(Beilage Montag, 23. Februar 1930
SprÄblMv StiäJauiQaßa da toy+umsG
Sie Solgardlflen des Jahres II Sie milifärifche Seite des 9£ebertismus
Di? groH« Französische Revolution ist ein geschichtliches Ereignis von so gewaltigen Maßen, daß sie immer wieder auch für das politische Leben der Gegenwart Vergleiche liefert. In sozialistisch und demokratisch gesinnten russischen Emigrantenkreisen geht der Streit darüber, ob die Bolschewisten eher mit den Jakobinern oder Bonaportisten aus eine Linie zu rücken seien, und selbst im Nazi- Lager beschimpfen die Anhänger Otto Straßers die chitler-Mannen als faule, kompromiMchttge Gironde und spielen sich selber als die „deutschen Jakobiner" aus. Mögen solche Vergleiche meist aus beiden Beinen hinken, so steht ez sachlich nicht viel besser mit dem Titel, den Antoine chadengu« einem soeben erschienenen Buche über Bewegungen und Begebenheiten der Jahre 1733 und 1734 gibt:«r nennt es„Lex Gardes Rougcs de TAn II*(Die Rotgardisten des Jahres II), und da ist denn doch allerhand schief Auch ist Hadengue keinesfalls ein freudiger Bejaher der Revolution, sondern ein über- angstlicher Bourgeois, kein Montagnard, sondern ein Feuillant, aber sondert man die Spreu seiner reichlich reaktionären Meinungen von dem Weizen der historischen Tatsachen, die dos Wert mit dem Unter- titel „Die Revolutionswehr und die häbertisiische Partei" beibringt, so rundet sich seine Darstellung zu dem lebeirdigen Bill) einer denkwürdigen Episode der Zeit, in der„Köpfe rollten". Da 1733 die junge französische Republik gegen halb Europa um ihr Lebeil kämpfte und C a r n o t s Mastenaufgebot vierzehn Armeen, insgesamt über eine Million Streiter, an di« Grenzen warf, regte sid> bei manchen Revolutionären die Befürchtung, daß das Innere von zuoerläfstger bewaffneter Macht zu entblößt fei. Schon am 4. April des Jahres Ichlug Danton Schaffung einer von der Nation de- soldeten Volkswehr vor, mn ,chie Aristokraten im Lande unter di« Pike der Sansculotten zu stellen", und Anfang Mai trat R o b e s- pierre bei den Jakobinern für Organisation einer Revolutions- truppe ein, die dafür zu sorgen habe, daß Paris „die Zitadelle der Freiheit* bleibe. Als dann am 2. Juni der Aufstand der Straße die Gironde zerschmetterte, beschloh der revolutionäre Generolrot der Kommune die unverzügliche Aufstellung einer Revolutionswehr. deren Stärke der N�tionalkonvent zwei Tage später aus sechsiausead Mann festsetzte. Aber jener Beschluß blieb wie dieses Dekret vorder- Hand totes Papier. Aus anderer Ecke drängten die Kräfte, die schließlich die Bildung der.Iieoolutionären Armee* erzwangen. Da der Hauptfeind, Eng- land, die Blockade über die Küsten Frankreichs verhängt hatte, glich die Republik einer von allen Seiten eingeschlostenen Festung, und der.. Mangel an allem, was des Lebens Nahrung und Notdurft an- ging, ward jeden Tag empsindlicher. Folgen: Zurückhaltung der Waren, Schlangen an den Geschäften, Schleichhandel, Wucherpreise, steigende Unzufriedenheit der Massen. Difste Stimmung beutete geschickt eine Gruppe auf dem linken Flügel der Revolution aus, als deren lvorkführer Zacgues-Rent hebert auftrat: in seinem Blatt„Der Vater Duchesne* hetzt« er Tag für Tag im Ton der Gosse die dumpfen Instinkte derer, die hungerten und ftoren, auf, ober deshalb war er alles andere als ein Sozialist. hinter seiner Stirn lebte kein Funk« Verständnis für Ziel und Richtung der wirtschaftlichen Entwicklung, und an einen neuen Bau der sozialen Ordnung auf Grund der Vergesellschaftung der Pro- duktionsmittcl dacht« er nicht im Traum: all sein rüdes Getobe gegen di« Geldmenschen stand aus der Erkenntnishöhe eines nationalsozia- listrschen Stammlischbruders, der sich gegen die