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Wirtschaftskrise und Sozialismus.

Reichstagsrede des Genoffen Fritz Tarnow .

Im Reichstag verwies zu Beginn der gestrigen Donnerstag| trag auf Kündigung der deutschen Mitgliedschaft im Bölterbund.| Mal zu finden ist. Das gesamte Nationaleinfommen war 1925 noch fizung Abg. Dr. Weber( Staatsp.) auf die Aeußerung des Abg. Dieser Antrag wird gegen die Kommunisten und das Landpolk Graf Westarp, daß diejenigen Abgeordneten, die an den Sigungen abgelehnt. nicht mehr teilnehmen, ihren Pflichten als Abgeordnete nicht mehr nachfommen. Nach der Geschäftsordnung sind die Reichstags­mitglieder verpflichtet, an den Arbeiten des Reichstags teilzunehmen.

Damit ist der Etat des Auswärtigen Amts in zweiter Beratung erledigt. Es folgt der

Urlaub auf unbeſtimmte Zeit fann überhaupt nicht erteilt werden. Haushalt des Reichswirtschaftsministeriums.

Wir fragen den Präsidenten, ob die jest fernbleibenden Abgeordneten um Urlaub nachgesucht haben. Falls nicht, bitten wir, die Sache in einer der nächsten Sizungen des Aeltestenrats zur Sprache zu bringen.

Abg. Aufhäuser( Soz.):

Wir haben immer Wert darauf gelegt, daß alles vermieden merde, was geeignet ist, die Not der Erwerbslosen zu irgendwelchen cgitatorischen Zwecken zu mißbrauchen.( Unruhe der Kommunisten.) Aus diesem Grunde frage ich als Mitglied des Sozialpolitischen Aus­schusses, ob und wann ein Schreiben des Abg. Dr. Frick eingegangen ift, und welche Summen er für die Erwerbslosen zur Verfügung stellen will. Präsident Löbe:

Urlaubsgesuche sind von den Herren, die an unseren Arbeiten nicht mehr teilnehmen, nicht eingegangen.( Hört! Hört!) Aber daß Abgeordnete längere Zeit nicht an den Sizungen teilnehmen, ist feine neue Erscheinung. Ich erinnere nur daran, daß der

Abg. Ludendorff lange Zeit, vielleicht Jahre hindurch), an unseren Sihungen nicht teilgenommen hat, und daß auch die Abg. Frau Zeffin durch Krankheit und politische Aufträge in Rußland sehr lange an der Mitarbeit verhindert war;

allerdings hat sie stets ordnungsgemäß Urlaubsgesuche von dort aus eingereicht. Wenn Dr. Weber darauf besteht, fönnen wir die Frage im Aeltestenrat behandeln, nach der Geschäftsordnung und der Ver­fassung sehe ich allerdings nicht, daß irgendwelche Maßnahmen er= lassen werden könnten.

Dem Abg. Aufhäuser antworte ich, daß die Nationalsozialisten allerdings unter dem 10. Februar folgenden Antrag eingereicht haben: Die durch den Verzicht der nationalen Oppofition auf Teil nahme an den Parlamentssigungen ersparten Beträge an Diäten usw. sind restlos den Bedürftigsten unter den ausgesteuerten Er­ werbslosen zuzuführen."

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Alle nationalsozialistischen Abgeordneten, Kranke und Gesunde, haben jedoch am 1. Februar ihre Diäten für den ganzen Monat erhoben.( Hört! Hört! und Heilerfeit.) Es wird also feine Mark oder volkstümlich gesprochen, fein roter Pfennig durch diesen Verzicht zur Verfügung gestellt.( Lebhafte Heiterkeit.) Es folgt die Wahl des 1. Bizepräsidenten. Abg. Leicht( B. Bp.) schlägt den Abg. v. Kardorff vor. Abg. Rippel( Chr.- Soz.) bedauert das Ausscheiden der Rechten, auch deshalb, weil dadurch in den Ausschüssen Entscheidungen her­beigeführt werden, die den wirklichen Mehrheitsverhältnissen nicht entsprechen. Um nicht durch Wiederbesegung des Bizepräsidenten­postens die Spannung noch zu verschärfen, wird sich der Christlich­Soziale Volksdienst an der Wahl nicht beteiligen.

