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Morgenausgabe

Nr. 73

A 37

48.Jahrgang

Böchentlich 85 Bf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bf. Postzeitungs- und 72 Bf. Boftbeftellgebühren. Auslands. abonnement 6,- M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drucksachen porto 5,- M

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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme" Technit"," Blid in die Bücherwelt" Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage

2014 128

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag

13. Februar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Monpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezetle 5,- Reichs mari. Kleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Mort 15 Pfennig, jedes meitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Haupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Die Mörderhilfszentrale.

Schwere Belastung der Hitlerschen SA.

Bon zuständiger Stelle erfahren wir: Das| gemahrsam befindet, bestreitet zunächst, sich der Begünstigung heute vormittag in der Geschäftsstelle des Gauſturmes bei der Flucht der Mörder schuldig gemacht zu haben. Berlin des NSDAP . vorgefundene umfangreiche Schrift material unterliegt zur Zeit noch der Durchsicht.

Es hat sich bis jetzt die unmittelbare enge Beziehung der hiesigen nationalsozialistischen Leitung zu derjenigen ausländischen Stelle ergeben, zu der die flüchtigen Becker und Hauschke und auch der inzwischen verhaftete Kollak ihre Schritte gelenkt haben.

Die vorgefundenen Unterlagen Jassen eindeutig er­kennen, daß das Zusammenarbeiten beider Stellen bereits seit längerer Zeit besteht und daß auch in anderen Fällen geflüchtete Personen durch Vermitt­lung ausländischer nationalsozialistischer Mittelsstellen Unterschlupf gefunden haben.

Das Ergebnis der Haussuchung.

Die Durchsicht des bei den gestrigen Haussuchungen beschlag­nahmten Materials der NSDAP . wird voraussichtlich noch den ganzen Freitag in Anspruch nehmen. Die polizeiliche Attion hat den erwarteten Erfolg gehabt, denn es ist u. a. erwiesen, daß zwischen der Berliner Leitung der SA. und der Innsbrucker Stelle enge Verbindungen bestanden haben, die verfolgten Hakenkreuzlern die Flucht nach Desterreich ermöglichten. Daß diese Verbindung bis in die letzten Tage weiterbestand, bemies der SA.- Befehl an den Maurerlehrling Rollatz, deffen Ziel Innsbrud sein sollte, wo er von dem Hauptmann a. D. von Maltig weitere Weisungen erhalten sollte.

Rollatz ist vorher abgefangen worden, Beder und Hauschke dagegen, die beiden anderen flüchtigen Mörder aus der Hufelandstraße, dürften das Ziel ihrer vorgeschriebenen Reiseroute erreicht und von Maltig die notwendige Unterstügung erhalten haben. Die österreichischen Polizeibehörden haben inzwischen in Innsbruck auf Ersuchen der Berliner Polizei Ermittelungen an gestellt. Man geht wohl feineswegs fehl in der Annahme, daß die flüchtigen Mörder Becker und Hauschke mit Hilfe dieses Maltig den österreichischen Boden schon wieder verlassen haben.

Aus einer 3 mischen der Berliner SA. Leitung und Maltig geführten Korrespondenz geht einwand­frei hervor,

daß vor einiger Zeif ein gewisser Nationalsozialist Noad bei Maltitz Zuflucht gesucht hat. Malti fragte in Berlin an, ob es mit N. seine Richtigkeit habe, morauf von der SA2.- Leitung in Berlin die Bestätigung ein traf. Kurze Zeit darauf jedoch ging an Maltig nach Innsbruck ein Schreiben ab, worin gefagt wurde, daß Road gegenüber Borsicht am Platze sei, da er inzwischen von der SA. ausge schlossen sei. Noack dürfte jedoch bereits die Unterstützung des Maltig erhalten haben und weiterbefördert" sein. Es wird ver mutet, daß er sich einen falschen Namen zugelegt hat, weil er eines her, nicht aufgeflärten nationalsozialistischen Berbrechen auf dem

Semiffen hat.

Der in Feldberg verhaftete SA. - Führer Scheibner, der inzwischen nach Berlin übergeführt wurde und sich in Bolizei

Im Laufe des heutigen Tages wird er dem Maurerlehrling Kollah im Untersuchungsgefängnis gegenübergestellt werden. Uebrigens hat die Polizei in der Wohnung des Dsaf" Haupt­mann a. D. Stennes, der zur Zeit auf Reisen ist, eine Armee pistole 08 gefunden und beschlagnahmt. Da Waffen dieser Art bekanntlich abgabepflichtig sind, wird gegen Stennes deswegen ein besonderes Verfahren eingeleitet.

im selben Hause befindlichen Gefangenen- und Verwundetenhilfe" Die Räume der SA. - Leitung in der Hedemannstraße und der der NSDAP . wurden gestern erst gegen 13 Uhr von der Polizei wieder, freigegeben und das starke Aufgebot der Schußpolizei zurück. gezogen.

