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48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Donnerstag

12. Februar 1931

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Für deutsch - französische Verständigung!

Mißtrauensantrag gegen Curtius abgelehnt/ Breitscheid zur Außenpolitif.

Frankreich , weil er u. u. bereit sei, Kredite von Frankreich entgegen. zunehmen. Wir haben Kredite von Amerita, von England, das hoch während des Krieges Gott strafen sollte( Heiterkeit links), wir haben auch private Kredite von Frankreich .

Der Reichstag hat am Mittwochabend den Mik| rationsfrage ist, daß man die Finanzwirtschaft im eigenen Lande der deutsche Außenminister verkaufe wieder einmal Deutschland an trauensantrag der Kommunisten und des Landvolks in Ordnung gebracht hat. gegen den Reichsaußenminister Dr. Curtius mit 255 gegen 87 Stimmen der Kommunisten und des Land­volks bei 29 Enthaltungen der Wirtschaftspartei und der Volksnationalen abgelehnt.

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In der außenpolitijgen Debatte im Reichstag, die gestern mit der Ablehnung des Mißtrauensantrags gegen den Außenminister Dr. Curtius abgeschlossen wurde, sproch für die sozialdemokratische Reichstagsfraktion

Abg. Rudolf Breitscheid :

Es ist jest sozusagen große politische Mode, neue Wege der Außenpolitit zu fordern, zu suchen und zu ffizzieren. b da die äußere Politik ähnlich wie die Heilkunde ein Feld ist, auf dem sich der fraffeste Dilettantismus mit Vorliebe tummelt, find der Neuerer und der Reformatoren meist sehr viele. Dabei betätigt sich gewöhnlich die Phantasie mehr als die realistische Betrachtung. Die einen erklären, in den letzten zehn Jahren wäre alles jaljch gemacht worden und alles Elend sei aus Feigheit oder verräterischer Gesinnung geboren. Die anderen, die Wohlwollenderen, sagen, es sei eine neue Zeit angebrochen, die die Anwendung eines neuen Systems erfordere.

Es wäre gewiß nicht richtig, in falsch angewendetem Konferva­fismus eine grundfählije Disfuffion über einen Wechsel der Methode abzulehnen, foll aber eine solche Aussprache fruchtbar fein, so muß man fofort Klarheit schaffen, ob man, wenn nicht über den Weg, so doch über das Ziel der auswärtigen Politit einig fein fann.

Unser Ziel, das wir verfolgt haben, seitdem das neue Deutsche Reich besteht, ist ein auf voller Gleichberechtigung beruhendes Zusammen­Leben der Nationen, die verpflichtet und entschlossen sind, zwischen ihnen ausbrechende Berwicklungen nicht mit den Waffen, sondern friedlich auszutragen und die gleichzeitig von der Ueberzeugung durchdrungen sind, daß das Zusammenleben auch Zusammenarbeiten auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet bedeutet. Dabei ist es natürlich für uns alle in diesem Hause

eine der wesentlichsten Aufgaben, für Deutschland die Gleich­berechtigung zu erkämpfen und jene Schranfen zu beseitigen, die der Gleichberechtigung durch die Bersailler Friedensbeftim­mungen gezogen worden sind.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir den Weg der Verständigung beschritten, einen Weg, der oft eine sehr dornenvolle Straße gewesen ist. Dieser Weg führte uns von der Unterzeichnung in Versailles über die Unterzeichnung des Dames- Abkommens, über Locarno und den Eintritt in den Bölkerbund zur Annahme des Young- Planes. Mit hämischem Unterton haben die Gegner diefes System als Er­füllungssystem bezeichnet. Wir waren immer bereit, diese Bezeich nung aufzunehmen, betonten aber, daß der

lehte Beweggrund für diese Erfüllungspolitik war, Deutschland und dem deutschen Bolle das Vorwärtskommen zu ermöglichen und gleichzeitig die Bahn für die Erkenntnis zu eröffnen, daß die Politit der Siegermächte nicht nur Deutschland , sondern die gesamte Welt schädigt, daß sie vor allem das Wirtschaftsgefüge der Welt in eine gefährliche Unordnung gebracht hat und weiter zu bringen droht.

