Morgenausgabe
Nr. 79
A 40
48.Jahrgang
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Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Dienstag
17. Februar 1931
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König Alfons' Verzweiflungsschritt Die Bundespräsidentenwahl.
Sanchez Guerra betraut.- Verhandlungen mit den Sozialisten im Gefängnis aufgeführt: das zeigt die Komödie, die sich rund um die Prä
Paris, 16. Februar.( Eigenbericht.)
Der König hat am Montag den liberalen Führer Sanchez Guerra mit der Regierungsbildung beauftragt Dieser erklärte sich, wie der„ Temps" berichtet, bereit, den Verfuch zur Bildung eines liberal- republikanischen Kabinetts zu unternehmen. Er habe jedoch die Bedingung gestellt, daß die unter feiner Regierung einzuberufende verfaffunggebende Nationalver. fammlung in voller Unabhängigkeit und Freiheit über die Zukunft Spaniens beschließen solle. Santiago Alba, dem der König zunächst die Regierungsbildung angetragen habe, habe mit der Begründung
denkbar, daß das spanische Bolt angesichts der moralischen Rapitulation des Königs sich bei freien Wahlen für die Erhaltung der Dynastie aussprechen wird. Die Errichtung der Republif in Spanien dürfte, falls die republikanischen Elemente feinen schwerwiegenden Fehler begehen, nur noch eine Frage von Monaten, vielleicht sogar nur von Tagen sein. König verzichtet sogar auf Ministereid!
In Desterreich wird das Satyrspiel auch vor der Tragödie fidentenwahl abgespielt hat. Wenn man davon gar nichts müßte als die Tatsache, daß die Wahl des Bundespräsidenten am 10. Februar 1931 für den 18. Oftober 1931 ausgeschrieben" murde, also auf mehr als acht Monate, so hätte man schon eine Ahnung von den Torheiten, die da in Szene gehen. Ist jemals in der Welt eine Wahl so bestimmt worden, daß sie erst acht Monate nach ihrer Anordnung zu geschehen hat? Daß das ausgerechnet bei der Wahl des Bundes präsidenten geschieht, fann seinen Grund natürlich nur in Ungefeßlich feiten haben.
abgesagt, daß er außerhalb der Krise bleiben" wolle. Die Nachricht meldet, hatte sich der König Sanchez Guerra gegenüber teinen besonderen Bundespräsidenten. Seinerzeit war der
von der Beauftragung Guerras , so meldet der„ Temps" weiter aus Madrid , hat zwar niemanden überrascht, da sich die Bildung eines Sabinetts zur Verteidigung der Krone als unmöglich herausgestellt hat. Schon jetzt aber habe die sozialistische Partei und ein großer Teil der republikanischen Parteien ihre Mitarbeit an der neuen Regierung versagt. Ob es daher gelingen werde, die Monarchie unter dem Schuh- und Deckmantel eines republikanischen Kabinetts zu reffen, müsse abgewartet werden.
Guerra soll die Vizepräsidentschaft in der neuen Regierung dem bekannten liberalen Bolitiker Alvarez angeboten haben. Er soll ferner die Absicht haben, mit dem Republikaner Lerroug zu verhandeln, der sich seit dem Aufstand von Jaca in Spanien verborgen gehalten hatte. Untlar ist zunächst jedoch vor allem noch, wie sich die Armee und die politischen Generäle, die sonst immer im Border grund der politischen Bühne standen, verhalten werden.
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Wie verzweifelt muß die Lage des Königs Alfons fein, wenn er gerade den Mann mit der Kabinettsbildung betraut, der in den Augen der spanischen Monarchisten der typische Renegat ist! Sanchez Guerra war der Führer des mißglückten Putsches von Valencia , der Anfang 1929 gegen die Diftaturregierung Primo de Riveras unternommen wurde. Man internierte ihn damals zehn Monate lang auf einem Kriegsschiff und stellte ihn dann vor ein Kriegsgericht. Doch wurde er glänzend freigesprochen, weil er beweisen konnte, daß, nachdem der König selbst die Verfassung außer Kraft gesetzt und gebrochen hatte, Auflehnungen gegen den König nicht mehr als Hochverrat bezeichnet werden tönnten.
