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Max Barthel :

Scherenschnitte aus dieser Zeit

In unserer chaotischen Zeit sind auch die meisten Menschen chaotisch, und wie in einem Panoptikum hauptsächlich Mörder oder Helden ausgestellt werden es gibt aber auch romantische Ab­teilungen- so haben auch die großen Zeitungen ihre Schreckens: lammern. Im Gegensatz zu einem Panoptikum merden in den großen Seitungen jeden Tag die Figuren ausgewechselt, tragische und tomische, und mir wollen heute einige Figuren näher betrachten. Die crfte Figur tritt auf in der Geschichte:

Der Schein trügt

Georg Keller, ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, fernte in einem Tanzlokal ein hübsches Mädchen tennen . Sie stand gerade in einem Streit mit einem zweifelhaften Kavalier, Herr Rellet schlichtete den Streit und bot seinen Schuß an. Das Fräulein dankte, wurde rot und lachte bald, denn der junge Mensch verstand reizend zu plaubern.

Bald faß er an ihrem Tisch, tanzte einen verführerischen Tango, beglich selbstverständlich die kleine Zeche seiner Dame. Endlich brachte er das hübsche Mädchen auch nach Hause. Die Heimwege aller jungen Leute dehnen sich endlos, die Umwege sind mit die schönsten Wege, die es gibt, und dieser Ummeg nun führte durch einen großen Bart mit vielen Bänken.

Die beiden jungen Menschen fanden auch eine leere Bant, sie legten sich und Herr Keller erzählte aus seinem Leben, erzählte von seiner harten Jugend und seiner Sehnsucht nach ein bißchen Glüd. Das eine Fräulein, fie hieß Dora, fühlte in sich den Beruf, den armen Burschen glüdlich zu machen. Wer nun zuerst gefüßt hat, Georg oder Dora, foll nicht genauer untersucht werden, wahrschein lich haben beide zu gleicher Zeit gefüßt. Jedenfalls war es sehr schön in diesem Bart. Als sie aufbrachen, durfte Georg seine Dame bis an die Haustür bringen.

Sie bedankte fich schön, versprach eine neue Zusammenkunft und schloß endlich das Tor auf. Und da schlüpfte Georg mit hinein. Sie erschrat und war zugleich geschmeichelt, die kleine Dora. Biel­leicht will er noch einen Kuß haben, dachte sie. Aber er wollte feinen Kuß. Er wollte etwas ganz anderes.

Blöglich räusperte er sich, als wolle er eine fleine Rede halten, aber er hielt auch keine Rede, plöglich überfiel er im dunklen Flur die kleine Dora und hielt ihr den Mund zu. Dann griff er nach dem Handgelenk des fleinen Fräuleins und flaute die Armbanduhr. Sie bebte und zitterte, die arme Dora, und Herr Keller flüsterte drohend: Kein Wort, teinen Laut. Wenn Sie nicht ganz ruhig sind, wird nach was ganz anderes passieren."

Und es passierte noch etwas ganz anderes. Er griff nach ihren versuchte,

,, Der Mann, der auf dem Warschauer Platz unter dem Ver­dachte eines Raubüberfalles festgenommen wurde, ist ein vierund­zwanzigjähriger gewisser Kurt Kreß, der lange Zeit keine Arbeit gehabt hatte. Endlich hatte er Beschäftigung erhalten und sollte am Montag anfangen. In der Freude, wieder Verdienst zu bekommen, war er dem ersten besten, den er auf der Straße traf, um den Hals gefallen, zufällig dem 14 Jahre alten Mädchen Susanne 2. Kurt K. gefallen, zufällig dem 14 Jahre alten Mädchen Susanne 2. Kurt K. ist verheiratet, feine Frau arbeitet in einem großen Betrieb. Sie und auch sein neuer Arbeitgeber wurden von der Polizei gehört und bestätigen die Angaben des jungen Menschen im vollen Umfange."