Ein Beweis dafür, daß wir durch unsere Außenpolitik ein befferes Verständnis für die internationalen Schwierigkeiten der Reparationsfrage aufgebracht haben, ist der Vorschlag des Fran­30fen Graf d'Ormesson.

Diesem Borschlag gegenüber bin ich noch etwas optimistischer als Dr. Kaas; der Franzose steht meltanschaulich dem Zentrum näher fuifionsbasis- nicht mehr, denn es passiert bei solchen Dingen nur als uns. Sein Vorschlag ist mindestens eine sehr wertvolle Dis­feiten, dag etwas von vornherein schon Annehmbares vorgeschlagen wird. Ich weiß nicht, welchen Einfluß dieser Franzose und wieviel Menschen in Frankreich er hinter sich hat, aber daß für diese Idee einer Hilfeleistung Frankreichs für Deutschland wie

für jeden Weg zur Berständigung beider Bölfer und zur Er­leichterung der deutschen Lasten mindestens die französischen So­zialisten zu haben sein werden, die das bei jeder Gelegenheit bewiesen haben,

weiß ich. Wesentlich aber ist schließlich nicht allein, was man in Staaten von Amerika. ( Sehr richtig!) Es ist nichts verfehlter, als Frankreich tut, sondern in letzter Linie der Wille der Vereinigten wenn unsere Nationalisten fortgesetzte Konflikte zwischen den euro­ päischen Staaten heraufbeschwören wollen in einen Augenblick, wo diese sich gegenüber Amerifa einigen müßten, nicht im feindlichen Sinne, fondern um die Vereinigten Staaten von dem für Europa Notwendigen zu überzeugen. Ich weiß nicht, woher Abgeordneter Abel die Ermächtigung genommen hat, im Namen des amerikanischen Präsidenten und Senats die bestimmte Versicherung abzugeben, daß USA . auf ihren Forderungen bestehen. Ich glaube, er überschätzt nicht nur seinen Einfluß als nationale Opposition", sondern auch feine Kenntnis!( Heiterkeit.) Ich kann nicht sagen, was Amerika tun oder nicht tun will, sondern nur, daß wir eine Politik treiben müssen, die

in Amerika das Berständnis eröffnet und vertieft, daß im eigenen Jntereffe Amerikas und der ganzen Welt eine Aenderung der Reparationspolitik eintreten muß. ( Lebhafte Zustimmung.)

äußerste Rechte unter uns zu sehen( heiterfeit), da hat sie gesagt, Vor wenigen Tagen, als wir noch das Vergnügen hatten, die

Wir sehen nicht im geringsten ein Uebel darin, wenn wir näm­fich durch die Annahme solcher Kredite nicht auch politische Ber­pflichtungen auf uns nehmen.

merkwürdigen Gemeinschaft mit den französischen Nationalisten, die Die Nationalsozialisten befinden sich auch hier wieder in einer unter der Führung der Abgeordneten Franklin- Bouillon und Mandel einen Feldzug dagegen eröffnen, daß man französisches Geld nach Deutschland gebe, Frankreich also Deutschland helfe.

Es gibt eigentlich nichts Internationaleres als den Nationalis­mus; der eine führt dem anderen den Wind in die Segel, und der andere dem einen das Wasser auf die Mühle. Wollen wir zur Verständigung in Europa tommen, so muß bei der deutsch - französischen Verständigung angefangen werden. Bir Sozialdemokraten haben das von allem Anfang vertreten, felbft schaft oder auch des Landesverrats beschuldigt werden. Auf welchem auf die Gefahr hin, daß wir deshalb besonderer Franzosenfreund­anderen Weg könnten wir denn zu einer richtigen Außenpolitik ge­langen, auf welchem anderen Weg erreichen, daß die angebliche Bedrohung, die uns vom Osten, von Polen , kommt, allmählich ver­ringert und schließlich beseitigt wird, als wenn wir mit Frankreich , das fich noch immer im gewiffen Grade zum Sachwalter polnischer Interessen macht, in ein besseres Berhältnis gelangen?

