahnend im Graben, hatte mst Blitzesschnelle bereits ein Feuerchen entzündet, schürte und deckte es gegen den Wind, sammelt« altes trockenes Holz, das er in greifbarer Nähe entdecken konnte und säumte gerade das Feirer mit einein Kartiffel- kreis ein, behaglich und entschlossen, sich durch nichts tn der West in dieser Beschäftigung stören zu lassen. Er achtete darauf, daß der Kreis ein vollkommener Kreis wurde, wie ein Künstler, der«in Mosaikbild auslegt. Krunmrbcin hatte er inzwischen vergessen, aber Krummbein befand sich noch immer hinter den Gräsern. Und das war gut fo, denn als Iosl Pils, der geräuschlos wie ein Indianer hinter Eules Rücken aufgetaucht war, die breite Pranke erhob, um den Kartosseldieb beim Rockkragen zu erwischen, vollzog sich in Krummbeins Magen eine seltsame Wandlung. Plötzlich empfand er init voller Gewißheit, daß Eule«iir ihm verwandtes Wesen war, verbunden mst ihm durch das geheimnisvolle Band der Landstraße. Sicher dacht« er tn diesem Moment nicht an die Wurstpellen. Cr fuhr wie ein zottiger Teufel aus seinem Bersteck hervor und stieß ein wütendes Gebell aus, Iosl Pils in die Seste beißend. Durch diese Tat wurde Eule rechtzeitig und in der letzten Sekund« der drohenden Gefahr entrißen. Denn Eule sprang mst einem Satz über das Feuer und über den Karlosfelkreis, noch im Springen Hut und Jacke ergreifend, warf einen flüchtigen Blick über die Schulter

l zurück, ergriff seme SUesel und gab Fersengeld. Iosl Pils, immer noch dunkelrot vor Zorn, hätte sich nun gern an Eules Verfolgung gemacht, aber das ging nicht, denn Krummbein lag ihm m der Flanke. Zu allem Uebel hatte Iosl keinen Stock bei sich. Er ver- suchte Krunmrbem durch wildes Brüllen und Fluchen zu oerscheuche», aber der kleine Landstreicher ließ sich nicht einschüchtern. Er um- sprang und umtonzte Joel mst gesträubtem Fell und wenn«r von Zeit zu Zeit unerwartet und schnell wie der Blitz losfuhr, hatte er stets ein Stück von Iosls Hose zwischen den Zähnen. Die Fetzen flogen ün wahrsten Sinne des Wortes, ohne daß Iosl den Hund auch nur mit einem Finger berühren konnte. Was blieb ihm übrig? Wütend, aber mit arg mitgenommener Kleidung trat Iosl den Rückzug an. Krummbein verfolgte ihn noch eine Strecke west und hielt erst inne, nachdem Jost hinter den Maulbeerbäumen des jen- seitigen Ackers verschwunden war. Joel dreht« sich noch ein paar Mal um und drohte mit der Faust, was Krummbein mit höhnischem Schweifwedeln beantwortete. Er hustete und knurrte noch«in wenig und trabte dann auf seiner eigenen Fährte bis zur Landstraße zurück. Hi«r legt« er sich neben Eules Feuerchen in den Graben, jeder Zoll«in Sieger. Eule hatte das Ganze, hinter dem bretten Stamm einer Akazie hervorspähend, miterlebt. Er grinst« vor Ver- gnügen, als er Iosls schmähliche Niederlage gewahrte, und näherte sich jetzt nnt dem Wmstpaket. Krummbein spitzte die Ohren und schien nicht abgeneigt, zu verhandeln. Eule flötete in de» zärtlichsten Tönen, öffnete das Papier und schob die Wurstpellen vorsichtig vor Krummbeins Nase. Krummbein verschlang das Ganze mit erstaun- licher Geschicklichkeit. Die Kartoffeln waren inzwischen gar geworden. Da Eule es jedoch für ratsamer hielt, die Gegend zu wechseln, packte er die gerösteten Knollen in seinen Hut, hob di« Nase gegen den Wind, entschloß sich, über die jugoslawisch« Grenze zu gehen, dachte an fern«, nie gesehene Dörfer, vergaß Krummbein und das vergangene Abenteuer und ging los, mit schwabbeligen, ungleichen Schrillem die Stiefel immer noch unter den Arm geklemmt. Die Türm« von Radkersburg kamen näher und ganz hinten, am End« der Akazien- alle«, oerbreitete sich dos Licht einer unwirklich, zitronengelben Dämmerung. Schwankend, mit langen, mageren Miedmaßen be- wegte sich die immer kleiner werdende Gestalt des Landstreicherz der Ferne zu. Und Eule ahnte in diesem Augenblick nicht, daß hinter ihm in einer Entfernung von etwa fünfzig Metern vier krumm«, be­haarte, aber sehnige Beine sich soeben entschieden hatten, seinen Spuren zu folgen, fürs Leben.