Präsident Löbe:

Die Wahl ist angelegt worden, meil Herr Stöhr in einem Schreben an mich faint Amt ausdrüdlich niedergelegt hat. Es wird Dielleicht noch eine weitere Wahl erforderlich werden, da auch ein anderer Bizepräsident an der Teilnahme Derhindert zu sein scheint.( Gemeint ist der deutschnationale Bizepräsident Graef.- Red.) 2bg. Stöder( Romum.) fchlägt feinen Parteigenossen Bied por. Wenn die Kommuniften auch als drittstärkste Partei den Anspruch auf einen Bizepräsidenten haben, erfenne man ihren Anspruch doch nicht an, die Sozialdemokraten wählten lieber einen Bertreter der Schwerindustrie. Abg. Däbrich( Landvolf): Durch den Auszug der Rechten find die Geschäfte so vereinfacht worden, daß die vorhandenen Bräsiden ten durchaus genügen. Wir beteiligen uns daher nicht an der Wahl.

Abg. Dittmann( Soz.):

In der 2. Sigung dieses Reichstags hat Abg. Lorgler für die Kommunisten erklärt: Bir denten gar nicht daran, irgendeine Loyalitätserklärung für die Geschäftsordnung abzugeben. Wir be finden uns in ftrittem Gegensatz zu den Nazis, die gestern in der Frationsführerbesprechung durch Frid und Stöhr ausdrücklich er­flärt haben, daß fie diese Geschäftsordnung mit allen ihren Strangu lierungsbestimmungen selbstverständlich respektieren."

Wenn die kommunistische Fraktion heute noch auf diesem Stand­punkt fteh:( Bustimmung der Kommunisten), fann fie nom Reichstag nicht verlangen, daß er ihren Vertreter zum Bize­präsidenten wählt.

( Lebhafter Widerspruch der Kommunisten.)

Abg. Dr. Dingelden( D. Bp.): Die Wahl scheint uns nicht un bedingt notwendig zu sein, da abar die Mehrheit des Weltestenrats fie beschlossen hat, legen wir allerdings Gewicht darauf, daß dieser Posten mit einem Mitglied einer bürgerlichen Fraktion besetzt wird. Abg. Dr. Mener Berlin( Staatsp.) stellt gegenüber dem Vor redner ausdrücklich fest, daß der Beschluß des Aeltestenrats ein­" immig gefaßt worden ist.

Gewählt wird durch Slimmzettelabgabe Abg. v. Kardorff( D. Bp.) mit 258 Stimmen. Bied( Komm.) erhält 56, 32 find leer, 1 lautet auf den Abg. Eisen­berger( Heiterkeit), 2 find ungültig und 4 Mitglieder haben sich der Gimmabgabe enthalten. Auf die Frage des Präsidenten erflärt Bizepräsident v. Kardorff( D. Bp.): Ich nehme die Wahl mit

Dant an.

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3u Schriftführern werden gewählt die Abgg. Nenses ( Zentrum) mit 262 und Schneider- Berlin( Staatsp.) mit 260 Stimmen. Auf die fommunistischen Kandidaten entfallen sechzig Stimmen, die übrigen sind zersplittert.

Es folgen die Abstimmungen zum Etat des Auswärtigen Amts. Auf Vorschlag des Ausschusses wird zunächst der Antrag Drewiz ( Wirtschaftsp.) angenommen, der die Veröffentlichung einer Dent­schrift über alle bisher. von Deutschland aufgebrachten Reparations­leistungen verlangt.

Der fommunistische Antrag auf sofortige Einstellung der Zah­Jungen aus dem Young- Plan wird in namentlicher Abstimmung mit 314 gegen 58 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Bleich­falls namentlich, und zwar mit 247 gegen 124 Stimmen bei 2 Ent­haltungen wird dann ein Antrag Döbrich( Landvolk) abgelehnt, wo. nach die im Young- Plan vorgesehenen Schuh- und Revisions­möglich fetten sofort angewendet werden sollen und darüber hinaus auf die völlige Beseitigung der untragbaren Reparations. laften hingemirft werden soll.

Auf Antrag Erfing( 3.) foll über alle Anträge der abwesenden Deutschynationalen und Nationalsozialisten zur Tagesordnung übergegangen werden. Die Abgg. Sepp( Landvolk) und Stöder( Komm.) widersprechen diesem Antrag. Gegen die Stimmen diefer Fraktionen wird Uebergang zur Tagesordnung über alle diese Anträge beschlossen. Eine Ausnahme bildet nur der An­

Stellvertretender Reichswirtschaftsminister Trendelenburg ergänzt feine Darlegungen über die Hilfsaktion für das Sieger land. Er spricht auch gegen die Zersplitterung in der Subventions­politit.