Das preußische Innenministerium verfolgt die Angelegenheit auf das eifrigste und Minister Severing hat bereits gestern Mittag von der Berliner Polizei einen beschleunigten Bericht über die Art und den Umfang des beschlagnahmten Materials an= gefordert. Dieser Bericht wird aber erst im Laufe des heutigen Freitags erstattet werden können, da die Sichtung der zahlreichen lrfunden, Schriftstücke und des Karteimaterials der S2. noch einige Zeit dauern wird.

Luftgartenfundgebungen verboten. Hafenfrenzler und Kommunisten dürfen nicht demonstrieren. Der Berliner Polizeipräsident hat die von den Nationalsozialisten und Kommunisten für den kommenden Sonntag im Custgarten geplanten& undgebungen verboten.

Das Verbot ist wie folgt begründet: Die National sozialistische Deutsche Arbeiterpartei hat für Sonn­tag, den 15. Februar dieses Jahres, mittags 12 Uhr, zu einem Maffenprotest im Luftgarten aufgerufen. Die Kommunistische Partei Deutschlands fordert zu einem Massenaufmarsch am Sonntag, dem 15. Februar, vormittags 10.30 Uhr, im Lustgarten auf. Deffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sind erst nach den Stunden des Hauptgottesdienstes, frühestens um 12 Uhr, zu gelassen. Die beiden Kundgebungen würden demnach zu gleicher Zeit und auf dem gleichen Play stattfinden. Bei dem starten politischen Gegenjag, der nach außen zwischen den beiden veranstaltenden Parteien besteht und von beiden Seiten fortgefeßt verschärft wird und Tag für Tag zu tätlichen Angriffen der beiderseitigen Anhänger, zu gefährlichen Körperverletzungen und sogar zu Totschlägen geführt hat, gefährden die beiden Berjamm lungen unter freiem Himmel unmittelbar die öffentliche Sicherheit , Leben und Gesundheit der Teilnehmer. Es kann diese Gefahr nicht dadurch abgewendet werden, daß nur eine der Veranstaltungen zugelassen wird, denn auch ihr friedlicher Verlauf ist nach dem auf­reizenden Inhalt und Wortlaut der Ankündigungen nicht gesichert. Demgemäß wurde quf Grund des Artikels 123 der Reichsverfassung für den 15. Februar 1931 je de Bersammlung im Luft­garten verboten.

Reichstag zieht Konsequenzen. ten zur Verfügung.

Kardorff Bizepräsident.- Der Diätenschwindel der Nazis.

Der Reichstag hat gestern die Ersagwahl für den nationalsozialistischen Bizepräsidenten des Reichstags, Stöhr, vorgenommen. Mit 258 Stimmen wurde der Abgeordnete von Kardorff( Deutsche Volkspartei ) gewählt. Auf den Kommunisten Pied entfielen 56, auf den Abgeordneten Eisenberger( Deutsche Bauernpartei) eine Stimme. 38 Stimmen waren ungültig.

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Die Nationalsozialisten sind nicht nur dumm, sie sind auch bodenlos un ehrlich. Nach ihrem Auszug aus dem Reichstag hat ihr Fraktionsvorsitzender Dr. Frick dem Reichstagspräsidenten folgenden Antrag übermittelt:

,, Die durch den Verzicht der nationalen Opposition auf Teil­nahme an Parlamentssitzungen ersparten Beiträge an Diäten usw. sind restlos den Bedürftigsten unter den ausgesteuerten Erwerbs­lofen zuzuführen."

Bostschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Ein finnloser Kampf.

Die Hetze gegen die arbeitende Frau.

Von Anna Geyer .

Mehr als vier Millionen Arbeitslose haben wir gegen wärtig in Deutschland und fast vier Millionen verheiratete Frauen sind erwerbstätig. Wie verlockt diese Gegenüberstel­lung zu der Forderung: Entlaßt die verheirateten Frauen und stellt dafür arbeitslose Fami lienpäter ein. Hier wird dem ,, Wohlleben der Doppel­verdiener" ein Ende bereitet und dort wird die größte Not gelindert. Das ist ein einfaches und glattes Rechenerempel. Nur ist es in der Praxis weniger leicht lösbar als in der Theorie.

Die Erwerbsarbeit verheirateter Frauen läßt sich nur zu beitskräfte ersetzen. Bei der letzten Berufszählung im Jahre einem ganz geringen Teil durch die Arbeit männlicher Ar­1925 wurden in Deutschland 3645 000 erwerbstätige Ehe­frauen gezählt. Diese Zahl wird heute geringer sein, weil die Arbeitslosigkeit natürlich auch die Zahl der erwerbstätigen Frauen verringert hat. Aber es fehlen darüber genauere An­gaben. Von den 3 645 000 erwerbstätigen Ehefrauen waren 2368 000 in der Land- und Forstwirtschaft tätig. Zum weit­aus größten Teil sind das die Bauernfrauen, die in der Bauern­wirtschaft ihres Mannes mithelfen und an die wohl kaum jemand denkt, wenn die Entlassung der verheirateten weib­lichen Arbeitskräfte gefordert wird. Es bleiben also 1 277 000 erwerbstätige Ehefrauen. Das ist die Gesamtzahl der ver­heirateten erwerbstätigen Frauen in allen anderen Erwerbs­zweigen außer Land- und Forstwirtschaft.