Warenhäuser aus- rülpst: sein„Sozialismus* erschöpft« sich darin, daß man die Reichen ausspeien lasten müste, was sie zuviel hätten. Das Mittel: die Ge- wall, die Guillotine, die Reoolutionstruppe. Als dann am 5. September der drohende Aufmarsch der nach Brot schreienden Straße dem Konvent einen Schauder über den Rücken jagte, wurden nicht nur Höchstpreise und andere Zwangs- maßregeln zur Bekämpfung der Lebensmittelnot angenommen, son- dern auch die Formierung der Pariser „Revolutionären Armee" neuerdings beschlossen. Stärke: sechstausend Mann und zwölshundert Kanoniere. Entnahm man die Artillerie einfach der Nationalgarde und überwies man als Kavallerie sechs Schwadronen Dragoner , die das Departement Paris für das Feldheer aufgestellt hatte, der neuen Truppe, so ergänzte sich die Hauptmacht, die Infanterie, durch Freiwillige, die, angelockt durch den hohen Sold von vierzig Sous täglich, herzu- strömten. Die Truppe wurde uniformiert, bewaffnet, eingeteilt und kaserniert wie eine andere auch: sie wählte Unteroffiziere, Leutnants und Hauptleute aus ihren Reihen, während die höheren Führer, nachdem der Jakobinerkwb sie auf ihre republikanische Gesinnung hin berochen hatte, vom Wohlfahrtsausschuß bestallt wurden. An der Spitze dieser Streitmacht stand als Divisionsgeneral Charles-Philippe R o n s i n. der vor dem Bastillensturm als frucht- barer Stückeschreiber bekanntgeworden war. Intimus von Marat , große Kanone der Cordeliertwbs, im Frühjaf>r 1793 schon gegen die aufftändische Bendee verwandt, schien er zum mindesten, was die Zuverlässigkeit seines Republikanismus betraf, der geeignete Mann für seinen Posten. Bon den Brigadegeneralen hatte sich der ein«. Pierre-Mathieu P a r e i n, ehedem in der'Juristerei umgetan, der zweite, Seroais-Baudouin Boulanger. als Goldschmiedzeselle betätigt. Chef des Generalstabs war Guillaume-Antoine Gram- mont. ein früherer Schauspieler: er lenkte aller Augen auf sich, als er auf prächtigem Rappen die Eskorte, die Marie A n t o i n e t t e zum Schafott geleitete, theatralisch befehligte. Die Kavallerie kom- mandierte M a z u e l, ursprünglich Spitzenzeichner, dann als Tuilerien- stürmer vom 10. August 1792 in die militärische Laufbahn ge- schleudert, zuletzt Adjutant im Kriegsministerwm. Unter den niederen Offizieren befanden sich Schreiber. Kaufleute. Stallknechte, Schau- spieler, Schulmeister. Die Mannsd)aft zählte neben fanatisch überzeugten Sansculotten viele arme Teufel, die die Aussicht auf Unter- kunit. Verpflegung. Bekleidung und Besoldung zum Eintritt bewogen hatte: auch wüste Kerle fehlten nicht, die unter dem Deckmantel der Revolution Gewalttat und Räubereien begehen zu können hofften. Aber mit Nichten war, wie h a d e n g u.e fälschlich annimmt, die �Revolutionäre Armee" ein„Wertzeug der Sozialisierung*. Sie
war es so wenig, wie H6b ert, dessen Geist zum mindesten in ihren Führern lebte, als Sozialist gelten konnte: sie war lediglich ein Mittel zur Niederhallung der Gegenrevolutiou und zur Ausführung der Lebensmiktelbestimmuugen. In kleineren Abteilungen zerstreute sie sich bald in die Umgebung von Paris und begann Haussuchungen nach Getreide bei den Bauern, die sich gegen die Höchstpreise mit Händen und Füßen sträubten: auch legte sie bei des Royalismus verdächtigen Privatleuten die Hand auf gemünztes und ungemünztes Gold und Silber oder schickte lost- bares Kirchengerät zum Einschmelzen nach Paris , denn als erste Notwendigkeit stand über allem: den Verteidigungskrieg der Republik gegen ihre äußeren Feinde durchzuhauen. Bald entstanden, da der Akttonsradius der Pariser Truppen nur einige Meilen um die.Hauptstadt reichte, in der Provinz besondere„Re- voktztionswehren", eine von