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BERLIN Mittwoch 28. Januar

1931

Der Abend

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B 23 48. Jahrgang

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Strafmündigkeit heraufgesetzt

Sozialdemokratischer Erfolg im Rechtsausschuß

Der Strafgefehausschuß des Reichstages beschäftigte sich init der Festsegung des Strafmündigteitsalters. Gegenüber dem Gefehentwurf, der vorschreibt, daß Jugendliche vom 14. Lebensjahre ab wegen einer strafbaren Handlung bestraft werden fönnen, beantragten bie Sozialbemotraten bie Herauffezung auf 16 Jahre. Den gleichen Antrag haben die Kommunisten gestellt, während die Nationalsozialiste n beantragt haben, das Strafmündigkeitsalter auf 15 Jahre au

bestimmen.

Der sozialdemokratische Antrag wurde von Abg. Frau fülf begründet.

Abg. Schwarz( Natsps.) erklärt, daß seine Freunde in erster Linie für den sozialdemokratischen Antrag auf Herauffezung des Strafmündigkeitsalters auf 16 Jahre und iwr für den Fall der Ablehnung des Antrages auf 15 Jahre stimmen

würden.

Der Antrag der Sozialdemokraten, das Mindestalter von 14 auf 16 Jahre zu erhöhen, wurde mit 14 gegen 11 Stimmen angenommen. Dafür stimmten Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalsozialisten.

Franzen Jünglinge.

Die Prügelgarden des Kultus" Minifters.

Braunschweig , 28. Jamuar.( Eigenbericht.)

Su einer schweren Saalschlacht fam es am Dienstagabend in Helmstedt . Als im Verlauf einer Naziversammlung der Reichs­tagsabgeordnete Filusch in nicht wiederzugebender Weise sozialdemo: fratische Führer beschimpfte, antworteten die erschienenen sozial demokratischen Arbeiter mit dem Zwischenruf: Lügner". Die Polizei enifernte darauf mit Gummitnüppeln die Zwischenrufer. Das war für die aus Braunschweig herbeigeeilten SA.- Leute das Signal, mit Stuhlbeinen, Gummifnüppeln und Tot schlägern über die Arbeiter und ihre Frauen herzufallen und fie blutig zu schlagen. Selbst Kriegsbeschädigte wurden verletzt. Allein bei zwanzig Bersammlungsteilnehmern stellten die Aerzte fchwere Kopfverlegungen fest. Nachdem die Arbeiter hinausgeprügelt waren, stieg ein Sturmtruppführer auf den Tisch und rief: Es lebe das Dritte Reich!"

Im Braunschweigischen Landtag richtete der Abgeordnete Bolter an den Innen- und Kultusminister Franzen die Frage, ob er die Handgranatenwurfübungen höherer Schüler unter Leitung des Turnlehrers Niemeyer in Helmstedt billige oder nicht. Dieselbe Angelegenheit bildete den Gegenstand einer Anfrage in der Helmstedter Stadtverordnetenversammlung. Der Bürger­meister und die reaktionäre Ratsmehrheit verweigerte eine Auskunft. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Borlegung eines Berichts wurde abgelehnt.

Erdstöße in Oberschlesien . Bevölkerung äußerst beunruhigt. Hindenburg , 28. Januar.

Am Dienstagvormiffag wurde in Hindenburg ein starter Erdstoß wahrgenommen, der stellenweise sogar so start war, daß die Leute erregt ins Freie stürzten. Die Annahme, daß auf der Concordia- Grube eine Strede zu Bruch gegangen sei, erwies fich bei einer sofort vorgenommenen Befahrung als irrig. Auch in den Bororfen von Hindenburg und auf den in der Nachbarschaft liegenden Gruben wurde die Erschütterung wahrgenommen. Nach einer weiteren Meldung wurde am Dienstag auch in katto wit ein Erdstoß verspürt.

Indisches Blutvergießen.

Zusammenstöße im Landesinnern.

