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Morgenausgabe

Nr. 21 A 11

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

14. Januar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnfpalttge Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reklamezeile 5,- Reichse mart. Kleine Anzeigen das ettges druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Vorbereitung für Genf .

Kabinettssitung ohne Brüning.

Das Reichstabinett beschäftigte sich am Dienstag- frist gestatten, falls ein Staat, gegen den eine Beschwerde ein­nachmittag mit der bevorstehenden Tagung des Wölfer gereicht ist, fie verlangt, so besteht die Möglichkeit, daß das deutsche bundsrats. Der Reichsminister des Auswärtigen er- Memorandum auf der gegenwärtigen Tagung des Völkerbundes stattete eingehenden Bericht über die in Genf zu behandelnden nicht öffentlich diskutiert wird. Fragen. Die hierüber gepflogene Aussprache ergab, wie amtlich mitgeteilt wird, vollkommene Einmütigkeit über die von der deutschen Delegation einzunehmende Haltung.

Der Reichstanzler wohnte der Besprechung nicht bei, da er an einer leichten Grippe erfrankt ist und einige Tage das Bett hüten muß.

Bolfsbunds- Petition in Genf .

Die Petition des deutschen Volksbundes, die weiteres Material über die Unterdrückung der deutschen Minder heiten Polnisch- Oberschlesiens enthält, ist beim Generalsekretär des Völkerbundes eingegangen. Es unterliegt der Entscheidung des Generalsekretärs, ob die Petition, wie es der deutsche Volksbund Der Reichspräsident empfing am Dienstag den Reichs- beantragt, für dringlich erklärt und noch auf die Tages­außenminister Dr. Curtius zum Vortrag. ordnung der bevorstehenden Ratstagung gesetzt wird.

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Bertagung des Falles Deutschland- Polen.

London , 13. Januar. ( Eigenbericht.)

Wie wir erfahren, soll Polen auf der Völkerbundstagung eine Frist von zwei Monaten zur Beantwortung der deutschen Be­schwerde über die Behandlung der deutschen Minderheiten bean­tragen. Da die Völkerbundssatzungen eine solche Beantwortungs­

Pan- Europa .

Condon, 13. Januar. ( Eigenbericht.) Außenminister Henderson reist am Donnerstag nach Genf . Am Freitag wird er dort mit den übrigen Delegierten Briands Plan über die Bereinigten Staaten von Europa diskutieren. Die Rats. fitzungen werden nicht por Montag beginnen.

Selbstregierung für Indien !

Das Ergebnis der Londoner Konferenz.

London , 13. Januar. ( Eigenbericht.)

Frage und die indische Entwicklung wird sich nicht mehr in dem Seit neun Wochen arbeitet die englisch - indische Konferenz mit Rampf Englands und Indiens ausdrücken. Es wird in Zukunft der Kampf der Inder untereinander sein. Indien wird zu einem Föderatiostaat umgewandelt. Die bisher absoluten Fürsten verzichten auf einen großen Teil ihrer Macht zugunsten der Einzelstaaten und der einzelstaatlichen Verwaltung. Die Basis dieser indischen Föderation bildet ein Parlament, das aus Senat und Unterhaus besteht. Der Senat wird von den cinzelstaat lichen Parlamenten gewählt; das Unterhaus in direkten und indirekten Wahlen, wobei den religiösen Minderheiten, der unterbrüdten Klasse, den Arbeitern usw. eine gewisse Bahl von Barlamentssigen zustehen soll. Der Generalgouverneur ( Bizefönig) ernennt den Ministerpräsidenten, der sein Kabinett bildet, das wiederum dem Parlament verantwortlich ist und von ihm gestürzt werden kann. In der Uebergangszeit bleibt dem Generalgouverneur ein Einspruchsrecht gegen die Parlaments­beschlüsse, das sich jedoch hauptsächlich auf Armee und Finanzfragen

wechselndem Geschick. Biele Kommissionen und Unterausschüsse waren am Wert, private Unterhändler opferten Tage und Nächte und überall tauchte Macdonald auf, um zu schlichten, zu vermitteln und zu versöhnen. Auf seinen Schultern lag die ganze Last und Schwere der Beratungen, die jetzt ihrem Ende entgegengehen; daß sie ein Problem wie das indische nicht lösen können, war von vorn­herein flar. Die Entwicklung in Indien ist nicht die Frage einer Konferenz, und wenn sie selbst neun Jahre andauern würde! Die im Anfangsstadium begriffene bürgerliche Revolutionierung Indiens und die bürgerliche Emanzipation seines Volkes wird Jahrzehnte brauchen, bis der letzte Stein gesetzt ist. Welche Probleme sich hier aufhäufen, beweist die eine Tatsache, daß es in London nicht möglich gewesen ist, Hindus und Moslems auf eine gemeinsame Linie zu bringen.

