die Charlottenburger Bäder, daß sie nicht das Brot das gehörige Gewicht geben, nicht gehörig ausbacken, und daß sogar Leute dadurch starben". Und der biedere Bäcker Beerbaum muß wegen seines Klietsches, den er verkauft, tatsächlich auf acht Tage nach Spandau ins Gefängnis wandern. Dem Pfarrer Dressel macht fie eine tolle Szene, weil er einer armen Frau, die sich aufs Sterbebett gelegt hatte, das Abendmahl nur gegen vorherige Bezahlung gewähren wollte; so ist diese Frau, die sich wiederum an jedem Morgen ausrechnet, wieviel Taler ihr die Liebesnacht mit ihrem föniglichen Gönner gebracht hat. Als sie 1797 vom Todeslager Friedrich Wilhelm II. weg verhaftet wird, befigt fie 800 000 holländische Gulden, 300 000 Taler in englischen Pfundnoten, 300 000 Taler auf der Hamburger Bant, 300 000 Taler in Juwelen, 40 000 Taler in bar, 30 Zentner Silberzeug und den 200 000 Taler schweren Solitärring ihres Geliebten, den dieser einst von der Kaiserin von Rußland geschenkt erhalten hatte. Dazu Schlösser, Güter, Häuser, u. a. das Niederländische Palais Unter den Linden, alles von den Steuergroschen der preußischen Untertanen bezahlt.
Sonst liegen Schloffer immer in den dazugehörenden Gärten, in Charlottenburg schließt sich der Park dem langgestreckten Schloßbau an. Fast einen Kilometer geht der Schloßpart in die Tiefe, an der schmalsten Stelle ist er über 500 Meter breit. Nach dem Often zu bildet die Spree, hier in ein schmales Bett eingeengt, die natürliche Grenze; westlich beschließen den Part jeßt das Augusteittoria- Haus für Säuglingspflege( einen anderen Namen hat man noch nicht gefunden!), das städtische Bürgerhaus und andere Baulichheiten der Stadt. Von der Rückfront des Schlosses führt eine breite Terrasse einige Stufen hinunter zum Part. Ursprünglich mohl nach englischem Muster mit großen Freiflächen und verhältnis mäßig spärlichem Baumbestand angelegt, hat der Park inzwischen einige Baumgenerationen wachsen, blühen und vergehen sehen. Heute umfäumen mächtige Eichen die breiten Hauptalleen, die hauptsächlich in die Längsrichtung führen. Zahlreiches Buschwert steht am großen See, der viele schmale Ausläufer durch den Park entfendet, die aber immer wieder den Weg zum Muttergewässer zurückfindet. Buchsbaumheden stehen unter einigen Eiben, diefer in Deutschland fast ausgestorbenen Baumart. Aber so sehr
und mehr Maldcharakter annimmt: Immer wieder lassen Alleen,
Unschuldig verurteilt.
Ein Polizeibeamter nach zehn Jahren freigesprochen.
Der jekt 22jährige S. bestätigte seine Aussage, die er bereits als 13jähriger über die Auffindung der Tasche gemacht hatte und das Gericht tam entgegen dem Antrage des Staatsnwalts zu einem Freispruch wegen ermiesener Unschuld.
Am dritten Weihnachtsfeiertag 1921 spielte der Polizeiunter-| dacht gekommen, ob sie nicht dieses Mal felbst das Geld verftedt wachtmeister Morig in einem Lokal an der Gozkowitybrüde habe. 20 Jahre jünger wie er habe sie ihn dreimal nerlassen und Klavier. Das Ehepaar Müller fand an dem jungen Mann sei schließlich nach Lille zurückgefehrt, wo er sie während des Krieges Gefallen, es lud ihn zu sich in die Wohnung ein. Am nächsten in der Etappe tennengelernt hatte. Morgen war eine Handtasche der Frau Müller mit 14 000 Mart Inhalt verschwunden. Niemand anderes als der Polizeiunterwachtmeister fonnte es an sich genommen haben. Frau Müller erstattete Strafanzeige, Moritz wurde vernommen und beteuerte auf dem Rückwege vom Polizeipräsidium nach Hause seiner Mutter gegenüber unter Tränen seine Unschuld. Die alte Frau unternahm auf eigene Fust Ermittlungen über den Laumund der Frau Müller; er erwies sich als nicht gut. Frau Moriz war gerade dabei, im Polizeirevier Klopstockstraße das Ergebnis ihrer erklärte, die Tasche mit dem Gelde habe sich vor ihrer Recherchen zu Protokoll zu geben, als Frau Müller erschien und
Oeffentliche Frauenversammlungen
109. Abt. Friedrichshagen . Montag, den 23. Februar, 20 Uhr, im großen Saal des Restaurants Stadttheater. Genossin Paula Kurgas spricht über Die Frau im dritten Reich". 2. Kreis Tiergarten. Dienstag, den 24. Februar, 191 Uhr, in den Arminiushallen, Bremer Str. 62. Genessin Mathilde Wurm , M. d. R., spricht über Die Gefahren eines neuen Krieges.
