Nr. 3348. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärtsil 21. Januar 193
Der Rundfunk zieht um.
Das neue riesige Funkhaus am Reichskanzlerplatz.
In diesen Tagen bezieht die Reichsrundfunkgesellschaft ihr neues Heim in Witzleben am Fuße des Funkturmes. Das Riesengebäude umfaßt das gesamte Gelände zwischen Masurenallee, Bredtschneiderstraße und einer vorläufig noch unbenannten Straße parallel zur Soorstraße; der Grundrißform nach ein Dreieck mit einer geraden und zwei kreisförmigen Seiten. Außer den geschlossenen Randbauten besteht noch ein Mittelflügel und zwei schräggestellte Quergebäude; auf diese Weise werden vier Innenhöfe gebildet. Die Hauptfront an der Masurenallee hat die stattliche Länge von 150 m. In strengen Vertikalen baut sich die Fassade auf, die Flächen sind mit Keramikplatten in Farbe und Form wechselnd verblendet.
Außer den Verwaltungsräumen der Reichsrundfunkgesellschaft, der Funkstunde" und der Deutschen Welle enthält der Bau ein Archio mit Leseraum und sogar ein Rundfunkmuseum. In dem Mittelflügel, entfernt vom störenden Straßenlärm, befindet sich der Hauptsenderaum, ein Saal von gewaltigen Abmessungen; dem Grundriß
Muller
nach ein Trapez, ist er 18 bzro. 26 m breit und 40 m lang. Er hat eine Höhe von 12 m, geht also durch die vier Stockwerke hindurch. Dieser Saal ist für große Orchester und Chorkonzerte bestimmt, eine Orgel dazu ist in einem besonderen Raume eingebaut. In den Quergebäuden liegen zroei kleinere Senderäume, wo Solokonzerte, Theateraufführungen u. dgl. stattfinden. Sämtliche Senderäume sind gegen die übrigen Gebäudeteile durch eine Trennfuge schalldicht isoliert und nach den neuesten Erfahrungen der Raumakustik errichtet sowie mit den modernsten Apparaten der Sendetechnik ausgestattet. Ueber dem Mittelflügel liegt ein Dachgarten für Freiluftsendung, ebenso ist einer der Höfe für Aufnahme und Sendung im Freien eingerichtet.
Wenn man sich erinnert, in welch bescheidenen Räumen der Berliner Rundfunk vor sieben Jahren seine Sendungen begann und die Riesenabmessungen des neuen Baues betrachtet, so erkennt man, welche großartige Entwicklung das Rundfunkwesen genommen und wie es sich technisch und künstlerisch vervollkommnet hat.
Von der Lawine begraben.
Neun Polizeibeamte verschüttet.- Erst zwei Mann geborgen.
Wie aus Bad Tölz gemeldet wird, hat sich am Dienstag im
Gebiet der Benediktenwand ein schweres Caminenunglüd ereignet. Elf Münchener Stifahrer wurden auf einer Tour von einer Lawine überrascht, die neun Perfonen verschüttete. Es fuhr fofort ein Mannschaftswagen mit Leuten des Stiklubs Bad Tölz in das Unglücksgebiet. Auch Privatwagen brachten Rettungsmannschaften dorthin. Ferner hat die Landespolizei München eine Rettungsexpedition ausgefandt.
910
2m find zur Zeit verschiedene Mannschaften der Landespolizei sta
tioniert, die im dortigen Gebiet unter der Leitung eines eigenen
Lehrers an einem Stitufus teilnehmen. Heute nachmittag gegen 3.15 Uhr übten die Kursusteilnehmer, am Seilhang zwischen dem Benediktenwandoftgrat und den Achselköpfen,
als fich plöhlich eine gewaltige Lawine löfte und neun Mann mit in die Tiefe rik.
