Rr. 595 47. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 20. Dezember 1930
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Ab Sonntag neue Schnellbahn im Osten In 16 Minuten Alex- Friedrichsfelde Der modernste U- Bahnhof der Welt- Erfolg sozialdemokratischer Arbeit
die Verbindungsgänge und Zwischenpodeste in genügender Bahl und mit genügenden Abmessungen vorgesehen.
Die großzügige Bahnhofsanlage mit ihren zahlreichen Ausgängen, es gibt außerdem eine richtige unterirdische Schau fensterstraße" und ihren vielen aufstrebenden Eisenträgern ein Bild schönster architektonischer Gestaltung.
bietet
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Im östlichen Vorraum des Bahnhofs sind in die Majolikawand fünf von der Staatlichen Porzellanmanufaktur hergestellte Bilder aus der Vergangenheit des Alexanderplates eingelassen. Diesen Bildern ist eine Ansicht hinzugefügt, die den chaotischen Zustand des Plakes zur Zeit des Untergrundbahnbaues zum Gedächtnis tünftiger Jahre festhält.
Am Sonntag früh wird die neue Untergrundbahn-| sprechend sind auch bereits jetzt die Zugangs- und lebergangstreppen, linie Alexanderplat- Friedrichsfelde und die Verlängerung der Nordsüdbahn vom Bahnhof Bergstraße über den Ringbahnhof Neukölln bis zur Grenzallee dem Verkehr übergeben. Damit ist der Ausbau des Berliner Schnellbahnnetzes zu einem vor. läufigen Abschluß gekommen. In der Entwicklung des Berliner Weltstadtverkehrs und in der Erschließung der in der Vorkriegszeit so stark vernachlässigten dichtbevölkerten Arbeiterbezirke für die Schnellbahn ist ein großer Schritt vorwärts getan! Eine spätere Zeit wird über diese Leistungen des neuen Berlin , die ohne die zielbewußte, auf lange Sicht eingestellte Arbeit sozialdemokratischer Gemeindevertreter nicht vollbracht worden wären, objektiver urteilen als es heute geschieht. Nach der Inbetriebnahme der neuen Linien weist das Berliner U- Bahnstreckennek eine Länge von 80,15 Kilometern auf. Mit dem neugestalteten Bahnhof Alexanderplat- ein unterirdisches technisches Wunderwerk von höchster Schönheit besitzt die Reichshauptstadt den modernsten und größten Untergrundbahnhof der Welt.
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Die Berliner Berkehrs- Gesellschaft hat für die einzelnen Streden furze Bezeichnungen festgelegt, um so eine schnellere Orien tierung zu ermöglichen. Es ist bezeichnet als Linie A die Linie von Pantom nach dem Wittenbergplatz mit den Abzweigungen nach Ruhleben und Krumme Lante, als Linie B die Linie von der Warschauer Brücke nach der Uhlandstraße mit der Abzweigung nach der Hauptstraße, als Linie C die Linie von der Seefraße nach Neukölln mit deren Abzweigung nach Tempelhof , als Linie D die Linie vom Gesundbrunnen nach Neukölln , als Linie E die Linie con Friedrichsfelde nach dem Alexander1- lab.
Die neue Strede nach Friedrichsfelde verfolgt den breiten Straßenzug der Frankfurter Allee unter der Mittelpromenade, um westlich von dem Bahnhof Lichtenberg- Friedrichsfelde der Reichsbahn in die südliche Bauflucht der Frankfurter Allee einzuLiegen und nach Unterführung des Bahnhofes Lichtenberg Friedrichs felde durch die Prinzenallee auf dem Betriebsbahnhof zwischen Mummelsburger Straße und Treskowallee einzumünden. Für später ist die Weiterführung durch Treskowallee nach Karlshorst geplant.
Was unter dem Alex entstanden ist.
Die neue Linie hat 10 Stationen mit einer durchschnittlichen Ent. fernung von 788 Meter, und zwar Alexanderplatz - SchillingstraßeStrausberger Platz- Memeler Straße- Petersburger Straße- Samariterſtraße- Frankfurter Allee( Ringbahn)-MagdalenenstraßeBahnhof Lichtenberg- Friedrichsfelde . Alleganderplay und Bahnhof Lichtenberg sind Umsteigebahnhöfe.
