Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 568
B283 47. Jahrgang
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So ruhig wie er gestern begonnen und ebensogut polizei-| lich geschützt wie gestern, nahm der Reichstag heute um 12 Uhr die erste Lesung des Reichshaushaltsgesetzes für 1931 wieder auf. Als einer der ersten war Reichskanzler Brüning auf feinem Plazze erschienen, die meisten anderen Minister folgten ihm nach.
Die heutige Debatte begann mit einer Rede des Sozialdemokraten Reil, die sowohl von der Mitte des Hauses wie auch von den beiden mittleren Flügeln mit lebhaftem Intercffe aufgenommen wurde. Keil ist in diesem Reichstage der vielen Neulinge ein Vertreter der alten politischen Kultur der Sozialdemokratischen Partei. Er hat neben Bebel, Vollmar und Ludwig Frank schon im Reichstag gesessen und viele glänzende Etatsreden gehört und selber schon gehalten.
Gleiwih, 4. Dezember.
In Gleiwiz fand am, Mitimochabend eine start besuchte Stund gebung statt, zu der die Deutschnationale Boltspartei, die Nationalsozialisten und eine Reihe nationaler Berbände eingeladen hatten. Der frühere Freikorpsführer Hau enOftoberschlesien. An den Reichspräsidenten von Hindenburg wurde ein und Hauptmann a. D. Vogt sprachen über die Vorgänge in folgendes Telegramm gefandi:
In Gleiwit versammelte Taufende nationaler Männer und Frauen bitten, da trotz Zulagen die Maßnahmen der Regierung völlig unzureichend, aus tiefster Erbitterung über polnische Greuel unseren Fehmarschall um persönliches Eingreifen zum Schuße der Deutschen , in Oftobarschlesien. Regierung hat bedingungslos Wieder
Reil begann mit einer Schilderung des trostlosen zu standes, in dem die demokratische Republik das Erbe des Kaiserreiches antreten mußte, und übte an der seither be triebenen falschen Bolitit als einer der berufensten Sach verständigen gründliche Kritif, wobei er auch der gegen wärtigen Reichsregierung nichts schenkte. Als er dann auf die Aera der Rotverordnungen und auf das Bergutmachung entstandener Schäden, Bestrafung der Schuldigen und halten der Parteien bei Beratung dieser Verordnungen im Haushaltsausschuß zu sprechen fam, gab es die erste etwas stürmische Szene, bei der sich der Kommunist Neubaur zwei Ordnungsrufe holte. Keil sprach dann unter allgemeiner Aufmerksamkeit weiter und setzte unter lebhafter Zustimmung seiner Freunde die Gründe auseinander, weshalb die Sozialdemokratie eine positive Berbesserung der vorliegenden Noiverordnungen einer totalen Aufhebung
vorgezogen hat.
Nach Keil steht der nationalsozialistische Wirtschaftstheoretiker Feder, der neuerdings wieder durch seine Entdeckungen an den deutschen Reichsmünzen so heiteres Auffehen erregt hat, auf der Rednerlifte. Es folgen der Kommunist Stöder und der Zentrumsmann Ersing und der Deutschnationale Bang. Man erwartet, daß heute der Reichskanzler Brüning das Wort ergreifen wird.
Wirtschaftspartei rebelliert. Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung. Die Wirtschaftspartei hat im Reichslag einen i frauensanfrag gegen die Reichsregierung eingebracht. Der Wirtschaftsparteller Prof. Bredt ist aber noch immer Reichsminister, und es wird offiziell festgestellt, daß er sich von den Beamten des Reichsjuffizminifteriums nicht verabschiedet hat, was die Wirtschaftspartei behauptete.
Keil spricht im Reichstag.
Die Stellung der Sozialdemokratie zum Reichsetat.
Der Reichstag beginnt heute um 12 Uhr mit der Debatte über den Haushaltsplan 1931 und die Anträge auf Aufhebung der Notverordnungen vom Juli dieses Jahres. Das Reichstagsgebände steht wieder unter starkem Polizeifchuh.
