r. 53-45. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts
28h
Sonntag, 1. Februar 1931
Rekordkühe und goldene Eier.
Was Land und Stadt erzeugen und verbrauchen/ Riesenschau in den Messehallen
Die Sechste ,, Grüne Woche " in den Messehallen der Stadt Berlin begann mit einem weißen Tag. Als die letzten Hammerschläge Derhallten, als Reichsernährungsminister Schiele an das mit einem schwarzrotgoldenen Banner geschmückte Rednerpult trat, als die Jupiterlampen grell aufleuchteten und in das Dröhnen der Lautsprecher leise das Surren der Tonfilmkameras hineinklang, hatte Berlin über Nacht ein weißes, meiches Gewand angelegt. Am Eröffnungstage der größten Lehrschau der deutschen Landwirtschaft roar auch der Winter in die Stadt gekommen. Wenn der Winter jener alte Mann wäre, dann müßte er weinen. Ueber das junge Kind der Technik, die in sein kaltes Reich eingedrungen ist und die Sonne strahlen läßt, wann sie will. Wir schreiben den ersten Februartag und am Kaiserdamm spazieren munter und fidel dotter gelbe Küken umher, ihre Stiefmutter ist die Elektrizität. Oder es stehen Asphaltkühe da, die nie auf einer richtigen Wiese geweidet haben. Das brauchen sie auch nicht, denn ihr Futter kommt aus den riesigen, haushohen Einreckgläsern des modernen Landwirts, den Futtersilos; im Januar so frisch wie im Juni. Nicht einmal Freund Adebar ist mehr nach dem Süden gezogen, sondern er stolziert behäbig um einen kleinen Teich herum, wo er als anständiger junger Mann während der Ausstellungszeit seinem Wärter aus dem Zoo nur in den Finger beißt. Armer Winter, roo im Februar am Kaiserdamm draußen die Störche klappern!
Therese von Bedbura- Hau.
Gleich hinter dem Ehrenhof steht ein Kuhstall, ebenso einfach mie praktisch, mit lebendigen Kühen, Ochsen und Bullen, die eine Augenweide sind. Gewissermaßen rationalisiertes Rindvich. Mit Geburtsschein, Speisekarte und Führungszeugnis. Einer von den Bullen ist heute genau anderthalb Jahre alt, 203 Tage lang wird er gemästet und an jedem Tag muß er 1,059 Gramm
LANDWIRTSCHAFTLICHE MATCHING
Ehrenhof mit dem sogenannten 20 Milliarden- Modell zunehmen. Seine tägliche Speisekarte sieht folgendermaßen aus: 20 Kilogramm Silofutter, 4 Kilogramm Kartoffeln, 1,5 Kilogramm Heu, 1,1 Kilogramm Delkuchen, dazu ein wenig Getreideschrot, etwas Schnitzel und je eine Prise Salz und Kreide. Wenn er 481 Kilogramm miegen wird, dann wandert er in die Bratenschüssel. Kein Fett mehr heißt es heute, sondern junges ferniges Fleisch; Zweizentnerschweine verlangt der Markt, das kümmert aber die Schweine von nebenan nur menig, die haben sich in einer Reihe am hellichten Tage langgelegt und schnarchen den Ausstellungsbesuchern etwas vor. Die Weltrekordkuh Therese aus Bedburg- Hau , Kreis Cleve am Niederrhein hat einen Brief geschrieben und läßt schön grüßen. Dieses buntschwarze Tieflandrind ist eine in der ganzen Welt unerreichte Spigenleistung deutscher Edelviehzucht. Neun Jahre ist sie jetzt aft, hat sechsmal getalbt und ihre Höchstleistung an Milch während eines Jahren waren 16 461 kilo Milch mit 562 kilo Felt, das heißt: jeden Tag hat fie 45 Kilo Milch gegeben! Ihr Futteraufwand im Jahre 1929 betrug 1152 Mark, der Erlös für ihre Milch aber 2462 Mart, ein Nuzwert von etwa 115 Proz. des Futteraufwandes. Eindringlich wird es dem Landwirt gesagt: die deutschen Kühe mit einer Durchschnittsleistung von jährlich mur 2200 Litern Milch fönnen nicht rentabel sein, eine Kuh, die nur Mistfabrik ist, fann feinen Gewinn abmersen. Deshalb gebt euren Kühen Kraftfutter! Dann sind Diagramme, Plastiken, Tabellen und Modelle da, wie jener große Tilsiter Käse, den jeder Besucher zerschneiden fann, dann hat er die Herkunftsländer der deutschen Käseeinfuhr in der Hand. Oder unaufhörlich gießen drei kannen Milch in ein Glas, eine große, eine kleine und eine ganz winzige Kanne. Die große