Der U- Bahnhof Alerander play vermittel den Umsteige verkehr zwischen dem Stadtbahnhof Alexanderplatz und den 11- Bahnhöfen der Linien A und B. Bahnhof Alexanderplatz ist gleichzeitig für eine weitere Untergrundbahn nach Weißensee bereits vier gleisig mit zwei Bahnsteigen im Richtungsverkehr ausgebaut, so Daß hier später vier Untergrundbahnen zusammentreffen. Dement
W. Seemann
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O.Wöhrle
Unternehmer...
Am letzten Tage seines Urlaubs besuchte er gemeinsam mit Maria den Rechtsanwalt, einen alten, pergamentgesichtigen Advokaten, den der Krieg verschont hatte, und bedankte sich herzlich bei ihm.
Der Mann des Rechtes lachte:
,, Na, wissen Sie, Herr Eisermann, so eine Sache wie die ihre ist nicht besonders schwierig. Ich habe schon vielen meiner Klienten zu solchen Terminen verholfen. Man ist doch ein Mensch, nicht wahr, und tut, was in seinen Kräften steht. Für Sie schon ganz besonders. Uebrigens, Herr Eisermann, verfuchen Sie's doch mal mit einer Reklamation. Es gibt doch so viele Feldgraue, die reklamiert sind. Haufenweise laufen die hier in Berlin berum. Sie sind doch Handwerker, Tischlermeister, nicht? a fönnte ihnen das doch nicht schwer fallen. Fabrizieren Sie doch Munitionskästen oder sonst was Kriegsmichtiges! Man muß nur guter Patriot sein, dann läßt sich schon vieles machen. Haben Sie nicht irgendwie einen entfernten Bekannten in irgendeinem Ministerium? Oder den Bekannten eines Bekannten? Das genügte zur Not vielleicht auch schon, um Ihnen zu helfen. Sie wiffen ja, wir als Rechtsanwälte tönnen manches tum...
Ludwig verneinte.
Der Anwalt zuckte bedauernd die Achseln. Schade!" sagte er und griff nach den Aktenstößen, die vor ihm lagen.
Ludwig verstand. Der Mann wollte arbeiten. Es gab ja noch andere Fälle als den des kleinen Eisermann. Er erhob sich und legte einen blauen Schein auf die abgeschabte Tischfante.
Wohlwollend gab ihm der Bergamentgesichtige die Hand. Auch Maria überging er nicht.
Er begleitete beide hinaus. Noch unter der Türe flopfte er Ludwig auf die Schulter:
,, Was ich nach sagen wollte, wenn wieder mal fo ein vermaledeiter Prozeß an Sie herantommen sollte, lieber Herr Eisermann, ich stehe jederzeit zu ihrer Verfügung!"
Bei der Bauausführung nahmen die Abschnitte auf dem Alexanderplatz und der Königstraße die längste Zeit in Anspruch. Hier wurde mit den Rohbauarbeiten im Jahre 1927 begonnen und
erst Anfang 1931 nach der Betriebseröffnung werden die letzten Arbeiten abgeschlossen sein. Abgesehen von der ungewöhnlichen, vier Monate dauernden Frostperiode im Winter 1928/29 wurde an diesen Stellen umunterbrochen gearbeitet, während auf der übrigen Strecke die Arbeiten mit Rücksicht auf die eingetretenen Finanzschwierigkeiten vorübergehend in den Jahren 1929 und 1939 still gelegt werden mußten. Die Bautosten der 7,85 Kilometer langen E- Linie betragen einschließlich der Kosten für Betriebsbahnhof, Kraftwerke, Wagen und Grundstücke 123,7 Millionen Mark, während die Verlängerung der Strecke in Neukölln bis zur Grenzallee rund 19,1 Millionen Mark ausmacht.
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durch die Berliner Presse machte der Vorsitzende des Aufsichtsrates
Gelegentlich der geftrigen Vorbesichtigung der Strecke der BVG., der sozialdemokratische Stadtrat Reuter, wichtige Ausführungen über die fünftige Neugestaltung Berlins . Seine Gedankengänge werden wir noch nachträglich wiedergeben.
Autobus rammt Bierwagen.
Schwerer Verkehrsunfall am Kottbusser Damm.
Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Brauerwagen der Schultheiß- Pakenhofer A.-G. und einem Autobus der Linie 11, der sich gestern nachmittag auf dem Kottbusser Damm ereignete, erlitten fünf Personen erhebliche Berlegungen. Der Kutscher des Brauerwagens wollte vom Kottbusser Damm in die Lachmannstraße einbiegen, als fast im gleichen Augenblick ein aus der Richtung Neukölln fommender Autobus der Linie 11 die Straßenfreuzung erreicht hatte. Der Autobusführer versuchte das drohende Unheil durch scharfes Bremsen zu verhindern, das schwere Fahrzeug rutschte auf dem schlüpfrigen Fahrdamm jedoch weg und prallte mit großer Heftigkeit gegen den Bierwagen Neukölln wurde vom Bock geschleudert. Mit schweren Verletzungen Der Kutscher, der 50jährige Willi Brauer aus der Jägerstr. 40 in blieb er bewußtlos auf dem Fahrdamm liegen. Außerdem erlitten drei Fahrgäste, eine 20jährige Elisabeth Günther aus der Bittorioftr. 14 in Lankwiz, eine 27 Jahre alte Charlotte Wille aus Treptow , Waldenbruchstr. 65, und ein Fräulein Selma Predte aus der Gitschner Str. 80 erhebliche Berlegungen. Die Berungfüdten wurden ins Urbanfrankenhaus übergeführt.
3rrfinnstat eines Negers.
Fünf Menschen niedergemacht.- Panik in den Straßen.
Paris , 19. Dezember.( Eigenbericht.)
Ein graufiges Blutbad richtete heute morgen ein Neger an, der in der Kaserne von Perpignan feinen Dienst verfah. In einem der in der Kaserne von Perpignan seinen Dienst verfah. In einem Anfall von Geistesgeftörtheit fette er sich an die Straße und tötete drei Personen, die ihm in den Weg tamen, eine 86jährige Fran,
Auf der Treppe fing Ludwig unvermittelt lustig zu pfeifen an.
Was hast du denn?" mahnte Maria, die schon an den Abschied am Abend dachte und deren Gedanken gar nicht auf Lustigkeit eingestellt waren.
,, Nichts!" sagte Ludwig und hörte mit Pfeifen auf.
Wieder war er in der Front.
Wieder erlebte er das Heulen der den Himmel spaltenden Langrohrgeschosse, das vernichtungsbezeichnende Radtadtack der Maschinengewehre, das Flirren der auseinanderfprizenden Schrapnelle, den dumpfen Eintrach der Minen, die grauenhaften Detonationen der Handgranaten.
Wieder erlebte er die tollsten Stürme, Angriff und Abwehr, sah seine Nebenleute fallen, hörte das Wimmern, Stöhnen und Schreien der Todverwundeten.
Er wußte, daß all diese Greuel noch lange fein Ende nehmen würden.
Er, Ludwig, gehörte nicht zu den glücklichen Leuten, die fich als unabkömmlich reklamieren lassen fonnten. Aber er wollte mit aller Macht versuchen, dazu zu gehören. Selbst auf die Gefahr hin, er setzte bei diesem Bersuch die Hälfte seines schwererarbeiteten Vermögns zu. Geld verlieren war immer noch beffer, als das Leben verlieren!
Alles ist Lüge, Lüge, Lüge! Der Krieg ist nur für die Dummen da! sagte er sich und fand es ratsam, langsam seine Münzen springen zu lassen. Beim Spieß fing er an.
Wenn er nach achtundvierzig Stunden Grabendienst erschöpft aus dem Feuer tam und meist noch einen oder mehrere tote Kameraden seines Zuges bis mit an das Lager hatte fchleppen helfen, war er der Berzweiflung nahe und müde, müde. Er wusch sich, schlang etliche Löffel des Kompagniefutters hinunter und lief in die Kantine.
Dort fonnte er sicher sein, den Feldwebel zu finden, der da abends ständig unter einer Schar von Kompagnieangehörigen saß, die er faum fannte.
Im Graben vorne sah er diese Gesichter nie, nur hinten beim Löhnungsappell jede Detade. Diese Kameraden hatten die sogenannten. Drudposten inne. Und warum? Weil sie es verstanden, dem Spieß ganz gehörig Bierschaum um den blonden Schnurrbart zu schmieren.
