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SerZm sendet
wir geben im folgenden eine Unterredung mit t? e r. mann Keffer wieder, der für sein Hörspiel„S l r d h e n- mann" den Ehrenpreis der Reichs-Rundfunkgefellfchaft erhielt. Z r a g e:„Was hat Sie dazu gebracht, für den Rundfunk zu arbeiten? Befriedigt Sie die Resonanz, die Ihre Werke im Rund- funk gefunden l)aben?" HermannKesser:„Es ist für mich soziale Herzens- angelegenheit, meine Arbeiten vor einen breiten Kreis von Menschen zu bringen, die zum größten Teil außer dem Rundfunk sich keine Ausgaben für die Erweiterung und Verdeutlichung ihres Weltbildes leisten können. Viele Zuschriften aus allen Kreisen be- weisen mir immer wieder, wie hungrig die Menschen nach guter Zeitdarstellung sind, wie sie nach einer ausrichtigen Gestaltung der Gegenwart verlangen. Vor allem das Echo der Arbeiterpresse — und hier wieder in vorderster Reihe die Berliner Blätterl— bestätigen mir die Richitgkeit der von mir gewählten Formen. Es gibt immer noch(und gab vor allem) im Rundfunk r e i n t e ch n i s ch orientiert« Betriebsfunktionäre, di« da glaubten, mit den Rundfunk- apparaten würde sich die entsprechende künstlerische und geistige Sub- stanz für den Rundfunk ohne weiteres einstellen.(Es gab ja auch F i l m f a ch l e u t e, die sich einbildete», mit der Tonfilmapparatur würden fofort gute Tonfilmdramen kommen!) Man meinte, auf die Autoren verzichten zu können. Man wies ihnen eine untergeordnete Rolle an. Man wird aber niemals ohne Förderung der berufenen Schriftsteller(natürlich auch nicht ohne ihre wirtschaftliche Förde- rung!) Ausdrucksfor-men finden, die gesellschaftliche Aktualität, inten- five Wirkung und kulturelle Bedeutung in sich halten." Eine Frage nach der„Geräuschkulisse" beantwortet Her- mann Kesser sehr skeptisch; eher ablehnend:„Die Hörszenerie hat nur dann einen Sinn, wenn die Laute zum logischen organi- fchen Aufbau der Handlung gehören! Wenn sie die Aktion steigern und vorwärts treiben! Es ist lächerlich, wie es in vielen Tonfilmen geschieht, wenn Geräusche reproduziert werden, die völlig belanglos sind und uns auch im täglichen Leben nicht kümmern, wie zum Beispiel das Aufklinken und Zuschlagen einer Tür. Es nützt uns nichts, wenn wir in diesen Geräuschreproduktionen den Gipfel- Punkt der Vollendung erreichen! Auf künstlerische Höchstleistung in der wesentlichen und nicht in der nebensächlichen Lebensdar- stellung kommt es an!" „Ob das Wort allein fesseln kann?" wiederholt Hermann Kesser eine meiner Fragen.„Darauf möchte ich die Gegenfrage stellen: Und wie ist es, wenn man ein Buch liest?— Ich glaube sehr wohl, daß die Ohren zur Aufnahme von Dichtungen und anderen geistigen Substanzen erzogen werden können!— Man wird sich an das neue Hören gewöhnen müssen! Man wird lernen, das Wort wieder»ach Wert und Gewicht zu erfassen! Wobei es aller- dings nötig ist, daß erzieherisch auf ein Sprachgefühl hinge- arbeitet wird, von dem in unserem kaufmännischen Brief- und Betriebsstil und in unserem Amtsdeutsch wenig zu spüren ist. Es ist nicht gut um die sprachliche Unterscheidungsfähigkeit bestellt! Oft frage ich mich, woher es kommt, daß Tausende die Volksschule als halbe Analphabeten des sprachlichen Ausdrucks verlassen. Der Rundfunk kann da viel nachhelfen.— Bei der Musik werden die ungeheuerlichsten Anstrengungen gemacht, um in die Absichten von recht zweifelhaften Stilexperimenten mit philologischer Gründlich- keit einzuführen. In die Oper geht das Opernpublikum mitunter nach großen vorbereitenden ivtudien. Da fällt es niemandem sin. zu verlangen, daß dem unvorbereiteten Ohr olles mit Sekunden- geschwindigkeit ohne weiteres klar sein soll! Die Sprache scheint sich unter den Kunstfreunden nicht der gleichen Wertschätzung zu erfreuen. Mit ihr macht man sich längst nicht so viel Mühe. Da werden gleich gewaltige Klagen angestimmt, wenn einmal ein Aus- druck oder ein Satz den Ohren, die sich jeden Oualitätsgesühles entwöhnt haben, unverständlich klingt." „Warum ich die Monologsorm bevorzuge? Jeder Mensch monologisiert; jede Ueberlegung, jede Erregung ist eigentlich ein Monolog. Ich finde, daß es nichts Aufrichtigeres gibt als die Wahr- heit im Selbstgespräch. Schon die bloße Vorstellung des Alleinseins zwingt dazu, das Respekts- und Repräsentationsgesicht abzulegen. wogegen sich im Beisein anderer die Lebensmaske vergrößert und versteift. Es gibt wahrscheinlich Menschen, die nicht einmal in der Todesstunde und im Testament die Maske abnehmen. Sie sind in der Minderheit; es sind diejenigen, die infolge seelischer Erftarrcheit nicht einmal zu der Tatsache vordringen, daß sie eine Maske tragen, geschweige denn, daß sie jemals zu rücksichtsloser Gewissens- erforschung vordringen.