Preußens Wohnungsbaupolitik
Eine Abrechnung mit der Wirtschaftspartei im Landtag.
Im Preußischen Landtag wurde am Montag die Aussprache über den Wohlfahrtsetat fortgesetzt. DE
Abg. Frau Wachenheim( Soz.):
Wir führen den Ausbau der Wohlfahrtspflege auf die Ideen der Arbeiterschaft zurüd, die sich in der Nachkriegszeit durchjezten. Aber mir sehen auch für sie Gefahren, menn nicht Lohnhöhe und Schutz der Arbeiter in der Sozialversicherung erhalten bleiben. Sie droht zur früheren Armenpflege herabzufinden. Man fann nicht, wie die Deutschnationalen, hier einige tausend Mark Erhöhungen beantragen und draußen zusammen mit den Vereinigten Stahlwerfen gegen Arbeiterlohn und Sozialversicherung fämpfen.( Sehr wahr! bei den Soz.)
Während die Deutschnationalen offen gegen die Arbeitslosenversicherung fämpfen, versuchen die Nazis im Lande ihre sozial
reaktionären Ideen theoretisch zu verbrämen. id
Sie lehnen die Sozialversicherung und Wohlfahrt ab, weil sie nur den Schuh der Gefunden wollen. Im Badischen Landtag hat der Abg. Mert mit dieser Begründung ausdrücklich die Fürsorge für Sieche und unheilbar Kranke abgelehnt.
( Hört! Hört! bei den Soz.) Hier beweisen die leeren Bänke der Nazis, daß sie an der Volkswohlfahrt fein Interesse haben.
Es ist das Verdienst der Republik , die Säuglingssterblichkeit auf die Hälfte der Borfriegszeit herabgedrückt zu haben. Zu dieser Politik der Erhaltung des Lebens bekennen wir uns.( Sehr wahr! bei den Soz.)
Gegenwärtig wird die Wohlfahrtspflege mehr von der wirtschaftlichen Gefahr als von der politischen Krise bedroht. 800 000 bis 900 000 2ohlfahrtserwerbslose müssen von den Gemeinden unterſtügt werden, und im Laufe des Jahres wird die Zahl auf 1 Millionen steigen. Das Reich hat die Krisenfürsorge auf 450 Millionen beschränkt, aber die Gemeinden werden 800 Millionen gebrauchen.
Die Kommunisten haben gegen uns eine Broschüre mit dem geschmaclofen Titel„ Judas Arbeiterwohlfahrt" herausgegeben. Jhnen jei gesagt, daß wir jeden als Verräter der Arbeiterklasse ansehen, der den Gemeinden die Mittel für die Wohlfahrtserwerbslofen verweigert.
( Sehr wahr! bet den Goz. Lärm bei den Komm.)
Der Staat hat die Aufgabe, die vorbeugende Fürsorge someit wie möglich zu erhalten. Wir wollen die Fonds dafür im Etat erhöhen. In der Frage der Rückerstattung wünschen wir für alle Hilfsbedürftigen ein ebenso weitherziges Verfahren wie bei den Kleinrentnern.
Gegen die Uebertragung der Aufgaben der öffentlichen Fürsorge an freie Verbände haben wir die größten Bedenken. Die Erfahrungen zeigen zum Beispiel, daß die Einzelvormundschaft gegenüber der Amisvormundschaft ungenügend ist.
Den Vorwurf der religiösen Intoleranz gegen die Kinderfreundebewegung weisen wir zurüd. Aber man sollte auch ihr mit Toleranz entgegenkommen, felbft menn fie fich einmal auf einer Insel isolieren sollte.( Sehr wahr! bei den S03.)
Ein Antrag der Regierungsparteien wünscht die Förderung der Fürsorgeerziehung in der heutigen Form. Wir sind erstaunt über die Entrüstung einiger Anstaltsleiter darüber. Schließlich haben auch Sozialdemokraten das Recht, fich mit der Fürsorgeerziehung zu beschäftigen.
Wir fordern in der Fürsorgeerziehung eine Einschränkung der viel zu langen Arbeitszeit und vor allem die vollständige Aufbebung des Schweigegebotes und des Dunkelarreftes. Eine ftaatliche Anerfenmung der Anstaltserzieher scheint uns über flüffig. Wir wünschen fir fte Nadyfchulungslehrgänge, in denen die Erzieher das foziale Milieu der Insassen kennenlernen. Auch die Wohlfahrtsschulen sollten dazu herangezogen werden. Ebenso scheint die Schaffung von Spezialheinien für Psychopathen und für den Uebergang angebracht.
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Der Handschuh.
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Wird der fühne Ritter Brüning den Handschuh zwischen den Bestien herausholen?