7. Kreis Charlottenburg . Donnerstag, den 26. Februar, 19 Uhr, im Türkischen Zelt", Berliner Straße. Genossin Mathilde Wurm , M.d. R., spricht über Die Frau im dritten Reich". Frauen, erscheint in Massen!
Wohnungstür gefunden. Am Abend vorher habe jemand geläutet und im Briefkasten habe ein Bettel mit der Mitteilung gelegen, daß die Tasche sich anfinden würde.
auch der ehermals mehr auf Wiesenflächen angelegte Bart jetzt mehr laffen Wiesen Durchblick zum Schloß mit der schönen Patinatuppel frei. Etwas abseits steht das Mausoleum. In der gleichen Das Gericht erster Instanz nahm an, daß die Tasche mit dem Richtung, wie der Schloßbau verläuft, liegen die sehr langgestreckten, Gelde von Frau Moritz zurückgebracht worden fei. Es traute der niedrigen Gebäude der ehemaligen Orangerie und der Dienst- Frau Müller eine ähnliche Mystifikation nicht zu und verurteilte Gelde von Frau Moritz zurückgebracht worden sei. Es traute der wohnungen. Nach der Bartseite zu führt eine breite Allee an diesen den Polizeiunterwachtmeister zu se chs Monaten Gefängnis. Baulichkeiten vorbei. Sie ist zu einer Art Siegesallee für römische Die zweite Inftanz bestätigte das Urteil. Kaiser feligen Angedentens gemacht worden, indem man deren. Büften auf hohe Sockel dorthin stellte. Alte Gouvernanten zeigen fie zu nachmittäglicher Stunde noch heute ihren Pflegebefohlenen viele von denen aber, die, besonders im Sommer, den schönen schattigen Park als Erholungsstätte aufsuchen, fennen Tert und Weise leerer höfischer Phrasen und gehen achilos an Basen und Mausoleen vorüber.
Das übrige vom Charlottenburger Schloß ist schnell erzählt; es interessiert nicht weiter, welcher Potentat diesen Flügel anbauen ließ und welcher jenen, welcher Hohenzollernsproß einmal hier gehauft hat und zu welcher Zeit, der letzte war Kaiser Friedrich III.,. der achtundachtzig Tage von seiner neunundneunzigtägigen Regie rungszeit hier in diesem Schloß verbracht hat und nachdem er ge storben war, hat kein Hohenzoller mehr in Charlottenburg gewohnt. Berlassen dämmerten die weiten Hallen in die Jahrzehnte hinein, bis sie 1918 von den Schmerzensrufen zu Krüppeln gefchoffener Feldgrauer erfüllt wurden. Bis 1922 lagen diese bedauernswerten Männer hier und warteten auf die Prothesen, die man ihnen für ihre zerfetzten Knochen gab. Dann wurden die Krankenbetten aus dem Schloß heraus- und Klaviere hereingerollt, und wer jetzt im Bart lauscht, hört frommen Kirchengesang im Schloß ertönen. Die Staatliche Akademie für Kirchenmusik hat das Lazarett abgelöst und in das erste Stockwerk schleppen sich alte Mütter hinauf und fehen sich an die Freitische einer Mittelstandsküche. Unterdessen betteln die Stare im Part den spielenden Kindern ihr Frühstücks
brot ab.
Dr. Wilhelm Filchner zeigt seinen Tibetfilm„ Om mani padme hum nach neuer Bearbeitung in der Kamera Unter den Linden 14 an den Sonntagen 22. Februar, 1. und 8. März jeweils 11% Uhr als Morgenveranstaltung.
Schicksal
10]
de..
Luise sieht Maschken den Birkenweg hinaufkommen. Sein Motorrad ist grau von Staub.