Itilhelm Gielgens: 3)er abtrünnige Jlrbeilerlludenl Siiie tnigegnung In der 4 Beilage der letzten Sonntagsemsgabe veröffentlicht Genosse Dr. Otto Friedländer ein« längere Untersuchung überTrübungen des Klassenbewußtseins* In dem sehr mstruktiven Bestrag kommt er auch aus di« Erscheinung der Bolksgemeinschastsideologie zu sprechen und zeigt sie in ihrer Aus- Wirkung. Es heißt hier:Der vom Kleinbürgertum zum Prole» tariat nur langsam Vorstoßende bringt die Rest« solcher Ideologien noch mit. Der im Kleinbürgertum akklimatisierte Proletarier ver- fällt ihnen allzu leicht. Beispiel: jene ersten Arbesterstudenten, die glaubten, den Klassenkampf durchs Abitur zu überwinden und chren indwiduellen Ausstieg mst dem Ausstieg ihrer Klasse oerwechseven.* lieber die Darstellung der Botksgemeinschastsideologie soll hier nichts gesagt werden. Es muß aber verwundern, mit welcher Be- harrlichkeit der Arbeiterstudent ab und zu immer wieder als Ab- trüimiger hingestellt wird, auch von Genossen, von denen man ein besseres Wissen um die Ding« erwarten darf. Welche ersten Ar- besterstudenten haben jemals geglaubt, durch ihr Abitur den Klassen- kämpf überwinden zu können? Der Gedanke ist so lächerlich, daß es sich kaum lohnt, darauf zu antworten. Kein Sozialist, der Abstinent wird, Hütt durch diesen Schritt den Klassenkampf für überwunden. Kein Sozialist, der«ine soziologische Untersuchung veröffentlicht, glaubt damit den Klassenkampf zu überwinden. Jeder ist aber überzeugt, daß durch seine Arbest und durch seine Hand- lungsweis« dem Tageskamps der Arbeiterbewegung gedient und damit auch zu einem geringen Teil dem Endziel zugestrebt ist. Das glauben auch die Slrbeiterstudenten für ihren Weg und für ihre Arbeit sagen zu dürfen. Genosse Dr. Friedländer hat als ehemaliger Vorsitzender der Sozialistischen Studentenschaft das Wollen und die Erfolge der Arbeiterstudenten beobachten können. Er wird aber auch die vielen Schwierigkeiten kennengelernt haben, die Ihnen immer wieder aus einem althergebrachten und unberechtigten Mißtrauen erwachsen. Trotzdem den oben zstierten Satz als hervorgezerrtes Beispiel zu schreiben, heißt den Arbeiterstudenten erneut Schwierigkeiten machen. Nirgends finden sich Beispiele, daß der Arbeiterstudent in besonderem Maße der Bolksgemeinschastsideologie verfällt oder sonst- wie überheblich oder abtrünnig wird. Er ist ein Klassenkämpfer und Sozialist wie di« vielen anderen im Heer des organisierten Pro- letariats und wird als solcher seinen Weg gehen. ir Daraus antwortet Genosse Friedländer : Dem Genossen Tietgens bin ich dankbor dafür, daß er mir Anlaß gibt, ein Mißverständnis, mst dem ich beim Niederschreiben des von ihm beanstandeten Satzes kaum glaubte rechnen zu müssen. in wenigen Worten aufzuklären. Wenn ich vonjenen ersten Arbeiterstudenten* sprach, so hatte ich gewißlich nicht die ersten Arbeiterstudenten insgesamt im Auge, sondern eben gerade jene, deren offensichtliche Fehlleistungen mir in Erinnerung geblieben sind. Beispielshalber möchte ich die Tatsache anführen, daß, als vor Jahren die Berliner sozialistisch- Studentengruppe sich gegen die Aufrechterhaltung einer studentischen Ehrenordnung prinzipiell wandte und jegliches Eintreten für sine Reform dieses veralteten Privilegs ablehnte, nur einer opponierte, und zum Erstaunen aller ein Arbeiter st udent. Ich gebe gern zu, daß es völlig verfehlt wäre, diesen und einige ähnlich gelagerte Fälle zu verallgemeinern, und daß meine Aeußerung. aus dem Gesamt­zusammenhang herausgerissen, anders wirken kann, als«s von mir beabsichtigt war. Gerade unsere Arbeiterstudenten werden, soweit sie mst demBund der Freund« sozialdemokratischer Studierender* und demBerein für Volksstudentenheime* Organisationen, die eigens dazu gegründet wurden, dem Arbesterstudenten die Gefahr jeglicher Isolierung sernzuhalten. zu tun hatten, und soweit sie vielleicht auch die Möglichkest hatten, gewisse Bemühungen bei behördlichen Stellen zu verfolgen, die darauf abzielten, ihr Los

erträglicher zu gestallen, genau wissen, daß sie in dem Bersasser des Aussatzes alles andere denn ihren Gegner zu erblicken haben. Wenn es dafür noch eines Beweises bedürfte, so sei auf die in meiner BroschüreDie Hochschule im Lolksstaat* zur Arbeiter- studentenfrage gemachten Ausführungen hingewiesen. Es heißt dort wörttich:Soll der Volksstaat mehr sein als eine leere Form, soll er mit wirklichem Gehall erfüllt, lebendig und zukunststrächtig gemacht werden, so steht die Frage der Arbeiter st uden- ten im Vordergrund.* In diesem Sinne hoffe ich. den Ge- nassen Tietgens auch fernerhin davon überzeugen zu können, daß wir in der Forderung nach einer ausreichenden Hilf« für unser#3chf Arbesterstudenten und nach einer gründlichen positiven Diskussion�kl über ihre Probleme völlig einig gehen.

