Nr. 89 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 22. Februar 1931
Schicksalnes Tchlepparks
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Dieser Tage hat der Schloßpark Charlottenburg die Bezirksverordnetenversammlung beschäftigt. Der Schloßpark sollte als Freifläche ausgeroiesen werden. Der preußische Staat jedoch als Besitzer des Schlosses erhob Einspruch dagegen. Der Park stelle mertvolles Baugelände dar, abgesehen davon soll in diesem Park einmal der Erweiterungsbau für die Musikhochschule errichtet werden. Aber der preußische Staat hätte noch mit sich reden lassen, wenn Char lottenburg einen namhaften Zuschuß zu den Unterhaltungskosten des Schloßparks gezahlt hätte. Dazu hatte Charlotten burg aber kein Geld. So bleibt der Park, dem ein wechselvolles Schicksal beschieden mar, roeiter die verträumte Oase in dem brandenden Strubel der Großstadt.
Stadt ohne Privileg.
Charlottenburg , dessen Keimzelle das Schloß und sein Part mar, ist eine Stadt ohne Brivileg. Diese Urkunde ift fpurlos verschwunden, ebenso wie alle Dokumente des Dorfes Cühow. Liebe, soviel weiß man nur, war zur Zeit Albrecht des Bären eine be
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den Prinzen, dessen Ehe ohnehin mit acht Kindern gesegnet war, nicht, ihr als König die Treue zu brechen, indem er sich im Mai 1787 in der Schloßkapelle zu Charlottenburg das Hoffräulein seiner Frau, Julie von Boß, heimlich zur linken Hand antrauen ließ, und als die Boß, acht Wochen, nachdem sie dem König einen Sohn geboren hatte, starb, ließ er sich im April 1790 zum zweiten Male eine Frau, jeßt die Gräfin von Dönhoff , zur Linken antrauen. Auch die Dönhoff gebar dem König einen Sohn, und als sie furze Zeit darauf in Ungnade fällt, beginnt die große Zeit der Wilhelmine Enfe, seit 1795 die Gräfin Lichtenau.
Einsam und versteckt steht an der Spreefeite des gewaltigen Schloßparts ein zierliches Teehaus. Die Fenster dieses Hauses, dessen untere Räume heute der Kastellan des Charlottenburger Schlosses bewohnt, sind dicht verhängt, und in die leichte Melancholie eines nebligen Februarmorgens mischt sich kein Hauch mehr von jenen Schäferstündchen. In diesem, von Geheimnissen umwitterten Teehause ließ ich Friedrich Wilhelm am 8. August 1781 unter fputhaften Zeremonien in die Sette der Rosenkreuzer auf nehmen. Hier inszenierten der General Bischoffswerder und der Minister Wöllner ihren fpiritistischen Unfug und ließen dem Kronprinzen die Geister Marc Aurels, Leibniz' und des Großen Kurfürsten erscheinen, und hier, in diesem abgelegenen Hause, tobte zwischen den Geisterbeschwörungen der Rosenkreuzer und den Schäferstündchen mit Wilhelmine jener dramatische Kampf um den
Einfluß der Favoritin Friedrich Wilhelms, den die Bischoffswerder und Wöllner zu ihren Gunsten entschieden, als der Hohenzollernprinz nahe daran war, spiritistischem Wahnsinn zu verfallen. Wil helmine wurde gezwungen, das Schloß zu verlassen und mit dem Kammerherrn des Prinzen als Madame Riz im ehelichen, aber niemals angetrauten Verhältnis zu leben.
Der Charlottenburger Bäckerfrieg.
Kaum ein Jahr später zieht Wilhelmine wieder in den Char lottenburger Schloßparf ein und sie ist viel zu schlau, um Friedrich Wilheim noch einmal bei seinem spintistischen Hokuspokus zu stören. Diese Geliebte eines Hohenzollernfönigs wird jetzt zur eigentlichen herrin des Schloßparts, gebiert fünf Kinder, von denen zwei am Leben bleiben und als Graf Alexander und Gräfin Marianne von der Mart das Zeitliche segnen, läßt sich den Kgl. Bauinspektor, dem Maurermeister, den Bauschreiber und den Gärtner fommen und ohrfeigt die vier Männer der Reihe nach, weil sie ihr achttausend Mauersteine um die Ecke gebracht haben sollen, reiit wie eine Kaiserin nach Neapel und erzwingt ihre Vorstellung am Berliner Hof, und ist am nächsten Tage in Charlottenburg drüben und zankt sich auf Berlinisch mit den Bäckern herum, weil das Brot tlietschig ist. Der erste Pfarrer Charlottenburgs, Dressel, schreibt über diese Frau in seinem Tagebuch:„ Sie läßt das Brot wiegen, erinnert die Polizei an ihre Pflicht, und wenn diese nach ihrer Meinung zu schläfrig ist, dann meldet sie es dem König, der starte Berordnungen deswegen ergehen läßt." Den Charlottenburger Bäckern zittern die Knie, wenn Wilhelmine in ihre Läden gerauscht tommt, und vom 15. April 1704 existiert eine Kabinettsordre an den Minister von Voß, es find abermals Klagen eingegangen über
31 Grubenopfer in Efchweiler
Eine Schlagwetterkatastrophe von ungeahnten Ausmaßen
Die Schlagwetterkatastrophe auf der Grube ,, Esch weiler Reserve", über die wir in der Abendausgabe berichteten, hat mehr Opfer gefordert, als zuerst angenommen wurde. Wie nunmehr feststeht, hat das Unglück 31 Zote gefordert. 30 Bergleute haben den Tod im Schacht gefunden, während ein Bergmann den schweren Verlegungen im Eschweiler Krankenhaus erlegen ist. Die Grubenverwaltung versichert, daß mit weiteren Toten im Schacht nicht mehr zu rechnen ist.
