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BERLIN  Mittwoch 21. Januar

1931

Der Abend

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B 17 . Jahrgang

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Deutsche   Anklage gegen Polen  

Der Völkerbund   vor der Entscheidung: Schuß den Minderheiten!

Genf  , 21. Januar.  ( Eigenbericht.) Im Völkerbundsrat hielt heute vormittag Reichs. außenminister Dr. Curtius eine groß angelegte Rede gegen die Vergewaltigung der Deutschen   in Polen  . Er verlangte vom Rat die klare Feststellung der Verlegung der Minderheitenverträge, eine ausreichende Summe zur Wiedergutmachung der Schäden und die Beseitigung der militärisch organisierten polnischen Terrorverbände, die eine ständige Bedrohung des Rechts der Minderheiten darstellten.

Die Rede begann mit der Feststellung, daß die deutsche Regierung sich der Tragweite ihres Schrittes bewußt war, als sie von sich aus zum ersten Male den Rat zum Schuhe eines Minderheitsvolfes anrief. Das Gesamtbild der Geschehnisse ließ deutlich erkennen, daß die Kräfte, die hinter dem Wahlterror standen, offenbar glaub­ten, jegt eine entscheidende politische Schwächung des Deutschtums herbeiführen zu fönnen.

Die polnische Regierung hätte nicht nötig gehabt, uns daran zu erinnern, daß eine Minderheitenangelegenheit nicht den Charakter des Streites zwischen zwei Staaten tragen darf, sondern daß fie eine reine Bölferbundsangelegenheit ist. Ich bin mit dieser Auf­fajfung ganz einverstanden und dringe mit allem Nachdruck darauf, daß der Völkerbundsrat, ohne Rücksicht auf das Land, das die Sache aufgenommen hat, gemäß seinen Garantiepflichten

für die Durchführung der Minderheitenrechte sorgt.

Ich kann nicht zugeben, daß bei dem Stillschweigen der übrigen Ratsmächte nun auch Deutschland   hätte stillschweigen müssen. Als hier im September vorigen Jahres die sechste Kom­mission über die wirksamste Garantie des Minderheitenschutzes ver­handelte, waren wir zwar in manchen Punkten des Verfahrens ver­schiedener Auffassung, aber über die Grundrechte der Minder heiten bestand fein Streit, und auf diese Grundrechie kommt es für die Beurteilung der Vorgänge im November allein an. Die deutsche Regierung hatte nicht erwartet, schon acht Wochen nach den feierlichen Erklärungen an dieser Stelle sich zu einem so außer= gewöhnlichen Schritt entschließen und die Aufmerksamkeit des Völkerbundsrats auf Ereignisse lenten zu müssen, die in schroffem Gegensah zu den von der Gesamtheit der Völkerbundsmächte niedergelegten Grundsätzen stehen.

Es ist zu befürchten, daß, wenn es dem Völkerbundrat nicht ge­lingt, ähnlichen Vorkommnissen in der Zukunft vorzubeugen und für die Bergangenheit volle Sühne für das Geschehene zu schaffen, das Vertrauen der Minderheiten zum Bölkerbund als dem Hort dieser Rechte

unwiderbringlich verloren gehen wird. Das traurige Verzeichnis der Gewalttaten der Minderheitenbeschwerden zeigt, daß von der förperlichen Bedrohung bis zu der Zerstörung von Eigentum und jeder Art von moralischem 3mang alle Mittel angewandt worden sind, die Deutschen   ihrer politischen Rechte in Polen   zu berauben, Dr. Curtius erinnerte sodann an die einzelnen Vorfälle in Hohen­birken, Ober- Wiloza, Sorau   und Golafsowiz. Er fuhr dann fort: Fast in allen diesen Fällen ist die Begünstigung durch die polnischen Behörden festzustellen. Die Polizei hat ent­weder die Ereignisse geschehen lassen oder sogar selbst gegen die Minderheit eingegriffen. Man hat selbst vor Unbeteiligten und Frauen nicht Halt gemacht. Vor den polnischen Wahlen ist in ganz Oberschlesien   eine Welle des polnischen Terrors über die deutsche  Bevölkerung hinweggebraust.