dreitausend Mann in Bordeaux , eine zweitausendköpfig« in Marseille , andere, unter den verschiedensten Bezeichnungen in den Departements Finistere , Rhüne, Loire , Ain, Jura, haute�Saöne, Jsere und anderwärts. Die Erfüllung ihrer Ausgabe, die sie immerhin das Privateigentum so antasten ließ, wie wir es unter dem Druck der Kriegsnot in Deutschland erlebt haben. beschwor viele Konflikte mit den besitzenden Bauern herauf, und dem Ausslug einer Sonntagsschule glichen die Streifzüge der Soldaten der Freiheit und Gleichheit keineswegs. Als Lyon , das sich unter der Bourbonenfahne gegen den Konvent empört hatte, kapitulierte, wurde R o n s i ii im November 1733 mit einem Teil der„Revolutio- nären Armee" hingeschickt, um unter den Gegenrevolutionären aus- zuräumen. Unter der politischen Verantwortung der Konvents- kommistäre Fauche und Collot d'herbois und unter dem Vorsitz des Generals P a r e i n verrichtete eine Milttärkommission furchtbare Blutarbeit: in zehn Wochen sprach sie 1607 Todesurteile aus: da die Guillotine nicht rasch genug funktionierte, wurden die Opfer dieses Terror? in der Ebene von Brotteaux durch Flinten- saloen, ja, durch Artilleriefeuer in Massen hingestreckt. Wo die„Revolutionswehr" mit Truppenteilen der regulären Armee zusammentraf, flackerte leicht Streit auf, denn die Front- soldaten sahen aus die anderen, deren Feldzüge in Haussuchungen und Konfiskationen bestanden, verächtlich als auf Drückeberger herab Das hinderte die Offiziere der hebertifttschen Truppe nicht, sich sehr zum Mißfallen der Bevölkerung in Paris geschniegelt und gebügell, betreßt und goldbestickt, schnurrbartzwirbelnd und säbelrastelnd zu spreizen und bei Wein und Weibern den feudalen Epaulettenträgern aus dem Bourbonenheer nachzueifern. Aber was Robcspierre weit stutziger machte, war das stete Drängen der hebertisten auf Vermehrung der Revolutionsgarde: der große Mißtrauische schrieb in
sein Notizheft:„Die Reoolutionswehr wird beun- r u h i g e n d", und der Wohlfahrtsausschuß, in dem der Advokat von Arras den Ton angab, erwog, daß„eine Revolutionswehr", wenn sich arglistig geschickte Chefs ihrer bemächtigten, eine Schreckens- macht werden könne, di« selbst gegen die Freiheit zu mißbrauchen wäre. Di« Besorgnis vor dem Aufkommen eines revolutionären Prätorlanertums bewog die Machthaber im Dezember 1733 zur Auflösung der De- partementsgarden, und auf die Pariser Truppe richteten sie ihr Augenmerk. Zwar konnte eine erste Verhaftung R o n s i n s, M a z u e l s und anderer Anhänger h ä b e r t s nicht ausrechterhallen werden, aber als die höbertisten gegen den Wohlfahrtsausschuß drohend auftragen, und es Robespierre kaum zweifelhaft er- schien, daß sie sich der„Revolutionswehr" als Waffe bedienen wollten, griff er unerbitttich zu. Neben R o n f i n und M a z u e l war dies- mal unter den Festgenommenen hebert selber, und das Revo- stitionstribunal arbeitete schnell. Aus Vorsicht verlegte man die„Revolutionäre Armee" aus Paris , eh« Fouquier-Tinville gegen ihre Generale die An- klage erhob, daß sie die Truppe zur Ausführung ihrer„schrecklichen Komplotte" benutzen wollten,„wenn, wie R o n s i n selbst bekundete. es ihnen gelungen wäre, sie von sechs- auf hunderttausend Mann zu bringen". Nach drei Tagen, am 24. März 1734, fiel das erwartete Todesurteil, hebert machte, im Gegensatz zu der Großmäuiigkeit und Rauhbauzigkeit seines Blattes, vor der Guillotine jämmerlich schlapp: Rons in aber trank eine Flasche Wein, aß eine Suppe und starb wie ein Stoiker. Der vorher schon abgehalfterte General- stabsches G r a m m o n t folgte ihnen drei Wochen später, und der General Boulanger mußte nach dem Sturz Robespierres cm 11. Thermidor„in den Sack