Der Entzündungsherd liegt in der Grube unterhalb der 600- Meter- Sohle im Revier 12. Die Explosion hatte eine solche Gewalt, daß auch noch in dem nebenan liegenden Revier 11 die dort beschäftigten Bergleute von dem gewaltigen Luftdruck meterweit fortgeschleudert wurden. Unter ihnen entstand eine Panik. Eine Gruppe von 29 Mann traf auf der Flucht auf die Nachschwaden der Explosion, wobei drei Leute auf der Strecke liegen blieben und den Tod fanden. Der Begrenzung der Explosion kam der Umstand zugute, daß die Zeche sehr naß ist. Deswegen hatte man schon vor Jahren einmal diese wie die benachbarte Zeche Nordstern wegen Unwirtschaftlichkeit längere Zeit stillgelegt, da die notwendigen Pumparbeiten in keinem Verhältnis zum Förderergebnis standen.
fcheidene Siedlung mendischer Fischer, die ein Jahrhundert später ( 1239) mit jami den Nonnenwiesen in den Besitz des Spandauer Jungfrauentlofters überging. 1314 wurde es Dorf, aber die Lühower mußtent nach Bilmersdorf in die Kirche gehen. Trotzdem besaß Lützow eine respektable Feldmark, die nach Berlin hinüber bis an die heutige Lügomstraße reichte. Die Urfunden des Dorfes schlummerten im Klosterarchiv der Spandauer Nonnen, und als dieses Archiv ein Opfer der Reformationstriege wurde, wurden auch die Urkunden über Lützow in alle Winde verweht. Und was die Schwerter der Landsknechte übrig gelassen hatten, wurde 1708 ein Raub der Flammen. Lüzom wurde nicht wieder aufgebaut, 1720 wurde seine Feldmark dem neugegründeten Charlottenburg einverleibt. Damt erlischt Lühow endgültig in der Geschichte der Mart. • Um diese Zeit, genau am 5. April 1705, wird die Lehnskanzlei zu Cölln an der Spree angewiesen, Lützenburg ein Stadtprivilegium auszustellen und den Ort in Charlottenburg umzutaufen. Es ist heute nicht mehr zu sagen, welcher Cöllner Kanzlijt die Ausfertigung dieser bedeutsamen Urkunde immer wieder auf die lange Bank Die Opfer von„ Eschweiler Reserve" sind nunmehr alle geborgen. geschoben hat; 1711 mar fie noch nicht ausgestellt. 1712 erinnerte sich der inzwischen zum König Friedrich I. gewordene Kurfürst an Da von den vier Schmerverletzten inzwischen zwei geftorben sind, die Sache, noch zweimal mußte er mahnen, dann endlich erhielt find jetzt insgesamt 31 Tote zu beklagen. Zehn Bergleute sind gasCharlottenburg fein Stadtprivileg. Aber nur turze 28 Jahre fonnte vergiftet. Unter den Toten befindet sich ein Reviervorsteher, die es fich seiner Geburtsurfunde erfreuen, seit 1740 blieb das Charlot- anderen sind Bergknappen, größtenteils unter 30 Jahre alt. 23 der tenburger Stadtprivileg wieder spurbos verschwunden. Wer weiß, in dem Grubengebäude liegenden Toten konnten festgestellt werden. men diese Urkunde zeitlebens nicht ruhig schlafen ließ. Und wenn Die Sanitätsmannschaften des Eschweiler Bergwettsvereins betteten jemand heute auf den Gedanken fäme, das Stadtrecht Charlotten- am späten Nachmittag die Leichen der Berunglückten in schlichte burgs anzuzmeifeln, dann müßte er fich in das Berliner Stadtarchiv schwarze Särge, sodann murden die Leichen mit Lastwagen zu dem bemühen und hier die Aften der Alt- Cöllner Lehnskanzlei nady bei der Grube gelegenen Betriebsratszimmer gebracht, wo ihre schlagen, um zu sehen, daß ein Stadtprivileg für Charlottenburg Aufbahrung erfolgte. mirklich einmal ausgestellt worden ist.
Geheimnisse eines Teehauses.