2ondon, 28. Januar. Bei einer Protestkundgebung gegen die Berhaftung mehrerer nationalistischer Führer in Bagusarai im Staate Orissa , an der rund 10 000 Menschen teil­nahmen, fam es zu Zusammenstößen. Fünf Personen murden durch Schüsse der Polizei getötet; zwölf Personen wurden verwundet. Drei Polizeioffiziere und jech Polizisten erlitten ebenfalls Verlegungen.

Der Mord an dem Uhrmacher

Die Sechzehnjährige als Anstifterin vor Gericht

Vor dem Landgericht III begann heute unter Borsitz des Land-| jährigen eine goldene Uhr und versprach ihrem Bräutigam, falls er gerichtsdirektors Schmitz der Prozeß gegen die 16jährige£ uise in Rot sein sollte, mit Geld auszuhelfen. Tatsächlich erhielt Stolpe Neumann, den 22jährigen Kutscher Richard Stolpe und von dem Uhrmacher einmal 20 M. Ende Oktober v. J. befanden den 21jährigen Schlosser Erich Benziger. Die Anflage auf sich Stolpe und Lieschen Neumann in Geldverlegenheit. Sie fonnten Raubmord vertritt Staatsanwaltschaftsrat Herf. Den An- fich nicht entschließen, Ulbrich wieder um Geld anzugehen. Am getlagten stehen zur Seite die Rechtsanwälte Justizrat Dr. David 26. Ottober faßten sie den Plan, ihn zu berauben. Ilm sicher zu fohn, Dr. Sidney Mendel und Dr. Reiwaldt. Als psychiatrische gehen, sollte der Uhrmacher vorher erwürgt werden. Stolpe machte Sachverständige find anwesend: Prof. Kramer, Medizinalrat jeinem Freund Benziger den Vorschlag, sich an dem Unternehmen Dr. Ceppmann, Privatdozent Dr. Kronfeld, Dr. Groß und Dr. Abra­ham, Prof. Fränkel und Medizinalrat Dr. Dyrenfurth als gericht­lich- medizinische Sachverständige.

Der sensationelle Kriminalfall ist noch in aller Erinnerung. Der Uhrmacher 11brich war im Privatleben Attphotograph und großer Damenfreund. In dieser seiner Nebenbeschäftigung lag das Rätsel des Verbrechens, dem er zum Opfer gefallen; seine Attphoto­graphien gaben auch der Kriminalpolizei den Schlüssel zur Ueber­führung der Täter. Am 29. Oftober v. 3. fand man Ulbrich, nur mit dem Hemd bekleidet, mit dem Gesicht nach unten, tot auf feinem Bett liegen. Seine Füße ruhten auf dem Kopftissen. Die Kopfhaut zeigte geringe Hautabschürfungen, der Hals Merkmale der Erdrosselung. Geld, Uhren und einige Goldsachen fehlten.

Es fonnte fein Zweifel sein: es lag Raubmord vor. Bei der Sichtung der Aftphotographien stieß man auch auf eine Nackt­aufnahme der 16jährigen Luise Neumann. Sie bestritt, mit der Tat etwas zu tun zu haben, wurde aber schließlich ge ständig und bezeichnete ihren Freund, den Kutscher Stolpe, als den Täter. Als Mittäter nannte sie den Schlosser Benziger . Am 6. November wurden beide jungen Leute in Pommern verhaftet. Sie leugneten feinen Augenblic; ihre Aussagen stimmten mit denjenigen Luise Neumanns überein, es ergaben sich folgende Zusammenhänge: Ulbrich hate das 16jährige Lieschen durch eine befreundete Frau tennengelernt und fie photographiert. Als ihr Bräutigam Stolpe das erfuhr, stellte er Ulbrich im Sommer vorigen Jahres zur Rede. Um den Eifersüchtigen zu beschwichtigen, schenkte er der Sechzehn

Der Mond ist schuld!

Den Mißerfolg beim ersten Bersuch in der Münze glaubt der Zeuge auf den abnehmen­den Mond zurückführen zu müffen.

Aus dem Goldmacherprozeß Tansend.

