Morgenausgabe
Nr. 591
A 297
47.Jahrgang
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Donnerstag 18. Dezember 1930
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Monarchie meldet Siege. Behn Jahre prohibition.
Spanischer Generalftreif erfolglos?- Fremdenlegion schüßt Königspalast.
Paris , 17. Dezember.( Eigenbericht.)
Obwohl sich König Alfons in seinem Schloß in Madrid immer flärfer hinter Kanonen und Maschinengewehren und immer neuen Abteilungen der Fremdenlegion verschanzt, verkündet sein Ministerpräsident General Berenguer triumphierend, daß die revolutionäre Bewegung überall vernichtet jel. Auch der Generalftreit habe nirgends Anflang gefunden, behauptet die Regierung. Dennoch muß die Regierung in einem amflichen Kommuniqué zugeben, daß in einigen Großstädten, so vor allem in Bilbao , Santander, Saragossa , Corona und Logrono die Arbeit vollkommen ruhe und in Cordoba , Cerida, Granada und Sevilla Teilstreits zu verzeichnen seien. Zwischenfälle seien vorläufig nur aus Seguria und Elch gemeldet worden, wo vereinzelte Gruppen von„ Revolutionären " versucht hätten, die Telephonleitungen zu zerstören. In Gijon habe eine Schar junger Leute ein Jefullenflofter geplündert und in Brand gestedt. Der Brand in dem Kloster sei rasch gelöscht worden, doch seien zwei benachbarte Gefchäftshäuser vollkommen ausgebrannt. Die Polizei habe dem Treiben der Uebeltäfer ein Ende gemacht; einer fei erschossen worden. Telephon funktioniert- Belagerungszustand bleibt. Madrid , 17. Dezember.( TU.) Nachdem der Telephonverkehr mit dem Auslande wiederher. gestellt worden ist, der seit über 48 Stunden unterbrochen war, liegen genaue Nachrichten über die Lage in Spanien und über die Umfturzbewegung vor.
Das Scheitern der Umfturzbewegung ist in der Hauptsache darauf zurückzuführen, daß die in der Verschwörung eingeweihten nicht Sehr zahlreichen Truppenteile in der letzten Minute umfielen aus Furcht, die Bürgergarde sei in Madrid viel zu start. Dieses Verfagen der Truppen hatte die Weigerung der Ge wertschaffen zur Folge, den Generalstreit zu erklären, da diese keine Luft hatten, fich für die Soldaten totschießen zu lassen. Auf diese Weise blieben die Flieger isoliert. Sie wurden nur von einigen hundert bewaffneten Syndikalisten unterstützt. Die Regierung hatte außerdem einige Tage vorher sämtliche Bomben vom Flugplatz entfernen laffen, so daß es an den wichtigsten Waffen fehlte. Der Aufstand in Jaca sollte das Zeichen zu dem Aufstand im ganzen Lande sein. Es ist anzunehmen, daß eine Reihe, von örtlichen Unruhen der Regierung noch längere Zeit Schwierigkeiten machen wird, obwohl der Umsturzverfuch als gescheitert zu betrachten ist.
Die Morgenpreffe berichtet, daß nach Bilbao und Madrid weitere Truppenverstärkungen aus Segovia abgegangen sind. Der Kriegszustand im ganzen Land soll zunächst nicht aufgehoben werden. Die Feierlichkeiten anläßlich des 100. Todestages Simon Bolivars finden unter Beteiligung des Königs ohne Programmänderung statt.
In Portugal ist ein fünfter spanischer Militärapparat mit einem aufrührerischen Artilleriehauptmann an Bord eingetroffen. Er wurde wie feine Kameraden in der Nähe von Lissabon unter gebracht.
Man kann jetzt wieder mit einem gewöhnlichen Paß die spanischfranzösische Grenze paffieren. Auch Waren werden wieder befördert; mur die französischen Zeitungen werden nicht durchgelassen, und die
Spanier tommen in Scharen auf französisches Gebiet, um sich aus der französischen Presse zu informieren.
Generalstreit und Pressezensur. Die Königin telephoniert mit Londoner Redaktion.
London , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Madrid hat am Mittwochmittag um 12 Uhr den Telephonperfehr mit London wieder aufgenommen. Als erste sprach die spanische Königin mit der Redaktion eines bürgerlichen Abendblattes. Sie erklärte, in Spanien sei alles ruhig. Dem widersprechen jedoch die Nachrichten, die von Reuter und den übrigen Nachrichtenagenturen verbreitet wurden. Der Generalftreit dauert nach diesen Meldungen in sehr vielen Städten, besonders
neue vorläufige Regierung steht unter der Führung des Generals Orellana.
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung war seit der Amtsüber- über Prohibition und die trodenen" Heernahme durch den Bizepräsidenten Palma allgemein.
Große
Kundgebung!
gegen Kulturreaktion und Kriegsgefahr
am Sonntag, dem 21. Dezember 1930, mittags 12 Uhr, auf der großen Wiese im Humboldthain.