Herr Lämmermann runzelte die Stirn, mokierte sich darüber, baß in dem Polizeibericht der Warschauer Platz als Straße be­zeichnet wurde, und war unglücklich darüber, daß der Kurt Kreß tein Verbrecher mar. Jezt freute ihn die ganze Geschichte micht mehr.

Gewitter auf dem Lande.

Bertha Lutz war mit fünfundvierzig Jahren schon Großmutter und hatte dabei ein Herz wie eine Zwanzigjährige. Ihr Mann, Ludwig Luz, war siebzehn Jahre älter und bedeutend ausgefühlter. Er war Schuhmacher. Die silberne Hochzeit stand vor der Tür, wie man so schön sagt. Beinahe wäre sie überhaupt nur vor der Türe geblieben. Und das fam so:

In die Großmutter Luz verliebte sich der Landwirt Paul Zenter. Die Liebesleute trafen sich ab und zu in einer Scheune. Und als sie wieder einmal zusammen waren und ihren Gefühlen wahrscheinlich feinen 3wang antaten, zog ein Gewitter hoch, und so ein frecher Bliz schlug in die Scheune ein. Er zündete auch, der Blitz, und als vom nahen Dorfe die ersten Rettungsmannschaften anrüdten, da sahen fie, von feuriger Lohe verklärt, eben die Frau Luß mit ihrem Liebhaber, dem Herrn Zenter!

Frau Luz verließ in derselben Stunde das Dorf und zog zu ihrer Schwester nach Magdeburg . Herr Zenter aber glaubte die Schande nicht ertragen zu fönnen und hängte sich auf. In der letzten Sekunde wurde er gefunden und abgeschnitten. Herr Luz war am schlimmsten daran. Er befam einen Nervenschock. Aber nach vierzehn Tagen, zur Feier der silbernen Hochzeit, mar alles wieder in guter Ordnung

Herr Luß hatte verziehen.

Frau Luz war aus Magdeburg zurückgekehrt. Herr Zenter freute sich seines Lebens.

Die Scheune war auch wieder aufgebaut.

Für alle Fälle aber hatte man sie mit einem Blizableiter ver­fehen!

9. Garry:

from auf dre Oberfläche des Dzeans. In diefer Schlange fand ich zwei Stunden und zehn Minuten.

Bon Zeit zu Zeit drängte fich fochender menschlicher Fleischbrei, der von den Plattformguttertüren zurückgehalten wurde, nach außen, und dann stießen ihn die Kontrolleure mutschnaubend zurüd.

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Es fiel gleich das augenscheinlich ansässige Aussehen des größten Teiles der Bevölkerung des Wartefaals auf. Hier haben die Platz­fartenlosen Bauern, Landarbeiter, Saifanarbeiter, Tagelöhner ujm. für lange Bett ,, ihre Zelte aufgeschlagen. Sehr viele Familien. Die Luft war schwül, beklemmende Ausdünstungen fchmebten über den dicht zujanunengerückten Mattenbündeln und armjeligen Köfferchen. Auf und zwischen ihnen saßen und lagen, schliefen und machten, rauchten und aßen Mittag" schon lange ungewaschene Menschen. Auf dem bespuckten Fußboden frochen Kinder herum. Alles mar besetzt sogar die dunklen Winkel unter den Treppen.

Die Kassen verkaufen mehr Fahrkarten, als die Züge Pläge zur Verfügung haben. Darum ist das Einsteigen in unnumerierte Wagen augenscheinlich mit Zodesgefahr verbunden. Es hört auch nur auf, wenn die Eingangstüren mit einem Korten aus menschlichen Leibern fest verstopft sind. Die, die von der Plattform herunter geworfen oder einfach nicht hereingekommen sind, lehren auf die eingesessenen Plätze zurück in den Bartesaal.