,, Also der Boden ist nicht recht für meine 3wede geeignet", sagt die Frau vorsichtig. Immerhin: wenn er billig wäre... Aha, denkt Luise in die Stube hinein. Zum Fenster hinaus denkt sie lauter Fragen. Warum hat Schmiger eigentlich Maschten erwartet? Warum läuft Schmiger jetzt aufs Haus zu, rudernd mit den zu langen Armen, daß es fomisch aussieht?
Für ihn wäre der Boden natürlich auch von Wert, pariert
Andreas. Und was fie unter billig verstünde. Warum spricht Maschte aufgeregt auf Papendied ein, der inzwischen hinzugekommen ist? Warum läuft Papendied ins Haus und holt den dicken Lederband? Was ist denn bloß los? Tja, meint die Frau- sie hätte so an zehntausend Mart gedacht.
Es flopft. Schmizer. Ob er Herrn Korn- einen Augen
blid bloß
Andreas geht sofort. Draußen hört man Schmizer auf ihn einreden, leise, erregt, fehr lange. Immer mieder, fehr reinartig, ist ein furzes Wort dazwischen, grau flingt es, dunkel und rollend, Luise fann es nicht verstehen.
Als Andreas wieder eintritt, ist er ganz blaß. In seiner Kehle würgt es immerzu. Die Schläfenadern schlagen heftig. Schweiß ist auf seiner Stirn.
,, Alfo zehntausend", wiederholt die Frau. Für das Land?" fragt Andreas und tritt nahe ans Fenster. Alles in allem. Mit Gebäuden und Inventar." Andreas legt seine Hand auf Luises Schulter; die Hand zittert heftig. Die Frau beweist lang und breit, daß fie nicht mehr geben fann. Dann erhöht sie ihr Angebot auf elftaufend.
Bevor noch das Kammergericht endgültig über den Fall entschieden hatte, ergab sich aber ganz unerwartet ein neuer Umstand. Als nämlich der 12jährige Schüler S., der bei Frou Müller Boten gänge erledigte, von seinem Vater verprügelt wurde, weil er seine Einholepflichten vernachläffigt hatte, meinte die Mutter des Jungen zu ihrem Mann: Wegen dieser meineidigen Frau Müller verprügelst Du Deinen Jungen." Es stellte sich heraus, daß der Junge der Mutter eines Tages erzählt hatte,
er habe Anfang Januar in Gegenwart des Ehepaares Müller im Badezimmer hinter dem Waschfaß die Tasche mit dem Gelde gefunden.
Mädchen im Grunewald erschossen.
Liebestragödie oder Mord. Der Täter stellt sich selbst.
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Ein Verbrechen, in dem man den Abschluß einer Liebestragödie vermutet, hat sich am Sonnabend nachmiffag im Grunewald abgespielt.
In der Nähe des Pappelplates unweit des Bahnhofs Grunewald waren Arbeiter damit beschäftigt, einen Tennisplatz zu planieren. Gegen 4% Uhr sahen sie einen jungen Mann und ein Mädchen vom Bahnhof her kommen und den Weg einschlagen, der weiterhin nach Schildhorn führt. Das Paar verschwand in der Schonung. Einige Zeit danach hörten die Arbeiter auf dem Tennisplay plötzlich hintereinander zwei Schüsse fallen. Bald darauf eilte der junge Mann, den sie schon vorher gesehen hatten, aus der Schonung und lief in der Richtung nach der Auerbachstraße. Der Mann flüchtete nach dem toten Stadtbahngleis, stieg über einen, Zaun und verschwand. Ein Kriminalbeamter der Abteilung IA, der dort Dienst tat, eilte ihm nach, konnte ihn aber auch nicht erreichen. Auf dem kleinen freien Platz inmitten der Schonung fand man beim Nachsehen die Leiche des jungen Mädchens mit zwei Kopfschüssen. Wer die Erschossene ist, weiß man noch nicht, denn Papiere oder Ausweise konnten nicht bei ihr gefunden werden. Sie ist etwa 27 bis 30 Jahre alt, mittelgroß und trägt einen rotbraunen Topfhut, einen bläulichroten Mantel, ein dunkles Kleid, dunkle Strümpfe und schwarze Halbschuhe. Bei sich Kleinigkeiten enthält. hatte sie einen kleinen Stadtkoffer, der allerlei Photographien und
In später Abendstunde hat sich dann der Täter bei der Polizei in Potsdam selbst gestellt. Es ist der 32 Jahre alte Kaufmann Eugen Reiß, der in der Bergstr. 17 im Norden Berlins wohnt. Die Erschossene ist seine Braut, die 27 Jahre alte Charlotte Jatowski aus der Friedrich- Karl- Straße 25 in Wannsee . Reiz gab bei seiner Vernehmung an, daß das Mädchen die Absicht gehabt hätte, das Verhältnis mit ihm zu lösen. Am Sonnabendnachmittag traf sich das Paar zu einer Aussprache und fuhr in den Grunewald hinaus. Alle Versuche des Reiß, die Stimmung des Mädchens zu feinen Gunsten zu beeinflussen, schlugen fehl. Im Merger darüber griff er zur Waffe und strecte seine Braut durch zwei Schülfe nieder. Sich selbst zu töten, fehlte ihm der Mut. Er fuhr mit dem nächsten Zug vom Bahnhof Grunewald nach Potsdam hinaus und begab sich zum Bolizeipräsidium.