Bom ersten Tag an war dieser religiöse Gegensah das Haupt­hindernis der Konferenz, er ist es geblieben und bedroht selbst die Arbeiten der Verfassungskommiffioa,

deren Ergebnis auszugsweise veröffentlicht worden ist.

In diesen Arbeiten ist die Frucht der gesamten Londoner Kon ferenz niedergelegt. Sie ist den Umständen nach das Höchstmaß dessen, was erreicht werden konnte. Die Konferenz überläßt die innere Entwicklung Indiens den Inhern, sie gibt dem tausendfach gespaltenen und zersplitterten indischem Bolte einen staatspolitischen­Rahmen für alle kommenden Fortschritte.

Im Verhältnis zu Endland gibt das Mutterland den alten Herrenstandpunkt auf. Indien ist auf dem Wege zu einem selbständigen Dominion.

In einigen Jahren soll es Herr seiner eigenen Gefchicke sein. England ist mit der Indianisierung" der indischen Armee und dem allmäh lichen Abzug der britischen Truppen einverstanden. Die indische

Streiffrawall in Erfurt . Steinhagel gegen Polizeibeamte. - Die Polizei schießt Ein Maurer getötet.

Erfurt , 13. Januar. ( WTB.) Bei der Berlin - Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels u. Co., Erfurt , war die gesamte Belegschaft in den Streit getreten, weil die Werksleitung die im Thüringer Metallschiedsspruch vorgesehene sechs pro­zentige Lohnsenkung vorgenommen hatte. Nach der Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruchs nahm die Hälfte der Belegschaft die Arbeit wieder auf, während die andere Hälfte, meistens Kommunisten, im Streit ver harrten. Schon gestern nachmittag kam es vor den Werk. stätten zu Beschimpfungen durch die angesammelten

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beschränkt.

Die britischen Konservativen erklärten, fie müßten diesen Zu­geständnissen an Indien ihre Zustimmung verweigern. Auch der Führer der indischen Moslems übte heftige Kritik, weil er den Schutz der mohammedanischen Minderheit vermisse. Schließlich haben auch die Delegierten der Hindus Sonverwünsche angemeldet.

Die Konferenz ist zu Ende. Macdonald wird die Stellung der britischen Regierung am Freitag oder Montag in einer Plenar­fitzung darlegen.

Als Ausweg aus der Sackgasse der Sonderwünsche soll jeder Dele­giertengruppe überlassen bleiben, ihre Vorbehalte dem Verfassungs­dokument anzuhängen.

Indien ist auf dem Wege zum Dominion und zur Selbstverwal, tung und damit wird, wenn die Konferenz den Kommissionsbericht annimmt, der schwerste Stein hinweggeräumt sein, der bisher die innere Entwicklung von Land und Volt gehemmnt hat. Das wird die große historische Bedeutung der Londoner Konferenz sein.

Streikenden und Erwerbslosen. Polizei mußte mit dem Gummiknüppel die Demonstranten zerstreuen. Sie wurde mit Steinen beworfen, wobei ein Polizeioffizier eine Wunde am Kopf davontrug.

Heute nachmittag gegen 17 Uhr kam es gelegentlich des Schichtwechsels wieder mehrfach zu Zusammen it ößen zwischen den Arbeitenden, Streifenden und Er­werbslosen. Hierbei wurde ein Arbeitender schwer ver­letzt. Die Polizei wurde, als sie eine Straße des Er furter Nordens räumen wollte, mit einem Stein hagel empfangen. Sie machte von der Schußwaffe Gebrauch. Hierbei wurde der 28 Jahre alte erwerbs. lose Maurer Hugo Hoffmann aus Gispersleben bei Erfurt tödlich getroffen und eine weitere Per­fon durch Armschuß verletzt.

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Auf Dietrichs Spuren.

Reaktion in der Steuerpolitif.

Von Anton Erkelenz .

Die verfassungsrechtliche Bedeutung der neuerlichen Not­verordnungs- Gesetzgebung wird sich in vollem Umfange erſt nach einer Reihe von Jahren übersehen lassen. Da moderne Verfassungen ganz überwiegend auf der moralischen Achtung des selbstgegebenen Gesetzes beruhen, ist jede Mißachtung vor handener Berfassungsbestimmungen eine prinzipielle Vernei­nung der Verfassung und deshalb äußerst gefährlich. Mit 3weckmäßigkeitserwägungen allein lassen sich diese Dinge nicht abtun. Mit den Notverordnungen ist also die Weimarer Ver fassung, gelinde ausgedrückt, in ein sehr schwieriges Kapitel ihrer Entwicklungsgeschichte eingetreten.