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Koalitionsfrach in Stuttgart .
Das Zentrum verabschiedet die Deutschnationalen.
1910 Stuttgart , 2. Februar.( Eigenbericht.)
Unter der Ueberschrift Ein unmöglicher Koalitons genosse" veröffentlicht das Landesorgan der württembergi. fchen 3entrumspartei am Montag einen Artikel, den es wie folgt einleitet:
Wir legen nicht mehr den geringsten Wert darauf, mit den Leuten von der Deutschnationalen Partei in ein und derselben Regierung zusammenzuarbeiten!"
munallandtagsabgeordneten Dr. Beder mit folgenden Ausführungen eröffnet:
,, Wenn ich Sie im Sinne des thüringischen Etatsministers Dr. Frid willkommen heißen wollte, müßte ich sagen: Willkommen, ihr organisierten Untermenschen, ihr professio nellen Landesverräter und ihr organisierten Boltsbetrüger. Diese Worte hat Dr. Frid unlängst in einer Raffeler Versammlung gebraucht und damit auch uns gemeint, die mir seit Jahren unsere Kraft dafür eingesetzt haben, Deutschland vpr ben bewaffneten Auseinandersegungen des Bürgertrieges zu bemahren. Ich würde mich selbst verachten, menn ich irgend ein ernſtes Wort gegen diese Ausgeburt eines überhigten Gehirns fage, wenn ich die Deutsche Boltspartei gegen Herrn Frid verteidigen wollte."
Diese Worte sprach am Sonntag in Ellwangen der Vorsitzende der Zentrumsfraftion des Landtages, der Abg. Bod. Er hatte, mie er ausdrücklich feststellte, für feine Aeußerung die Zustimmung des Staatspräsidenten Dr. Bolz und bes Parteivorsigen den Justizminister Dr. Benerie. Diese Ablage an die Deutsch fed and nationalen wird viele überraschen, aber bie wenigsten in Erstaunen fegen. Denn die Gelegenheit, ja ble toipenbigfeit, einmal ein so deutliches Wort zu sprechen, mar schon mehr als einmal vorhanden Was der übergroßen Geduld der Zentrumspartei jegt ein Ende jezte, mar der am letzten Sonnabend in der Süddeutschen Zeitumg" per. Es fommt uns darauf an, die Wohlfahrtserwerbslojen zu veröffentlichte Aufruf an die evangelischen Frauen und Männer, den jorgen und die Wohlfahrtspflege zu erhalten. Jedenfalls müssen Reformen, die feine Soften perursachen, durchgeführt werden, weil fie einen Fortschritt bedeuten.( Lebhafter Beifall bei den Soz.)
Abg. Hein( Dnat.) polemisiert gegen die Sozialdemokraten. Das bedeutendste Problem jei die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das nur mit dem Mut der Berzweiflung im Kampf gegen Tributplan, Raub der Kolonien und Berstüdelung der Wehrmacht gelöst
werden kann.
Abg. Frau Dr. Lauer( 3.) erklärt, daß das Wohlfahrtsmini fterium seiner Bedeutung nach Sozialministerium heißen müßte. Heute gäbe es eine Not der Gesunden, die sich vor allem bei den jugendlichen Erwerbslosen zeige.
Abg. Schulz- Neukölln( Komm.) kritisiert die Abstriche am Etat. Der Minister solle sein Ministerium Berelendungsministerium nennen. Er sei ein Handlanger des Kapitals.
Abg. Wurm( D. Bp.) erkennt an, daß die Wohnungsfürsorgestellen Ersprießliches geleistet haben. Es fei aber jetzt Zeit, daß sie verschwinden.
Abg. Dr. Ponfid( Landoolf) begrüßt die starte Förderung der Neubautätigkeit durch den Minister, die aber auch auf dem Lande fich auswirken müsse.
Abg. Men( p.) erklärt, daß seine Partei auf dem Standpunti stehe, der einzelne hat für sich selbst und fein Obdach zu forgen. Abg. Hoff( Dem.) billigt die Wohnungspolitit des Ministers. Bei der Verteilung der Mittel müsse das flache Land mehr als bisher berücksichtigt werden.
Abg. Drügemüller( Soz.):
Einige Redner der Rechtsparteien haben der Wohnbaupolitik des Ministers Gerechtigkeit miderfahren lassen, aber mehr Berücksichtigung des flachen Landes gewünscht. Wir verstehen diese Forderung, lassen aber teinen Zweifel darüber, daß die in den Städten aufgebrachten Mittel vorzugsweise den Städten mieder zugute tommen müssen.