Seitdem war Sanchez Guerra , einstmals der Führer der tönigstreuen Ronservativen, einer der Köpfe der republitanischen Bewegung geworden. Nach dem Sturz Primos sprach er in öffentlichen Bersammlungen für die Republik , die er als einzige wirklich nationale Lösung aus der durch die Schuld des Königs entstandenen Krise bezeichnete. An der republikanischen Erhebung vom vergangenen Dezember scheint er zwar nicht aktiv mitgewirkt zu haben, aber seine Sympathien waren zweifellos auf der Seite der Aufständischen. Er wurde der Führer jener Partei der Ronstitutionalisten", bie, ebenso wie die Sozialisten und die bürgerlichen Republitaner, gewöhnliche Parlamentsmahlen zu boyfottieren beschloß. Wahlen hätten nur dann einen Wert, wenn sie über die zufünftige Staatsform entscheiden
damit
republikanischen Führer als Minister keinen Eid auf den König ablegen!
Guerra oder Alvarez?
Ueber den Stand der spanischen Kabinettskrise berichtet 5 a vas aus Madrid : Heute abend herrscht der Eindrud vor, daß die
Sozialisten nicht geneigt sind, sich an einer Regierung
Sanchez Guerra zu beteiligen. Wenn Sanchez Guerra es unter diesen Umständen nicht gelingen sollte, die Regierung zu bilden, würde wahrscheinlich Melquiades Alvarez mit der Kabinetts bildung beauftragt werden. Da Alvarez dem äußersten linten Flügel der Konstitutionalisten angehört, erwartet man, daß es ihm leichter fallen wird, die Beteiligung der Sozialisten und Republitaner an der Regierung zu erreichen.
Daß sich Sanchez Guerra der Schwierigkeit seiner Aufgabe bemußt ist, geht aus einer weiteren Erflärung hervor, die er heute nachmittag abgegeben hat. Er antwortete auf die von Journalisten an ihn gestellte Frage, ob alles gut gehe: ,, Nein, es geht nicht alles fo wie ich es wünsche. Das Interessanteste fehlt mir." ( Gemeint find offenbar die Sozialisten. Red.)
Sanchez Guerra verhandelt heute weiter.
TU. Madrid, 16. Februar. Sanchez Guerra hat dem König am Montag mitgeteilt, er könne ihm an diesem Tage keine Ministerliste mehr vorlegen, da er 3u müde fei, um weiter zu verhandeln. Er wolle am Dienstag feine Unterredungen fortfehen, insbesondere wolle er nochmals versuchen, die im Gefängnis befindlichen republikanischen und sozialdemokratischen Politiker auf seine Seite zu bringen, ebenso wie den Republikaner Maranon umzustimmen. Der Republikanerführer Alcala 3amora hat aus dem Gefängnis heraus eine Note veröffentlicht, in der er die augenblickliche Krise als den ersten Sieg der Revolution bezeichnet und die Massen aufruft, durchzuhalten bis zum Endjieg, das heißt bis zur Errichtung der Republik , die in greifbare Nähe gerückt sei.