niesen". Damals war die„Re- volutionswehr" bereits aus Beschluß des Wohlfahrtsausschusses ausgelöst, weil sie noch dem Wort Bareres„eine antidemokratische Ein- richtung* sei: gegen dieses Dekret hatte sie ebensowenig aufzubegehren gewagt wie gegen die Verhastung und Hinrichtung ihrer Führer. Von der Pariser Truppe war P a r c i n der einzige höhere Offizier, der der Guillotine entging. Der Mann der Massenexekutionen von Lyon bekam unter dem Direktorium durch Vermittlung F o u ch e s ein Polizeiämtchcn, unter dem Kaiserreich eine Pension und verblich als hochbetogter Greis unter dem Bürgerkönigtum eines friedlichen Todes. Noch besseres Los zog Simon-Camille D u s r e s s e, der, Schauspieler seines Zeichens, es durch persönliche Bravour zum Brigadegeneral gebracht hatte und als Befehlshaber der„Revolutions- wehr" des Norddepartements durch sein tolles Treiben weithin be- rüchtigt geworden war. Diesen wilden Terroristen, dessen Siegel- ring eine Guillotine zeigte, findet man später— o holdes Wunder! — in den Listen als Baron des Kaiserreichs, Kommandeur der Ehren- legion und sogar unter der Restauration als Ritter des Ordens vom heiligen Ludwig. Auch er starb uralt unter Louis Philippe . Hermann Wendel .
Sine&ahrl durch die Schweis Sin{Bilderbogen von Utax Marthel
Am vorigen Sonntag, erzählt« man in Zürich , kamen zwei Bürger von Bern mit einem großen Kranz nach dem Brenner und erregten einiges Aufsehen. Als man die Leute befragte, wer denn eigentlich begraben werden sollte, machten sie erstaunte Gesichter und sagten:„Ja, wißt ihr denn das nicht? Andreas hofer soll doch erschosten worden sein?" In Bern hörte ich eine bezeichnende Anekdote über die Zü- richer. Als höflicher Mensch lachte ich über die beiden Geschichten und suchte nach eigenem Urteil. Ich wußte schon, daß sich die Alpen nicht am Bodensee erheben und mit ihren Gletschern die Stadt Schofshausen bedrohen, ich wußte, die Gemse ist kein Haustier und der Jodler keine Nationalhymne, aber das wußte ich nicht, daß die Schweiz mit das ä l t e st e europäisch« I n d u st r i« l a n d ist. In Genf zum Beispiel wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ersten Uhren fabriziert. Die Seidenindustrie ist älter als die von Lyon , und die Baumwollindustrie ist so alt wie die engfische! Di« meisten Fremden kennen nur die Hotels mit der Fremdenindustrie, und die ist die sehr geschickte Mache wie wohl in allen mit Naturschönheiten ausgezeichneten Ländern. Der Weltkrieg hat auch die soziale Struktur der kleinen Republik sehr verändert, viele Städte und Dörfer haben sozialistische Mehrheiten, neue Industrien blühten aus, alte Industrien gingen ein. Aber bis in entlegene, versteinerte Bergdörfer kam die Idee des Sozialismus und fand Anhänger und Vorkämpfer. Die Arbeiterbewegung steht s« st g e s ch l o s s e n da. Die Kommunisten spielen eigentlich nur noch in Basel eine Rolle. Auch die alte, schöne Stadt Bern , die Bundeshauptstadt, hat ein« sozialistische Mehrheit, und ihre sichtbarste Manifestation ist wohl das großartige, schön gegliederte Verwaltungsgebäude der Unionsdruckerei, das auch die Gewerkschaften beher- bergt. Die Schweiz war das Land, auf dem sich jahrhundertelang die freiheitlichsten Zeitströmungen zusammenfanden und klärten, nationale und revolutionäre. Die Geschichte der europäischen Ar- beiterbewegung wäre ohne das Schweizer Asyl eine ganz andere geworden. Von der Schweiz aus wurden viele feudale und mon- orchistische Staaten unterminiert und in die Luft gesprengt. Die schweizerisch« Arbeiterbewegung ist tief verwurzelt und verfügt über die dichteste sozialistische Presse. Fast jeder Kanton hat eine eigene Arbeiterzeitung. Die Arbeiterbewegung begann vor rund fünfzig Jahren mit den ersten Gewerkschaften. Vor 100 Jahren noch stürmten die Weber von Ukter eine Fabrik, steckten sie in Brand und zer- trümmerten die neuen Maschinen, die ihnen das Brot schmäler niachten. Die Maschinen triumphierten, das Gesetz triumphierte, und viel« Maschinenstürmer wurden in Ketten gelegt und in die Zuchthäuser und Gefängnisse auf viel« Jahre oerschickt. 