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Morgenausgabe

Nr. 595 A299

47.Iahrgang

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Berliner V»«Sbla«

Sonnabend 20. Dezember 1930 Groß-Äerlin 10 Pf. Auswärts 15 pf.

Die einspaltige NonpareillezeNe 80 Pfennig. Reklame�elle 5. Reichs» mark.Kleine Anzei�ev� das-ettge» druckte Wort 25 Pfennig(zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchsraben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigsn Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt» gefchäft Lindenstraße 3. wochentäglich von 8�, bis 17 Ubr.

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Wirth und Frick. Will sich das Reich mit Thüringen vergleichen?

Leipzig . 19. Dezember.(Eigenbericht.) Der Dorsitzeade des Staatsgerichlshoses für das Deutsche Reich, Reichsgerlchlspräsidcnt Dr. Rumke, hat die Parteien in der Sireitsache Reich Thüringen auf Montag, den 22. De­zember. zu einer Aussprache nach Leipzig gebeten. Er beabsichtigt den Parteien einen vergleich vorzuschlagen und mit ihnen über diesen Vorschlag zu verhandeln. Beschwerde gegen das Saatfelder Verbot. Weimar , 19. Dezember.(Eigenbericht.) Der gegen das Verbot des sozialdemokratischen Saalfelder Volksblatts" beim Innenministerium in Weimar eingelegten Beschwerde ist nicht stattgegeben worden. Der Verleger des Blatts hat daraufhin beim Reichsgericht gemäß§ 9 des Gesetzes zum Schutze der Republik Beschwerde gegen dos Verbot erhoben. Aus der Zeugniszwangshast entlassen. Weimar , 19. Dezember.(Eigenbericht.) Der Redakteur des sozialdemokratischen GothaerVolks- freund". Töpfer, der am Donnerstag in Zeugniszwangshaft genommen worden war, weil er sich geweigert hatte, in dem Polizei-

Tardieus Niederlage. Steeg hat bis Mitte Januar Ruhe. Paris , 19. Dezember.(Eigenbericht.) Die diktatorische Ueberhcblichkeit Tardieus scheint nach dem knappen Sieg des Kabinetts Steeg einen schweren Schlag erlitten zu haben. Die Legende von der Allmacht und der Unfehl- barkeit Tardieus ist, wie der sozialistischePopulaire" am Freitag mit Recht feststellte, vernichtet. Betrachtet man das Abstimmungsergebnis genau, so ist fesizu- stellen, daß die Regierung Steeg neben de» sozialistischen und den radikalen Stiinmen nur die Unterstützung von drei Mann aus dem Lager der sogenannten radikalen Linken(Gruppe Loucheur, die einst im Linkskartcll mitgearbeitet hat und obwohl ihr Führer Loucheur dem Kabinett angehörte) und nur fünf Stimmen aus dem Lager der republikanischen Linken(Gruppe Tardieu) erhalten hat. Die Tardieu-Anhänger haben also ihr Maximum aufgebracht und sind doch geschlagen worden. Allerdings haben sich 33 Ab- geordnete der Stimme enthalten, und zwar hauptsächlich die wilden und die der Loucheur-Gruppe. Voll Wut stellt die Rechts- presse am Freitag fest, daß es Steeg ein leichtes sein werde, die 33 Unentschiedenen zu sich»herüberzuz!ehen, zumal er noch ein halbes Dutzend Minister- und Unterstaatssekrelärposten zu besetzen habe. w e i Mann aus dem Lager der radikalen Linken haben übrigens ihre Abstimmung bereits berichtigt, so daß die Mehrheit Steegs inzwischen auf 9 Stimme» gestiegen ist. Dazu kommt aber, daß Tardieu in seinem Kampfeseifer und in feiner Rücksichtslosigkeit in der Wahl der Mittel das Maß des Erlaubten doch überschritten Hai. Selbst derParis Midi", der keineswegs im Lager der Linken steht, wirft Tardieu vor, daß er bis zum ekelhaften Verrat" gegangen sei, zu denniedrigsten Intrigen" gegriffen und damit in der Kammer ein wüstes Chaos hervorgerufen habe, in dem keine ernschaste Arbeit mehr geleistet werden könne. DerTemps" gibt dem Kabinett Steeg die aller- dingsschwierige Chance", seine Mehrheit nach rechts bis ins Lager der Tardieu-Gruppe hinein zu vergrößern. Allerdings müsse er sich dazu von derDiktatur der Sozialisten" freimachen, die ihm zwar einmal zum Siege verholfen hätten, aber keine dauerhaften Bundesgenossen seien. Inzwischen hat Steeg nach seinem ersten parlamentarischen Sieg die Kammer am Freitag in die Ferien geschickt. Er hat damit bis zum 13. Januar Zeit und Ruhe, sein Kabinett auszubauen.

