Nr. 25 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Bier wird nicht teurer!
Freitag, 16. Januar 1931
Stadtschulrat Nydahl( Soz.),
jolle man vorderhand die Eröffnung neuer Akademien zurückstellen. Darüber hinaus sei es aber durchaus nötig, für die Lehrträfte aller Schulfategorien eine gemeinsame Ausbil.
Die Stadtverordneten gegen Biersteuererhöhung/ Große Schuldebatte dungsanstalt zu errichten. In der Abstimmung erklärten fich
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die Errichtung einer Akademie( Lehrerbildungsanftalt) für fonfessionsloje, angehende Lehrer.
die Kommunisten wiederum gegen den Fortschritt im Schulwesen:
Die vom Magiftrat beantragte Erhöhung der Bier- 1 Faust mit dem Beschluß einverstanden. Allerdings forderte er in Gie stimmten mit allen anderen Parteien gegen die Errichtung sfeuer wurde gestern wie schon vorher im Ausschuß in der einem Antrag Stadtverordnetenversammlung von allen Parteien abgelehnt. Die Sozialdemokraten waren insbesondere deswegen dagegen, weil fie die Auswirkungen und die erften finanziellen Ergebnisse der erst im November eingeführten Getränke- und Biersteuer abwarten wollen. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen bewiesen die kommunisten ihre Feindschaft gegen jeden wahren Fortschritt im Schulwesen. Sie waren fowohl gegen die Bewilligung von 20 000 Mart für den Schüleraustausch und stimmten auch gegen die Errichtung einer fonfeffionslosen Lehrerakademie in Berlin .
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Zu Beginn der Sigung ritt Stadtv. Klinghardt von der Deutschen Volkspartei eine heftige Attade gegen die angebliche Berschwendungsfucht der Schulverwaltung beim Bau und der Ausstattung von Schulen. Es war nicht das erstemal, daß die Volkspartei in solchen Fragen in aggressivster Weise gegen die Stadtverwaltung vorging. Anlaß gab ihnen die Beschaffung mehrerer Konzertflügel für das neue Kleist& ŋzeum im Bezirk Tiergarten. Das sei, sagte Klinghardt, ein unverantwortlicher Lurus und wenn die Sucht der Schulverwaltung, vor dem neuen Etatabschluß die restlichen Mitel noch schnell auszugeben, so weiter geht, so müsse man die Verantwortlichen persönlich haftbar machen. Das Kleist- Lyzeum fei ein Bruntbau, der als Musteranſtalt für Berliner Schulen allen Studiengesellschaften gezeigt werde. Stadtschulrat Nydahl stellte fest, daß nur zwei Flügel beschafft feien, einer steht in der Aula, der andere, fleinere, im Mufitzimmer. Sie sind der Sparsam feit wegen gebraucht getauft worden. Von der Beschaffung weiterer Instrumente sei der Schulverwaltung nichts bekannt. Stadtv. Zobel( Dem.) trat lebhaft dafür ein, daß in jeder Turnhalle ein Klavier für den modernen Turn- und Gymnastikunterricht zur Verfügung steht. Stadtv. Bublih( S03.) sagte Herrn Klinghardt, daß alle Pläne für das Kleist- Lyzeum von Leuten stammen, die seiner Bartei sehr nahe stehen. Noch einmal gab es eine Schuldebatte: Der Magistrat bat in einer Vorlage um Bereitstellung von 20 000 2. für den Schüleraustausch mit dem Auslande. In Betracht tommen insbesondere Frankreich , England und Deutschland . Der tommu nistische Lehrer Schubring lehnte solche inferligchen", wie er fidh ausdrückte, rundweg a b.
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Stadtv. Kreuziger( Soz.)
stellte unter dem Beifall der Sozialdemokraten die Einheitsfront ber Kommunisten und der Nationalsozialisten auch in dieser Frage fest, denn kurz vorher hatte ein nationalsozialistischer Redner es abgelehnt, Schüler nach dem„ pernegerten" Frankreiά) zu fchicken. Kreuziger hob insbesondere die großen pädagogischen Borzüge solcher Schülerverschickungen hervor. Tatsächlich fand sich eine Mehrheit aus Deutschnationalen, Nationalfezialisten und Kommunisten, die die 20 000 art ablehnten.
Neue Biersteuer abgelehnt.