Redner: Clara Bohm- Schuch , Arthur Crispien , Hermann Harnisch, Kurt Heinig , Carl Litke, Dr. Kurt Löwenstein, Otto Meier .
Parteigenossen!
Die Wahlen des 4. November haben deutlich gezeigt, was wenigstens hinsichtlich der Frage des glorreichen 18. Ergänzungsparagraphen zur amerikanischen Bundesverfassung( Prohibition) die Wählermassen wollen. Wo die Volksstimme Gelegenheit hatte, sich direkt oder indirekt scharen des alkoholaustreibenden Bischof Cannon zu äußern, hat sie dies mit einer Entschiedenheit getan, deren Sinn nicht mißverstanden werden fann. Wie weit sich die Stärte der Prohibitionsgegner im fünftigen Bundeskongreẞ auswirken wird, wann mit einer energischen gesetzgeberischen Abrechnung mit den Muckern zu rechnen sein wird, ist heute noch nicht zu sagen. Aber das ist nicht die Frage. Es besteht die Tatsache, daß der Sturm gegen die Prohibition im Anwachsen begriffen ist und ihm auch durch die Beschwörungen politischer Fanatifer fein Einhalt geboten werden kann.
So ist es wohl an der Zeit, einen Ueberblick über die Prohibition zu geben und graphisch aufzuzeigen, was sie in Amerika angerichtet hat. Im Jahre 1930 hat das Schreckenskind auf eine zehnjährige Eristenz zurückblicken fönnen, die noch in fommenden Jahrhunderten einen weltweiten Widerhall als eine der merkwürdigsten Epochen der amerikanischen Geschichte finden wird. Bon Freunden in diesen zehn Jahren zu dem Hauptproblem des und Feinden bitter umfämpft, ist die Prohibition amerikanischen Lebens geworden, zu einem weit überschattet. Was heute zu sehen ist, ist im wahrsten Kompler, der alle anderen Fragen des öffentlichen Lebens Sinne des Wortes erschreckend. Ein Monstrum, das wie ein Nachtmahr über Amerika liegt, mit seinen Fangarmen in die tiefften Tiefen des nationalen Lebens reicht, fich zu einem Bolypen ausgewachsen hat, der an den elementarsten Kräften der Nation saugt. Der zehnjährige Geburtstag ist wahrscheinlich nicht dazu angetan gewesen, den
Sorgt für Massenbesuch! Enthusiasmus der amerikanischen Maſſen wachzurufen.
Steeg vor dem Sturz?
Tardieus verzweifelte Anstrengungen. - Gozialistische Unterstützung.
Paris , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Während die Regierung Steeg mit Eifer an der Fertig stellung ihrer Regierungsertlärung arbeitet, ist die Rebenregierung" Tardieus nicht minder eifrig damit beschäftigt, ihrer Opposition für die erste entscheidende Kammerabstimmung am Donnerstag zum Siege zu verhelfen.
Die Tardieu- Gruppe der republikanischen Linfen , die demokra. tische Allianz Maginots und Reynauds sowie die Marin- Gruppe haben in pompösen Entschließungen der Kartell- Regierung" Steeg bereits ihren Kampf bis aufs Messer angefagt. Die Gruppenführer find eifrig bemüht, ihre Anhänger bei der Stange u halten. Franklin- Bouillon hat mit seinen Getreuen beschlossen, zunächst einmal die Haltung der Sozialisten gegenüber der Regierung abzuwarten. Er will je nach deren Stimmabgabe das genaue Gegenteil tun. Endlich hat die Tardieu- Mannschaft das Gerücht ausgesprengt, daß es ihr gelungen sei, die Minister und Unterstaatssekretäre Thoumyre, Coty und Cautru, die troß ihrer gewagt. hatten, zur fofortigen Demiffion zu bestimmen, Sugehörigkeit zur Tardieu- Gruppe in die Regierung einzutreten falls die Sozialisten das Kabinett unterstüßen sollten. Die drei genannten Regierungsmitglieder fönnten es, so behaupten die TardieuLeute, vor ihren Wählern nicht verantworten, wenn ihnen die Sozialiften ihr Vertrauen aussprechen sollten. Daß die Opposition jetzt schon sicher zu fein behauptet, die neue Regierung beim ersten Zufammenstoß stürzen zu können, versteht sich von selbst, doch dürfte das Kabinett selbst im schlimmsten Falle mit der Inappen Mehr. heit von etwa einem Dugend Stimmen aus einer Abstimmung hervorgehen.