Kanne, das sind die 21 Milliarden Liter jährlicher Inlandserzeugung an Milch, die kleine Kanne gießt die 5 Mil liarden Liter Auslandsmilch in den deutschen Volkstopf und die britte winzige Kanne, was soll die bedeuten? Sie lehrt uns, daß in Deutschland jährlich noch 1 Milliarde Liter Ziegenmilch produziert werden. Ja, man fann viel lernen am Kaiserdamm. Zum Beispiel, daß die Berliner die Milch nicht sonderlich zu lieben scheinen. Sie verzehren mur 0,26 Liter pro Kopf und Tag, die Münchener schon 0,36 und auffälligerweise die Ruhrleute in Effen gar 0,41 Liter. Aber was ist das alles gegen die Schweizer , in Basel trintt jeder Einwohner 0,65 Liter pro Tag, in Stockholm 0,60 und selbst die Wiener noch 0,48 Liter. Und mit unserem Fleischverbrauch müssen wir uns geradezu nerstecken, uur 51 kilogramm tommen jährlich auf
Ina s
Solange Vorrat
Sämtliche Sorten noch
jeden Deutschen . Da vertilgen die Argentinier dreimal so viel( 155 Kilogramm), man bedenke, das ist fast ein Pfund Fleisch pro Tag und Kopf. Wenn man davon noch die armen Leute abrechne, die genügsamen süd- und osteuropäischen Wanderarbeiter in Argentinien , wie groß müssen wohl die Fleischtöpfe gewiffer Argentinier sein! Dann tommt eine ganze Beile gar nichts, dann die Yankees mit 64 Kilogramm jährlichem Fleischverbrauch, die Engländer mit 59, auch die Franzosen essen noch mehr Fleisch als mir( 53 Kilogramm) und am Ende der Tabelle steht ein Spanier, der ist nur 17 Kilo Fleisch im Jahr. Aber wir fönnen uns trösten, Deutschland hält den Reford im Berzehr von Schweinefleisch.
Die Henne mit den goldenen Eiern. „ Riferiti" macht der Hahn in Halle III der Lehrschau„ Geflügelzucht und begrüßt die staunenden Besucher. Dieser Hahn, das ist ein Luxushahn und wer ihn haben will, muß 150 Mart aufs Breff zahlen. Er hat noch ein paar Kollegen da, die sind schon für 125 Mart zu haben und die Hennen, die sind beinahe billig, die fosten nur" 80 M. Was dann die Eier fofien, fragt jemand? 10 M. das Stüd und wer gleich 15 Stück nehmen will, bekommt 25 M. Rabatt, braucht also mir 125 M. bezahlen. Das wäre Schwindel? Aber mir reden doch von erstklassigſtem Zuchtmaterio! und die Zehnmark- Eier, das sind allerfeinste, feuchenfreie Bruteier. Gut haben es die Hühner heute. Die kleinen Küken, die gar nicht wissen, was sie zuerst machen sollen, Trinken oder Fressen, vermissen die Mutter nicht weiter, sie sitzen genau so warm unter der elektrisch geheizten Schirmglucke, nachdem sie im Brutapparat das Licht der Welt erblicken. Ein phänomencler Siegeszug der Technif über die Natur. Früher brütete eine Senne im Höchstfall 13. bis 16 Eier aus, heute ein elektrischer Riesenbrüter 8000 bis 10 300 Eier. Wenn die Küken erst groß sind und Eier legen, erwartet sie ein schöner Stall mit lichten Fenstern, durch die die Sonne scheinen kann. Und im Winter wird schon um 4 Uhr morgens im Stall das Licht angeknipst, damit unsere hochnoblen, modernen Hühner besser sehen fönnen. Dafür ist das Federvieh sehr dankbar und legt auch im Januar fleißig seine Eier. Damit sich jeder satt fehen kann, sind in der Halle VIII nicht weniger als 5000 solcher Hennen ausgestellt, die goldene Eier legen. Diese Eier wandern in sinnreiche Sortiermaschinen, die in einer einzigen Stunde 8000 Cier flaffifizieren, abwiegen und stempeln, rot. blau und grün. In einer Ede hocken die Reisenden unter dem Federvieh, unsere Brieftauben. Jede dieser Tauben ist im Vorjahre 200 bis 1200 Kilometer weit von ihrem Heimatschlag in die Welt geflogen und ihre Züchter machen darauf aufmerkjam, daß ihr Sport jährlich 19 Millionen Mark umsetzt: 8 Millionen bekommt die Landwirtschaft für das Futtergetreide; 9,5 Millionen die Industrie für Käfige und sonstige Utensilien und 1,5 Millionen Mark die Deutsche Reichsbahn für 64.000 den Transport der Tiere. Züchter besitzen anderthalb Millionen Brieftauben.