Frau M. sei darüber höchst erfreut gewefen und habe ihm befohlen, niemandem darüber etwas zu sagen. Anscheinend hat Frau M. am selben Tage, noch umgürtet mit der naisen Schürze, der Bo- Wichtige Tagesordnung im Stadtparlament. fizei die Wiederauffindung der Tasche in ganz anderer Weise dargestellt. Gestützt von dieser neuen Aussage versuchte die Mutter, ein Wiederaufnahmeverfahren durchzusetzen. Der Wiederaufnahmeantrag wurde sechsmal hintereinander abgelehnt. Das gegen den Ehemann Müller eröffnete Meineidsverfahren wurde eingestellt. Das Meineidsverfahren gegen Frau Müller konnte nicht durchgeführt werden; sie hatte Deutschland verlassen und war unauffindbar. Gerade dieser Umstand machte aber schließlich die Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens möglich: die Straf tammer nahm an, daß sie einen Meineid geleistet habe und gab dem Wiederaufnahmeverfahren statt.
Die Verhndlung gestaltete sich für den Angeklagten äußerst günstig. Der Ehemann Müller schilderte seine Frau von der schlimmsten Seite. Sie habe ihm immer wieder Geld gestohlen, habe auch mehr als einmal ihre Tasche versteckt und es sei ihm nach dem Berschwinden der Tasche sofort der Ver
Nein", sagt Andreas, nicht sehr fest.
Sie klettert langsam, sehr langsam mit ihrem Angebot hinauf, immer zögernder. Andreas Korns Absagen werden immer fester; seine Hand flammert Luifens Schulter fast schmerzhaft ein.
Fünfzehntausend." Nein.
Die Frau steht auf. eigentlich verkaufen?"
Für wieviel wollen Sie denn
Andreas atmet sehr tief. Blickt fest auf sein Land, auf feinen Sand, dem ein fremder Pflug eine Wunde schlug, tie und lang. Er tastet die Wunde mit dem Auge ab bis ans Ende. Dann wendet er sich um:„ Es tut mir leid, daß ich Sie herbemüht habe. Ich verkaufe nicht."
Luise hebt entsetzt die Hand, Andreas drückt sie herunter, fast brutal. Die Frau geht. In Luisens Ohren lärmt es: das muß das fremde, graue Wort sein, das ihren Mann betörte. Zwischen hinein hallt seine Stimme: Also noch einmal, lieber Gott . Laß es gut gehen, lieber Gott; laß es bloß gut gehen." was hat er nur getan... was hat er getan! Sie hats manchmal mit dem lieben Gott, er sonst nie.
Beide Hände legt er ihr auf die Schulter. Sei vernünftig, Frau. Maschte ist in ihr Dorf gefahren. Er hat gesehen, was fie dort anbaut. Sie sieht nicht so aus, als ob sie einen Boden kauft, der sich nicht für sie eignet. Sie ist reich geworden dort. Bielleicht werde ichs hier."
willst du denn schon wieder anbauen?"
Sie hat nur das Wort anbauen" verstanden. Was
Eine furze Weile ist Schmeigen. Man hört den Bagen der Fremden vom Hofe rollen. Mit tiefem Atemzug tut Andreas den letzten Schrift aus buntem Traum in neue Birf lichkeit. Dann fagt er das fremde, graue Wort und es ist gar nicht fremd, es war nur bisher so felten und so gleich gültig und ist nun mit einem so wichtig, darum rollt es fo: Spargel".