Mittwoch,
mit den Bergungsarbeiten beschäftigt, fonnten aber von den acht noch verschütteten bis jetzt niemand befreien. Die Arbeiten werden die ganze Nacht mit Hilfe von Scheinwerfern fortgesetzt wer den. Der Kursus bestand aus einem Offizier( Oberleutnant Remold). und 14 Mann. Am 21. Januar wäre der Kursus nach einwöchiger Dauer zu Ende gegangen. Wie verlautet, ist der bis jetzt Geborgene der Oberleutnant Remold.
Raubüberfall auf Händlerin.
Refolute Frau wehrt zwei junge Burschen ab.
Mit Masten und Revolvern versehen, drangen am Dienstag abend kurz nach Geschäftsschluß zwei junge Burschen in das Lebensmittelgeschäft der Frau Stelzner in der Angermünder Straße 47 zu Lichtenrade ein und verlangten von der Frau die Herausgabe der kasse. Die Frau ließ sich aber nicht einschüchtern, sondern rief laut um Hilfe und zerfrümmerte eine Glasscheibe. Auf das Geflirr und auf die Rufe eilte der 21 Jahre alte Sohn herbei. Die Einbrecher flüchteten nun. Mit einem der Räuber fam der Sohn in einen Ringkampf, wurde aber zu Boden gestoßen. Als die Burschen flüchteten, feuerte der Sohn mehrere Schüsse hinterher, die aber ihr Ziel verfehlten. Die Räuber find in der Dunkelheit enffommen.
Benzinexplosion in der Wohnung.
Eine Frau schwer verletzt.
Durch unvorsichtiges Hantieren mit Benzin ist gestern nachmittag in der Hochkirchstraße 7 wieder eine folgenschwere Explosion verursacht worden.
In dem genannten Hause wohnt eine Familie F. Gegen 16 Uhr war die 35jährige Tochter Gertrud in der Badestube mit dem Reinigen von Kleidern beschäftigt, wozu sie Benzin verwandte. Plöglich gab es eine heftige Detonation. In dem fleinen Raum hatten sich größere Mengen Benzin dämpfe angesammelt, die aus noch ungeflärter Ursache zur Explosion gekommen waren. Durch den Luftdruck wurde eine Wand eingedrückt und mehrere Fensterscheiben zertrümmert. Gertrud F. erlitt durch Stichflamumen fchwere Verlegungen. Mit brennenden Kleidern eilte die Unglückliche auf den Korridor, wo sie nur durch das Eingreifen ihrer Angehörigen vor dem Schlimmsten bewahrt werden konnte. Die Berunglückte fand im Tempelhofer St. Josefskrankenhaus Aufnahme, wo fie bedenklich daniederliegt.
Steuerffundung für Sportvereine.
Sozialdemokratischer Antrag im Rathaus.
Die im Vorwärts" mehrfach festgestellte Absicht des Magistrats, von den Sportvereinen die bisher jahrelang gestundeten Grundvermögenssteuern für Sportpläge und Sportgrundstüde nachzuerheben, hat die sozialdemokratische Stadt verord= netenfrattion veranlaßt, in der nächsten Plenarversammlung folgenden Antrag zu stellen:
,, Die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Ma
giftrat zu ersuchen, die Grundvermögenssfeuer auf Turn-, Spiel- und Sportplätze, fowie auf Sportwassergrundstücke im Sinne des Erlaffes des preußischen Finanzministers vom 9. April 1924 auch weiterhin mit dem Ziele der Niederschlagung zu stunden. Von einer Racherhebung der bisher geffundeten Steuern ist Abstand zu nehmen."
Der Hüttenwirt der Landespolizei beobachtete mit einigen auf der 41 Grad Kälte in Schweden . Der Rettungsfolonne gelang es nach angestrengtem Arbeiten Hütte verbliebenen Mannschaften das Unglück. Sofort eilte ein gegen 10 Uhr abends zwei der verschütteten Landespolizei- Meldefahrer nach der 20 Minuten entfernten Tuzinger Hütte, um beamten schwer verletzt zu bergen. Von den übrigen sieben fonnte noch feine Spur gefunden werden.
Zu dem furchtbaren Lawinenunglüd erfahren wir folgende Einzelheiten: Auf der der Landespolizei gehörenden Probsten
W. Seemann
65]
Q.Wöhrle
Internetimer.