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Aber es gibt Reisende", die nirgends hinfahren. Das sind. - ,, Katomje", heimatlose Händler( faltes Wolgawasser, Rotaugen, 3igoretten Zigaretten die schwarze Börse"), Arme und unverbesserliche Prostituierte, verwahrloste Kinder, vertruntene Wolgalaftenträger mit ihren Schwitzern", überhaupt der ganze Stadtjagel. In Stalingrad gibt es feine lebernachtungsmöglichkeiten, und so hat sich der Bahnhof in eine abscheuliche Grube verwandelt. Im ungeheuer­lichen Federschmuck aus Lumpen, die einfach aus den Leibern heraus­wachsen, gleich phantastischen Bögeln, lassen sich diese Leute in den Sälen und wo es ihnen so einfällt häuslich nieder. Am Abend liegen auf den Treppen, die zum Ausgang führen, und auf dem Platz Betrunkene durcheinander.

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Ihnen allen gibt der Bahnhof Obdach und... Nahrung. Gleich nach dem Anzünden der gelben Lichter schmachleuchtender Lämpchen in dem Wartejaal fallen die Taschendiebe, Gauner und Landstreicher über die schläfrigen Menschen her. Mal hier, mal da hört man das Schreien und Jammern der Beraubten. In manchen Nächten werden auf dem Bahnhof zehn bis zwölf Diebstähle verübt.

Die Reisenden sind fraft und mehrlos. Uebrigens tamen mir hier dazu, eine ziemlich eigenartige Art der Ausrettung der Ka tomje" fennenzulernen. Der Genosse, der zu diesem Swede angesteüt worden war, erkundigie sich bei dem Festgenommenen über sein Bargeld und händigte ihm nach einer gerechten Rechnung einen ent­fprechenden Lotteriegewinnschein von Osowiachim"( eine halbmili­tärische Vereinigung) aus, monach er ihn gütigst entließ.

Ich war Zeuge davon, daß ein Dieb, der bei seiner Tätigkeit ertappt wurde, unter dem eigenartigen Bormand entlassen wurde: Man tann mit ihm somieso nichts anfangen: der Ankunft des Genossen Sulimom befam der Bahnhof anständiges

idrie fie auf vor Schmerzen, bie Dora, und dann öffnete sich eine Bahnhofsidyll im Arbeiterparadies" morgen vor bbiges Ausfehen. Es wehte von der Feuchtig

Tür. Frau Goldschmidt hatte den Schrei gehört und fragte:

Ist jemand dort?"

Sie drehte das elektrische Licht an, und der Herr Georg Keller rannte davon. Frau Goldschmidt war eine resolute Frau, fie rannte dem jungen Burschen nach und begann zu schreien. Fräulein Dora stand in dem Hausflur und meinte. Der Flüchtling lief einer Polizei streife in die Arme und wurde verhaftet. Die vertrauensselige Dora aber war von nun an mit neuen Bekanntschaften etwas vorsichter.

Die Glyzerintränen.

Die Krokodiltränen find bekannt genug, heute follen die Ginzerin tränen bekanntgemacht werden, die künstlichen Tränen der welt­berühmten Filmhelden. Diese Geschichte spielt in Hollywood , in Cali­ fornien , USA. , und Mary Bickford, gerührt über das grauen­volle Elend der Filmfomparserie, beschloß, den armen Teufeln zu helfen. Sie veranstaltete eine Wohltätigkeitsmatinee. Aber das war cia großer Reinfall,

Zum wahren Gesicht Rußlands

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teit der frisch gewaschenen Fußböden. Bon den jauber ab­,, Der Zug, der mich nach Stalingrad dem Endziel meiner geschrubberten Treppen verschwand irgendwohin das Katomje". langfristigen Reise brachte, fam mit einer Verspätung von Der Dienstwagen, der an einem auffälligen Plaze stand, war mit 3 meieinhalb Stunden an. Der Zug, mit dem einige Tage einem festlichen Plakat geschmückt. Durch den sozialistischen Wett ipäter Genosse Sulimom( stellvertretender Boltskommissar für Berbewerb zur Sebung der Arbeiterleistung." fehrsmesen) tam, mar, wie man annehmen muß, während der Fahrt von besonderen Sorgen der Eisenbahnadministration begleitet, da er nur zwei Stunden Verspätung hatte.

