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Morgenausgabe

Nr. 591

A 297

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Donnerstag 18. Dezember 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 f.

Die einfpaltige Nonpareillezelle 80 Pfennig. Reklamezeile 5,- Reichs mart. ,, Kleine Anzeigen das iete druckte Wort 25 Pfennig( zulässig ziset fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Monarchie meldet Siege. Behn Jahre prohibition.

Spanischer Generalftreif erfolglos?- Fremdenlegion schüßt Königspalast.

Paris  , 17. Dezember.( Eigenbericht.)

Obwohl sich König Alfons in seinem Schloß in Madrid   immer flärfer hinter Kanonen und Maschinengewehren und immer neuen Abteilungen der Fremdenlegion verschanzt, verkündet sein Ministerpräsident General Berenguer triumphierend, daß die revolutionäre Bewegung überall vernichtet jel. Auch der Generalftreit habe nirgends Anflang gefunden, be­hauptet die Regierung. Dennoch muß die Regierung in einem amf­lichen Kommuniqué zugeben, daß in einigen Großstädten, so vor allem in Bilbao  , Santander, Saragossa  , Corona und Logrono   die Arbeit vollkommen ruhe und in Cordoba  , Cerida, Granada   und Sevilla Teilstreits zu verzeichnen seien. Zwischenfälle seien vorläufig nur aus Seguria und Elch gemeldet worden, wo vereinzelte Gruppen von Revolutionären  " versucht hätten, die Telephonleitun­gen zu zerstören. In Gijon   habe eine Schar junger Leute ein Jefullenflofter geplündert und in Brand gestedt. Der Brand in dem Kloster sei rasch gelöscht worden, doch seien zwei benachbarte Ge­fchäftshäuser vollkommen ausgebrannt. Die Polizei habe dem Treiben der Uebeltäfer ein Ende gemacht; einer fei erschossen worden. Telephon funktioniert- Belagerungszustand bleibt. Madrid  , 17. Dezember.( TU.) Nachdem der Telephonverkehr mit dem Auslande wiederher. gestellt worden ist, der seit über 48 Stunden unterbrochen war, liegen genaue Nachrichten über die Lage in Spanien   und über die Umfturzbewegung vor.

Das Scheitern der Umfturzbewegung ist in der Hauptsache dar­auf zurückzuführen, daß die in der Verschwörung eingeweihten nicht Sehr zahlreichen Truppenteile in der letzten Minute umfielen aus Furcht, die Bürgergarde sei in Madrid   viel zu start. Dieses Ver­fagen der Truppen hatte die Weigerung der Ge wertschaffen zur Folge, den Generalstreit zu erklären, da diese keine Luft hatten, fich für die Soldaten totschießen zu lassen. Auf diese Weise blieben die Flieger isoliert. Sie wurden nur von einigen hundert be­waffneten Syndikalisten unterstützt. Die Regierung hatte außerdem einige Tage vorher sämtliche Bomben vom Flugplatz entfernen laffen, so daß es an den wichtigsten Waffen fehlte. Der Aufstand in Jaca   sollte das Zeichen zu dem Aufstand im ganzen Lande sein. Es ist anzunehmen, daß eine Reihe, von örtlichen Unruhen der Regierung noch längere Zeit Schwierigkeiten machen wird, obwohl der Umsturzverfuch als gescheitert zu betrachten ist.

Die Morgenpreffe berichtet, daß nach Bilbao   und Madrid  weitere Truppenverstärkungen aus Segovia   abgegangen sind. Der Kriegszustand im ganzen Land soll zunächst nicht aufgehoben werden. Die Feierlichkeiten anläßlich des 100. Todestages Simon Bolivars   finden unter Beteiligung des Königs ohne Programm­änderung statt.

In Portugal   ist ein fünfter spanischer Militärapparat mit einem aufrührerischen Artilleriehauptmann an Bord eingetroffen. Er wurde wie feine Kameraden in der Nähe von Lissabon   unter gebracht.

Paris  , 17. Dezember.

Man kann jetzt wieder mit einem gewöhnlichen Paß die spanisch­französische Grenze paffieren. Auch Waren werden wieder befördert; mur die französischen   Zeitungen werden nicht durchgelassen, und die

Spanier   tommen in Scharen auf französisches Gebiet, um sich aus der französischen   Presse zu informieren.

Generalstreit und Pressezensur. Die Königin telephoniert mit Londoner   Redaktion.

London  , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Madrid   hat am Mittwochmittag um 12 Uhr den Telephon­perfehr mit London   wieder aufgenommen. Als erste sprach die spanische Königin mit der Redaktion eines bürgerlichen Abendblattes. Sie erklärte, in Spanien   sei alles ruhig. Dem widersprechen jedoch die Nachrichten, die von Reuter und den übrigen Nachrichtenagenturen verbreitet wurden. Der Generalftreit dauert nach diesen Meldungen in sehr vielen Städten, besonders

neue vorläufige Regierung steht unter der Führung des Generals Orellana.

Fiasto, Farce Trauerspiel.

Washington  , im Dezember.( Eigenbericht.)