an-.auumenihak&erJCehrerälsIlebenperion Schüler tmlcrrithlen fleh selbst Di« moderne Schule hat den Begriff des Arbeitsuntcrrichts gc- schaffen. Nicht Einprägen und Wiederabfragen von Wissensstoff ist Ziel und Zweck des Unterrichts. Sondern erstrebt werden soll die Lust und die Fähigkeit zur Arbest überhaupt, zur schöpferischen Tätigkeit, die wenigstens in ihrem Grundzügen dem jungen Menschen zum Erlebnis werden soll. Verschiedene Wege führen an diese um- wälzende Methode heran, und es ist der Persönlichkeit des Lehrers überlassen, hier richtunggebend zu sein. Zunächst verändert sich das äußer« Bild der Unterrichtsstunde. Der Lehrer thront nicht mehr auf dem überflüssig gewordenen Katheder. Er sitzt mitten unter der Schülerschar, als einer von vielen Gefährten, aber doch umnerk- lich leitend, dämpfend und anfeuernd, immer das Ziel der Stunde vor Augen. Das notwendige Handwerkszeug, die Kenntnis des Aufgegebenen*, d. h. des Stoffes, den die Klassengemeinschast sich selbst zur Aneignung für die nächste Stunde bestimmt hat. weisen die Schüler sich jetzt selbst untereinandcr vor: einer aus ihrer Mitte übernimmt es, seine Kameraden abzuhören, er füllt also hier den Platz aus, den früher der Lehrer während eines gewichtigen Tests der Stunde als gestrenger Prüfer einnahm. Jetzt ist an Stelle ängst. licher Poukevei der sportliche, freudig-ernste Eifer der Junge» ge­treten, die sich untereinander anfeuern, verbessern, über den Wert einer Frage oder Antwort erregt diskutieren. Der Lehrer und sein früher gefürchtetes Notizbuch halten sich tm Hintergrund. Auch der neue Wissensstoff, das fortschreitende Pensum wird im modernen Unterricht zum großen Test in die Hand des Schülers gelegt. Stets sind einige Pioniere dazu bestimmt, das Neue erstmalig vorzu- beretten und in Form von Vorträgen, Experimenten, Erläuterungen. an die aufhorchenden Klasscngenossen heranzubringen.(Dos Material hierzu sst unter Anleitung des Lehrers vorher beschafft und verarbestet worden.) Hier spiell die nachfolgend« Debatte, gewürzt durch di« Zwischenruf« der Mitschüler und Einwände des Lehrers eine wichtige Rolle, denn durch sie wird der Stoff erweitert und ergänzt, wird neuen Erkenntnissen der Weg bereitet. Mst ge- spanntsster Austnerksamkeit muß der Lehrer den auch für ihn an- regenden Verlauf diesesSelbstunterrichts* der ihm anvertrauten Klasse verfolgen. Er ist die oberste Instanz. Ihm liegt bei aller Zurückhaltung, die er sich auferlegen soll, die endgüllige Entscheidung ob, er beurteilt den objektiven Wert des Vorgetragenen, den In- telligenzgrad der Sprecher und den Eifer der Debatteredner. Man hat den Wert der eigenen Darstellung, der Erarbeitung eines noch so umgrenzten Themas durch die Schüler für so groß gehalten, daß schon von Sexta, der untersten Klasse der höheren Schulen, ab. Vorträge und Selbstunterricht auf das Programm der Schulstunden gesetzt werden. Die moderne Psychologie weiß, daß nur das im jugendlichen Hirn haften bleibt, was der Schüler unter Bewnung des besonderen Interessenkreises sich selbst zusammen» stellt und seiner Eigenart getreu auch selbst wiedergibt. Die Lern- schule alten Stils wird allmählich überwunden. Die Selbstbetäti- gung als Lorbereitung auf das Leben hat in die früher oft so dumpfe, unfreudige Luft der Schulstuben einen neuen, frischen Hauch hineingetragen.