Wer mag noch leugnen, daß die amerikanische Prohibition zum Gespött der ganzen Welt geworden ist? Aber darüber hinaus ist sie eine Farce, deren Erfolge in feinem annähernden Berhältnis zum Kräfteaufwand stehen und über die es unter denkenden Menschen nur ein Berdammungsurteil geben kann. Nichts ist mehr dazu angetan, den Hohn und Spott einer Welt herauszufordern als das überall sichtbare flägliche Fiasko einer mit allen Machtmitteln geführten Rampagne gegen den„ Teufel Alkohol". Mit faft 36 000 Geheimneipen in New York allein fann sich die Bevölkerung den Lurus leisten, das Gedenkjahr der Prohibition mit einem fräftigen Profit zu feiern. Und was für New York gilt, gilt mehr oder weniger für die ganze Union . Aber den einmal aufgeworfenen Fragen ist nicht mit einer Handbewegung und einer spöttischen Bemerkung beizutommen. Daß hierzulande vor der Prohibition mit dem Alkoholgenuß ein schamloser Mißbrauch getrieben wurde, der schon im vorigen Jahrhundert zu einer bunten Experimentiererei in einzelnen Bundesstaaten führte, ist unbestreitbar, tann aber für die gegenwärtigen Verhältnisse nur eine schwache Entschuldigung abgeben. hundertprozentiger Temperenzler mag man über angebliche In den Kreisen Brohibitionserfolge jubeln, sich im Besitze des Bundesfongreffes sicher fühlen. Etne nüchterne llebersicht über die Für und Bidertiraden können. erzielten Resultate gibt eine deutlichere Antwort, als es alle Die Prohibition, die 500Der in sorgenfreien Borpräsidententagen als edles Experiment bezeichnete, spricht gegen sich selbst, und zwar mit Ziffern, die beredte Warnungszeichen der nahen
Zukunft sind.
Das, edle Experiment" hat der Bundesregierung bis zum Frühjahr 1930 weit über 400 Millionen Dollar getostet, denen getrost etwa 3 Milliarden Dollar zuzurechnen sind, die die Behörden nach eigenen Schätzungen an Alkoholsteuern in zehn Jahren einbüßten. Auf dem Altar der Prohibition haben nach übervorsichtigen amtlichen Fest
in Nordspanien unvermindert fort. In Barcelona scheint Das amerikanische Arbeitslosenelend. stellungen 260 Personen ihr Leben lassen müssen,
der Streit allerdings sein Ende gefunden zu haben.
Der Telephonverkehr innerhalb Spaniens soll gleichfalls wieder aufgenommen worden sein. Der Korrespondent des Daily Herald" drahtete seinem Blatt am Mittwoch, daß in Madrid ein Regiment Rolonialtruppen angefommen sei, während drei andere Regimenter in Balencia ausgeladen worden wären. In Santander seien streifende Arbeiter vor das dortige Schloß des Königs gezogen, hätten die Internationale gesungen und Hochrufe auf die spanische Republik ausgebracht. In vielen kleineren Induſtrieſtädten und Republik ausgebracht. In vielen kleineren Industrieſtädten und Dörfern der Provinz sei die Republit gleichfalls ausgerufen worden. Die Pressezensur dauere unvermindert fort.
Gine mittelamerikanische Revolution.
New York , 17. Dezember. Nach heftigem Straßenkampf, bei dem der Kriegsminister getötet wurde, ist die Regierung von Guatemala gestürzt worden. Die
Bergebliche Notrufe teine staatliche Hilfe.
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New York , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Aus Arkansas fommen von Richtern, Banfiers und Fabritanten dringende Hilferufe nach New York und Washington wegen der verzweifelten Not der Arbeitslosen und ihrer Familien. Mit dem Hunger nehme die Zahl der Berbrechen zu. Nach 85000 Menschen schredlicher Not ausgefekt zu Meldungen des amerikanischen Roten Kreuzes find in Arkanjas ihnen kommen über 120 000 Arbeitslose und Hungernde in den Staaten Centucky, Louifana, Mississippi , Oklahoma , Tegas, Missouri
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Arkansas , einer der südwestlichen Mittelstaaten der USA , westlich von Miffiffippi gelegen, zählt etwa zwei Millionen Einwohner.
nicht gerechnet die Hunderte von Menschen, die indirekt durch die Prohibition in Bandenfämpfen, Eifersüchteleien um den Absatz des Schmuggelalkohols ufm. getötet wurden. Mehr als 550 000 Personen sind( wegen Uebertretung der Brohibitionsbestimmungen strafrechtlich verfolgt und verhaftet worden, davon allein 80 000 im legten Berichtsjahre 1929. Ueber 230 000 Personen haben aus denselben Gründen einen gefängnissen gefunden, was wiederum zu unglaublicher mehr oder weniger langen Aufenthalt in den BundesUeberfüllung der Strafanstalten und den da durch geförderten zahlreichen Sträflingsausbrüchen führte. Alkoholismus nimmt als Folge der Geheimbrennerei und des in den Verkehr gebrachten Giftfusels unter den nationalen Krankheiten einen ehrenvollen Blah neben Typhus ein. Die Sanitätsbehörden bezifferten die 3ahl der alkoholischen Krantheitsfälle im Jahre 1929 auf