Nr. 53 48. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 1. Februar 1931
Politische Warenpreise überall.
Gibt es noch eine freie Preisbildung?- Politischer Kartellpreis und Sozialisierung.
überzugehen.
Eine andere und außerordentlich bedeutsame Entwicklung ist die staatliche Beeinflussung der landwirtschaftlichen
Preise.
Ais eine besonders unzulässige und schädliche Form der staat| wird immer größer, daß sogar England, dieses klassische Land| lismus und des Kapitalismus überhaupt durch sozialistische lichen Einmischung wird von den Anhängern der wirtschaftlichen des Freihandels, fich gezwungen sehen wird, zur Schutzzollpolitit Organisation der Wirtschaft erstreben. Freiheit die direkte Beeinflussung der Preisbildung durch den Staat angesprochen. Diese Auffassung fann aber ehrlich nur von den Anhängern des unbedingten Freihandels zwischen den Bölfern vertreten werden, da ja jede Zollpolitik schon eine direkte Beeinflussung der Breisbildung barstellt. Die Schwer. industriellen z. B., die den Schutz hoher Zölle genießen und die sich trotzdem den liberalen Protesten gegen die staatliche Einmischung auf dem Gebiete der Preisbildung anschließen, sind nur gegen alle Versuche, die Preise nach unten zu drücken, nicht aber gegen die Maßnahmen, die ihnen ihre Preise hochzuhalten erlauben.
Der durch staatliche Politit beeinflußte Preis ist keine Erscheinung der neueren Zeit,
er besteht mindestens so lange, wie die Zollpolitik existiert, besonders die Politik der Schutzölle. Diese Politif beeinflußt politisch die Preisbildung durch das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, indem sie durch politische, nämlich zoll= politische Maßnahmen den Preis der vom Ausland angebotenen Waren um die Höhe der Zölle verteuert. Wir haben es hier mit einer sehr wirksamen und sehr starten Beeinflussung wirtschaftlicher Borgänge durch den Staat zu tun, namentlich da die Zollpolitik die Bildung der monopolistischen tapitalistischen Organisationen mit ihren aus der Beherrschung des inländischen Marktes entstehenden Ertragewinnen ermöglicht und in starfem Maße gefördert hat.
Die deutsche Eisen- und Stahlindustrie stellt ein geradezu tlaffisches Beispiel dafür da. Die Zölle bedeuten in diesem Falle nicht nur den Schuh der heimischen Waren gegen die ausländische Konkurrenz, sondern ermöglichen durch die Ueberhöhung der inländischen Preise die Ausfuhr zu verbilligten Breifen. Wir wissen, daß die Preise für deutsche Eisen- und Stahlwaren in Deutschland selbst viel höher( vielfach um mehr als 50 Broz.) als ihre Ausfuhrpreise zu sein pflegen. Beide find ausgesprochen politische Preise.
Es ist schon das höchste Maß der Unehrlichkeit, wenn sich ausgerechnet aus den Reihen der deutschen Schwer industrie Proteste gegen die staatliche Preispolitik vernehmen laffen. Die Herrschaften verdanten doch ihre monopolistische Stellung auf dem deutschen Markt der staatlichen Preispolitit, die durch hohe 3ölle den Drud der ausländischen Konturrenz für sie unwirtjam
macht
Wenn mir die neue Entwidlung auf diesem Gebiet in einer Formel zusammenfassen, so handelt es sich dabei darum, daß mehrere Länder über die Zollmaßnahmen hinaus zu Stühungsaftionen für die Landwirtschaft übergegangen sind. Der politische Charakter der Preise findet in diesen Aktionen seinen traffesten Ausdruc.
Vor kurzem ist eine französische Regierung ge. stürzt worden wegen der Frage der festzuseßenden Preishöhe für Weizen. Auch in anderen Ländern ist das Problem der Preisftügung für die landwirtschaftlichen Produkte zu einer eminent politischen Frage geworden. Da uns hier die Entwicklungstendenzen vor allem in den hochkapitalistischen Ländern interessieren, werden wir uns mit den Stügungsaktionen in den Vereinigten Straten und in Deutschland noch beschäftigen müssen. Zunächst müssen wir cber die hier angeschnittene Entwicklung weiter verfolgen. Unter dem Schutz der Zölle haben sich monopolistische Organi fationen gebildet, die für ihre Preispolitik auf dem inländischen Markt eine weitgehende Unabhängigkeit von den Weltmarktpreisen genießen. Solche Organisationen, wie Kartelle oder fartellährliche Vereinbarungen ermöglichen ihrerseits eine volle Ausmuzung der Zölle. Deshalb ist es völlig richtig, alle unter den Schutz der Zölle stehenden gebundenen Preise politische Preise anzusehen. Der Uebergang vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum organisierten Rapitalismus bedeutet deshalb zugleich, daß die rein ökonomisch stimmten Preise in startem Maße durch die poli tischen Preise verdrängt werden.