Ludwig hatte die inneren Zusammenhänge zwischen Druckposten und Kantine schon längst begriffen, schon seit seiner Depotzeit her. Er hatte sich aber davor gescheut, sein Geld auf folche Art loszuwerden.
einen 75jährigen Greis und einen Reger, der ihn aufzuhalten suchte. Der Geiffesgeftörte flüchtete dann und verursachte eine wahre Panit in den äußerst belebten Straßen. Am Eingang zu einem Fort schoß er den diensttuenden korporal nieder, der schwerverlekt ins Krankenhaus gebracht wurde. Er verlegte ferner eine Frau, die in einer Entfernung, in einem Weinberg arbeitete, dann verbarrikadierte er sich im Fort. Man fonnte ihn bisher nicht festnehmen. In den Nachmittagsstunden begann eine regelrechte Belagerung des Forts.
Räuber im Konsum.
Ueberfall mit Pistole und Maste.- Geringe Beute.
Auf die Filiale der konsumgenossenschaft im Haule Orford. Ede Bristolffraße, gegenüber dem Schillerpart, wurde gestern abend ein dreifter Raubüberfall verübt.
Kurz vor Geschäftsschluß, als die Angestellten des Geschäfts bereits mit dem Aufrechnen der Kaffe beschäftigt maren, traten plötzlich drei gutgekleidete Männer, die das Geficht durch Masten unfenntlich gemacht hatten, und Pistolen in den Händen hielten, ein. Unter dem Rufände hoch!" ging einer der Räuber auf die Kasse zu und, bemächtigte sich des Inhalts von etwa 90 m. Unter Drohungen verließen die Banditen dann den Laden. Ehe die Polizei von den Angestellten alarmiert werden konnte, waren die Räuber natürlich verschwunden. Sie stehen im Alter von etwa 23 bis 28 Jahren. Daß den Burschen nicht eine höhere Summe in die Hände fiel, liegt daran, daß ein Teil der Tageslofung von dem Filialleiter bereits vorher an sicherer Stelle untergebracht worden war.
Still und bescheiden setzte er sich in eine Ecke und trant fein Bier. Man sah ihn nicht, das heißt, man wollte ihn nicht sehen. Besonders der Feldwebel nicht. Hier brauchte man keine läftigen Zuhorcher.
Ludwig machte diese Nichtachtung, ja manchmal geradezu wegwerfende Behandlung nichts aus. Innerlich lachte er sogar darüber. Auch hinter die Feldwebel hat Gott den Fall gesetzt. Ludwig wartete ab. Seine Stunde würde schon noch kommen. Er verstand es schon, gelegentlich das Ding zu drehen!
Nach einer Woche etwa gab sich die erste Gelegenheit zu einer Anknüpfung. Er tam mit einem der am Feldwebeltisch Sitzenden in ein schleppendes Gespräch. Dieser erzählte mit bierschwerer Zunge wichtig von seinem Posten hinter der Front. Er hatte zwanzig Belgier unter sich, die irgendwo Wasserleitungsrohre eingraben mußten. Was gingen Ludwig die Wasserleitungsrohre an? Seinetwegen häiten sie in irgendeiner Mondlandschaft gelegt werden können. Das wäre thm genau so wichtig gewesen. Aber seines Zweckes wegen ging er auf die Aufschneidereien des Mannes ein, ja, er tat noch ein Uebriges und bestellte ihm Bier.
Der schwenkte nun von seinen Wasserleitungsrohren ab auf sein Zivilleben und gab mächtig on. Je mehr er schwadronierte, desto lauter wurde er. Schließlich so laut, daß ein anderer, der eben die Hand an das Ohr des Feldwebels ge halten und ihm etwas zugeflüstert hatte, aufbrauste:
Mensch, halt mal deine gottlofe Schnauze. Es glaubt dir ja doch keiner deine Räuberpistolen!" Ludwig lachte schallend.
Da sah der Feldwebel auf und bemerkte ihn. Er minkte ihn mit dem dicen, roten Zeigefinger heran und fragte:
Ja, Sie, Eisermann, Sie sind doch der Geschäftsmann, nicht? Wie ist denn eigentlich ihr Prozeß verlaufen?" Mit einem Satz stand Ludwig neben dem Feldwebel und verbeugte sich:
,, Gestatten Herr Feldwebel, daß ich mich sege?" ,, Habe nischt dagegen", sagte, Jovialität ausatmend, der Webel des Feldes. Wie war das doch gleich mit ihrer Sache? Man hat so viel im Kopf, augenblicklich. Da vergißt man alles andere, was einen interessiert."
antwortete.
"
Ludwig bestellte eine Stubenlage, ehe er dem Feldwebel ,, Du feierst wohl Geburtstag, Kamerad?" riefen etliche Ludwig nickte. ( Fortsetzung folgt.)
fröhlich.