Nykow endgüliig abgesagi. Molotow sein Nachfolger. Moskau , 19. Dezember. Di« Zentrokexekutive der Sowjetunion enthob den Borsitzenden des Volkskommissariats der Sowjetunion R y k o f f feinem Wunsch« gemäß seines Postens und ernannte M o l o t o f f zu feinem Nachfolger. London protestiert nicht mehr. London , 19. Dezember. Einer Mitteilung des Unterftcatssekrelärs Dalton im Unterhaus zusclge erwartet die englische Regierung von Moskau keine Antwort auf ihre letzten Einsprüche in Moskau wegen der angeblich beabsich-

streit Thüringen Reich gegen mehrer« Landespolizeibeamte«ine Zeugenaussage zu. machen, ist am Freitag aus der chaft ent- lassen worden. Vorher wurde Töpfer nach einer Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt vernommen. Kränzen baut llnterstützungskähe ab. Im Freistaat Braunschweig hatte in den letzten drei Iahren die sozialdemokratische Regierung im Winter eine Bei- Hilfe von M. für den tßauptunterstützungsempfiin- ger, von 19 M. für die Ehefrau und von 7 M. für jedes Kind, gezahlt. Jetzt hat Braunschweig ein« Naziregierung. Obwohl die Nationalsozialisten in den letzten Iahren stets eine höhere Bei- hilf« als die Sozialdenwkraten gefordert hatten, brachte der Nazi- iimenminister Dr. Framzen im Braunschweigischen Landtag eine Vorloge«in, nach der nur 9, 4 und 3 M. U n t e r st ü tz u n g ge- zahlt werden sollen. Di« Sozialdemokratie beantragte wieder die alten Sätze zur Auszahlung zu bringen. Ihr Antrag wurde jedoch von den bürgerlichen und Nazistimmen abgelehnt. Daraufhin stimmte die Sozialdemokratie einem Naziantrag zu, der die von'Fronzen vorgeschlagenen Sätze enthält. Die Arbeiter, die am 14. September den Nazis nachgelaufen sind, werden jetzt wohl allmählich einsehen, was für eine Dummheit sie gemacht sjabenl

tigten Intervention Englands, die in dem Industrie-Prozeß«ine große Rolle spielte. Ferner gab der Regierungsvertreter zu, daß er in dein Urteilswortlaut, wie er ihm in englischer Sprache vorliege, keine direkten Anschuldigungen finden könne. Die mittelbaren Hin- weise gäben keinen genügenden Grund für weiter« Schritte der eng- tischen Regierung im gegenwärtigen Augenblick. Die englische Regie- rang beabsichtig« also, diesen Fall hiermit als erledigt zu betrachten.

Revolutionäre stellen sich selbst. Ki-onco kündigt Rückkehr an. London . 19. Dezember.(Eigenbericht.) Der Madrider Korrespondent desDaily Herald" berichtet seinem Blatt:Die beiden sozialistischen Führer Fernando de Las Rios und Largo Caballero , zwei Hauptträger der revolu- tionären Bewegung, haben sich am Freitag freiwillig der Madrider Polizei gestellt, um dadurch ihre Solidarität mit den anderen gefangenen Republikanern zu bekunden. Trotz ihrer bekannten Roll« bei dem Aufstand waren die beiden Sozialisten nicht verhaftet worden, weil die Regierung dadurch Sympathien bei den Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei zu erringen suchte. Die Antwort darauf war die Selbstftellung der beiden Sozialisten". Major Franco sandte aus Portugal ein Telegramm nach Madrid , er habe seine Handschuh« und seine Mütze vergessen, die er sich b a l d zu holen gedenke.

Das schweizerische Parlament hat die Schlüsselzahl für die Wahl eines lllationolrats van 29 9<X> aus 22 999 erhöht und die Amtsdauer des Nationalrats von 3 aus 4 Jahre verlängert. Die Soziajdemakraten stimmten gegen beide Dorlagen. Groß® Kundgebung! gegen Kulfurreaktion und Kriegsgefahr am Sonntag, dem 21. Dezember 1930, mittags 12 Uhr, auf der großen Wiese im Humboidthain. Redners Clara Bohm-Schuch , Arthur Crispien , Hermann Harnisch, Kurt Heinig , Carl Litke, Dr. Kurt Löwenstein, Otto Meier . Parteigenossen i Sorgt für Massenbesuch!