Abg. Tarnow( Goz.):

Lebensstandard an die bis zur Verfümmerung zurückgegangene Das Unternehmertum behauptet, das deutsche Volk müsse seinen Lebensgewohnheiten zurückschrauben. Mit ihrer ganzen Kraft hat Wirtschaft anpassen; wir müßten uns einschränken und unsere die Reichsregierung bei all ihren Versicherungen, die Kaufkraft des Volkes wieder herstellen zu wollen, sich auf die Löhne geworfen. In dieser Zeit ungeheurer Arbeitslosigkeit sind die Löhne sowieso gefährdet, die Reichsregierung hat aber noch ein übriges getan. Ein Preisabbau follte dem Lohnabbau folgen und auf diese Art schließe lich der Reallohn unvermindert erhalten bleiben.( Buruf rechts: Die Preise sind doch herunter gegangen!) Nur dort, wo sie auch ohne Einflußnahme der Regierung heruntergegangen wären. Gegen ernften Widerstand der Unternehmer hat die Regierung die Preise nicht herabdrüden fönnen.

Erst vor furzer Zeit hat sie die Preissenfung für Martenartikel angeordnet, die an den Anfang der Attion gehört hät'e. Das gleiche gilt von einer Einwirkung auf die Preispolitit der Schwerindustrie, von wo aus das ganze Preisniveau zu beeinflussen wäre. Der Er­folg dieser Regierungspolitik ist, daß die Löhne start gesenkt worden sind, die Preise aber nicht in gleichem Maße. Das hat nicht nur mit vollem Recht die Erbitterung der Arbeitermaffen hervorge rufen, sondern damit ist auch der Wirtschaft selbst ein Bärendienst erwiesen worden.

Wir fönnen aus der Wirtschaftskrise nicht herauskommen, wenn die Kauffraft der Massen nicht erhöht wird. ( Buruf der Wirtschaftspartei: Freie Wirtschaft!) Wir haben Beiten gehabt, in denen die Wirtschaft ohne alle Fesseln nach ihren eigenen Gefeßen handeln konnte. Die Konjuntiurforscher haben nachgewiesen, daß in dieser Zeit der Reallohn nicht gesunken, sondern gestiegen ist; damals ist bei Depressionen ein starker Preis­bruck, aber eine weniger starke Lohnfenfung eingetreten, so daß bei den Lohnempfängern eine Erhöhung der Kauftraft eingetre en ist. Es gibt feinen anderen Weg aus der Krise, als den Absah an die Produktionsmöglichkeiten heranzubringen. Dadurch aber, daß mit Unterſtügung der Regierung die Löhne so erheblich abgebaut worden sind, ist dieser Weg versperrt worden. Nun bleibt nur der Weg einer radikalen Herabsehung der Arbeitszeit. 5 Mil­lionen Arbeitslose liegen auf den Straßen. Sie wissen nicht, wann fie wieder in ein Arbeitsverhältnis zurüdtehren tönnen. Hundert. tausende und Millionen sind seit vielen Monaten aus dem Produk­tionsprozeß herausgeschleudert und haben

feine Hoffnung, in absehbarer Zeit wieder hineinzukommen, Es ist in hohem Maße ein seelisches Problem. Die Arbeitslosen gehen daran zugrunde.

Wenn mir früher oft hören mußten, die deutschen Arbeiber feien zu fauf zur Arbeit, so ermeist die gemalige Krise von heute diefen Vorwurf als Berleumdung.( Sehr wahr! linfs.) Die Arbei er wollen arbeiten, und man muß die Arbeitsmöglichkeit erweitern, Damit alle Arbeitslosen die Hoffnung haben tönnen, wieder Arbeit zu bekommen. Eine Vertürzung der Arbeitszeit ist nicht nur als Motmaßnahme, sondern als Dauerzustand unerläßlich.( Buruf der Komm.: Bei gleichzeitiger Erhöhung der Löhne!) Selbstverständ­lich soweit die Wirtschaft in der Lage ist, das zu tragen.( Auf Zurufe der Kommunisten:) Wir haben Ihre Anträge abgelehnt, Denn Sie glauben ja selbst nicht, daß durch die Annahme von An­trägen im Reichstag die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden

fann.

Jmmer wieder wird behauptet, daß die deutsche Wirtschaft durch zu hohe Seuern und Soziallaften erdroffelt werde. Die Wahr­heit ist ganz anders.

1925 hatten wir einen Aufstieg der deutschen Wirtschaft, wie er wahrscheinlich in der Geschichte der Boltswirtschaft nur diefes eine

unter 50 Milliarden, ist 1926 schon auf 56 Milliarden und 1929 auf über 70 Milliarden angewachsen. Der Produktionsinder ist von 1924 bis 1929 um 41 Broz. gestiegen, Diese Ausdehnung der deutschen Wirtschaft wäre nicht möglich gewesen, wenn aus dem Nationaleinfommen nicht eine außerordentlich starte Kapi albildung

für die Wirtschaft eingetreten wäre. Nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung ist die Kapitalinvesti ion in der deutschen Wirtschaft 1924/28 um 26,8 Milliarden für Neuanlagen, 26,2 Milliarden für Ersatzanlagen, 12,7 Milliarden für Vorräte und die Gesamtinvestition um 65,7 Milliarden gestiegen. Man be= hauptet, das sei die Wirkung unserer Auslandskredite, alles sei aufgebaut mit erborgtem Rapital und die Folge sei eine Schuld­frechtschaft gegenüber dem Auslande.