Als erster Redner in der Debatte spricht
Abg. Keil( Soz.):
Die Stellungnahme der sozialdemokratischen Frattion zu den Notverordnungen ist gerade in dieser schweren Zeit am allerwenigsten Don Agitationsrücksichten beeinflußt, sondern geschieht unter gewissenhafter Brüfung aller fozialwirtschaftlichen und politischen Dinge.
Die ungeheure wirtschaftliche und seelische Not von Millionen Bolksgenoffen fann durch politisches Gerause nur gesteigert, aber nicht gefindert werden. Nicht um die Schuldfrage aufzurollen, fondern um die gegenwärtige Situation zu erflären, ftelle ich folgendes feft:
Als vor zwölf Jahren die Deutsche Republit ins Leben trat, ftand fie vor einem Trümmerhaufen.
Der Krieg hat rein finanziell das deutsche Boff 150 bis 200 Milliarden Goldmark getoftet.
( Fortsetzung auf der 2. Seite.)
Sicherung gegen Wiederholung polnischer Greueltaten zu verlangen, nötigenfalls Biedervergeltungsmaßnahmen durchzuführen. Bir fordern, da Gefahr feineswegs gebannt, Aufstellung eines Selbstschutes aus den Reihen der nationalen Bevölkerung Ostdeutschlands ."
der nationalen Maste Formationen gegen die Republik bilden wollen! Sie sind sofort wieder da, die Butschorganisationen, die unter Ausgerechnet Heinz Hauenstein und die Seinen! Sie wollen aus ber Oftoberschlesienaffäre Kapital schlagen, sie wollen ein Feuerchen anzünden, an dem sich das deutsche Bolt böse die Hände verbrennen
würde!
Dies Provokationstreiben schädigt die Sache des Deutschtums in Ostoberschlesien.
Herr Heinz Hauenstein und jene Getreuen SA. - Leute, denen von der Polizei die Wassen abgenommen wurden, sind vom gleichen Schlage!
Hitler will sich von der Verantwortung drücken.
Hitler möchte nach Meldungen der Rechtspresse von dem Jasckowizer Nazi- Unternehmen abrüden, nachdem feine Getreuen fezusagen in flagranti ertappt wurden. Er soll aus Berlin ein Telegramm gesandt haben, wonach der Beschluß der politischen
Komm auf mein Schloß zu mir!
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A
Leitung der Partei, jeden rücksichtslos aus der Organisation zu entfernen, der illegale Mittel im politischen Kampf anwende, int Jäschkowizer Fall zur Anwendung gebracht werde.
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Schloß Jäfchkowitz
Hier verhaftete die Breslauer Polizei 350 Nationalsozialisten und nahm ihnen Waffen und friegsmäßige Ausrüstung ab.
Hitler glaubt, sich auf solche Weise ein bequemes Alibi schaffen zu können. In Bahrheit ist er selbstverständlich für die Breslauer SA. verantwortlich.
Am Mittwoch abend fam es zwischen Nationalsozia Zu den Berbaftungen auf Schloß listen und kommunisten zu einem Zusammenstoß, in dessen Jäfchkowitz bei Breslau Berlauf mit Blastersteinen geworfen wurde. Beim Herannahen des Ueberfallkommandos ergriffen die Streitenden die Flucht. Ein Kommunift fonnte festgenommen werden.
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All diefe harmlosen Leute haben sich aus Angst vor cinem Linkspuffch zu mir geflüchtet"
Schlichtung im Reichsbahnkonflikt. Der Reichsarbeitsminister bestellt einen Vertreter. In dem Konflikt bei der Reichsbahn, wo die Gewerkschaften die Wiederherstellung des Achtffundentages fordern, während die Hauptverwaltung froh Arbeitslosigkeit an der zufählichen" Arbeitszeif von 8% und 9 Stunden festhält, hat der Reichsarbeitsminister heute den bekannten Dr. Bölkers aus Bremen zum Schlichter bestimmt. Herr Stegerwald will also felbst entscheiden.
Explosion fordert 36 Opfer.
Dynamitwagen in die Luft geflogen.
Rio de Janeiro , 4. Dezember. Nach einer Meldung der ,, Associated Pres" wurden auf der Bahnstation Novo da Cunha im Staate Minas Geraes durch die Explosion eines mit Dynamit beladenen Güterwagens 36 Personen getötet und brei Gebäude zerstört.