Beilage
Donnerstag, 4. Dezember 1930
Mar Sievers: Juftiswillkür in Gottesläßterungsprozeffen
Weit über die antifirchlich und antireligiös eingestellten Kreise des Boltes hinaus ist die Auffassung vertreten, daß mit diesen Bestimmungen eine unerträgliche Fesselung der weltanschaulichen Gewissens- und Meinungsfreiheit ausgeübt wird, die in der Gegenwart um so aufreizender wirfen muß, weil sie gegen Geist und Wortlaut der Beimarer Reichsverfassung verstößt. Diese Auffassung fand thren beredten Niederschlag in den Beratungen des Strafrechtsausschusses im Reichstage und es ist tief zu beklagen, daß die bestehenden machtpolitischen Verhältnisse so wenig zu der Hoffnung berechtigen, daß einem altertümlichen Requisit der Strafrechtspflege, dem Gotteslästerungsparagraphen, endgültig der Garaus gemacht wird.
Die Deffentlichkeit macht sich faum einen Begriff davon, welcher Mißbrauch der Justizgewalt mit diesem Paragraphen getrieben wird. Auch ist es viel zu wenig bekannt, daß in der letzten Zeit die Zahl derartiger Prozesse in starter Steigerung be griffen ist. Um dem Einwand zu begegnen, daß diese Häufung der Verurteilungen mur eine Folge maßloser, gegen die Kirche gerichte: ter Beschimpfungen sein tann, seien einige Fälle aus der Bragis der letzten Zeit hier angeführt:
In der Nähe von München befindet sich ein Walderholungs: heim für Konfeffionslose. Befizer ist ein Verein gleichen Namens. Auf einem großen, eingezäunten Waldterrain finden sich hier allsonntäglich Familien zur Pflege der Erholung, zu Spiel und Sport zusammen. Aus Anlaß eines Festes wurde eine Ausschmückung des Hauses vorgenommen und hierbei u. a. ein Trans parent mit der Aufschrift Religion ist das Opium der Bölfer" aufgestellt. Obwohl dieses Transparent von der Straße aus mur gesehen werden konnte, menn man sich der Mühe unterzog, über den Zaun hinwegzugucken, erfolgte prompt Anklage wegen Gotteslästerung. In letzter Instanz entschied der 1. Senat des Obersten Landesgerichts in München am 28. Februar 1930, daß durch dieses Blafat der äußere Bestand der öffentlichen Ordnung gestört worden sei und verurteilte den Verantwortlichen zu einer Geldstrafe in Höhe von 300 Mart.
In Regensburg schmückt eine Frau Sch. das Grab eines Angehörigen und bringt dabei auf dem Grabe eine Inschrift an: ,, Rimmer wiedersehen!" Sie erhält dafür einen Strafbefehl in Höhe von vier(!) Wochen Gefängnis, weil sie den christlichen Glauben von der Auferstehung in grober und ungebührlicher Weise verspottet und verhöhnt habe".
Mit Freispruch endete ein Prozeß, der, aber deswegen Erwähnung verdient, weil er die ganze Erbärmlichkeit der auf dem Gebiet der Gotteslästerung grassierenden Denunziations. mut offenbarte und in diesem Falle noch dazu ein Jurist als Urheber aufirat Tatbestand: Am 17. November 1929( Wahltag) hatte der Besizer einer Gastwirtschaft in Schloppe bei Deutsch Krone überhört, daß einige Gäste Getränke bestellt hatten. Als diese ihre Bestellung mit Nachdruck wiederholten, nahm der Gastwirt zum Scherz eine Flasche und rief Rufet mich an in der Not, ich will euch erretten und ihr sollt mich preisen!" In diesem Augenblick betrat der Amtsgerichts= rat Uthemann das Lokal. Er hörte die Worte, und der Gastmirt, in dem der Besizer eines Lokals der organisierten Arbeiterschaft und obendrein der Jude getroffen werden sollte, hatte feinen Prozeß meg.
Die Reichsarbeitsgemeinschaft freigeistiger Verbände gab im norigen Jahre ein Plafat heraus, das in ganz Deutschland ange schlagen wurde. Der Tert legt dem Leser die Frage vor, ob er noch an einen Gott glaube, und ob er nicht ein Heuchler sei, wenn er diesen Glauben nicht mehr habe und dennoch in der Kirche verbleibe. Am Schlusse wird dann zum Austritt aufgefordert. Der gesamte Text des Platates enthält sich jeder herabfegenden, insbesondete strafwürdigen Bemerkung über die Kirche, wohl aber waren, um den Leser anzureizen, die Worte„ Der liebe Gott" und an anderer Stelle ein Heuchler" fest gedruckt.