Bor furzem hat ein führender Hakenkreuzler öffentlich sich sehr für die deutsch - französische Berständigung eingesetzt. Das war Herr Adolf Hitler ,

der sich in merkwürdiger Ueberschätzung des Franzosen Gustave Hervé bei diesem durch Vermittlung des Herrn Rechberg anzu­biedern versuchte. Ein Jahr vorher hatte Hitler in einem Buch das genaue Gegenteil davon geschrieben aber seine Untertanen dürfen gegen seine Meinung nicht polemisieren.( Sehr gut!)

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In der jüngsten Sizung des Auswärtigen Ausschusses haben wir von Herrn Hugenberg nähere Auskunft über seine Behaup dunkle Beziehungen zu gewissen westlichen Geldmächten häiten. tung im Sportpalast verlangt, daß nämlich wir Sozialdemokraten

Der Auszug der Kinder Jsrael.

Wie es zur Flucht der Nationalsozialisten fam.- Der Katzenjammer wächst.

Heber die Borgänge im Reichstag am 10. Februar und über| telephonisch über das Borgefallene unterrichtet, die weiteren parlamentarischen Pläne der Hitler - Fraktion erfahren erklärte mir von wohlunterrichteter Seite folgendes:

In der Presse ist der Ausmarsch der Nationalsozialisten aus dem Reichstag teils als cine von langer Hand vorbereitete Maß nahme, teils als eine auf Befehl ,, non oben her" inszenierte Aktion dargestellt worden. Tatsächlich liegen die Dinge wesentlich anders und viel unpolitischer: es handelt sich dabei keineswegs um einen forgfältig eingeleiteten und durchgeführten und in seinen Wirkungen abgewogenen Borstoß, sondern um eine spontane Reaktion der reich

Worten( um mit Dr. Goebbels zu sprechen), um eine, frisch fröhliche Reiterattacke", von der jetzt allerdings nur noch der Kazenjammer übriggeblieben ist.

Ich glaube, wir dürfen uns schmeicheln, daß diese Politik, die auflich unpolitischen nationalsozialistischen Fraktion, mit anderen eine Verbefferung der Erkenntnis gerichtet war, gerade in der letzten Zeit Erfolge erzielt hat. Man braucht nur an die Diskussion zu denken, die jetzt international über die deutsche Reparationslaft ge führt wird und mehr und mehr die lleberzeugung hervorruft, daß diefes Reparationssystèm eine Belastung nicht nur für das deutsche Bolt, sondern für die ganze Welt bedeutet, nämlich eine gewaltige Fehlleitung des Kapitals, die gerade in einer Zeit wirtschaftlicher Weltkrisis sich besonders fühlbar machen muß. Jedenfalls fom­men wir

mit dieser Politif sehr viel weiter, als wenn man, dem kommu­ nistischen Antrag folgend, die Reichsregierung auffordern wollte, die Young- Zahlungen sofort einzustellen.

Jeder Bernünftige weiß, daß eine solche Zahlungseinstellung der deutschen Wirtschaft alle ausländischen Kredite sofort sperren würde. Da man auf Geld ja nicht vollständig verzichten kann, würde dann nur die Methode bleiben, die die Nationalsozialisten unter der Füh­rung des Herrn Feder vorschlagen.( Heiterfeit.) Ich fürchte nur, daß die Katastrophe sehr viel verhängnisvoller fein würde, als das, was wir unter der Zahlung der Reparation zu leiden haben.( Sehr wahr!) Mit Genugtuung haben wir die Erklärung des Reichstanzlers begrüßt, daß die Regierung den Zeitpunkt für ein Vorgeben in der Reparationsfrage sich nicht durch irgendwelche Rücksicht auf Bopu­laritätshascherei vorschreiben lassen wird. Wir erwarten, daß die Regierung diesen Zeitpunkt mit Vorsicht und Umficht mählt und finb im Begenjas zu Herrn Abel der Ueberzeugung, daß eine der mefentlichsten Borauslegungen für eine Intervention in der Repa