Erste Präsident der Nationalnersammlung mit der Tätigkeit eines Bundespräsidenten betraut. Erst die Verfassung von Oftober 1920 schuf das Amt des Bundespräsidenten , dent hauptsächlich nur Repräsentationspflichten oblagen. Die Verfassung stellte eben das Parlament in den Mittelpuntt: es fonnte sich nun selbst, durch Gesetz, auflösen, es fonnte nicht vertagt werden, und seine Sache war die Bildung der Regierung. Auf alle diese entscheidenden Elemente der Demokratie hatte der Bundespräsident feinen Einfluß. Damit in Uebereinstimmung ging auch die Wahl des Bundespräsi denten vor sich: er wurde von der Bundesversamm= lung( Nationlrat oder Bundesrat) gewählt. Für einen so fleinen und bescheidenen Staat, wie es Desterreich nun einmal ist, sicherlich die fachgemäße Wahl. Sie hat manchmal mehrere Wahlgänge beansprucht, ist aber immer, ohne irgendwelche Leidenschaften zu weden, an einem Tage zustande gebracht worden. Das letztemal im Dezember 1928, als der damalige christlichsoziale Nationalratspräsident Mitlas, allerdings mit einer sehr geringen Mehrheit, gewählt wurde. lang regiert hat, wollte schon damals diese höchste Stelle der Der ehrgeizige Prälat Seipel, der Desterreich jahreRepublik für sich, und wollte sie, damit sie seiner Herrschsucht genüge, erhöhen: also sollte der Bundespräsident nicht mehr in bescheidener Art, sondern wie der deutsche Reichs präsident vom ganzen Volf in unmittelbarer Wahl gewählt werden. Dazu sollte er macht bekommen, also mit dem Recht ausgestattet werden, den Nationalrat aufzulösen und die Bundesregierung einzusetzen. Er sollte Machtfaktor neben dem Parlament und gegen das Parlament sein. 1928 mißlang Seipels Plan; die Verfassungsreform von 1929 brachte ihm unter wesentlich veränderten Machtverhältnissen die Erfüllung seiner Wünsche. Danach wird die Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt und der Bundespräsident fann den Nationalrat auflösen( aber wie in Deutsch land nur einmal aus demselben Anlaß). Herr Miklas hat beibes schon getan. Man hat sich davon, daß die Regierung nicht mehr vom Nationalrat gewählt, vielmehr vom Bundes präsidenten ernannt wird, eine gewisse Stabilisierung der politischen Verhältnisse versprochen; wie diese Erwartung getrogen, hat die Einsetzung der Verfassungsbruchregierung Baugoin mit ihren zwei Heimwehrministern bewiesen und hat die Auflösung des Nationalrates dargetan, deren Grund" fein anderer gewesen ist, als daß die vom Bundespräsidenten eingesetzte Regierung im Parlament feine reform da, die die Volkswahl des Bundespräsidenten einführt, und war der Bundespräsident da, der nicht aus einer Wahl durch das Bundesvolt hervorgegangen, der noch von der Bundesversammlung erwählt worden ist. Wie sollte das vereint werden?
rönnten, das Bolt folle ſelbſt darüber entscheiden, ob es die Sieben Jahre Reichsbanner! Mehrheit gefunden hätte... Nun war aber die Berfaffungs
Republit schaffen oder die Monarchie beibehalten molle, das neue Parlament müsse vor allem die Aufgabe haben, Spanien eine neue Ronstitution zu geben.
Zunächst hat der König mit Hilfe feines getreuen General Berenguer versucht, mit den Mitteln der Zenjur die Boykottbewegung zu unterdrüden. Er erreichte damit nur eine neue revolutionäre Zuspigung und ließ in legter Stunde Beren guer fallen. Seine Hoffnung, eine neue monarchistische Regierung auf die Beine zu bringen mit etwas weniger reaktionären, aber doch fönigstreuen Elementen wie Romanones, scheiterte. Schließlich hat er sich an den Abtrünnigen der Monarchie, an Sanchez Guerra , wenden müssen. Eine schlimmere Demütigung für Alfons XIII . erscheint kaum denkbar. Der von ihm betraute Mann hat fofort mit den im Gefängnis fizenden Sozialisten und Republikanern, die am mißglückten Dezemberputsch teilgenommen haben, über deren Eintritt in das Kabinett ver handelt! Indessen haben die Gefangenen es abgelehnt, ihre Zelle mit Ministersesseln zu vertauschen, solange sie nach außen hin noch als Minister des Königs gelten würden. Sozialisten und Republikaner gehen jeßt aufs Ganze, fie find überzeugt, daß sie jetzt gewonnenes Spiel haben, nad dem die Volfsstimmung den König zu dem Verzweif fungsschritt der Berufung Sanchez Guerras gezwungen, hat.