Mein Gewiffen war beruhigt, und ich feilte meine Zweifel einem Inspektor des Bolfskommiffariats für Berkehrswesen, der einen Tag vor dem Genossen Sulimom angekommen war, mit. Der Inspektor fajnunzelte in feinen grauen Schnurrbart.

Nach langem, ermüdendem Euchen stieß ich endlich auf die Kammer für Aufbewahrung des Handgepäcks, In dem unglaublich gefüllten Wartefaal dritter Klaffe war es ebenso schwer, die Schlange der Wartenden zu finden, die in die Kammer wollten, wie den Golf-| heruntergenommen."

Erna

Gold scheint magnetische Kräfte zu haben und sich von feinen Büsing:

Besizern nicht trennen zu wollen, vielleicht ist es auch umgekehrt, aller Wahrscheinlichkeit nach ist es umgekehrt, turz und gut, nicht lange nach der Mission der Mary Pickford erschien in einem Holly­ wooder Filmblatt folgende Glosse:

,, Wir haben in Hollywood eine Anzahl der reichsten Geschäfts­leute der ganzen Welt. Dreizehn Männer zum Beispiel verdienten im legten Jahre 3 550 750 Dollar. Mary Pickford ging bei den reichen Kollegen für die hungernden Kollegen sammeln und brachte nicht mehr als 85 000 Dollar zusammen. Wer von den Herrschaften gab nun für die armen Kollegen? 211 Schauspieler spendeten rund 25 000 Dollar, 100 Regiffeure 22 000 Dollar, 91 Filmdirektoren 21 000 Dollar, 133 Tertschreiber, die Männer triefenden Edelmuts, 5000 Dollar, 531 technische Arbeiter 3000 Dollar und die 2134 Büro­angestellten schließlich 10 000 Dollar.

Das jährliche Gesamteinkommen der Hollywooder Filmkolonie ar beträgt jährlich 65 000 000 Dollar!

50 war's much früher. Nur schrubbert man jetzt schlechter. Nach der Abfahrt des Genoffen Sufimow wurde das Plakat ( Efon. Schirn")

Kasper, der Lebensretter

erwachender Rauflust Teil an einer Beißerei, was dann einem geschickten Dompteur die Gelegenheit gibt, sich aus böser Situation zu erretten. Aber als Verteidiger seines Herrn, direkt zum Angriff überzugehen, das hat, außer Kasper, nachweisbar noch kein Löme getan.

Kasper hieß der Löme bereits, als er, ein noch unbeholjenes| bemußt verteidigen sie ihren Herrn nicht. Sie nehmen wohl in Jungtier, auf einem Dampfer in die weite Welt und die große Ungewißheit hineinfuhr. Doch ein Tier ist bekanntlich vom Schicksal gütiger bedacht als der Mensch; ein Tier beklemmen nie Sorgen um die Zukunft. Und Kasper füllte auf seine Weise die Tage aus. Er spielte mit seinen dicken Pfoten, horchte auf jedes Geräusch, er schnüffelte jeden Duft und nahm aufmerksamen Auges Menschen und ihre Bewegungen wahr. Er verarbeitete alle diese Eindrücke. Angeftrengtestes Ueberlegen wechselte mit Gleichgültigkeit in seinem Gesicht und die Farbe seiner Augen spielte vom starren Grau bis Gesicht und die Farbe seiner Augen spielte vom starren Grau bis zum durchsichtigen Bernsteingelb.

Als er in der großen, verwirrenden Hafenstadt Hamburg an­fam, mar er ein aufgeweckter Bursche. Halb ermachendes Tier, das weiß, der Mensch ist unser Herr, denn er ist das furchtbarste und größte aller Raubtiere" und halb Jungtier mit seinem Bedürfnis nach Wärme und Anschmiegenkönnen und der Hoffnung auf Ber­möhntwerden.