Dann nehmen wir ein Vergrößerungsglas und betrachten eine Glasröhre. Da ist erstmal Wasser drin, einige Pflanzen auch und an den Pflanzen sitzen fleine Knollen. Das ist Karpfenlaich, aus dem nach fleine Karpfen wenigen Tagen kleine frauchen.
Die sind fnapp halb fo lang wie eine Stecknadel, wie ein dünner Spritzer Drangenmarmelade sehen sie aus, aber mit zwei schwarzen Glogaugen, did mie Stednadelköpfe. Das dauert einen Sommer, dann sind schon fleine zehn Zentimeter lange Karpfen heron
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gewachsen, aber noch haben die Fische Zeit, sie wandern vorläufig Das geht in ihre Ueberwinterungsteiche, wo sie zu Tausenden friedlich und unbeweglich nebeneinander ihren Winterschlaf halten. drei, vier Jahre hindurch so, bis sie als die beliebten Dreipfünder in die Küche wandern und schließlich als Berliner Karpfen in Weißbier, als ungarischer Paprifatarpfen, als tschechischer marinierter Karpfen oder sonst etwas auf den Tisch kommen. Wer das genauer wissen will: vom Karpfenlaich bis zum Kochrezept, alles auf der Grünen Woche am Kaiserdamm.
Beinahe wären wir achtlos an den Kartoffeln vorübergegangen. Wer das Geheimnis des Borkeimfellers begriffen hai, dem wird der ständig sinkende Anteil des Auslandes an der deutschen Kartoffelversorgung leicht flar. In der Kartoffelabteilung hat man selbst den Geschmack der Berliner statistisch eingefangen: vor dem Kriege aßen die Berliner 30 Proz. weiße Kartoffeln und nur 20 Broz. gelbe, heute aber nur noch 10 Proz. weiße und 50 Proz. gelbe. Ein deutlicher Wink für den Landwirt, in welcher Richtung sich der Kartoffelanbau zu bewegen hat.
Ein Jäger aus Kurpfalz.
Durch die Halle VI mit der großen Naturschuh- Ausstellung geht es zu den Jägern. Nun ja, da find also Geweihe, das eine größer, das andere kleiner, tausend werden kaum reichen. Die Jagdausstellung der vorlegten Grünen Woche war eine Publikumsschau, die diesjährige bildet mehr eine Trophäenschau aus den verschiedenen Jagdgebieten Deutschlands , die vor allem das Herz des Fachmanns erfreuen wird. Aber auch hier Gegenüberstellungen von Faisch und Richtig", wie in allen anderen Teilen der Ausstellung. ein Heger, Lein Jäger heißt es heute, nicht fumlofes Ahnallen, mas gerade nor die Büchle tommt, jondern auch Pflege des Wildstandes mit guten, fräftigen Tieren Wer aus der Geheimsprache der Jäger flug wird: da ist ein Achtergeweih vom zweiten Kop eines dreijährigen Hirsches, der wurde zu früh geschossen, weil bei ihm die rechte Augensprosse noch nicht wieder nach unten gebogen mar. Bemerkenswert ist der Berufsstand der deutschen . Jäger: die Kaufleute kommen mit 11 Proz. erst an drifter Stelle, 30 Proz. uller Jäger find Beamte, allerdings wohl kaum Briefträger, an zweiter Stelle stehen die Landwirte mit 25 Proz. Am meisten müssen in jedem Jahre die Hasen daran glauben, drei und eine halbe Million trifft das Pijf- Paff, ebenjo 800 000 Feldhühner, 380 000 Enten,
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