Er lacht schon wieder

über wen nur?!"

13 Alpenjäger verschüttet.

Schweres Lawinenunglüd in den italienischen Alpen. Paris , 28. Januar.

Von einem schweren Verlust wurde eine Kompagnie italienischer Alpenjäger betroffen, die zu einer ebung von Bardeneche aus in die Alpen aufge­stiegen war.

Als die zurückgebliebenen Truppen ohne Nachricht über den Ber­bleib ihrer Kameraden waren, schickten sie eine Hilfskolonne von 12 Mann unter Führung eines Hauptmanns aus. In einer Höhe von über 2000 Meter wurden die Hilfstruppen von einer schweren Camine überrascht und verschüttet. Neue Hilfstruppen erreichten die Unglücksstelle, und es gelang ihnen, den Hauptmann und zwei Soldaten als Leichen zu bergen. Bis zu den übrigen unter den Schneemassen begrabenen Soldaten vorzu­dringen, war noch nicht möglich. Die ursprünglich vermißte Kom­pagnie Alpenjäger ist am Dienstag vollkommen ermattet wieder in Bardeneche eingetroffen. Der Kompagnieführer erklärte, daß ihnen ungeheute Schneemaffen den Rückzug versperrt hätten, und daß sie, ohne es zu wissen, auf franzöfifches Gebiet über­getreten feien, wo sie das Ende der Schneestürme abgewartet hätten, um alsdann die Rückkehr anzutreten. Franzöfifcherseits wurde eben­falls eine Hilfsfolonne ausgesandt, die jedoch nicht mehr einzugreifen brauchte.

Der als Bardeneche bezeichnete Ort ist wahrscheinlich Bardon= ecchia im Norden der Cottnischen Alpen unweit des Monte Tabor, etwa 80 Kilometer westlich von Turin .

zu beteiligen. Am 27. Oktober verabredete Lieschen Neumann mit Ulbrich, ihm am nächsten Tage abends zu besuchen. Die beiden Burschen sollten draußen warten und auf das verabredete Zeichen in den Laden kommen, dessen Tür Lieschen öffnen wollte. Es geschah wie verabredet. Im Laden selbst waren alle drei einen Augenblick nahe daran, von dem Vorhaben zurückzutreten. Das Berbrechen geschah aber schließlich doch so, wie es vorher beabsichtigt war; der Uhrmacher wurde getötet.

Die Angeklagten.

Als erste wird Luise Neumann in den Gerichtsjaal ge führt. Sie nimmt auf der Anklagebant den letzten Platz ein. Ein hübsches Mädchengesicht, mit leicht aufgeworfenen Lippen, großen. sprechenden Augen und blondem Bubikopf. Sie weint, einen Augenblid später lächeit sie ihrem Verteidiger, Justizrat Davidsohn, zu. Als zweiter erscheint Erich Benziger: ein Jungengesicht, mit einem Schopf, verquollenen Augen, geistig anscheinend unter­entwickelt. Als dritter betritt Richard Stolpe schluchzend die Anklagebant. Platte Nase, breiter Mund, viel zu kleine, schief­liegende Augen, hohe Stirn, asymetrisches Geficht. Er beruhigt fich sehr schnell und blidt vorsichtig um sich.

Als erster wird Benziger vernommen. Er spricht fließend, ruhig, höflich. Auf die Fragen des Borsigenden stodt er fein ein­ziges Mal. Er erzählt: Ich traf Richard auf der Straße. Er fagte: Komm zu mir rum. Ich tam zu ihm. Er erzählte mir: Lieschen tennt den Uhrmacher Ulbrich. Der hat viel Geld. Wir fönnen es nehmen. Den Uhrmacher schaffen wir beiseite. Ich er­mürge ihn. Ich antwortete darauf: Ich will mit der Polizei nichts 31 tun haben. Ich lasse meine Finger meg. In diesem Augen­blid tam Lieschen zur Tür herein. Richard fagte: Gud mal, der hat Nerven. Lieschen meinte: Du hast Angst? Hab schon ganz