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Morgenausgabe

Nr. 593

A 298

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt., monatlich 3,60 im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pfg. Boftzeitungs- und 72 Pfg. Poftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat.

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 19. Dezember 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen das tettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Steegs knapper Sieg.

Sieben Stimmen Mehrheit trot Tardieu.

Paris , 18. Dezember.( Eigenbericht.) Die Regierung Steeg hat in der Kammer mit

den Sieg davongetragen.

291 gegen 284 Stimmen, alſo mit 7 Stimmen Mehrheit, Bei der ersten Zählung wurde eine Minderheit von 10 Stimmen festgestellt, die wie eine Bestätigung für den in der Kammer in den letzten Stunden herrschenden Pessimismus wirkte. Bei der Nach­zählung zeigte es sich dann, daß die Opposition um Tardieu doch geschlagen war.

Drei Kabinettsmitglieder brechen aus.

Paris , 18. Dezember.( Eigenbericht.)

Ehe sich das Kabinett Steeg, das nach mühsamen Ver­handlungen als eine Minderheitsregierung ins Leben getreten ist, der Kammer am Donnerstag vorstellen fonnte, hatte ihm sein großer Gegenspieler und Vorgänger Tardieu einen schweren Schlag verjetzt. Kurz vor der Eröffnung der Kammerfizung reichten te Arbeitsminister Thou myre, der Unterstaatssekretär im Innen­ministerium Coty und der Unterstaatssekretär im Ackerbaumini­sterium Cautru, den Lockungen und Nötigungen Tardieus fol­gend, ihre Demission ein. Dannt hatte die Regierung noch vor ihrem ersten Auftreten vor dem Parlament fünf Mitglieder Derloren, wenn man die zwei hinzurechnet, die bereits am ersten Tage nach der Kabinettsbildung aus demselben Grunde abgefprun­

gen moren.

Die neue dreifache Demission hatte in den Wandelgängen der Kammer cine

riefige Aufregung hervorgerufen. Als jedoch Ministerpräsident Steeg die Tribüne bestieg, um die furze Regierungserflärung zu verlesen, bemühten sich die Radikalen, die eisige Stimmung des Hauses mit ihrem Beifall zu erwärmen. Aber es war vergeblich. Auch die Beredsamkeit Steegs war in ihrer ängstlichen Abgewogenheit und Zurückhaltung nicht dazu angetan, die Stimmung zu heben.

An erster Stelle sprach sich die Regierung für die volle Auf­Mlärung im Duftric Skandal aus, ohne Schwäche doch mit dem ausschließlichen Wunsch nach unparteilicher Gerechtigkeit". Die eigentliche Programmerflärung streifte dann die Notwendigkeit zur Bekämpfung der Wirtschaftstrise und der Teuerung, zur schleunigen Ausgleichung des Budgets, zur Fortentwicklung der So­zialgefeßgebung und einer fortschrittlichen Schulpolitit. Nur über die Außenpolitif spricht sich die Regierungserklä­rung etwas ausführlicher aus. Frankreich wünsche einmütig den Frieden, so heißt es hier. Aber der Wunsch allein genüge nicht, um den Frieden endgültig zu sichern. Interessengegenfäße, Vorurteile und Berstimmungen trennten noch immer die Bölfer. Eine internationale Aktion auf dem Gebiete der Wirtschaft und der Moral, eine gemeinsame und gleichzeitige Bemühung um

schwache Position mit Hilfe von noch schwankenden Elementen der Mitte allmählich zu festigen.

Die seit dem Sturz Chautemps allgemein verbreitete Auffassung, daß die im April 1928 gewählte Kammer eine linksgerichtete Regierung überhaupt nicht zulaffe, ist jeden­falls durch die geftrige Entscheidung widerlegt worden.

Britische Wahlreform. Menderung der Mandatsverteilung.

London , 18. Dezember.( Eigenbericht.) Mit 133 gegen 20 Stimmen siimmte die Labour- Fraktion der der Regierung dem Parlament vorzulegenden Wahl reform zu.

ron

Die Reform enthält das Alternativwahlrecht und nicht das Berhältniswahlsystem, wie es die Liberalen gern gesehen hätten. Ferner sind vorgesehen: Aufhebung der Sondermandate für Universitäten und andere Körperschaften, Beschränkung des Kraftwagendienstes am Wahltage, Herabsetzung der für Wahl­wecke von den Parteien einzuzahlenden Gelder.

Marton war gegen diesen Wahlkompromiß mit den Liberalen, Mosley dafür. Mardonald erklärte, ohne diese Wahlreform würden die Liberalen nicht mehr für die Regierung stimmen. Das bedeutete Neuwahlen, die heute gleichbedeutend wären mit politischem Selbstmord.