In einem Nachtrag zur Biersteuerverordnung batteber Magistrat eine Erhöhung.der. Bierfeuer borgesehen. Da nach soll die Steuer für Einfachbier auf 5 Mart, für Schantbier auf 7,50 Mart, für Bollbier auf 10 Mart und für Startbier auf 15 Mart erhöht werden, und zwar ab 1. Januar 1931. Wie Stadtv. Loewy ( oz.) berichtete, hatte der vorberatende Ausschuß mit Rücksicht auf die erst nor furzer Zeit erfolgte Neufeftfezung der Biersteuer die neue Erhöhung abgelehnt. So bejchloß auch gestern die Ber jammlung einstimmig, wie der Borsteher Genosse Saß feststellte. Dann gabs wieder Schuldebatten! Gegen die Errichtung von pädagogischen Akademien für katholische, evangelische, jüdische und religionsloje Kandidaten in Köpenid protestierten die Beltsporteiler in einem Antrag; Zeitungsmeldungen gaben ihnen den Anlaß dazu. Im Ausschuß war dem Antrag stattgegeben worden. Für die sozialdemokratische Fraktion erklärte sich Stadtv.
W. Seemann
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O.Wöhrle
Unternehmer.
,, Unmöglich, meine Herren! Ihre Forderungen find indiskutabel für mich! Aendern? Wozu? Nicht nur in der Politik find neue Zeiten angebrochen, sondern auch in den Fabrikationsmethoden. Gottseidant! sonst hätte ich meinen Betrieb schon längst schließen müssen. Arbeiten Sie mal ruhig erst ein Bierteljahr weiter. Sie werden dann sehen, daß das Teilsystem, das sie jetzt befritteln und abgeschafft zu haben wünschen, sich zum Nutzen der Belegschaft auswirkt! Ich wünsche, daß alle meine Leute ihr Geld verdienen. Und, paffen Sie auf, wenn das System erst mal eingespielt ist, werden Sie es auch verdienen und zwar müheloser als früher!" Der Betriebsrat war mit dieser Antwort nicht einverstanden. Der Sprecher drohte mit Amtsniederlegung.
Ludwig klopfte sich auf die Schenkel und lachte so schallend, daß Sandow aus seinem Glaskasten herausgelaufen kam. ,, Haha, Sandow, meine Leute wollen streiten! Das ist ein guter Wig, meine Herren, aber nicht ernst zu nehmen. Die Arbeit niederlegen! Seien Sie froh, daß Sie in dieser Zeit überhaupt Arbeit haben! Wie stellen Sie sich denn das vor, für diesen Riesenbetrieb Aufträge hereinzuholen? Wenn ich nicht billiger bin als die Ronkurrenz, dann schnappt diese die Bestellungen, und Sie, meine Herren Betriebsräte, sowie die gesamte Belegschaft fönnen in die leere Röhre gucken! Glauben Sie, daß ich das Teilsystem aus llebermut eingeführt habe? Nein, aus Notwendigkeit! Aus bitterster Notwendig. feit, sage ich Ihnen! Sier..." und er holte aus seinem Schreibtisch eine Mappe mit Papieren heraus, breitete Rech nungen, Angebote der Konkurrenzfirmen, Kataloge, Materiallisten, Kaltulationen vor ihnen aus und bewies ihnen mit Hilfe Sandows an einzelnen schlagenden Beispielen, daß es vollkommen unmöglich sei, Don der augenblicklichen Fabritationsmethode abzugehen oder gar Erhöhung der Stücklöhne vorzunehmen.
Der Betriebsrat, gegen die Fülle der Argumente wehrLos, sah ein, daß weitere Auseinandersegungen für den Augen blid feinen 3med hätten und ging.
Obwohl in Berlin über 50 weltliche Schulen vorhanden sind, die selbstverständlich Lehrernachwuchs' brauchen, ist nur erst in Frank furt a. M. eine solche Akademie vorhanden. Es ist also hiesigen unbemittelten, fonfeffionslosen Eltern nicht möglich, ihre Kinder dem Lehrerberuf zuzuführen, weil sie die Kosten des auswärtigen Aufenthalts nicht bezahlen fönnen. Stadtv. Hallensleben( D. Bp.) lehnte angesichts der bedrängten Finanzlage und der Ueberfüllung des Lehrerberufes die Errichtung der Akademien ab. Im Interesse der stellenlosen Junglehrer, sagte
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Eine
Für die Fortführung der Arbeiter- Abiturientenkurse an der Karl- Marr- Schule in Neukölln wurden die erforderlichen 20 000 m. bewilligt. Wenn die Kommunisten nicht selbst diesen Antrag gestellt hätten, wären sie in Verfolg ihrer vorher in der Versammlung befundeten schulfeindlichen Politik bestimmt dagegen gewesen. große Anzahl von Anträgen wurde ohne wesentliche Debatte erledigt. Die Bilanz der Berliner Verkehrsgesellschaft wurde zur Kenntnis genommen. Schluß der Sigung, der noch eine nichtöffentliche Verhandlung folgte, gegen 21 Uhr.