Dreißig Jahre später, am 27. Januar 1770, beginnt eine Liebe lei zwischen dem nachmaligen Friedrich Wilhelm II. und dem Fräulein Wilhelmine Ente alias Gräfin Lichtenau zu spielen, für die den Rahmen abzugeben, dem Charlottenburger Schloßpart beschieden war. An diesem Abend rißt sich der Prinz eine Ader auf und schreibt mit seinem Blute der achtzehnjährigen Trompeters tochter Wilheimine ein ewiges Treugelöbnis auf und Wilhelmine besiegelt das Blatt ebenfalls mit ihrem eigenen Burte. Das hinderte
Die Bergung der Toten.
Einer der geretteten Bergleute
gab einen erschütternden Bericht vom Verlauf der Katastrophe. Er erzählte, wie fich die Luft plötzlich seltsam veränderte, wie giftige Gase das Atmen zur Unmöglichkeit machten, und wie dann die Detonation erfolgte. Er habe die Müge vor den Mund gedrückt, um die giftige Luft abzuwehren Einer seiner Kameraden in unmittelbarer Nähe von ihm habe in hellen Flammen gestanden. Es fei zwar gelungen, das Feuer zu erstiden, aber die Haut habe' dem sei zwar gelungen, das Feuer zu erstiden, aber die Haut habe' dem Bergarbeiter von den Händen und von der Brust heruntergehangen, und die Nägel hätten sich von den Fingern gelöst. Biele Bergarbeiter
feien von den herabstürzenden Steinen verschüttet und getötet worden, andere wieder feien gasvergiftet tot zu Boden gesunken. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich außerordentlich schwierig. Die Rettungsmannschaften der Grube Eschweiler und der Grube Maria waren, mit Gasmasfen ausgerüstet, schnell zur Stelle, aber da der Schacht noch lange Zeit mit giftigen Gasen angefüllt mar, konnten die Leute nur langsam vordringen. Berge von Kohlen und Trümmerhausen versperrten den Weg. In den Nachbarrepieren wurden Tote und Berlegte nicht entdeckt. Später gelang es, durch einen Nebenstollen an den Katastrophenherd heranzukommen.
Im Hof des Verwaltungsgebäudes der Zeche kam es zu furchtbaren Szenen. Trotz strömenden Regens marteten die Angehörigen der Bergarbeiter während der Rettungsarbeiten auf die sichere Bollendung eines ungewissen Schicksals, das in 31 Fällen sich hoffnungslos gestalten sollte. Mit Leichentüchern umhüllt wurden die Opfer ans Tageslicht, das sie nicht mehr erblicken
sollten, befördert.
Alsdorf lebt noch in frischeſter Erinnerung. Alsdorf liegt in der Ueber dem Land liegt Trauerstimmung. Die Katastrophe von Nähe, in der Nähe liegen auch die tieferen Ursachen der neuen Katastrophe. Gewerkschaftskreise weisen auf die allgemeinen Mißstände im Bergbau hin, die durch die Untersuchungsergebnisse der letzten Bergbaufatastrophen grell beleuchtet worden seien. Der Deutsche Bergarbeiterverband beruft sich insbesondere auf die bei seiner letzten Reichskonferenz erhobenen Forderungen.
Die Grube, Eschweiler Reserve".
Die Grube ,, Eschweiler Reserve gehört dem Eschweiler Bergmertsperein. Sie hat 1930 etma 580 000 Tonnen ge eine sogenannte nasse 3e che. Der Umfang der Förderung auf fördert und eine Belegschaft von rund 1800 Mann gehabt. Es ist der 490- Meter- Sohle geht nach und nach zurüd, während die 600Meter- Sohle im Augenblick der Mittelpunkt des Betriebes ist und
dort eine Steigerung der Förderung vorbereitet wird. Die Zeche ist mit neuartigen Maschinen, mit Kettenschlänmaschinen mit Auslegern versehen; die Maschinenanlage fand noch in den letzten Tagen durch Aufstellung eines Elettroturbokompressors eine großzügige Erweiterung. Mit der Zeche verbunden ist eine große Kohlendestillation mit einer Rofserzeugung von etwa 300 000 Tonnen, 8000 Tonnen Teer in der Destillation Rohbenzol gewonnen. Die Belegschaft dieser und 3½ Tonnen schwefelsaurem Ammoniat jährlich. Außerdem wird Destillation beträgt 300 Mann.
Wie die Grubenverwaltung mitteilt, wird die Beerdigung voraussichtlich am Dienstagvormittag stattfinden. Vorläufig tit geplant, in der Zeche eine Trauerfeier abzuhalten, worauf dann die Särge den früheren Wohngemeinden der Toten zugeführt werden, wo die Beisetzung stattfinden wird.
Die tödlich Berunglüdten stammen hauptsächlich aus Eschmeiler und Rothberg. Die Grubenkommission ist bereits in den Mittagsstunden zur Feststellung der Ursache des Unglücks eingefahren, hat aber das Ergebnis der Untersuchung noch nicht be famigegeben. Am Sonntagvormittag findet eine neue Sigang flat,