Aber hier sollte in erster Linie auf eine andere, sehr be­denkliche Rückwärtsentwicklung hingewiesen werden, die durch die zweite Notverordnung eingeleitet ist: auf die Rückwärts­revidierung unserer steuerpolitischen Einrichtungen. Wenn man deutlich formulieren will, fann man sagen: die zweite Notverordnung bringt in steuerpolitischer Hinsicht eine Be­seitigung der in einem hundert Jahre langen Kampf herbei­geführten Fortschritte und Ideen. Das prägt sich darin aus, daß die Einkommensteuer für die Landwirtschaft mit Ein­fommen unter 6000 m. ganz beseitigt ist. Ferner wird die Beseitigung der Einkommensteuer für das Gewerbe grund­fäßlich ausgesprochen, ihre Durchführung aber noch von einer besonderen Ministerialverfügung abhängig gemacht. Auch im Gewerbe soll die Einkommensteuer erst beginnen bei einem Einkommen von über 6000 M. Da man wohl damit rechnen muß, daß der Reichsfinanzminister von dem ihm erteilten Recht einer folchen Berfügung Gebrauch machen wird, so heißt das, daß für alle Einkommen unter 6000 m. in Ge werbe und Landwirtschaft die Einkommensteuer beseitigt ist. An sich müßte das als selbstverständlich zur Folge haben, daß auch die Lohnsteuer für die Lohn- und Gehaltsempfänger unter 6000 m. Jahreseinkommen beseitigt wird. Ob das be­absichtigt ist, steht dahin. Es würde den Reichshaushalt völlig aus den Fugen reißen.

Gleichzeitig mit dieser Entwicklung hat eine starke Aus­dehnung der indirekten Steuern stattgefunden, und es ist durch die Einführung der Bürgersteuer eine neue Klassensteuer in Deutschland geschaffen worden. Was die Bürgersteuer im Rahmen unseres steuerpolitischen Systems auf die Dauer bedeuten wird, läßt sich heute nicht abschätzen. Unzweifelhaft trägt sie in sich die Tendenz auf Beseitigung der Einkommensteuer und ihrer Ersetzung durch eine Klaffen­ſteuer. Grundsäglich betrachtet, bedeutet das auch die Beseiti­gung der sozialen Abstufungen im Rahmen der Einkommen­steuer. Es bedeutet die Ersetzung der Einkommensteuer durch eine Gewerbe-, das heißt eine indirekte Steuer, deren Ab­wälzung auf die Produktion grundsäglich vorausgesetzt wird, fassung ausgeht, daß fe ine Abwälzung stattfinden soll. während die Einkommensteuer von der grundsätzlichen Auf­

Neben die gewaltige Steigerung der in direk­ten Steuern einschließlich der neuen Gewerbesteuer tritt die Bürgerabgabe als Klaffensteuer. Die Klassensteuer wurde, wenn ich mich nicht irre, im Jahre 1820 in Preußen eingeführt. Die steuerpolitische Gesetzgebung der zweiten Not­verordnung hat also in weitgehendem Umfange die Tendenz, hundert Jahre steuerpolitischer Verbesserungen und Verfeine­rungen zu beseitigen und zu rohen Kopf- und Klassensteuern zurückzukehren.

Der Sazz, daß indirekte Steuern abwälzbar, direkte Steuern nicht abwälzbar feien, hatte stets einen stark politi­schen Charakter. Nachdem die Arbeitnehmerschaft zum neuen Staat anders steht als zum alten, fann sie auch ihre Stellung zur Steuerpolitit einer erneuten Nachprüfung unterziehen Weder find indirekte Steuern auf jeden Fall unsozial, noch find direkte Steuern auf jeden Fall sozialer und gerechter. Wir wissen heute, daß auch die Einkommensteuer abgewälzt wird und abwälzbar ist, sobald sie eine gewisse Höhe der Be­lastung überschreitet. Die Reichseinkommensteuer ist nicht so hoch, wie manchmal in den agitatorischen Behauptungen ihrer Gegner dargelegt wird, aber sie überschreitet, zum mindesten in Deutschland und England, die Grenzen der Unabwälzbar= feit. Insofern ist der Streit um direkte oder indirekte Steuern heute nicht mehr von derselben Bedeutung wie früher.

Wenn der alte Sah, daß indirekte Steuern auf jeden Fall schlecht und direkte Steuern auf jeden Fall besser seien, auch heute nicht mehr in vollem Umfange zutrifft, so darf man aber daraus nicht den Schluß ziehen, daß das Um­

gekehrte richtig sei. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, beffer feien als direkte. wenn wir heute annehmen wollten, daß indirekte Steuern Die Reichssteuerpolitik der letzten Jahre geht sehr weitgehend von diesem falschen Gedanken aus. Und auch die öffentliche Meinung hat sich daran gewöhnt, Erhöhungen der indirekten Steuern ziemlich teilnahmslos gegenüberzustehen. Auch wenn es im Grunde genommen gleichgültig wäre- was nicht der Fall ist, ob man direkte I oder indirekte Steuern macht, so bleibt bei den indirekten