Noch am Vorabend des 10. Februar, noch während der Nacht außer einer fleinen Gruppe, was bevorstand; und Herr; itler vor der entscheidenden Sizung wußte niemand in der Fraktion, selbst hatte sich schon seit einigen Tagen von den poli­tischen Geschäften zurüdgezogen, um mit einem Stabe von Künstlern in der Abgeschlossenheit seiner Villa in Berchtesgaden die Entwürfe für die Ausgestaltung des Parteipalais in München zu bearbeiten.

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Der Beschluß zum Ausmarsch der Fraktion erfolgte in den Bormittagsstunden des 10. Februar auf Antrag der Min= derheitsgruppe der Hitler - Partei jener Gruppe, die dem ,, legalen" Kurs schon immer ablehnend gegenüberstand und seit langem auf die passende Gelegenheit lauerte, um endlich flare feit langem auf die passende Gelegenheit lauerte, um endlich flare Berhältnisse" zu schaffen. Diesen Zeitpunkt erachtete man jetzt für gekommen. Unmittelbar vor der Plenarsizung fand eine Stonferenz der Hitler Frattion statt, bei der unter ausschließlicher Betonung propagandistischer Ge­ausschließlicher Betonung propagandistischer Ge­fichtspunt te beantragt und( für die Minderheit überraschender­meije!) einstimmig beschlossen wurde, daß die Fraktion fich| aus dem Reichstag zurückzieht.

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nachdem ,, vollendete Tatsachen nun einmal vorlagen" nachträglich feine Zustimmung zu der ausgezeichneten propagandi stischen Idee", machte jedoch die schwersten Bedenken geltend da­gegen, daß der Reichstagsabgeordnete Stöhr fein Amt als Vize­präsident des Reichstags niedergelegt hatte und die nationalsoziali­stischen Schriftführer zurückgetreten waren. Das an ihn gerichtete Ersuchen der Fraktion, sofort nach Berlin zu kommen, lehnte Hitler ab mit dem Hinweis auf seine ,, intensive Inanspruchnahme durch die unaufschiebbare fünstlerische Gestaltung des Parteiheims". Er ist unabkömmlich wie noch immer zuvor, wenn es galt, Berant­wortung zu tragen.

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Ueber die meiteren Absichten der Nazis ist vorläufig nur das eine zu sagen, daß die Fraktion zunächst abwarten will, was die Parlamentsmehrheit unternimmt. Zurzeit sind die schäftigt, ob der Rücktritt von Stöhr und der national­juristischen Kapazitäten der Partei mit der Prüfung der Frage be fozialistischen Schriftführer mit Erfolg wider. rufen werden kann.

Der in einem Berliner Mittagsblatt gemeldete Plan eines nach Weimar zu berufenden ,, Rumpfparlaments" der Opposition ist wohl erörtert, feineswegs aber beschlossen worden; im Gegenteil, selbst aus den Kreisen der Fraktion wurden erhebliche Bedenken gegen ein solches Borhaben geltend gemacht.

Es wird überhaupt für die nationalsozialistische Fraktion sehr schmer, wenn nicht beinahe unmöglich sein, zu einem einheitlichen Borgehen zu fommen: die schwebenden Verhandlungen mit den Deutschnationalen sind alles andere eher als freundschaftlich und laffen wenig Hoffnung für ein Durchhalten der Fugenberg- Fraftion

Spannungen zwischen der nationalsozialistischen Fraktionsmehrheit der Seite der Nationalsozialisten. Dazu nähern sich die und der illegalen" Gruppe, die trotz ihrer zahlenmäßigen und organisatorischen Unterlegenheit einen bedeutenden immerparteilichen Erfolg über die Legalen" glaubt erningen zu haben, dem Siede­

Hitler selbst wurde erst in den Abendstunden des 10. Februar punit.