Furchtbare Folgen des Erdbebens. Bisher 25 Tote geborgen.
Nach einer Meldung des Associated Pres" aus Megiko hat das gestrige Erdbeben am schwersten die Stadt Oaxaca heimgesucht. Der Militärkommandant von Dayaca, General Berrez, berichtete dem Präsiden ten Rubio, daß mindestens 25 Personen getötet oder verlegt worden seien und stündlich aus den Trümmern neue Opfer geborgen würden. Die Stadt sei ein einziger Trümmerhaufen; der Sachschaden sei noch nicht im entferntesten zu übersehen. Das Beben, das um zehn Uhr abends begann und drei Minuten dauerte, hatte unter der Einwohnerschaft eine ungeheure Panit zur Folge. Die Bevölkerung lagert jekt im Freien. Eine Hilfsaktion ist eingeleitet.
Millionen veruntreut.
Schwerer Bertrauensbruch zweier Direktoren.
In Barnstorf , zwischen Bremen und Osnabrüd, tam man bei der Spar- und Darlehnstaffe riesigen Beruntreuungen der beiden Geschäftsführer auf die Spur, die in die Millionen gehen.
Schon vor einiger Beit hatte der eine Direttor der Staffe, Goerte, im Laufe der Untersuchungen Selbstmord begangen; der zweite Direttor, Groene, murde in Untersuchungshaft genommen. Nunmehr stellt sich das Ergebnis der Buchprüfung als überraschend heraus und bringt Beweise dafür, daß die Beruntreuungen der beiden in die Millionen gehen. Dem Direktor Goerte sind Unterschlagungen von fast 900 000 m. nachge. wiesen. Dazu kommen noch 500 000 m. Rückstellungen auf fingierte Konten und über 61 000 m. für sonstige Verpflichtungen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß fich dieser bilanzmäßig ausgewiesene Fehlbetrag der Kasse noch weiter erhöhen wird. Direktor Groene wurde nach Diepholz ins Untersuchungsgefängnis übergeführt.
Ludwig schüttelte den Kopf hinter ihnen her und fragte: ,, Sandow, sind die Leute denn toll geworden?" Der Angeredete hatte keine andere Antwort als sein befanntes Achselzucken.
Acht Tage später stand der Betrieb.
Wie auf einen Schlag setzte der Lärm der Maschinen aus. Ludwig, den die plögliche Stille stärker traf als der Schlag einer Explosion, stürzte aus dem Kontor, um zu sehen, was los fei.
Die Belegschaft stand auf ihren Plägen wie immer. Aber niemand arbeitete.
Was ist los?" fragte er den ersten besten, der ihm in den Weg lief. Ist etwas explodiert?"
Nein, es war nichts explodiert, keine Maschine, kein Kessel, tein Säurebehälter. Nur der Mißmut seiner Leute war explodiert.
zurüd.
Sich nicht mehr kennend vor 3orn lief er in sein Kontor Wier stand der Betriebsrat vor ihm, wieder stellte er ihm die bekannten Forderungen.
Da packte ihn die helle Wut. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie die drei Leute an:
Ich und nur ich habe zu bestimmen, was in meinem Betriebe zu geschehen hat! Wenn Ihnen das nicht paßt, dann gehen Sie bitte ihrer Wege. Dort hat der Zimmermann das Loch gemacht! Bon nun an verhandle ich mit Ihnen überhaupt nicht mehr, sondern nur noch von meiner Organisation zu Ihrer! Was wollen Sie eigentlich? Habe ich die Tarifbestimmungen verlegt, so sagen Sie es gefälligst und bringen Sie die Beweise. Ihre Erpressung mit Arbeitsniederlegung schreckt mich gar nicht. Wenn Sie nicht mehr wollen, dann gut! Es stehen mir hundertfach andere Arbeitskräfte zur Ber fügung. Der Arbeitsnachweis liegt voller Facharbeiter. Hüten Sie sich ja, den Streif in den Betrieb zu tragen! Sonst ant worte ich mit den schärfsten Maßnahmen! Ich warne Sie und warne ihre Kollegen!"
Zehn Minuten, nachdem der Betriebsrat das Kontor verlaffen hatte, sprangen brüllend draußen in den Sälen wieder die Maschinen an.
Wieder einmal hatte sich die Arbeit ins Joch gebeugt, erschreckt vor scharfen, unbarmherzigen Worten.
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Ungefäumt zog Ludwig die Folgerung aus diesem Vor fall. Er stellte einen Raftulator ant, der fyftematisch ben ge
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Straßenbahnwagen in Flammen.