Gegenüber den Behauptungen, daß die private Bautätigkeit rentabler ist als die gemeinnützige Neubautätigkeit, nur ein Beispiel: In Harburg stehen seit Jahren 80 Neubaumohnungen leer, bie zu teuer find, weil sie aus privattapitalistischen Mitteln finanziert wurden. Dagegen fonnten viel später errichtete 300 Neubau mohnungen vermietet werden, die aus gemeinnügigen Mitteln errichtet wurden.( Hört! Hört! b. d. Goz.)
Wir begrüßen den Ueberschuß an Neubauwohnungen über den Bedarf hinaus auch im letzten Jahre. Damit ist der Beweis erbracht, daß die Wohnungspolitik Preußens richtig gewesen ist.
Wenn damit die Wohnungsfehlziffer inumer noch nicht beseitigt wurde, so beweist das, daß wir auf dem eingeschlagenen. Bege weiter gehen müssen. Der Wohnwert ist erfreulich gesteigert worden und die Menschen sind wieder, soweit sie solche Wohnungen beziehen fonnten, mit der Natur verbunden. Der Hinweis auf die den Die Rechtsparteien machten, ist unerschwingliche Miete, bemagogisch. Die Baufoften etwa durch Sentung der Löhne und Beseitigung der Sozialversicherung zu fenten, ist natürlich unmög. lich. Aber bisher hat sich die Opposition geweigert, mit uns einen Weg zu suchen, der zu billigen Zinszuschüssen führt. Eine Sentung der Zinsen ist natürlich bei solchen Banten unmöglich, deren Tan tiemen an die Aufsichtsräte die Gehälter der Angestellten weit übersteigen. Wir haben das ja bei der Stadtschaftsbant feststellen müfen. Herr Labendorff von der Wirtschaftspartei hat aller
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der evangelische Ausschuß der Deutschnationalen Partei erlassen hatte." In dem Aufruf wurde dem Zentrum der Borwurf gemacht, daß
es in Preußen wie im Reich an seiner Bindung mit der Sozialdemokratie" festhalte. Das Zentrumsorgan gibt den Aufruf ausführlich wieder und stellt schließlich mit bitterer Jronie fest, daß die württembergische Regierungstoalition den Berlust der deutschnationalen Abgeordneten zahlenmäßig und auch nach der persönlichen Seite hin leicht ertragen tönne. Damit wird den drei deutschnationalen Abgeordneten in aller Form der Stuhl vor die Türe gefeßt. Ob sie geben werden oder schließlich gegangen werden? Das eine ist zur Zeit so unbestimmt wie das andere.
Eine volksparteiliche Stimme geaen Frid. Kaffel. 2. Februar. Die Deutsche Volfspartei Kurhessen hielt in Kassel ihren dies jährigen Barteitag ab. Die Versammlung wurde von dem Kom
Die Parteiframbe von Dr. Beder in Thüringen haben sich- ohne fich felbft zu verachten in absolute Abhängigteit von Herrn Frid begeben, und in der Reichstagsfraktion der Volkspartei gibt es Leute, die ihnen nachzueifern wünschen. Trotz der überhizten Gehirne der Frick und Genossen.
Wiens Universitätsrektor für Hafenkreuz 3hnische Parteinahme gegen die Gozialdemokratie. Wien , 2. Februar.( Eigenbericht.)
Als sozialdemokratische Studenten am Montag vor der Universität Aufrufe zu den in Kürze stattfindenden. Studentenwahlen verbreiteten, fam es zu 3usammenstößen mit Safentreuzlern. Der antisemitische Rettor der Universität ließ zu gleicher Zeit einen Aufruf anschlagen, in dem er erklärt, daß er einen Aufruf der Sozialdemokraten wegen des die akademischen Behörden beleidigenden und die große Mehrheit der Studenten unerhört provozierenden Inhalts verboten habe. An die deutsche Studentenschaft richtet er den Appell, sich durch dieses beifpiellos provozierende Vorgehen der sozialdemokratischen Studenten nicht zu unüberlegten Handlungen hinreißen zu lassen. Der Aufruf | hat bei den Sozialisten große Entrüstung hervorgerufen.
dings erklärt, daß nicht er als Berson, sondern seine Organisation| von 12,3 Millionen Mart entstanden. Die gefährdeten Forderun diese Tantiemen erhalten hat. Es wäre beffer, wenn auch diese gen betrugen insgesamt 50 Millionen Mart. Organisation im Interesse der Neubautätigkeit auf die hohen Tan tiemen verzichten würde.( Sehr wahr! b. d. Soz.)