Eine ganze Serie von Anzeigen wegen Vergehens gegen den§ 166 wurde losgelassen. Bezeichnend ist, daß der verantwortliche Zeichner und Herausgeber wie auch die Druckerei unbehelligt blieben und man lediglich gegen die Arbeiter vorging, die das Plakat auf Anmeifung hin ang etiebt hatten. Noch bezeichnender aber ist der Verlauf, den die nunmehr folgende Prozeßorgie nahm.
In meitaus der Hälfte aller Fälle erklärte die Staatsanwaltschaft, daß kein Grund zum Einschreiten vorliege. In einer bestimmten Reihe von Fällen wurden Strafbefehle von 5 bis 15 M. erlassen. Einige Lehrer und Arbeiter in Thüringen erhielten 8 bis 14 Tage Gefängnis. In Eisenach standen wegen desselben Delikts zwei Angeklagte vor Gericht. Beide hatten das Plakat an demselben Abend zum Aushang gebracht. Der eine betam 100 m. Geldstrafe oder 20 Tage Haft, der andere wurde freigesprochen, Begründung: das eine Plakat hatte Anstoß erregt, während das andere von den Gläubigen unbeanstandet geblieben war.
Den traffesten Ausgang nahm diese Prozeßtampagine in Fisch hausen bei Königsberg i. Pr. Dort wurden zwei Arbeiter- und immer noch wegen desselben Platats- zu sechs Wochen bzw. einem Monat Gefängnis verurteilt.
Beweist schon die verschiedene Beurteilung des Vergehens der Gerichtsbehörden bei Borliegen eines ganz gleichen Deliftes, wie auch die verschiedenartige Höhe der verhängten Strafen, welcher Raum in solchen Fällen der richterlichen Billtür eingeräumt ift, jo erhält nach dieser Richtung hin der letzterwähnte Fall noch eine besondere Note. Es heißt nämlich in der Urteilsbegründung:
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Wenn man lediglich den gesamten Wortlaut des Blafats lieft, liegt der Totbestand des§ 166 nicht vor. Beim genauen Lesen zeigt es sich, daß die Worte„ Der liebe Gott" und ein Heuchler" gar nicht zusammengehören. Wohl aber liegt dieser Tatbestand in der Hervorhebung dieser Worte„ Der liebe Gott und ein Heuchler". Platate sind ihrem ganzen Wesen nach auf Fernwirtung eingestellt."
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Hier wird von dem Gericht selbst festgestellt, daß auch das ge naueste Studium des Textes feine Gotteslästerung entdeden läßt, sondern daß höchstens Vorübergehende, die das Blafat nicht lesen, infolge seiner Aufmachung eine Gottesläfte rung vermuten könnten. Hier wird ganz offensichtlich, wie trampfhaft der Richter bemüht mar, mit dem Mittel fünstlicher juristischer Konstruktion unter offen Umständen zu einer Berurtei Lung zu tommen.
Ats in diesem Prozeß der Pfarrer Rowalewsti aus Fischhausen als Zeuge gefragt murde, moran er min eigentlich An
da Der Abend
Spätausgabe des Vorward
Ein Kampfziel
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ein flares und
Niederbrückend war es, einen Studenten auf einem akademischen| sie in starkem Maße die Labour Party aufgerichtet hat, fet Diskussionsabend unter der Zustimmung eines großen Teils der Anwesenden sagen zu hören:„ Das Heer und das Volk fönnen in der Abstraktion der Verfassung nichts sehen, wofür sie ihr Leben ein fezen können." Daß die Weimarer Verfassung unendlich vielen Menschen der jungen Generation ein Ab ft r aftum geblieben ist, ist traurig. In den weiten Kreisen der depossedierten Schichten des alten Systems spricht die Tradition genügend gegen alles Neue und Werdende. Daß auch die Jugend dieser Kreise sich nicht so fort positiv zum heutigen Staat einstellen würde, war zu erwarten. Nicht zu erwarten aber war, daß selbst in jenen Kreisen, die sich politisch zu Parteien bekennen, aus deren Koalitionsarbeit das Deutschland von Weimar erwachsen ist, allzu oft das neue Deutsch land eine abstrakte Borstellung geblieben ist.