Wer hak den Krieg gewonnen? Die internationale Schuldenverflechiung. Von Kurt. Heinig. Ist es überhaupt schon entschieden, welches Land den Weltkrieg verloren hat? Die Nationalsozialisten sind mit der Antwort rasch fertig: die Kommunisten beinahe ebenso schnell. Soweit dem Bürgertum bei seiner jämmerlichen Angst vor dem Rechtsradikalismus überhaupt noch Zeil zum Nachdenken bleibt, meint es, daß die verlorenen Gebiete und oie Kriegs- schuldenlast die Antwort doch deutlich genug geben. So einfach ist die Beantwortung unserer Frage aber gar nicht. In den sogenannten Siegerländern England, Belgien , Italien haben wir seit Iahren riesenhafte Ar- b e i t s l o s i g k e i t: in England waren schon im Juni dieses Jahres sechzehn Prozent aller von der Arbeitslosenversicherung erfaßten Personen ohne Arbeit. Aber auch in jenem Lande, dem letzten Endes alle europäischen Kriegsschulden in erheb- lichem Maße zufließen die Vereinigten Staaten von Amerika , hungert jetzt ein Arbeitslosenheer, das zwischen fünf bis acht Millionen geschätzt wird. Im Paradies Rußland wurden im Jahre 1929 amt- lich noch regelmäßig 1,3 bis 1,8 Millionen Arbeitslose ge­meldet. Jetzt ist die Arbeitslosigkeitabgeschafft", der Ar- beitslose wird nicht mehr gezählt und nicht mehr unterstützt. Auch in den nach dem Kriege neu gegründeten Staaten hat, trotz der ihnen zugefallenen deutschen und österreichischen Gebiete die Arbeitslosigkeit verheerenden Umfang ange- nommen. Das gleiche gilt für die im Kriege neutral gc- wesencn Länder. Man sieht mit Ausnahme von Frankreich , das schon in der Vorkriegszeit Zuwanderung fremder Arbeitskräfte nötig hatte, daß es überall in der Nechkriegswelt an Arbeit fehlt. Wir haben auf dem Erdball heute wahrscheinlich zwischen fünfzehn bis zwanzig Millionen Arbeitslose. D e u t s ch l a n d seufzt unter seinen Schuldenlasten, im besonderen unter dem Poung-Plan. Aber England hat Kriegsschuldenforderungen an Frankreich , Italien , Rumänien . Südslawien, Portugal und Griechenland und Kriegsschulden- Verpflichtungen gegenüber den Vereinigten Staaten . Frank- reich hat Kriegsschuldenforderungen an Rumänien , Süd- slawien und Griechenland , denen Kriegsschuldenverpslichtungcn gegenüber England und den Vereinigten Staaten stehen. Ebenso haben Italien und Belgien Kriegsschuldcnverpflichtun- gen gegenüber England und den Vereinigten Staaten . Die Vereinigten Staaten von Amerika haben für 1929/39 in ihrem Ktaatsetat eine Einnahme von 3,84 Milliarden Dollar. In dieser Summe sind selbstverständ- lich die aus Europa zufließenden Schuldenrückzahlungen ent- halten. Zur Berzinfung und Tilgung ihrer eigenen Schulden verbrauchen die Bereinigten Staaten jährlich 1,19 Milliarden Dollar von ihren Einnahmen. Für den Beteraneistonds (Unterstützungen und Versorgungen von Kriegsteilnehmern und Hinterbliebenen) haben die Bereinigten Staaten 423 Mil- lionen Dollar jährlich auszugeben. Rechnet man diese beiden Kriegslasten zusammen, so ergibt sich eine jährliche L e i st u n g s p s l i ch t der Vereinigten Staaten in Höhe von umgerechnet, 6,5 Milliarden G o l d m a r k bei einer Gesamtstaatsausgabe von 16,6 Milliarden Goldmark. Von dem Kriege hatte Großbritannien eine Staatsschuld von 13,3 Milliarden Mark. Ende 1929 betrug die Staatsschuld 153,5 Milliarden Goldmark. Der größte Teil dieser Schulden stammt aus den Kriegs- und Nachkriegsan- leihen, nämlich 88 Milliarden Mark. Frankreich hatte vor dem Kriege eine Staatsschuld von insgesamt 27,8 Milliarden Mark, jetzt hat Frankreich eine Schuldenlast von 463 Milliarden Papierfranken oder 76 Mil- liarden Goldmark. Diese Schuld ist durch die Entwertung des Franken auf den jetzigen Betrag herabgesunken. Die Staatsschuld Belgiens betrug vor dem Kriege 4 Milliarden Goldmark: sie beträgt jetzt 6,5 Milliarden Gold- mark: auch hier hat die Inflation die Papierschuld(55,4 Mil- liarden Franken ) zusammenschrumpfen lassen. Die Staatsschuld Italiens betrug vor dem Kriege 12,8 Milliarden Goldmark, sie beträgt jetzt 33,4 Milliarden (151,9 Milliarden Papierlire). Bei den vorstehenden Schuldenzisfern sind die söge- nannten politischen Schulden gegenüber dem Aus- lande, also im besonderen die Abzahlungen an die Vereinigten Staaten mit der inneren Staatsschuld, den inneren Anleihen der einzelnen Länder zusammengezählt. Frankreich und Belgien werden die letzte Rate ihrer inneren Kriegsschulden in den Jahren 2093 und 2913 getilgt haben! Die äußere»