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung war seit der Amtsüber- über Prohibition und die trodenen" Heer­nahme durch den Bizepräsidenten Palma   allgemein.

Große

Kundgebung!

gegen Kulturreaktion und Kriegsgefahr

am Sonntag, dem 21. Dezember 1930, mittags 12 Uhr, auf der großen Wiese im Humboldthain.

Redner: Clara Bohm- Schuch  , Arthur Crispien  , Hermann Harnisch, Kurt Heinig  , Carl Litke, Dr. Kurt Löwenstein, Otto Meier  .

Parteigenossen!

Die Wahlen des 4. November haben deutlich gezeigt, was wenigstens hinsichtlich der Frage des glorreichen 18. Ergänzungsparagraphen zur amerikanischen   Bundes­verfassung( Prohibition) die Wählermassen wollen. Wo die Volksstimme Gelegenheit hatte, sich direkt oder indirekt scharen des alkoholaustreibenden Bischof Cannon zu äußern, hat sie dies mit einer Entschiedenheit getan, deren Sinn nicht mißverstanden werden fann. Wie weit sich die Stärte der Prohibitionsgegner im fünftigen Bundeskongreẞ auswirken wird, wann mit einer energischen gesetzgeberischen Abrechnung mit den Muckern zu rechnen sein wird, ist heute noch nicht zu sagen. Aber das ist nicht die Frage. Es be­steht die Tatsache, daß der Sturm gegen die Prohibition im Anwachsen begriffen ist und ihm auch durch die Be­schwörungen politischer Fanatifer fein Einhalt geboten werden kann.

So ist es wohl an der Zeit, einen Ueberblick über die Prohibition zu geben und graphisch aufzuzeigen, was sie in Amerika   angerichtet hat. Im Jahre 1930 hat das Schreckenskind auf eine zehnjährige Eristenz zurückblicken fönnen, die noch in fommenden Jahrhunderten einen welt­weiten Widerhall als eine der merkwürdigsten Epochen der amerikanischen   Geschichte finden wird. Bon Freunden in diesen zehn Jahren zu dem Hauptproblem des und Feinden bitter umfämpft, ist die Prohibition amerikanischen Lebens geworden, zu einem weit überschattet. Was heute zu sehen ist, ist im wahrsten Kompler, der alle anderen Fragen des öffentlichen Lebens Sinne des Wortes erschreckend. Ein Monstrum, das wie ein Nachtmahr über Amerika   liegt, mit seinen Fang­armen in die tiefften Tiefen des nationalen Lebens reicht, fich zu einem Bolypen ausgewachsen hat, der an den elemen­tarsten Kräften der Nation saugt. Der zehnjährige Geburts­tag ist wahrscheinlich nicht dazu angetan gewesen, den

Sorgt für Massenbesuch! Enthusiasmus der amerikanischen   Maſſen wachzurufen.

Steeg vor dem Sturz?

Tardieus verzweifelte Anstrengungen.  - Gozialistische Unterstützung.

Paris  , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Während die Regierung Steeg mit Eifer an der Fertig stellung ihrer Regierungsertlärung arbeitet, ist die Rebenregierung" Tardieus nicht minder eifrig damit beschäftigt, ihrer Opposition für die erste entscheidende Kammerabstimmung am Donnerstag zum Siege zu verhelfen.

Die Tardieu- Gruppe der republikanischen Linfen  , die demokra. tische Allianz Maginots und Reynauds sowie die Marin- Gruppe haben in pompösen Entschließungen der Kartell- Regierung" Steeg bereits ihren Kampf bis aufs Messer angefagt. Die Gruppenführer find eifrig bemüht, ihre Anhänger bei der Stange u halten. Franklin- Bouillon hat mit seinen Getreuen beschlossen, zunächst einmal die Haltung der Sozialisten gegenüber der Regierung abzuwarten. Er will je nach deren Stimmabgabe das genaue Gegenteil tun. Endlich hat die Tardieu- Mannschaft das Gerücht ausgesprengt, daß es ihr gelungen sei, die Minister und Unterstaatssekretäre Thoumyre, Coty   und Cautru, die troß ihrer gewagt. hatten, zur fofortigen Demiffion zu bestimmen, Sugehörigkeit zur Tardieu- Gruppe in die Regierung einzutreten falls die Sozialisten das Kabinett unterstüßen sollten. Die drei ge­nannten Regierungsmitglieder fönnten es, so behaupten die Tardieu­Leute, vor ihren Wählern nicht verantworten, wenn ihnen die Sozia­liften ihr Vertrauen aussprechen sollten. Daß die Opposition jetzt schon sicher zu fein behauptet, die neue Regierung beim ersten Zu­fammenstoß stürzen zu können, versteht sich von selbst, doch dürfte das Kabinett selbst im schlimmsten Falle mit der Inappen Mehr. heit von etwa einem Dugend Stimmen aus einer Abstimmung hervorgehen.