In der Tat, es scheint, daß diefer Schritt zu spät erfolgt. Vielleicht hätte Alfons noch nor einem halben Jahr durch die Berufung seiner Gegner seinen Thron retten tönnen: eine solche Geste hätte ihm möglicherweise manche Sympathien erhalten, die er inzwischen verscherzt hat, und Wahlen zu einer nerfassunggebenden Rationalversammlung hätten dann noch eine monarchistische Mehrheit ergeben. Heute ist es foum|
Freitag: Sportpalaft.- Sonntag: Luftgarten.
Am kommenden Sonntag 15 Uhr wird der Bundesvorsitzende des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold, Genoffe Offo Hörfing, den appell über die Berliner Schuh- und Stammformationen des Reichsbanners des Gaues Berlin- Brandenburg abnehmen. Zwei Tage vorher, am Freitag, dem 20. Februar, 20 Uhr, veranstaltet der Gau eine großangelegte und gebung anläßlich des fiebenjährigen Bestehens der Republikanischen Schuhlruppe im Sportpalaff, bei der der Staatsminifter Grimme die Ansprache halten wird. Mit wirkende find ferner: Heinrich witte vom Staatsthealer, der Männerchor Fichte- Georginia 1879"( Mitglied des DASB.) unter der Leitung feines Dirigenten Wilhelm nöchel, und die vereinigten Spielmannszüge und Mufifchöte des Reichsbanners Eintrittskarten zum Preise von 1 m. find bei den Funktionären des Reichsbanners, in verschiedenen„ Borwärts"-Filialen und im Gaubüro, Sebastianstr. 37/38, erhältlich.
Lappopräsident in Finnland . Mit zwei Stimmen Mehrheit gewählt.
Helsingfors , 16. Februar.( Eigenbericht.) Im Berlauf der Reichspräsidentenwahl blieb der Kandidat der Cappolifte, Premierminister Svinhufvud im driffen Wahlgang Sieger. Svinhufvud wurde mit 151 gegen 149 Stimmen gewählt, die auf den von den Liberalen und Sozialisten unterstühlen kandidaten Stahlberg entfielen.
Das Ergebnis des zweiten Wahlganges war: Stohlberg 149. Svinhufvud 98 und Kallio 53 Stimmen.
Man tam zu dem Ausweg, dem alten Bundespräsidenten die neuen Funktionen zuzuweisen, ihm aber das Amt weder für die Zeit zu lassen, für die er gewählt war( das wäre bis 5. Dezember 1932), noch aber die Wahl des neuen Bundes präsidenten schon anzuberaumen. Man half sich damit, daß man bestimmte, die Ausschreibung der Wahl des neuen Bundespräsidenten habe ,, binnen zehn Wochen nach dem Zufammentreten des nächsten neugewählten Nationalrates zu erfolgen". Da der am 9. November 1930 gewählte National rat am 2. Dezember 1930 zusammengetreten ist, so waren die zehn Wochen am 10. Februar 1930 um. Die Ausschreibung der Wahl war aljo längst fällig. Aber es graut so ziem lich allen Menschen in Desterreich vor der ganz zwecklojen Behelligung mit dieser Wahl, zumal man im christlichsozialen Lager anscheinend ernstlich daran denkt, Herrn Millas dem Dr. Seipel zum Opfer zu bringen, dieser zurzeit aber frank und auf Urlaub in der Schweiz ist. Also wollte man um feinen Preis gegenwärtig wählen. Da aber die Verfassung die Ausschreibung vorschreibt, hat die Regierung zu dem wahrhaft grotesten Ausweg gegriffen, die Wahl zwar am 10. Februar auszuschreiben, den Wahltag aber für den 18 Oktober festzusetzen, wobei noch eine befondere Burleske unterlaufen ist. So ist das Gesetz über das Verfahren bei dieser Wahl noch nicht erlaffen, also die Regierung noch gar nicht ermächtigt, den Wahltag festzusetzen!
Natürlich wird man mit einer Wahl nicht ans