Sieben Personen verletzt.
München , 15. Januar. Hier hat sich heute abend ein schwerer Straßenbahnunfall ereignet. In der Theresienstraße trat bei einem Wagen der Linie 2 Kurzschluß ein. Eine mächtige Stichflamme drang aus dem Kontroller beim Führerstand. Sieben Perfonen erlitten Brandwunden an Füßen, Händen und im Gesicht. Alle Verletzten mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Unter den Fahrgästen, die zu den Wagentüren drängten, entstand eine Panit. Die Feuerwehr löschte den Brand.
Aus dem vierten Stock in die Tiefe.
Kajfel, 15. Januar.
Der berüchtigte Autodieb Schwerdtner wurde heute morgen von der hiesigen Kriminalpolizei in seiner Wohnung verhaftet und im Polizeipräsidium wegen verschiedener Autodiebstähle vernommen. Man brachte ihn dann in das photographische Atelier des Polizeipräsidiums, wo er die Gelegenheit benutzte, fich rücklings durch ein offenstehendes Fenster vier Stockwerte tief auf die Straße zu stürzen. Obwohl es dem Beamten gelang, ihn am Mantel zu ergreifen, fonnte der Sturz nicht verhindert werden, da der Mantel entzweiriß. Mit schweren inneren Verlegungen und einem tomplizierten Schädelbruch wurde Schwerdtner dem Krantenhaus zugeführt.
Schiffsverkehr Berlin - Stettin unterbrochen.
Wegen zu starten Eisgangs auf der Oder wurde der Schiffs. verfehr zwischen Berlin und Stettin und Berlin - Breslau eingestellt. Auch der Passagierdampfer zwischen Greifswald und Stettin und Schwedt und Stettin verkehren nicht mehr. Das Stettiner Haff ist mit einer ftarfen Eisdede belegt. Die GroßSchiffahrtsstraße Stettin - Swinemünde ist durch die Tätigkeit mehrerer großer Eisbrecher eisfrei.
Herabsehung des Berliner Milchpreises. Der Verein der Berliner Milchhändler hat den Richtpreis von Milch für den Kleinverkauf von 30 auf 29 Pf. pro Liter gesenkt.
samten Arbeitsprozeß aufzeichnete, ihn farteimäßig festlegte und außerdem die Spizenleistungen notierte.
Als Ludwig vier Wochen später die Tabellen des Kalkulators nachsah, zeigte sich, daß die Arbeiter seiner Fabrik tatsächlich ein Mehr bis zu dreißig Prozent über den Tariflohn verdienten.
Dreißig Prozent mehr als anderswo! Hier stand es, bis auf die letzte Papiermark errechnet, schwarz auf weiß in den Tabellen.
Was aber nicht darin stand, war die Art und Weise, auf. welche diefe 30 Prozent Mehr zustande kamen.
Das übersah Ludwig von seinem Unternehmerstandpunkt aus großzügig.
Er freute sich, nun in den Tabellen des Kalkulators einen neuen Verbündeten zu haben.
Der Betriebsrat sollte es wagen und ihm noch einmal mit neuen Forderungen kommen.
Dann würde er, Ludwig, diese Tabellen als Waffe schwingen und die Belegschaft zwingen, billiger zu arbeiten. Jawohl, er wollte es auf eine Machtprobe ankommen Tassen! Eifrig suchte er eine Gelegenheit dazu.
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Für den Augenblick aber wurde er durch andere Dinge abgelenkt. Die Innung ernannte ihn zum Obermeister. Das war eine große Ehrung für ihn. Er freute sich, auf diese Weise seine bahnbrechende Methodik im Beruf von Fachleuten anerkannt zu sehen.
Dann aber wehte der Inflationswind dahin, wie der Herbstwind die stiebenden Blätter.
Der Besitz zerfiel. Täglich bröckelte er ab. Die Woge der Martentwertung verfchlang Gerechte und Ungerechte gleichermaßen. Jene Schicht der Besitzenden, die, hellhörig und helläugig und zum Teil durch Erfahrung von Generationen gewißigt, rechtzeitig begriff, wohin die Fahrt ging, war verhältnismäßig flein. Die stumpfen Karpfen waren in der lleberzahl und ließen sich ohne Gegenwehr von den gierfchnäuzigen Hechten fressen.
Am schlimmsten aber waren die Besizlosen daran, die Arbeiter, die nichts anderes zu verkaufen hatten als ihre Arbeitskraft.
Der Unternehmer zahlte ihre gute Arbeit mit schlechtem Gelb, das teine Stunde den Wert behielt, sondern immer schlechter und schlechter wurde, ( Fortfehung folgt.)