Saat.
-www
Es muß ein Fluch gekommen sein über die Luft vom Stubbenland: wie könnte fie sonst voller Sand sein? Immer ist Sand gewesen unter dem Heidekraut und unter dem Moos und unter den Stümpfen im Stubbenland, immer unter den Wäldern und Weilern und Wiesen der Mart, immer zwischen den Halmen und Kräutern der Aecker. Nie aber ist Sanb gewesen in der Luft, Sand, der in die Münder
Auf der Tagesordnung der nächsten Stadtverordnetenversammlung am fommenden Donnerstag, dem 26. Fe bruar 1931( Beginn der Beratungen um 16% Uhr), steht eine Reihe wichtiger Fragen zur Beschlußfassung. Un zweiter Steile erscheint die sozialdemokratische Anfrage wegen der Lieferung billiger Kartoffeln an Erwerbsloje. Boraussichtlich wird sich an die Beratung dieser Anfrage sofort die große Aussprache über die Massenkündigung von Angestellten der städtischen Verwaltung anschließen. Die diesbezüglichen Anträge, darunter zwei der fozialdemokratischen Fraktion, werden am fommenden Dienstag im Haushaltungsausschuß beraten werden, so daß das Plenum bereits am Donnerstag endgültig zu entscheiden haben wird. An die öffentliche Verhandlung wird sich eine nichtöffentliche Sihung anschließen, in der die Aufstellung dreier Magistratsschulräte behandelt werden soll.
weht und das Zahnfleisch bluten macht, Sand, der sich in die Augenwinkel verkriecht und die zarte Haut der Lider entzündet: Sand, der fliegt.
Seit sie im Stubbenland den Roggen und die Lupinen und die Kartoffeln zum letztenmal abgeerntet haben oder untergepflügt, seit sie Heidekraut und Moos und Stubben rupften und rodeten, seit sie halbmetertiefe Gräben auswarfen und halbmeterhohe Hügel schichteten im nackten Sand: seither ist der Fluch da. Die dünnen, zarten Pflänzchen, die sie in weitem Abstand in die Gräben stecken, fönnen den Sand nicht festhalten, der sich um sie türmt, der Wind kann sich nehmen, fo viel er will, und der Bind nimmt viel und spielt johlend mit weitwehenden, gelben Schwaden, selbstherrlich und selbstverständlich.
Manchmal fällt Regen, der dem Fluche wehrt; der Wind trocknet die Nässe und spielt weiter. Manchmal wächst Heide fraut zwischen den Gräben, das den Sand beschützt; die Menschen rupfen es fort. Sie müssen es ausrupfen der dünnen Stauden wegen, die sie pflanzen, sie fühlen nach den qualvollen Stunden der Feldarbeit ihre geröteten Augen und spülen ihre schmerzenden Gaumen, sie können dem Fluch nicht wehren, fie fönnen ihn nur erleiden. Er ist so alt, daß die Kiefern seinen Ursprung nicht wissen und die Birken nicht und nicht einmal der Sand; nur der Wind, welcher der älteste ist im Stubbenland, älter noch als Baum und Boden- nur der Wind weiß es vielleicht aus Borzeiten, als noch Wurzeln des Menschen Speise waren, wilde Rettiche und Möhrenund manchmal der untere Stengelteil einer Lilienpflanze.
Es war feine von den großblütigen Lilien, es war ihre armseligste Abart, sie trug minzige Blüten im Sommer, die man gar nicht sah, und schlichte rote Beeren im Herbst, und ihre Blätter waren nicht breit wie Schwerter, sondern fein verästelt wie Filigran; aber ihre Wurzeltrone lag eben so tief in der Erde wie die der anderen Lilien, so daß ihr Stengel eine handbreite Schicht durchstoßen mußte, ehe er das Licht fand und grün und schmal hineinschoß; im Dunkel der Erde aber war er weiß und zart von Fleisch und gut zu effen. Es war eine Lilie des Sandes, bescheiden bewandet und nüßlich beschaffen, und die Tieraugen des Menschen glommen auf, wenn er fie fand und feine großen, kräftigen Zähne zwang zu vorsichtig genießerischem Kauen- und eines Tages war fein Hirn reif dazu geworden, die Pflanze zu überlisten. ( Fortsegung folgt.)