18Z8 wurde in der Schweiz die erste Gewerkschaft gegründet: der deutsch - schweizensche Typographenbund. Dieser Gewerkschaft gehörten auch die Druckereibesitzer an. Sie blieben nicht lange dabei. Im Kan- ton Glarus schlössen sich verschieden« Arbeitervereine im Jahr« 1864 zusammen und erzwangen den zwölfstündigen Normal-
a r b e i t s t a g. Das war ein großer Erfolg, denn in der Zürcher Baumwollindustrie waren damals auch zwölsjährige Kinder drei- zehn und noch mehr Stunden an den Maschinen beschäftigt. Die ersten Streiks setzten ein. Produktivgenossenschaften wurden ge- gründet. Der Boden für die moderne Arbeiterbewegung in der Schweiz war fundamentiert. Dieser kleine Rückblick ist notwendig, um di« Entwicklungs- höhe von heute klar einschätzen zu können. Den Ausstieg zeigt I neben der starken Genossenschaftsbewegung auch die schon erwähnte Berner Unionsdruckerei, die sich aus jämmerlichen Anfängen lzeraus zu dem besten Druckereiunternehmen der Schweizer Arbeiter entwickelt hat. Und den Geist dieses Unternehmens zeigt am besten die Tatsache, daß vor einigen Wochen aus den Ueber- schössen über 20 000 Fronken an di« arbeitslosen Ge- werkschaftler verteilt wurden. Die Schweizer Industrie ist in der Hauptsache«ine Berede- l u n g s i n d u st r i e. Di« Statistik sagt, daß auf 30 Franken Roh- stosfeinfuhr ISO Franken Veredelungsaussuhr kommen. Die Krise hat auch die Schweiz gestreist, aber was unsere sckiweizerischen Freunde unter Krise verstehen, sehen wir in Deutschland als gute Konjunktur an. Zürich hat 250 000 Einwohner und meldete am 31. Januar 1931 etwas über 6000 Arbeitslose. Eine kantonale Anleihe wurde in den letzten Tagen überzeichnet. Die Schweiz erstickt im Gold. Man erzählte, daß 400 Goldmillionen Mark deutsches Geld u n v e r z i n st in den Sd>weizer Banken liegen. Gold deutscher Kapitalisten, die der Septembererfolg der Nationalsozialisten kopfscheu gemacht hat. Bern , die alte Stadt, wird von der Aare mnschlossen, die ihr grünblaues Wasser von den Gletschern nach dem jungen Rhein hinunter wälzt. Bern könnt« auch irgendwo in Süddeutschland lieg««, vom Main aus bis an die Rhone zeigt sich ja dem aufmsrk- famen Betrachter ein in sich geschlossener Kulturkreis mit ähnlicher Vergangenheit und ähnlicher Struktur. Wir verlassen die hoch- gebaute Stadt und fahren mit Freunden an dem historischen Zimmer- wold vorbei nach dem Thuner See , an dem sich im vorigen Jahr die deutschen Roten Falken ihre Kinderrepublik ausbauten. Sie wenden dieses Jahr nicht mehr an den alten Platz zurückkönnen, die letzte Wahl ergab in der Stadt Thun eine bürgerliche Mehrheit von einer Stimme. Vor der Wahl hatten unsere Genossen die eine Stimme Mehrheit. Wir fahren und fahren, kommen durch viele Dörfer, von Obst- gärten umschlossen, und dann steigt im klaren Vorfrühlingstog das vergletscherte Wunder der Alpen auf: Jungfrau, Eiger , Mönch. Finsteraarhorn. In den Bergen und an den Schneehalden über den Tälern ist viel Betrieb, ober die Fremden wissen kaum, daß in den kleinen Städten und in den Dörfern sehr oft die Arbeiter die Macht haben oder mit einer und zwei Stimmen bei den letzten Wahlen unterlegen sind, um sich die Mehrhett bei der neuen Wahl zu holen. Die Schweiz ist ein föderalistischer Staat, die wich- ttgsten Gesetze werden in den Kantonen gemacht. Sie werden sehr