Unter diesem Alternativwahlrecht" versteht der Brite die Aus stattung der Wahltreise mit mehreren Mandaten, so daß der Wähler auch den Kandidaten anderer Parteien als der seinigen zum Siege verhelfen könnte.

Aufhebung des Antigewerkschaftsgeſeķes.

Condon, 18. Dezember. ( Eigenbericht.)

Unter stürmischem Beifall der Arbeiterpartei brachte Minister präsident Macdonald im Unterhaus die Regierungsvorlage zur Aufhebung des Antigewerkschaftsgesetzes ein. Die erste Beratung ist auf den 22. Januar 1931 angesetzt.

Putschoffiziere ins Zuchthaus.

Finnische Justiz.

Helsingfors , 18. Dezember.( Eigenbericht.) In dem Prozeß gegen die Entführung des finnischen In dem Prozeß gegen die Entführung des finnischen Expräsidenten Stahlberg wurden am Donnerstag der ehemalige Generalstabschef Wallenius und Oberst leutnant Kuussaari zu je 3

Postscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depositent., Jerusalemer Str. 65/66.

Ertappt!

Ein praktisches Beispiel von Hakenkreuzfozialismus Als der Nationalsozialist Feder in der Rundfunk­diskussion mit Professor Nölting auf die Gretchenfrage antmorten sollte: Wie hältst du's mit dem Sozialismus, verfiel denen jeder Hörer sehr genau heraushörte, daß Herr Feder er in weitabschweisende, phrasenhafte Deklamationen, aus um des Wortes Sozialismus willen es nicht mit den In­

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duſtriellen verderben wollte. Seine Partei nennt sich national­sozialistisch aber die Industrie hat die Kaffe, und sie fann die Tür zum Kassenschrank zuschlagen, wenn das Wort sozia­listisch unterstrichen werden sollte.

Die Theorie der Nationalsozialisten findet ihre Grenze da, wo die Unzufriedenheit der industriellen Geldgeber anfängt. Herr Thyssen und Herr Mutschmann sind deshalb an dieser Art ,, sozialistischer" Theorie stärker beteiligt als das Ingenium des Herrn Feder.

Zu dieser Theorie der Nationalsozialisten gibt es nun eine parlamentarische Praris, und siehe da, beide sind in er­freulicher Uebereinstimmung!

Nationalsozialisten die Anträge zu Fall gebracht, durch die die In der Reichstagssigung vom 9. Dezember haben die Millionäre, die Aufsichtsräte und die Dividendenempfänger, sowie die Bezieher von hohen Einkommen gerechter als bisher zu den allgemeinen Staatslasten herangezogen werden sollten. Diese Parteinahme für die Großverdiener hat im Lager der Nationalsozialisten große Aufregung und erbitterte Ausein­andersehungen hervorgerufen. Sie zwang die Nationalsozia= listen zwei Tage später im Reichstag einen Antrag über die Besteuerung der Aufsichtsräte einzubringen, der dasselbe ver­langt, was sie zwei Tage vorher abgelehnt hatten.

Trogdem ist unter den Anhängern der Nationalsozialisten die Erregung über das Verhalten ihrer Führer nicht geringer geworden. In ihren Versammlungen wird deshalb erklärt, man hätte gegen die Anträge gestimmt, weil sie nicht weit genug gehen, insbesondere weil die Besteuerung der großen Vermögen nur als einmalige Abgabe verlangt werde. Aber die Regie klappt nicht, denn während man in Bersamm­lungen erklärt, die Anträge seien nicht weit genug gegangen, bringt der Völkische Beobachter" einen Artikel des nationalsozialistischen Abgeordneten Reinhardt, der den Antrag bekämpft, weil er zu weit geht! Die rechte Hand weiß also nicht, was die linke tut!

Schiedsgerichtsbarkeit, Sicherheit und Abrüstung verurteilt. Der Angeklagte Jastari erhielt 2 Jahre abgelehnt. Welch lächerlicher Einwand das ist, geht am besten

fönnten allein eines Tages Mißtrauen und Groll aus der Welt schaffen. Diese Bolitik der europäischen Versöhnung werde die Re­gierung mit 3ähigkeit und Bachsamkeit fortseßen, nicht aus Furcht oder Schwäche, sondern aus der Ulleberzeugung, daß sie die beste und wirksamste Politik für Frankreich sei. Die Erklärung schließt nach einem Aufruf für den Frieden in Sicherheit und der Achtung vor den Berträgen" mit einem Appell an die Einigkeit der Parteien.

*

Der Angeklagte Jaskari erhielt 2 Jahre Zuchthaus, Jaenne Jahre Zuchthaus. Die übrigen Angeklagten wurden zu Gefängnis von einem halben bis zu einem ganzen Jahr verurteilt. Wallenius und Kuussaari sofort ihres Dienstes enthoben und in Haft genommen.

Große

Kundgebung!