Das heißt seine Gefühle wirklich auf Eis gelegt! Jegt, nach reichlich einem Vierteljahrhundert, revanchiert er sich für das Schimpfwort Halsabschneider", das er damals an den Stopf geworfen betam, mit einem wirklichen Halsabschneiden. Lehre einer einen die Menschen kennen! Da ist man nun ein alter, listenreicher Fuchs, mit allen Wassern gemaschen, mit allen Hunden gehetzt, und wird doch noch von einzelnen Bertretern der Bagage hineingelegt.
Zähne zusammengebissen, Ludwig Eifermann! Gönn' dem Hund die Freude nicht! Er soll nicht merken, wie tief er dich getroffen hat!
Ludwig gelang die Vorstellung vorzüglich.
,, So, so, schon eigene Lieferanten, hm, auch gut. Wir sind ja zum Glück nicht auf die Nachfolgerschaft angewiesen. Wo wollen Sie denn hin, Himmelsbach, wenn ich fragen darf?" ,, Ich habe in Tirol ein Landhaus, da werde ich meine alten Tage verdösen!"
,, Sie Genußmensch, Sie!" heuchelte Ludwig und griff nach seinem Hut. Hier war ja doch nichts zu machen. Schade um jede Minute, die er noch bei dem alten Gauner vertrödelte! Er streckte die Hand aus und sagte leichthin:
Dann leben Sie wohl, Himmelsbach! Lassen Sie sich's gut gehen!" Schon war er draußen und schritt aus dem Hause, das ihn emporgetragen hatte.
Seine Gedanken spielten bereits wieder. Himmelsbach war für ihn schon Vergangenheit. Der Mann, an dem er einst mit seiner ganzen seelischen Kraft gehangen hatte, interessierte ihn nicht mehr.
War gestrichen aus seinem Kopf und aus seinen Büchern. Weg, fort, ausradiert! Abgetan für immer!
Mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen Tentte er fatto Maybach durch das Geföße der Straßen der Innenstadt
telephonisch Hilfe zu erbitten. Wegen der stark vereisten Wege konnten die von Bad Tölz , Lenggries und Benedikbeuern alarmierten Silfsmannschaften bis 18 Uhr noch nicht an die Unfallstelle gelangen. Zur Zeit sind nur drei bis vier Mann der Landespolizei
und fuhr dann, als er in die Außenbezirke fam, rücksichtslos in rafendstem Tempo nach Hause.
Kaum hatte er den Motor abgedrosselt, so stieg er schon zu Sandow hinauf in dessen Glasbude.
Sandom war in den Jahren nach dem Kriege ein dicker, wohlbeleibter Mann geworden, der gerne kommandierte. Noch immer steckten ihm die Feldwebelmanieren in den Knochen. Er war gleich fertig mit dem Wort und konnte fuchsteufelswild werden, wenn jemand in die Vortrefflichkeit seiner geschäftlichen Anordnungen auch nur den geringsten Zweifel fezte.
Zugegeben, die Leitung eines so großen und vielseitigen Betriebes wie des Eisermannschen war nicht leicht. Dauernd gab es Aerger zu schlucken. Auf diesen Aerger führte er die Zunahme und Rundung seines Körpers zurück.
Wenn ihn Heinrich, der einbeinige Zuschneidemeister, gelegentlich feines Umfanges wegen hänselte, pflegte er zu sagen:
Siehst du, Straubinger, andere Leute, wie zum Beispiel gewisse Heineriche, werden vom Fressen und Saufen dick! Bei mir ist das umgekehrt. Ich nehme zu von dem Haufen 3orn, den ich mit den Leuten habe, und den ich jeden Tag neu runterschlucken muß. Was fann der Mensch dafür! Im übrigen immer mit der Ruhe!"