Aber auch von dieser Zahl von rund einundeinviertel Mil­lionen Frauen sind unter dem Gesichtspunkt ihrer Ersetzung durch arbeitslose Familienväter noch einige Gruppen abzu­fegen. 386 000 Frauen sind mithelfende Ehefrauen. Das sind die Frauen von Ladeninhabern, Gastwirten. Bäckern, Fleischern und Schneidern, die im Unternehmen ihres Mannes mitarbeiten, deren Entlassung wohl vergeblich gefordert, und die in feinem Fall durch arbeitslose Familienväter ersetzt würden. Es bleiben 891 000 Ehefrauen.

"

Aber auch hiervon kommt ein großer Teil für eine Ent­laffung nicht in Betracht. Das ist die Gruppe der Selbständi­ gen ", die 277 000 Ehefrauen umfaßt. Der statistische Begriff Selbständige Erwerbstätige" deckt sich hier meistens mit einem sehr proletarischen Lebensniveau. Fast die Hälfte der Selb­ ständigen " 110 000 Ehefrauen- gewerbetreibende. 85 000 Frauen führen als Ladeninhaberin­sind selbständige Haus­kleinsten Grünfram-, Kolonialwaren-, Konfitüren, Milch­nen in der Regel eine recht bescheidene Eristenz. Es sind die und Tabaklädchen, die von Frauen betrieben werden. 10 000 Frauen betreiben eine Gastwirtschaft, meistens auf dem Lande, und 15 000 Frauen werden als Hebammen den Selbständi­ gen " zugezählt.

Bon den nunmehr verbleibenden 614 000 erwerbstätigen

Ehefrauen, die gegen Lohn oder Gehalt( also in kündbarer Stellung) beschäftigt find, arbeiten 44 000 als Hausangestellte. Ihre Stellungen fommen mohl ebenfalls nicht für arbeitslose Familienväter in Betracht.

Danach ergibt sich folgendes Bild:

Pfennig durch Berzicht der Nazi- Abgeord Gesamtzahl der erwerbstätigen Ehefrauen. davon in Land- und Forstwirtschaft tätig. mithelf. Ehefrauen in and. Erwerbszweigen Selbständige Erwerbstätige Hausangestellte.

Das Schreiben von Frick stellt also den Gipfel der erwecken, als ob die Nationalsozialisten seit ihrem Auszug Unehrlichkeit und Irreführung dar. Es soll den Eindruck die Diäten des Reichstags nicht mehr beziehen würden und diese Beträge jetzt zur Unterstützung besonders bedürftiger dann der Fall sein, wenn die Nazis die Diäten vom 10. bis Erwerbsloser zur Verfügung stehen. Das würde aber nur zum 28. Februar, die sie bereits erhoben haben, zurückzahlen würden. Davon aber steht weder in dem Brief von Frick ein Wort, noch hat bisher irgendein Naziabgeordneter per­sönlich eine solche Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben!

3 645 000

2 368 000

386 000

277 000

44 000

zusammen 3 075 000 bleiben 570 000

von den Hausangestellten und den landwirtschaftlichen Ar­Die Möglichkeit einer Entlassung besteht also, wenn man beiterinnen absieht, nur für rund eine halbe Million verhei­ratete Frauen.

Aber auch hier wäre noch zu prüfen, ob sie durch arbeits­lose Familienväter ersetzt werden können. Es gehören zu dieser Gruppe Wäsche- und Kleidernäherinnen, Modistinnen, Buzfrauen, Stenotypistinnen, Krankenpflegerinnen und Ar­beiterinnen aus den verschiedensten Berufszweigen, deren Die Darlehen für Arbeitslosenversicherung im englischen Tätigkeit soviel Fingerfertigkeit erfordert, daß sie nicht von Budget. Männern ausgeführt werden können.

1,8 Milliarden!

Das englische Arbeitsministerium teilt in einer Denkschrift mit, Wie Präsident Löbe am Donnerstag im Reichstag auf daß die Regierung das Parlament um die Bewilligung von Anfrage erklärte, haben alle nationalsozialisti 20 Millionen Pfund Sterling für die Kasse der Arbeitslosenversiche­schen Abgeordneten, rante wie Gesunde, am rung ersuchen werde. Dadurd) erhöht sich der Gesamt­1. Februar ihre Diäten für den ganzen betrag der Arbeitslosendarlehen auf 90 millionen Pfund Monat erhoben. Es stehe also tein roter Sterling oder rund 1,8 Millarden Mark.

Von den 570 000 Frauen sind allein 289 000 in der Textil­industrie, im Bekleidungsgewerbe und im Nahrungs- und Ge nußmittelgewerbe tätig. Sie stellen Kleidung und Nahrung her und arbeiten also in uralten Domänen der Frauenarbeit, die heute aus dem Haushalt heraus in die Industrie verlegt find. Die Zahl der Männer, die mit der Herstellung von