bei uns, wenn man von dem in dieser Hinsicht vorbildlichen Sammel buche des 2DGB.„ Die Wirtschaftsdemotratie" abjehen will. Es fehlt. und das rächt sich heute besonders bitter anschauliches Bild dessen, was trotz aller Unvollkommenheit heute bereits erreicht ist, und was es zu verteidigen gilt. Wo bleibt eine Schrift, wo bleibt vor allem eine Propaganda, die Deutsch . land als soziale Tatsache den Massen der erwerbstätigen Bevölkerung und vor allem der Jugend vor Augen führt, deren Staatsbürgerliche Ausbildung heute noch unter jeder Mindestgrenze
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Selbst in unseren eigenen Reihen herrscht weitgehend Un flarheit darüber, um was denn eigentlich der Kampf geht. Die einen fagen, um die Erhaltung der demokratischen Staatsform, und ihnen wird entgegnet, daß für das Proletariat die demokratische Republit nichts sein tönne, wofür es bereits lohne, fich mit letztlicher Hin gabe einzusehen. Republit, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Biel !" Die anderen glauben lebiglich einen Rampfplag, den sie| erobert haben, verteidigen zu sollen, sind bereit, alles bisher Erreichte| für ein Minimum zu halten, das höchstens der alten Generation feelisch etwas zu sagen habe, und richten ihre Augen sehnsüchtig auf ein fernes Ziel. Sie stehen zur Sozialdemokratischen Partei, weil in ihren Reihen für dieses Ziel gefämpft wird. Aber fie fritisieren fie heftig, weil sie sehen, daß zwischen dem, was in der Literatur und an Festtagen gefordert wird, und dem, was der Alltag des politischen Lebens an Tattit aufzwingt, ein scheinbar so großer Widerspruch flafft, daß sie dahinter irgendeine Unmahrhaftigkeit des Verhaltens vermuten.
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Wenn jetzt ganz allgemein der Ruf nach Aktivität innerhalb der Bartei erschallt, so darf diese Aktivität sich nicht im rein Technischen leer laufen. Gewiß, öffentliche Versammlungen, Demonstrationen, Flugblätter und unzählige andere Maßnahmen sind vonnöten. Aber alles das muß zwedios bleiben, wenn es nicht gelingt, eindeutig aufzuweisen, worum es geht, was wir zu verlieren, was mir zu verteidigen haben. Ganz mit Recht wird mitunter gesagt, daß unsere Politik bei allen offen zugestandenen gelegentlichen Mängeln in der Grundlinie weit besser ist als die Propaganda, die wir für sie gemacht haben. Schon vor nahezu einem halben Jahre forderten diejenigen, die diesen Tatbestand vor Augen hatten, daß nicht nur ferne 3iele, an denen unbedingt festgehalten merden müsse, aufgerichtet merden, sondern daß auch Meilensteine für den Weg gezeichnet würden. Unser Aktionsprogramm gibt gemiß eine Reihe solcher Meilensteine, aber sie stehen nicht plastisch genug vor den Augen der Jugend. Ohne jene planwirtschaftlichen Theorien, die nach dem Kriege Wiffe II Möllendorf und Rathena u propagierten, gerade jetzt zur Debatte stellen zu wollen, was sie für junge Menschen, wie oft beobachtet werden konnte, höchst eindrucksvoll machte, war die An schaulichkeit, mit der hier einmal der Versuch gemacht wurde, irgendeinen Weg zu weisen. Wegweiser für die nächsten Jahre, wie
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stoß genommen habe, erklärte er, in erster Linie an der Aufforderung zum Kirgenaustritt
Das also war die Grundlage eines Gotteslästerungsprozesses. Einem Pfarrer paßt die Propaganda für den Kirchenaustritt nicht. Da er diese nicht unterbinden tann, versucht er es mit einer Denunziation wegen Gotteslästerung, und das Gericht stellt fest, daß das Werbeplakat zwar nicht Gott lästert, daß aber Vorübergehende vermuten könnten, daß Gott gelästert werden solle. Und dafür müssen zwei Arbeiter auf Wochen hinaus ins Gefängnis, und der ganze Haß des Richiers gegen Freidenker und Sozialisten äußert sich in den folgenden Worten der Urteilsbegründung:
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Mit Rücksicht darauf, daß in der gegenwärtigen aufgewühlten Zeit, in der von allen Seiten versucht wird, die chlechten Instinkte der Menge aufzupeitschen, dieses Blatat hetzerisch wirken mußte und dazu geeignet war, weite Volf treise noch mehr zu entzweien und daß einem solchen Treiben bei Vorliegen strafbarer Handlungen im allgemeinen Voltsinteresse entgegengetreten werden muß, erscheinen bei den Angeklagten nur Freiheitsstrafen am Plaze."