Getreu diesem Endspruch hörte er sich Ludwigs Dar legungen in aller Ruhe an, unbeweglich, wie ein eichener Klotz. Nur das Spiel seiner Augen verriet, daß er angestrengt nachdachfe und wütend sein Gehirn zusammenpreßte, um auf einen brauchbaren Ausweg aus dieser riesigen Klemme zu tommen.
Wir sind also mitten in voller Fahrt auf Grund gestoßen, Ludwig!" sprach er schließlich. Denn als Landratte liebte er es, seine Bergleiche möglichst dem Seemannsleben zu entnehmen. Wenn wir den Kasten wieder flottkriegen wollen, bleibt uns weiter nichts übrig, als die Leute einen nach dem andern über Bord zu schmeißen!"
Ludwig wehrte sich gegen diesen Borschlag. ,, Menschenstind, die Leute wollen doch auch leben. Und zudem, auch die leerstehende Fabrit foftet mich Geld. Rechne doch selber aus, jeder Quadratmeter soundsoviel!" Sandow lachte:
hör auf mit deinen Argumenten, Ludwig! Das sind olle Ramellen, die du mir schon hundertmal erzählt haft! Sollen etwa die Leute an den Arbeitsplähen stillestehn und
Stockholm , 20. Januar. ( Eigenbericht). Schweden wird gegenwärtig von einer starken Kältewelle heimgesucht. Den diesjährigen Kälterekord verzeichnete am Montagabend die Ortschaft Nattawaara in Nord- Schweden mit 41 Grad Kälte.
| Fliegen fangen, wenn die Arbeit alle ist? Oder hast du etwa folche Riesenmittel, um auf Lager arbeiten zu laffen? Wenn nicht, dann drehe bei und geh vor Anker, bevor dich Windstärke zwölf faßt und an den Strand schmeißt! Anderen Firmen geht es genau so wie uns. Schau an, Emmel u. Co., Imbs, Habertür, Gebrauchsmöbel G. m. b. H. und Xylolith, um nur die schärfste Konkurrenz zu nennen, haben schon vor einiger Zeit die Schotten dicht gemacht und das Feuer unter den Kesseln herausgeriffen. Die wollen nicht erst warten, bis der olle Kahn absackt! So und so viele sind schon hopps gegangen! Hier, nimm mal die letzte Nummer des Fachblatts vor Augen! Rubrik Konkurse! Du brauchst nur einen Blick darauf zu werfen, dann weißt du bestimmt alles. Man braucht sich nicht erst die Klappe fuffelig zu reden! Ist doch alles erklärlich. Ueberproduktion! Wohin sollen denn die Klamotten alle verfauft werden?! Wer fann sich in dieser verrückten Zeit überhaupt etwas kaufen? Speise- und Herrenzimmer sind doch Lurus! Oder nicht! Also Flagge gestrichen, Käpten, Bude zu!" Ludwig mußte einwilligen.
Er strapazierte seinen Wagen, um noch zur Nachmittagsfizzung des Arbeitsgerichts zurecht zu kommen.
Nur ein Fall stand auf der Tagesordnung, die Gemeinschaftsflage von einundzwanzig Gesellen einer stillgelegten Stuhlschreinerei, die auf Zurücknahme der Entlassung und auf Weiterbeschäftigung flagten.
Der Fall lag flar. Eigentlich hätte sich der Richter und die beiden Beisiger gar nicht erst zur Beratung hinter die verschlossene Türe zurückzuziehen brauchen.
Aber erst nach anderthalb Stunden erschienen sie wieder. Alle drei mit hochroten Köpfen, denen man ansah, daß drinnen ordentlich geholzt worden war. Alles erhob sich.
Der Richter sah niemanden an als sein gelbes Blatt Nun?
Die Klage der einundzwanzig Stuhlschreiner war tostenfällig abgewiesen.
Was find humane Grundsätze, Unternehmer Ludwig Eifermann?
Sobald sie mit geschäftlichen Interessen zusammenstoßen, zerstieben sie und lösen sich in das auf, was sie eigentlich sind: nebulöse Gebilde, Selbsttäuschungen, zerflatternd im Anhauch Fortfehung folgt.) der Wirklichkeit!