Diejenigen, die dem Kabinett Steeg bereits un­mittelbar nach seiner Bildung das gleiche Schicksal prophezeit hatten, das zu Anfang dieses Jahres das ähnlich zusammen­gejezte Kabinett Chautemps schon am ersten Tage er eilt hatte, haben unrecht behalten. Hier wurde umgekehrt die Auffaffung vertreten, daß es Steeg dank der geschichten Zu­fammenſegung seines Ministeriums gelingen würde, eine tnappe, aber für die erste Zeit ausreichende Mehrheit um sich zu sammeln. Freilich fonnte man damals noch nicht voraus­sehen, daß unter dem Druck Tardieus nicht weniger als fünf Kabinettsmitglieder, die ihre Mitarbeit bereits fest zugesagt hatten, nacheinander abspringen und die Reihen der Oppo­fition vermehren würden. Daß drei von diesen politischen Helden sogar unmittelbar vor Beginn der entscheidenden Sigung ausbrachen, ist wohl in der Geschichte des Parlamen= tarismus noch nicht dagewesen. Der von ihnen gewählte Vorwand, daß sie nicht einem Ministerium angehören fönnten, das auf die Hilfe der Sozialisten angewiesen wäre, war reichlich plump: denn das hat ein jeder vorher wissen müssen, daß dieses Linkskabinett Steeg überhaupt nur lebensfähig sein würde, wenn es die 107 Sozialisten llo unterstützen.s

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Betrachtet man die Einwände von Reinhardt im einzel­nen, so sieht man ebenfalls, in welch heillose Berlegenheit die Nazis durch diese Abstimmung gekommen sind..So sagt Rein­rungsantrag zu der Notverordnung gestellt gewesen. Diese hardt, der Antrag auf höhere Besteuerung sei als Abände Notverordnung sei eine Tributverordnung, alles, was mit ihr zusammenhänge, werde deshalb von den Nationalsozialisten aus der Tatsache hervor, daß von den Gesamtausgaben des Reiches von rund 12 Milliarden Mark im Jahre 1930 nur 1883 Millionen, also nur ein Sechstel, auf die Reparationsver= pflichtungen entfallen. Wer dem Reich neue Mittel zuführen will, dient also damit nicht der Erfüllung der Reparations­nerpflichtungen, sondern der Sicherung der Reichsfinanzen und damit der Sicherung der sozialen Verpflichtungen, also besserer Unterstützung aller schwachen Schichten des Bolkes. Wer neue Einnahmen, insbesondere Besizsteuern ablehnt, macht nicht die Bezahlung der Reparationslasten unmöglich, sondern die Aus­zahlung der Unterstützungen an Erwerbslose, Rentner und Kriegsopfér.

Gegen die einmalige Vermögensabgabe von 20 Proz. wendet Reinhardt nicht ein, sie sei zu gering, und man müsse sie regelmäßig jedes Jahr vornehmen, sondern er fagt, sie sei zu drückend, fie raube den Kapitalisten die

gegen Kulturreaktion Mittel aur Fortführung ihrer Betriebe und sie würde damit und Kriegsgefahr

am Sonntag, dem 21. Dezember 1930, mittags 12 Uhr, auf der großen Wiese im Humboldthain. Hermann Harnisch, Kurt Heinig , Carl Litke, Redner: Clara Bohm- Schuch , Arthur Crispien ,

Dr. Kurt Löwenstein , Otto Meier.

ben Parteigenossen!

Die Sieben- Stimmen- Mehrheit von gestern ist freilich fo gering, daß man dem neuen Kabinett ein langes Leben nicht prophezeien fann. Aber einstweilen dürfte es wenigstens Ruder wird

wirtschaftsschädigend wirken. Mit derselben Begründung recht­fertigt Reinhardt die Ablehnung der Besteuerung der aus­geschütteten Gewinne bei den Aktiengesellschaften. Alle diese Einwände sind nicht neu. Seit Jahr und Tag hören wir sie von den Unternehmern, die einen Abbau der Besitz­steuern wünschen, und die das Ziel verfolgen, die Steuerlaften in noch höherem Maße auf die Schultern der breiten Massen steht nur ein Unterschied: während die Kapitalisten bisher zu legen. Zwischen diesen Unternehmern und Reinhardt be­

lediglich behauptet haben, die Steuerlasten beanspruchten 40 bis 50 Broz. des Einkommens, behauptet Reinhardt, die Steuerlast steige auf 70 bis 90 Proz. Die Organisationen der Großindustriellen und Bankiers werden nicht verfehlen, Herrn Reinhardt

über die Steujahrspaulo am uit beiben und vielleicht meine Sorgt für Massenbesuch! Daarteit für den Schuß ihrer großen Vermögen und Ein­

es Steeg in Zwischenzeit doch noch gelingen,