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Gegenwärtig ist das Problem der politischen Preisbildung des halb außerordentlich atut geworden, weil in verschiedenen Ländern festgestellt wird, daß die während der Krise notwendige Anpassung der Preise nur mit auffallenden Hemmungen und Störungen zustandekommt. Gebundene Preise blieben meit längere Zeit stabil, nachdem sich der Preissturz für Rohstoffe schon vollzogen hatte, und find immer noch namentlich in Deutschland nicht in genügendem Maße gesunken. Nicht mur in Deutschland allein werden traffe Mißverhältnisse in der Entwicklung der Preise in verschiedenen Warengruppen festgestellt, wofür feine wirtschaftlichen Gründe v.handen sind.
Die überhöhten Preise sind, wie wir gesehen haben, politische Preise. Daher wird der Staat allmählich vor die Wahl gestellt: entweder überhaupt auf die Beeinflussung der Preise zu verzichten, d. h. also vor allem alle Zölle aufzuheben, oder aber nicht einseitig durch die Zölle und Stühungsaktionen die Entwicklung der Preise nur nach oben zu fördern, sondern auch unter Umftänden den Zwang zur Ermäßigung der Preise auszuüben.
Es ist aber vorauszusehen, daß vereinzelte Preisabban attionen feinen großen wirtschaftlichen Erfolg zeitigen werden, namentlich wenn sie von den kapitalistisch start beeinflußten Regierungen unternommen werden.
Der Fall der deutschen Eisen- und Stahlindustrie ist in dieser Hinsicht wiederum sehr bezeichnend. Bir sehen hier Kapitalisten, die nicht nur auf Grund ihrer durch den Staat geförderten monopolistischen Stellung die Preise im Wider ! pruch zu den Interessen der gesamten Wirtschaft bestimmen, sondern auch die vorhandene außerordentlich schwierige Wirt beschaftslage für ihre Katastrophenpolttit ausnuten wollen, was ihnen sogar der Reichskanzler Brüning in seiner Kölner Rede bescheinigen mußte. Kann sich der Staat, fogar fo wie er jegt ist, diefem Treiben gegen über passiv verhalten?
Aus dieser Feststellung allein- also abgesehen von verschiedenen anderen Faftoren, die in der gleichen Richtung wirken ergibt sich schon die Schlußfolgerung, daß die Durchsehung des Frei handels und die Abschaffung der politischen Preise mur dann möglich würde, wenn man die Mittel findet, die kapitalistische Entwidlung von einigen Jahrzehnten rüdgängig zu machen und den Zustand des jungen Kapitalismus wieder herzustellen. Das erscheint aber nicht nur als eine hoffnungslose Utopie, sondern fönnte für uns unter feinen Umständen ein erstrebenswertes Ziel sein, da mir feine Wiederholung der fapitalistischen Entwicklung von Anfang an, sondern die Ueberwindung des organisierten Rapita
Die Wirksamkeit der Zollpolitik findet aber in zwei Richtungen ihre Grenzen. Erstens erweist sich die Politik der hohen Zölle als eine Schraube ohne Ende. Die Erhöhung der Zölle in einem Lande, die die Einfuhr in dieses Land hemmt und die Ausfuhr aus diesem Lande fördert, bewirtt Gegenmaßnahmen in anderen ändern, die fid) ebenfalls gegen die verstärkte Konkurrenz schützen und ihre Ausfuhr fördern wollen. Infolgedessen Biel ernster, als die geringe Arbeitslosigkeit erkennen läßt.
stellt sich heraus, daß die vorgenommenen Zollerhöhungen nicht genügten, dann werden neue gefordert und sehr häufig durchgesetzt, ip daß sich der Ablauf der Dinge noch einmal wiederholt und zur Schraube ohne Ende wird.