Daß alle diese Gotteslästerungsprozesse lediglich einen Beitrag zum alten Thema Klassenjustiz darstellen, illustriert am treffendsten die folgende Gegenüberstellung.
In allen oben erwähnten Fällen murden proletarische und so. zialistische Volksgenossen getroffen. Sie alle bekamen die Härte des Gesetzes zu spüren. Ganz anders verfuhr man in Tübingen , wo eine Reihe Studenten ebenfalls wegen Gotteslästerung vor Gericht standen. Sie hatten in der Bierlaune einen Traghimmel aus Fahnenbuch hergestellt, hatten sich als Mönche mit der Bibel in der Hand verkleidet und alle firchlichen Zeremonien nachgeahmt. Ihr Gebaren mußte in den Straßen Tübingens um so auffallender wirken, als sie den Umzug zwei Tage nach der Fronleichnams prozeffion ausführten. Sie wurden sämtlich freigesprochen und das Gericht führte aus, daß die Angeflagten sich einer Beschimpfung bewußt gewesen seien, habe man als nicht erwiesen ansehen müssen".
Verschwinden werden diese Prozesse erst dann, wenn die mittelalterlichen Strafbestimmungen wegen Lästerung Goltes fallen. Darum muß die Forderung lauten: Der Gotteslästerungs= paragraph muß ausgemerzt werden!
Mittelschule und Aufstieg
Bon Thomas Stolze, Leiter des preußischen Mittelschulmefens, ist im Verlag Quelle und Meyer( Leipzig ) eine Einzeldarstellung ,, Die preußische Mittelschule", 120 Seiten, Preis geh. 3,60 M., erschienen. Das Buch enthält sechs Kapitel: Begriffsbestimmungen, Die Miticl schule als Schulform besonderer Eigenart, Die Lehrer, Die Stellung der Mittelschule im Bildungsorganismus, Mittelschule und Berechtis gungswesen, Aeußere Ausstattung der Knabenmittelschule einer Mittelstadt.
Nach dem Berfasser ist die Mittelschule eine allgemein bildende Schule mit der besonderen Aufgabe, ihre Schüler für gebobene Serufe des praktischen Lebens vorzubereiten. Sie unter fcheidet fich von der Bolfsschule durch die Höhe ihres Bildungszieles,
bleibt.
Die Mehrheit der Studierenden in Deutschland , ein überwiegen. der Teil der höheren Schüler, der Jungbauernschaft, junger Angestellter und auch Arbeiter, someit sie gemissen Trübungen des Klaffenbewußtseins anheimgefallen find, laufen jedem Gaufelspiel nach, ohne voll Stolz zu erkennen, an melch großem und starkem Werke fie mitzuarbeiten berufen sind. I st in dem Industrie. fta at Deutschland mit seiner zu mehr als zmei Drittel erwerbstätigen Bevölkerung die Aufrichtung und der Ausbau einer für die gesamte Welt vorbildlichen sozialen Gefeßgebung in 3eiten größter materieller und seelischer Mot nicht ein Wert, das uns bei allem berechtigten und ichöpferischen Willen zur Kritik mit Stolz zu er= füllen vermag? Ist die deutsche Republik als Träger der Sozialversicherung, des modernen Arbeitsrechts und des Arbeiterschuhes, sind ihre Länder als Vollzieher fortschrittlicher voltsbildnerischer Aufgaben, und sind schließlich die tausenden, unter sozialistischem Einfluß stehenden Gemeinden mit ihren Werken für Hygiene, Wohnung und Speisung ein Nichts?
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Man verstehe recht, Mißstände sollen nicht entschuldigt, Unzulänglichkeiten nicht vertuscht und Fehlleistungen, auch dort wo sie von unseren Genossen kommen, nicht befchönigt werden. Aber über der Kritik im einzelnen wäre es geradezu verblendet, zu glauben, daß wir in Deutschland nicht Einrichtungen zu verteidigen haben, die von den in den letzten Jahren erfolgten Schöpfungen der Partei, der Gewerkschaften und Genossenschaften gar nicht zu reden langen fönnen, daß wir uns für sie einsetzen, in jeder Form, die die Stunde gebietet. Das, was es zu verteidigen gilt, ist dieser junge, unvollkommene, aber vor unserem Auge sichtbare, aus allen Bedrängniffen herauswachsende Staat der deutschen Arbeit, der noch nicht im entferntesten dem Ziel unserer Zukunftswünsche gleicht, dem wir aber so viel Ernst, Arbeit und Opfer verhaftet, haben, daß der Haß seiner Gegner die Liebe seiner Schöpfer auf den Plan rufen muß. Dann, wenn die Brandstifter kommen, die das Dach anzünden wollen und wenn die heimlichen Plünderer am Werte sind, die bei Nacht und Nebel unser Heim ausrauben wollen, gilt es nicht zu1 fragen: Ift dieses Heim schön? Ist es vollkommen? Entspricht es ganz unseren Wünschen? Sondern dann heißt es mit fener besonnenen Entschlossenheit, die eine flare Erkenntnis verleiht, sich davorzustellen und zu sagen: Das Haus ist unser. Wir werben es Otto Friedländer . ich üzen."