Immerhin gibt es Mittel, die Bautosten zu fenten. Das wäre 3. B. möglich durch eine Revision und Sentung der Aufschließungstoften. Hier tönnte sich die Gesellschaft für öffentliche Arbeiten, die das Reich gegründet hat, hilfreich betätigen. Sie fönnte dabei zu Maßnahmen lommen, die durch Sentung der Baufosten den Baumartt befruchten. Statt dessen scheint diese Gesellschaft sich folchen Vorhaben hindernd in den Weg zu stellen, und wir bitten den Minister, hier schleunigst und energisch auf Abhilfe zu brüden. Durch die Notverordnungen sind jetzt endlich auch die Bestim mungen über die Gemeinnüßigkeit der Bauunternehmungen feftgelegt worden. Die Deutschnationalen haben zwar mit Hilfe der Bolfspartei einen Untersuchungsausschus beantragt, der die Verwirtschaftung öffentlicher Weittel beim Wohnungsbau feststellen soll. Wir fürchten eine solche Untersuchung nicht. Sie foll dem Willen der Antragsteller entsprechend nur den einen 3wed haben, die ge meinnügige Neubautätigkeit in der Deffentlichkeit zu diffamieren. ( Sehr wahr! b. d. Soz.)
Während man also bei uns alles tut, um die gemeinnützige Wohnbaufätigkeit zu diskreditieren, hat 1928 England durch ein Gutachten festgestellt, daß die Erftellung neuer Wohnungen nach dem Kriege England von schweren sozialen Unruhen, wenn nicht vor der Revolution bewahrt hat.
( Hört! Hört! 6. d. Soz.) Zu einer solchen objettiven Würdigung der preußischen Wohnungspolitit tönnen sich freilich unsere Patent nationalisten nicht aufraffen.
Dagegen hat Herr Meng die solide Bauwirtschaft vor dem Kriege gelobt. Er hat scheinbar noch nichts von dem Gesetz zur Sicherung der Bauforderungen aus dem Jahre 1912 gehört. Die Statistit ergibt, daß von 1909 bis 1911 in 48 Gemeinden GroßBerlins 6962 Gebäude mit einem Baumert von 1150 Millionen Mtart gebaut wurden. Davon wurden 2218 Gebäude notleidend. 20fo, bei 41 Proz. murden Verluste erlitten. Diese Verluste be trugen über 200 Millionen Mart. Von diesen 2218 Gebäuben tamen 1378 in die Zwangsversteigerung, wobei Berlufte in Höhe
Diese Verluste hatten in der Hauptfache die Lieferanten, aljo. die kleinen Handwerksmeister aller Berufe, zu fragen. Die tönigliche Regierung hat später festgestellt, daß dieser Bast schwindel an teine Berufsgruppe gebunden mar, ja, daß die technisch vorgebildeten Unternehmer sich daran mehr beteiligten als die anderen, weil sie leichter in der Lage waren, ihre Gläubiger zu täuschen. Die geprellten Handwerfer aber tat die Behörde ab mit der Bemerkung, daß sie an ihren Verlusten selbst Schuld tragen, da sie sich hätten über die Kreditwürdigkeit der Unternehmer orientieren müssen. Wie würde die Wirtschaftspartei schreien, wenn die heutige Regierung einen solchen Standpunkt einnehmen würde. So fab das folide Bauhandwert vor dem Kriege aus, zu dem Herr Mens zurüd will.
Daß die privaten Bauunternehmer heute nicht anders find mie früher, beweist die Tatsache, daß sie sich selbst beim Bau des Tannenbergdenkmals zusammengeschlossen haben, um von demjenigen, der den Auftrag erhielt, 12 000 Mark Abstand zu verlangen.( Hört! Hört! b. d. 503.)
Die Wohnungszwangswirtschaft ist zwar fein Jedalzustand, aber fie muß zum Schuße der Bedrängten aufrechterhalten bleiben. Wir stehen allerdings auf dem Standpunkt, daß die Mieterschaft fich am besten schüßt, wenn sie den gemeinnüßigen Baugenoffen. schaften beitritt. Dann wird sie endlich herauskommen aus den licht und luftlosen Höfen der Mietstafernen und Hinterhäuser. ( Sehr wahr! b. d. oz.)
Das republitanische Deutschland hatte nachzuholen, was der alte Staat in bezug auf moderne Wohnbautätigkeit versäumt hat. Wir erwarten, daß die Wohnbautätigkeit vom Staate weiter mit derfelben Energie gefördert wird mie bisher.( Lebhafter Beifall b. d. Spz.)
Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Home( Dnat.) und Sloft( 3entr.) wind die allgemeine Aussprache geschlossen.
Die Beratung der Einzelfitel des Wohlfahrtshaushalts erfolgt Dienstag, 12 Uhr. Außerdem: Handelsetat, Etat der Porzellanmanufattur.