3meitens find die 3ölle nur gegen die Unterbietung der Preise durch die ausländische Konkurrenz wirksam, nicht aber gegen den Druck auf die Preise, der infolge des Ueberschusses auf dem inländischen Markt entsteht, falls nicht dieser Ueberschuß zu günstigen Preisen nach dem Ausland abgesetzt werden kann. Die rentable Ausfuhr wird aber häufig durch den Preisstand für die betreffenden Waren auf dem Weltmarkt und durch die Zölle in underen Ländern unmöglich gemacht. Eine solche Entwicklung entwertet namentlich den Zollschutz für die landwirtschaftlichen Produfte, deren Menge nicht nur durch die Dispofitionen der Produzenten, sondern auch durch den Ausfall der Ernte bestimmt wird, und deren Erzeugung nicht zu jedem Zeitpunkt durch ihre Einschränkung oder Erweiterung an die vorhandene Nachfrage angepaßt werden tann. Aus diesen beiden Erfahrungen ergeben sich politische Bc strebungen von internationaler Bedeutung, die sich wiederum in zwei Richtungen entwickeln. Auf der einen Seite sehen wir die Versuche, durch internationale Berständigung der Zollschraube ein Ende zu machen, einen internationalen 3ollfrieden oder wenigstens Waffenstillstand herbeizuführen. Die Widerstände sind aber immer noch so start, daß diese Versuche bis jetzt ohne Erfolg geblieben sind.
Wir erleben international genau dasselbe. was bei der Besprechung der Zollfragen in jedem einzelnen Lande zu beobachten ist. Jeder ist bereit, die Notwendigkeit des allge meinen Bollabbaus anzuerkennen, wenn nur für seine Branche eine Ausnahme gemacht wird. Wie oft haben wir von den Bertretern einzelner Branchen gehört, daß sie zwar für eine allgemeine Ermäßigung der Zölle sind, daß aber für ihre Waren nicht nur feine Ermäßigung tragbar, sondern vielmehr eine neue Zollerhöhung untedingt notwendig fei. Genau so tritt jedes einzelne Land für einen allgemeinen Abbau der 3ollmauern ein, will selbst aber die hohen Zölle behalten, weil sie in diesem eigenen Falle ,, unbedingt notwendig" feien. Als Ergebnis bleibt alles beim wie das der frühere holländische Finan3 minister Collijn neulich in seiner Rede auf der europäischen Konferenz in Genf festgestellt hat. Im verflossenen Jahre haben um mir die bedeutendsten Beispiele zu nennen die Vereinigten Staaten einen neuen 30l. tarif mit vielen und sehr beträchtlichen Zollerhöhungen angenommen, und es hat sich in sehr vielen Ländern eine neue Welle der Zollerhöhungen für landwirtschaftliche Produkte verbreitet. Die Gefahr
aften,
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Nicht nur Sozialisten allein antworten auf diese Frage mit einem entschiedenen Nein. Dann aber sehe ich nicht ein, mit welchen Druckmitteln der deutsche Staat gegen die Eisen- und Stahlindustrie er sich nicht entschließt, zur mit Erfolg vorgehen kann, wenn gemeinwirtschaftlichen Regelung dieser Industrie zu schreiten. Und dieser Fall, in dem die Verstaatlichung eines Teiles der Wirtschaft vielleicht schon sehr bald auf der Tagesordnung stehen wird, zeigt uns, wie die allgemeine Entwidlungstendenz Georg Decker . gehen muß.
anfteigen lassen, mirb bie Fortbauer ber Rapitalflucht bezeichnet. Wenn die Kapitalflucht nicht noch fortdauern würde, aus neu hereinkommenden Auslandskrediten zur Befriedigung der hätte bas Devisenangebot aus dem erhöhten Ausfuhrüberschuß und normalen Devisennachfrage ausreichen müssen.