Bas waren die einzelnen Erlebnisse der guten Mary? Ein weltbekannter Star, der im legten Jahre über 200 000 Dollar ver­diente, bot zunächst einen einzigen Dollar an! Dann, nach herz- Rasper bekam den Raubtierdompteur Peters als Lehrherrn. bewegenden Kämpfen, gab er ganze fünf Dollar! Und eine junge| Der ging zu Kasper in den Käfig, fezte sich zu dem jungen Löwen , Diva, die mit ihren Kinterlichen sich ein großes Vermögen macht, nahm seinen Kopf in seinen Schoß und sprach mit Kasper. Er gab überhaupt nichts. Sie erklärte: fütterte ihn, er spielte mit ihm und bald waren sie nicht nur Ber­traute, nein, sie waren beste Freunde. Kasper wartete gleich be gierig auf Futter, Angesprochenwerden und auf die restlos aus= genutzte Spielzeit. Bei diesem Spielen wurde Kasper dressiert, lernte Kunststückchen und mußte es gar nicht. Eine Peitsche hat Rajper nie tennengelernt; denn die Dressur war für ihn eitel Spielerei, fie mar eine Bertreibung der Langenweile und das Reifenfpringen eine gymnastische Uebung.

,, Ich halte von der Wohltätigkeit nichts!"

Dann ging fie zur Aufnahme und meinte Ginzerintränen. Was die Mary Bickford selbst gegeben hat, ist in dem Bericht nicht verzeichnet. Vielleicht war der ganze Wohltätigkeitsrummel ein guter Einfall von dem Manager der Mary!

Der Warschauer Platz.

Der Warschauer Platz liegt im Dsten Berlins und ist selten ein Schauplatz für eine fröhliche Angelegenheit. Der Schulrettor Bämmermann zum Beispiel dachte gern über die Schlechtigkeit der Belt nach. Er trug eine goldgeränderte Brille und einen schwarz gefärbten Bollbart. Also, auch an diesem Tage dachte er über die Schlechtigkeit der Welt nach, und auf dem Warschauer Plaz sah er mit eignen, turzfichtigen Augen eben die Schlechtigkeit der Welt! leber den Platz eilte nämlich ein junger Mann, lief auf ein junges Mädchen zu und drückte sie ans Herz! Das Mädchen freischte, wie eben junge Mädchen freischen, und Herr Lämmermann, der einen Raubüberfall am hellen Tage zu sehen glaubte, rief ganz laut nach Hilfe Die Polizei tam und nahm den jungen Mann troß feines heftigen Protestes fest. Lämmermann gab seine Abreise ais Zeuge an und stolzierte davon im Bewußtsein einer guten Tat. Er war so sehr mit fich selbst zufrieden, daß er sich gern einen Ruß auf ben eigenen Mund gegeben hätte Das ging leider nicht, und so Das ging leider nicht, und so strich er sich nur liebfofend den schwarzen, gefärbten Vollbart. Zu Hause erzählte er die Geschichte und ließ sich als held feiern. Herr Lämmermann war fein Held.

Am nächsten Tage las er die Zeitung; las den Bolizeibericht von gestern:

fonnte fich unbedingt auf ihn verlassen, er war der intelligentefte Bald arbeitete Kasper in einer großen Gruppe. Sein Herr fonnte sich unbedingt auf ihn verlassen, er war der intelligenteste Bursche und der beste und sicherste Arbeiter. Doch war Kasper flein von Figur und hatte, was sein Herr sehr bedauerte, fast gar teine Mähne. Der Löwe wächst sich immer erst in seine Schönheit hinein und menn er groß und prächtig ist, und seine Mähne ihn als mallendes Panzerhemd umgibt, dann ist er leider meistens schon böse geworden und für Dressurzwede nicht mehr zu gebrauchen. Doch Kasper wurde älter, ohne daß seine Mähne stärfer wurde. Er blieb spärlich behaart und das Publikum hielt ihn immer für ein Weibchen.