Wer mag noch leugnen, daß die amerikanische  Prohibition zum Gespött der ganzen Welt geworden ist? Aber darüber hinaus ist sie eine Farce, deren Erfolge in feinem annähernden Berhältnis zum Kräfteaufwand stehen und über die es unter denkenden Menschen nur ein Berdammungsurteil geben kann. Nichts ist mehr dazu angetan, den Hohn und Spott einer Welt herauszufordern als das überall sichtbare flägliche Fiasko einer mit allen Machtmitteln geführten Rampagne gegen den Teufel Alkohol". Mit faft 36 000 Geheim­neipen in New York   allein fann sich die Be­völkerung den Lurus leisten, das Gedenkjahr der Prohibition mit einem fräftigen Profit zu feiern. Und was für New York  gilt, gilt mehr oder weniger für die ganze Union  . Aber den einmal aufgeworfenen Fragen ist nicht mit einer Handbewegung und einer spöttischen Bemerkung beizu­tommen. Daß hierzulande vor der Prohibition mit dem Alkoholgenuß ein schamloser Mißbrauch getrieben wurde, der schon im vorigen Jahrhundert zu einer bunten Experimentiererei in einzelnen Bundesstaaten führte, ist un­bestreitbar, tann aber für die gegenwärtigen Verhältnisse nur eine schwache Entschuldigung abgeben. hundertprozentiger Temperenzler mag man über angebliche In den Kreisen Brohibitionserfolge jubeln, sich im Besitze des Bundes­fongreffes sicher fühlen. Etne nüchterne llebersicht über die Für und Bidertiraden können. erzielten Resultate gibt eine deutlichere Antwort, als es alle Die Prohibition, die 500Der in sorgenfreien Borpräsidententagen als edles Experiment bezeichnete, spricht gegen sich selbst, und zwar mit Ziffern, die beredte Warnungszeichen der nahen

Zukunft sind.

Das, edle Experiment" hat der Bundesregierung bis zum Frühjahr 1930 weit über 400 Millionen Dollar getostet, denen getrost etwa 3 Milliarden Dollar zuzurechnen sind, die die Behörden nach eigenen Schätzungen an Alkoholsteuern in zehn Jahren einbüßten. Auf dem Altar der Prohibition haben nach übervorsichtigen amtlichen Fest­

in Nordspanien unvermindert fort. In Barcelona   scheint Das amerikanische   Arbeitslosenelend. stellungen 260 Personen ihr Leben lassen müssen,

der Streit allerdings sein Ende gefunden zu haben.

Der Telephonverkehr innerhalb Spaniens   soll gleichfalls wieder aufgenommen worden sein. Der Korrespondent des Daily Herald" drahtete seinem Blatt am Mittwoch, daß in Madrid   ein Regiment Rolonialtruppen angefommen sei, während drei andere Regimenter in Balencia ausgeladen worden wären. In Santander seien streifende Arbeiter vor das dortige Schloß des Königs gezogen, hätten die Internationale gesungen und Hochrufe auf die spanische Republik ausgebracht. In vielen kleineren Induſtrieſtädten und Republik   ausgebracht. In vielen kleineren Industrieſtädten und Dörfern der Provinz sei die Republit gleichfalls ausgerufen worden. Die Pressezensur dauere unvermindert fort.

Gine mittelamerikanische Revolution.

New York  , 17. Dezember. Nach heftigem Straßenkampf, bei dem der Kriegsminister ge­tötet wurde, ist die Regierung von Guatemala   gestürzt worden. Die

Bergebliche Notrufe teine staatliche Hilfe.

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New York  , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Aus Arkansas   fommen von Richtern, Banfiers und Fabritanten dringende Hilferufe nach New York   und Washington  wegen der verzweifelten Not der Arbeitslosen und ihrer Familien. Mit dem Hunger nehme die Zahl der Berbrechen zu. Nach 85000 Menschen schredlicher Not ausgefekt zu Meldungen des amerikanischen Roten Kreuzes find in Arkanjas ihnen kommen über 120 000 Arbeitslose und Hungernde in den Staaten Centucky, Louifana, Mississippi  , Oklahoma  , Tegas, Missouri  

und Indiana  .

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Arkansas  , einer der südwestlichen Mittelstaaten der USA  , westlich von Miffiffippi gelegen, zählt etwa zwei Millionen Einwohner.

nicht gerechnet die Hunderte von Menschen, die indirekt durch die Prohibition in Bandenfämpfen, Eifersüchteleien um den Absatz des Schmuggelalkohols ufm. getötet wurden. Mehr als 550 000 Personen sind( wegen Uebertretung der Brohi­bitionsbestimmungen strafrechtlich verfolgt und verhaftet worden, davon allein 80 000 im legten Berichtsjahre 1929. Ueber 230 000 Personen haben aus denselben Gründen einen gefängnissen gefunden, was wiederum zu unglaublicher mehr oder weniger langen Aufenthalt in den Bundes­Ueberfüllung der Strafanstalten und den da durch geförderten zahlreichen Sträflingsausbrüchen führte. Alkoholismus nimmt als Folge der Geheimbrennerei und des in den Verkehr gebrachten Giftfusels unter den nationalen Krankheiten einen ehrenvollen Blah neben Typhus  ein. Die Sanitätsbehörden bezifferten die 3ahl der alko­holischen Krantheitsfälle im Jahre 1929 auf