Der Landeswirtschaftsrat Frankreichs ver= öffentlicht einen ausführlichen Konjunkturbericht, in dem er zum ersten Male nähere Einzelheiten über die Kurzarbeit und Bilanz der amerikanischen Bankenfrise. ersten Male nähere Einzelheiten über die Kurzarbeit und den Auftragsrüdgang in den verschiedenen Industriezweigen sieht. Besonders die Export- und Lurusindustrien sind Wie aus New Yort getabelt wird, veröffentlicht das amerikadanach von der Krise schwer betroffen. Die Bergwerfe in Nordfrankreich feiern alle zwei Wochen einen Tag, die in Mittel- nische Bundesreserveamt einen Bericht über die in den und Südfrankreich dagegen einen Tag in der Woche. Die Erz- letzten Monaten des vergangenen Jahres in den Bereinigten Staagruben haben ihre Produktion um 30 Prog. vermindert. Die ten zum Ausbruch gekommene Bankenkrise. Danach war im Automobilindustrie hat 20 bis 25 Proz. ihres Personals Dezember ein Reford an Bankenzusammenbrüchen zu verentlassen. Die Seiden- und Kunstseidenindustrie hat ihre Bezeichnen. Nicht weniger als 328 Banken mußten im letzten Monat legschaft um 15 bis 30 Pro3. vermindert. Einige Werte haben ihre ihre Zahlungen einstellen gegen 236 im November. Die Ber= Belegschaft bis zu 40 Broz. entlassen. Die Wirt waren bindlichkeiten der im Dezember geschlossenen Banken waren Belegschaft bis zu 40 Proz. entlassen. industrie verzeichne einen Auftragsrüdgang von 35 bis 40 Pro3., mit insgesamt 407 Millionen Dollar nahezu doppelt so groß wie die die Lederindustrie habe ihre Produktion um 20 Broz., die Berpflichtungen der im Vormonat aufgelösten Institute. Die außer Schuhindustrie um 30 Broz., die Papierindustrie um ordentliche Höhe der Verbindlichkeiten ist auf die im Dezember er 15 bis 20 Proz., die Porzellan- und Glasindustrie um 30 Proz. folgte Schließung der Schalter der Bank of United States sowie vermindert. Die chemische und die Schiffbauinduſtrie feien von der mehrerer anderer größerer Banken zurückzuführen. Insgesamt haben im Jahre 1930, dem Federal Reserve Board zufolge, iu Krise verschont geblieben. Amerika 1326 Banten mit 904 millionen Dollar Ber bindlichkeiten ihre Schalter geschlossen gegenüber 642 Bankenzusammenbrüchen mit 234% Millionen Dollar Verbindlichkeiten im Vorjahre.
Die industrielle Produktion ist demnach in Frankreich außer Es tann teine Rede ordentlich start eingeschränkt worden. mehr davon sein, daß Frankreich von der Wirtschaftstrije Derschont fei. Die Krise ist nach diesen Ziffern vielmehr sehr beträchtlich. Weshalb das aus der Arbeitslosigkeit wenig erkennbar war, liegt daran, daß Frankreich die arbeitslos werdenden Ausländer nicht zählt, sondern sofort über die Grenze abschiebt. Die Zahl der ausländischen Arbeiter in Frankreich hatte aber nach amtlichen Feststellungen schon die Zahl von 2½ Millionen
erreicht.
Fortdauer der Kapitalflucht.
Sowjetrußlands Außenhandel.
Vereinigte Staaten sind der größte Lieferant.
Im Wirtschaftsjahr 1929/30( Oftober bis September) betrug der Gesamtumsas im russischen Außenhandel 2,07 gegen 1,71 Milliarden Rubel. Die russische Ausfuhr erhöhte sich von 0,87 auf 1,0 Milliarden und die Einfuhr von 0,83 auf 1,06 Milliarden Rubel
Das Institut für Konjunkturforschung spricht in Von welchem Erfolg die Bemühungen der Amerikaner zur seinem letzten Wochenbericht von den Ursachen, die zu den legten großen Devisenverlusten der Reichsbant geführt Eroberung des russischen Marktes begleitet waren, beweist die Tathaben. Seit dem 15. Dezember hat die Reichsbank für mehr als fache, daß die Vereinigten Staaten ihre Einfuhr im letzten Jahr von 350 Millionen ausländische Zahlungsmittel abgeben müssen. Das 153 auf 280,3 Millionen Rubel, also um 83,3 Pro3. steigern Institut bemerkt, daß der nach dem Jahresschluß regelmäßig auf- tonnten. Demgegenüber ist die deutsche Einfuhr nur von 188 auf tretende besondere Devisenbedarf in diesem Jahr von den tatsächlichen 234 Millionen Rubel, also um 24,4 Pro3. gestiegen. Die VerDevisenabziehungen bei der Reichsbank weitgehend übertroffen einigten Staaten von Amerifa haben damit zum erstenmal Deutschworden sei. Es erklärt diese Tatsache einmal aus dem besonders land bei der Einfuhr nach Sowjetrußland auf die zweite Interessant ist in diesem Zugroßen Umfang der Rüdziehungen und Rückzahlungen von Aus- Stelle zurückgedrängt. landsgeldern zur und nach der Jahreswende; als wichtigere Ursache, i sammenhang, daß das in den Bereinigten Staaten beantragte Eindie auch die Balutakurse von Zürich und Amsterdam habe besonders I fuhrverbot für ausländische 3wangsarbeitsprodukte" sowohl in
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