Die Vorfälle in ganz Oberschlejien sind von einem einheitlichen geschlossenen Willen getragen, der sich gegen das Deutschtum als folches richtet. Auffallend ist die Tatsache, daß die Terroraktionen fich wochenlang in aller Oeffentlichkeit abspielen konnten, ohne daß der oberste politisch verantwortliche Beamte des Gebietes, der Wojewode, einschritt. Eine solche pflichtwidrige Unter­laffung ist Verwaltungswillkür. Dazu kommt, daß an vielen Vorfällen Beamte positiv beteiligt waren oder daß diese Vor­fälle zum mindesten moralisch gededt wurden.

Der Aufständischenverband murde mit öffentlichen Mitteln unterstützt und ist eine halb militärische Organisation. Die Erinnerung an die Schreckenstage der Aufstandszeit ist heute noch in der ganzen deutschen   Bevölkerung lebendig und macht die Angst der Minderheit vor den Drohungen der Aufständischen begreiflich. Die Aufständischenverbände sind militärisch ausgerüstet. Der pol­nische Versuch, diese Berbände als eine harmlose Organisation ge­möhnlicher Art darzustellen, muß als nicht zutreffend bezeichnet werden. Der Verband erhält sein besonderes Gepräge durch den

engen Zusammenhang mit den Staatsbehörden. Ehrenvorsitzender des Verbandes ist der Wojewode von Schle fien, dessen enge Beziehungen zu den Aufständischen mit allen Einzelheiten in der Petition des Völkerbundes geschildert werden. Ist es ein Wunder, daß die Angehörigen des Aufständischen­verbandes mit Rücksicht auf ihre besonderen Beziehungen zu den Verwaltungsbehörden, in erster Linie dem Wojewoden, glaubten, in deren Sinn zu handeln, als sie die aus den Zeiten der Aufstände ihnen vertrauten Methoden der Terrorisierung und blutigen Miß­handlung aufnahmen? Aufgereizt durch die öffentliche Propaganda einer Anti­

deutschen Woche" haben sie alles getau, um durch Ein­schüchterung, Bedrohung und Mißhandlung die Minderheit bei der. Wahl zu beeinflussen. Dabei verfolgten sie die Taktik des gegen seitigen Austausches in den verschiedensten Ortschaften, um bei ihren Ausschreitungen unerkannt zu bleiben. Hiermit er flärt es sich auch, daß nach den Mitteilungen der polnischen Regierung in zahllosen Fällen die Täter, die orts fremd waren, und die den Schauplatz nach vollbrachter Tat wieder verließen, nicht festgestellt werden konnten.

Berufene Vertreter der Minderheiten sind mehrfach von Polen  der Illoyalität beschuldigt worden, so ulig, der schließlich frei­

Der Raubmord im Kino

Noch feine Spur des Täters- Niemand hat ihn gesehen

Die Suche nach dem Mörder, der gestern in später| Eindringling schoß fofort, und die Kugel traf, wie später fest­Abendstunde den Geschäftsführer Schmoller im gestellt wurde, ungefähr 10 3entimeter unterhalb des Mercedespalast zu Neukölln erschos und mit Kehlkopfes Schmoller in die Brust. Er muß lautlos vornüber­geraubtem Gelde etwa 1000 Mark flüchtete, ist bis: gesunken und verblutet sein. her ergebnislos geblieben.