Die Zahlen aber beweisen, daß in dieser Periode die öffentlichen und privaten Auslandskredite insgesamt 27 Milliarden be­tragen, denen deutsche Guthaben im Auslande von 10 mil­liarden gegenüberstehen, so daß die effektiven Auslandsschulden 17 Milliarden betagen wobei die Milliarden, die aus Deutschland ausgezogen find, ohne sich bei uns abzumelden ( Heiterkeit), nicht eingerechnet sind.

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Die Kapitalbildung war also außerordentlich stark ein Beweis, daß es unserer Wirtschaft nicht schledyt gegangen ist. Daraus ziehen mir die Schlußfolgerung, daß die sozialen Forderungen der Ur­beiterschaft auf dem Boden dieser Wirtschaft durchgeführt werden fönnen. Nicht die natürliche Kraft der produttiven Wirtschaft hat versagt, sondern versagt hat die wirtschaftliche Ordnung, in der wir leben.( Sehr richtig! links.)

Biel mehr als bei früheren Krisen war es diesmal das tapita. listische Wirtschaftssystem, das die Krise herbeigeführt hat. Die Abgg. Stolper und Dingelden haben das vor einigen Tagen entschieden bestritten. Stolper hat gemeint, man fönne diese Schluß­folgerung nicht ziehen, weil das kapitalistische System nicht in der Lage gewesen wäre, nach seinen eigenen Gefeßen zu funttionieren, und zwar durch ausländische Bindungen, während Dingelden das gleiche meint, aber mit Bezug auf innere Lasten.

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Die völlig freie fapitalistische Wirtschaft existiert freilich nur noch in dem Gummistempel des Hansabundes, den er auf seine Kuverts aufdruckt, und worin er die Wiederherstellung der freien Wirtschaft fordert. Aber wer nun( zur Wirtschaftspartei) meint, daß nur dieser verruchte Marris nus die deutsche Wirtschaft fessele, der sieht doch ganz falsch.

Wenn die alte Wirtschaftsfreiheit verloren gegangen ist, dann ist das eine natürliche Folge der Entwicklung der fapi.alistischen Wirtschaft.

Die gewiß nicht marristische Weltwirtschaftskonferenz in Genf hat festgestellt, daß gewiffe Strutturänderungen in der Bolkswirtschaft zwar durch den Krieg beschleunigt worden sind, aber schon vor dem Kriege vorhanden waren und sich auch ohne den Krieg durch­gesetzt hätten. Das sind

die monopolistischen Tendenzen in der tapitalistischen Wirtschaft, die niemand zurüddrängen kann, weil sie aus dem System felbst entstehen.

Diese Entwicklung hat die schwere Unordnung in die einzelnen Volkswirtschaften hineingebracht. Die letztere ist durch eine Kette Don Preisrevolutionen auf allen Gebieten, besonders bei den Roh­stoffen und Lebensmitteln erschüttert worden. Innerhalb des legten Jahres ist der Baumwollpreis um 49 Prog, der Wolfpreis un 64 Broz, der für Jute um 39 Bros., für Weizen um 49 Broz, für Mais um 37 Broz: gestürzt. Baumwolle hat heute die Hälfte des Vorkriegspreises. Wolle zwei Drittel, Gummi ein Fünftel des Borfriegspreises.( Buruf äußerst links: Deshalb sind die Gummi­fnüppel so billig! Große Heiterteit.) Diese

plötzlichen und radikalen Revolutionen auf dem Wellmarkt wären nicht möglich gewesen ohue die monopolistischen Ten­denzen und können auch durch deren Preisstüßungen nicht verhindert werden.

In Deutschland ist allerdings eine Preisrevolution durch die Mono­pole perhindert worden, die die Preise aufrecht halten fonnten. Das ist aber auch wieder eine Störung im Kreislauf der Wirt schaft, die durch eine entschiedene und aktive Wirtschaftspolitik bes Staates hätte verhindert werden können.

Wir beantragen die Einführung eines Monopol- und Kartell­gefeges, das eine der wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftspoliti fein muß. Solange die Meinung aufrecht erhalten werden konnte, als ob die Wirtschaft von Gesezen beherrscht würde, die für alle

So war's nicht gemeint! bar's nicht

SDAP

08.0

Kleinen de

DNYP

Was weint ihr Kleinen denn so?"

Wir haben den andern gesagt, daß wir nicht mehr mitfpleten,

und nun holen fie uns nicht wieder!"

-

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dosla