Kasper hatte eine Charaktereigenschaft, die man sonst bei Löwen nicht allzu oft antrifft, er mar von rührender Anhänglichkeit. Rafper hatte seinen Batt mit den Menschen gemacht. Er wurde der Löwe mit Familienanschluß. Peters nahm ihn mit in die Garderobe, Peters nahm ihn mit an den Artistenstammtisch. Das war gewagt und dennoch berechtigt.

Ein Löme beißt zuweilen, da ihm das plötzlich und unerwartet Spaß macht. Nie hat Kasper sich derartiges zuschulden kommen Lassen. Im Gegenteil, er hat einmal überlegt Partei genommen gegen seine Artgenossen und ist daher die berühmte Ausnahme von der Regel geworden. Mögen Löwen nämlich noch so treu erscheinen,

Peters trat mit seiner Löwengruppe in Berlin im Zirfus Busch auf. Die Löwen waren in der Brunst, unverträglich untereinander, eifersüchtig auf ihren Herrn, toll und beißwütig. Sie fielen über­einander her und als ihr Herr sie trennen wollte, wurde er von dem Lömen Leo auf das schwerste gebissen. Leo hatte eine Schulter­höhe von 1,27 Meter, er mar fast so groß wie ein Doppelponie. Und auf diesen Löwen sprang der schwache Kasper. Er, der dem großen sonst instinktiv immer aus dem Wege gegangen war, Kasper, der sich überhaupt nur unter Herrchens Schutz in Leos Nähe traute. Kasper hing sich an Leo, biß sich fest und dem Angegriffenen blieb nichts anderes übrig, als den Kasper abzuschütteln. Löwen waren untereinander in eine Rauferei geraten, aber Kasper fümmerte sich um nichts, er biß seinen Herrn frei. Obwohl er dessen Blut witterte, wachte das Raubtier nicht in ihm auf.

Die anderen

Peters hatte sechzehn Löcher im Arm. Der Dompteur wäre zerfleischt worden, wenn Kasper nicht gewesen wäre.

Nach schwieriger Operation und langem, langem Krantenlager konnte Beters seine Löwen endlich wiedersehen. Kasper freute sich sichtbar. Die Freundschaft zwischen Lehrer und Schüler war noch inniger geworden. Obwohl Kasper inzwischen sieben Jahre alt wurde und langsam in das für Löwen gefährliche Alter tam, ihm deutlich zu verstehen: Ich bin heute nicht zu sprechen, ich änderte er sein Benehmen Peters gegenüber nicht. Freilich fauchte Kasper dann und wann den Tierpfleger unfreundlich an und gab ihm deutlich zu verstehen: Ich bin heute nicht zu sprechen, ich mill meine Ruhe haben."

Plöglich wurde Kasper frant. Er fieberte und lag abwechselnd aufgeregt oder teilnahmslos in seinem Stroh, das man schleunigst Nächte hindurch bei ihm wach, streichelte ihn, tröste e ihn und durch­in den Wagen gelegt hatte. Peters besuchte seinen Kasper oft, blieb foſtete die große Tragit, die in jeder Freundschaft zwischen Mensch und Tier liegt. In den dringensten Fällen können wir uns nicht verständigen. Kasper starb, troß aller Pflege.

Der Dompteur untersuchte den toten Löwen ganz genau und da entdeckte er auf einmal ein winziges Loch in einer Pfote. Das mar des Rätsels Lösung. Kasper hatte sich einen Fremdförper in den Fuß eingetreten und war an Blutvergiftung zugrunde gegangen.

Me Menschen, die Kasper gekannt hatten, fühlten sich seelisch bedrückt. Das Tier hatte einst gegen seine Natur gehandelt, war zum Verräter an seinen Artgenoffen geworden und hatte einem Menschen das Leben gerettet. Die Menschen aber tonnten, trozz aller Anstrengung, nicht einmal die Ursache der Krankheit entdecken, der bei rechtzeitigem Erkennen vielleicht noch hätte Einhalt geboten werden lönnen.