von der höheren Schule durch die Art ihres Bildungszieles und durch ihre hierdurch bedingte anders geartete Arbeit. Stolze übt an der bisherigen Prüfungsordnung( vom 1. Juli 1901) scharfe Kritif. Insbesondere betont er die Schattenseiten der autodidaktischen Vorbildung, besonders hinsichtlich pädagogischer Theorie und Praxis. Er spricht geradezu von Unmöglichkeiten dieses 3ustandes. Auf S. 36 ff. stellt Berfasser die Forderungen aus der bisherigen Prüfungsordnung den wahrscheinlichen fünftigen Forderungen gegenüber. Es handelt sich hier vermutlich um Veröffentlichungen aus dem Referentenentwurf. Die Anforderungen sind ganz, erheblich gestiegen, was zu beachten ist, wenn man an den Weg und die mur furze Zeit denkt, die künftig für die Vorbereitung zum Mittelschullehrereɣamen führen werden.
Wie bisher, wird auch in Zukunft der Mittelschullehrerstand sich fast durchweg aus ehemaligen Boltsschullehrern refrutieren. Aber: Boltsschullehrer und Mittelschullehrerbildung sind in Ziel und Richtung grundsäziich verschieden. Daher fordert Verfasser ,, Institutionen, innerhalb derer Universität( Techmische Hochschule ) und Pädagogische Akademie in angemessener Arbeitsteilung die mit der Mittelschullehrerbildung in fachwissenschaftlicher wie pädagogischer Hinsicht ver bundenen Aufgaben" übernehmen. Verfasser schweben als Möglich feit der Vorbildung Kurse( Studiengänge) vor ähnlich denen, die vor dem Kriege für die Seminarlehrer eingerichtet worden waren. Das bedeutet, daß die Lehrer, die einen solchen ,, Studiengang" absolvieren, sich bezüglich ihres Aufstieges in einer Sackgasse befinden. Die Laufbahn, die dem Studienrat offen steht, ist ihnen verschossen. Trotz der vier Semester Akademie und der vier Semester Mittelschulstudiengang ist die Promotion auf Grund der Studien unmöglich. Aus einen Zuzug zur Mittelschullehrerprüfung von der Universität her wird nicht zu rechnen sein; denn wer sechs Semester reguläres Studium hinter sich hat, wird auch zwei weitere Semester wirtschaftlich durchhalten, um zum Lehramt für die höheren Schulen zu gelangen, feinesfalls aber nach sechs Semestern noch zwei Semester an die Pädagogische Akademie gehen, um nach Ablegung von zwei pädagogischen Prüfungen( getrennt durch zwei Jahre Pragis) schließlich mäßig bezahlter Mittelschullehrer zu werden.
Nach Stolze ist die Mittelschule teine Standesschule, wenn er auch zugibt, daß bei der 1926 erfolgten Umgestaltung der ,, höheren Mädchenschulen" in Mittelschulen ihnen die alte Bezeich nung gelassen wurde, und zwar deshalb, weil sie sonst ein gut Teil ihrer Anziehungskraft verloren hätten. Von allgemeinem Interesse ist die Erörterung des Problems der Bolts chulaufbauflassen. Aufbauten" hält Stolze in Uebereinstimmung mit der 20. Generalversammlung des A. D. Lehrerinnenvereins mir da für berechtigt, wo dem Volksschüler andere Möglichkeiten des Aufstiegs nicht offen stehen. Stolze zitiert die Ansicht der genannten Generalversammlung, daß die Abzweigung nach dem fiebenten Schuljahr für die Volksschule an sich feine Hilfe ist, sondern eine weitere Berarmung und Degrabierung des Hauptzuges barstellt. Die Volksschule ist in den vier oberen Jahrgängen demnach eine Armenschule" in spezifischem Sinne geworden. Die vom Verfasser gegebene Uebersicht über die Berechtigungen des Schlußzeugnisses der Mittelschulen dürfte vielen überaus willkommen sein. Dr. Otto Seeling .