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Nach Beginn der zweiten Vorstellung am gestrigen Abend, als feine weiteren Besucher mehr zu erwarten waren, schickten sich die Kassiererinnen an, die Abrechnung fertig zu stellen. Sie ordneten die Einnahmen nach Geldsorten auf einem Zahlbrett und brachten die Summen in das Geschäftszimmer zu Schmoller. Der Ge ſchäftsführer- nahm das Geld in Empfang. Er verglich den Eingang mit den Abschnitten der Eintrittskarten und entließ, als die Richtigkeit festgestellt war, die beiden Kassiererinnen. Etwa 10 Minuten später erschien die Programmverkäuferin, eine Frau Rattke, um ebenfalls ihre Abrechnung vorzulegen. Als sie das Zimmer betrat, sah sie den Geschäftsführer mit dem Kopf auf dem Schreibtisch regungslos dafißen. Die Frau schrie laut auf und rief das Personal zusammen. Ein Arzt, der herbeigeholt wurde, stellte den Tod fest. Auf den Zahlbrettern waren die Stapel Silber­geld wild durcheinander geworfen, die Geldscheine fehlten. Das deutete auf ein Verbrechen hin und gab Veranlassung, die Mord­tommiffion zu alarmieren. Nach den Feststellungen der Kriminal­polizei muß sich die Tat in wenigen Minuten abgespielt haben. Schmoller war ohne Zweifel gerade mit der Kassenabrechnung be­schäftigt, als sich halb hinter ihm die Tür des Zimmers abermals öffnete. Im Sigen muß sich Schmoller umgewandt haben. Der

Ludendorffs Goldrausch

PLEITED

LUDENDORFA

FLOPAT

Er jagte Phantomen nach- wie im Weltfrieg!

Der Mörder raffte das Papiergeld von den Zahlbrettern zu­fammen und nahm aus einem Trefor, der nicht verschlossen war, einen Beutel mit 600 Mart. Insgesamt fann er etwa 875 Mark erbeutet haben.

Während der ganzen Zeit muß der Mörder ständig auf der Lauer gewesen sein, ob noch jemand das Zimmer betreten würde. Er kann seine Waffe nicht aus der Hand gelegt haben. Wie er vor Furcht, überrascht zu werden, zitterte, geht daraus hervor, daß sich aus seiner Pistole noch ein zweiter Schuß unversehens gelöst haben muß. Diese Kugel durchschlug die Holztür und blieb an der Außen­seite der mit Eisen beschlagenen Tür stecken. Dieser Umstand beweist ferner, daß der Täter beide Türen hinter sich ins Schloß gezogen hatte und daß somit das Geschäftszimmer schalldicht abgeschlossen war. Im Theater hat auch niemand die Schüsse fallen hören. Nach dem Geschoß ist festgestellt, daß der Mörder eine 6,35- Millimeter­Pistole besaß. Mit dem Gelde und der Waffe hat er sich unbe merkt aus dem Theater entfernt.

Die Vernehmungen der Angestellten des Theaters durch die Mordkommission dauerten die Nacht hindurch an. Ob der Täter von jemand gesehen worden ist, steht noch nicht einwandfrei fest, denn die Bluttat hat sich innerhalb weniger Minuten zugetragen. Es ist nicht anzunehmen, daß der Täter das Theater durch den großen Ausgang verlassen hat. Es scheint vielmehr, daß er einen der nach dem Hofe führenden Notausgänge benutzte. Daß er über­haupt das Geschäftszimmer fand, das nur durch einen komplizierten Weg zu erreichen ist, läßt vermuten daß der Mann die Dertlichkeit von früher her fannte. Von Zeugen sind eine ganze Anzahl Verdächtigungen geäußert worden, denen genau nach­gegangen wird.

Der weiße Tod

Die sieben Polizeibeamten als Leichen geborgen.. München  , 21. Januar.

Die verschütteten sieben Landespolizisten von der Benediktenwand sind nach angestrengtester Tätigkeit heute früh gegen 5 Uhr als Leichen geborgen worden. Die Rettungsexpeditionen von Tölz  , Penzberg  , Lenggries  , Benediktbeuren und München  , insgesamt 180 Mann, standen unter der Leitung des geretteten Oberleutnants Remold und des Oberleutnants v. Hengel der Lan­despolizei München  . Ein Teil der Helfer ist bereits von der Unglücksstelle abgezogen. Der schwerverletzte Landes­bolizist, dessen Name noch nicht bekannt ist, wird im Laufe des heutigen Vormittags nach Benediktbeuren ins Krankenhaus gebracht werden, die sieben Todesopfer des Unglücks nach Lenggries  . Die Leichen wiesen äußerlich kaum eine Verlegung auf. Nur bei einem der Ver­unglückten wurde ein Beinbruch festgestellt. So tit wohl anzunehmen, daß die Verunglückten in den Schnee massen er stickt sind.