— Die Mehrheit aber neigt zum stillen Selbstgespräch. Aus dieser Ueberlegung wende ich gerne die Monolog- sonn an."—„Ja", fährt Kesser auf eine weitere Frage fort,„Sie haben recht: dos„Tempo R u b a t o" und die Verdichtung der Handlung ins Allereinfachste— das sind vielleicht Voraus- setzungen für dos Hörspiel. Es gibt statische, sitzend«, gar liegende Dichter. Ich halte es mit der Dynamik, nicht mit der Statik. Aus Veranlagung und Neigung suche ich aktive dramatische Epik zu formen, in der jedes Wort vorwärts geht. Das erzählende Instru- ment der behaglich malenden Zeitlupe ist mir fremd. Ich kann nicht anders als Menschen und Zustände in eine pausenlos ablaufen!« Aktion von wenigen Stunden drängen. Ich kann meine Menschen nicht einen Augenblick allein lassen. Nur so, gezwungen ununter- brachen„außer sich"(daher da» Wort Ekstase!) zu sein, ihr Inneres nach außen zu kehren, bringe ich meine Gestalten zur letzten Aeußerung ihres Wesens."
In bezug auf das Thema äußert sich Hermann Kesser sehr be- stimmt:„In Deutschland haben fast alle Sendegesellschaften und ihre Mitarbeiter und Intendanten die Mission des Rundfunks rechtzeitig und klar erkannt. Ich nenne Dr. F l e s ch, der nicht nur ein tat- kräftiger Experimentator, sondern auch ein starker Anreger ist: Fritz Walther Bischofs in Breslau , der zu den Bahnbrechern des Hörspiels gehört: Ernst Hardt in Köln , den Dichter, Dra- matiker und Bühnenleiter, der durch seine(auf Platten aufge- nommene) Hörspielinszenierung des„Wozzek " von Büchner ein historisches Beispiel für ein reines Hördramo gegeben hat. Da wäre noch über Wilhelm Schüller, den Leiter des Südwestfunks, der einer der erfolgreichsten Hörspieloutoren ist, zu sprechen, über O t t e n d o r f von Königsberg, Kurt E. Fischer von Leipzig. Hans Mayer in Stuttgart und über Hans Nüchtern in Wien : Der Rundfunk von heute ist das Ergebnis einer großen Kollektivarbeit, um die sich viele Männer Verdienste für alle Zeiten erworben haben. Gerade aktuelle Probleme sind geeignet, im Hörspiel dargestellt zu werden. Es müssen brennende Probleme sein, in denen die politische Dimension nicht fehlen sollte! Denn ohne diese „politische Dimension" ist zunächst kein lebensfähiges Kunstwerk zu denken, wobei Sie bei dem Wort„Politik" nicht zu allererst an die parteipolitische„Betriebspolitik" denken sollen!—
Politik— das ist für mich der Wille, die hauptsächlichsten Strö- mungen des menschlichen Denkens und Handelns zu erkennen, zu bestimmen und so an der kulturellen Gesellschofts- form zu arbeiten.— Soziologisch gesehen ist das Hörspiel eine außerordentlich feinnervige künstlerische Erscheinung, die nur das ».abspiegeln sollte, was die Leute heute wirklich angeht! Darum soviel Politisches, Gesellschaftskritisches und Soziales hinein wie irgend möglich! Schon vor 2 Jahren setzte ich mich für die Literatursähigkeit der aktuellen Ereignisse ein. Wahrscheinlich kann der Rundfunk nur aus stärkster Zeitverbundenheit das erfüllen, was der Mensch von heute vom Sender erwartet. Ueber das Drama denke ich nicht viel anders: Mein Arbeitslosen- und Iournalistendrama„Rotation", das Anfang März im Frankfurter Schauspielhaus zur Uraufführung kommt, soll es zeigen! Was meine Arbeit für den Rundfunk be- trifft, so trage ich mich mit dem Gedanken weiterer Tatsachen- d a r st e l l u n g e n in der künstlerischen Form des Hörspiels. Der Titel meines nächsten Hörspiels wird wohl„Arbeiter, Frau, Ma- schine" heißen. Ein anderes Hörspiel werde ich„Absturz" nennen. — Wenn wir alle aussprechen, was i st." schließt Hermann Kesser ,„so werden wir dem, was wird, den besten Dienst ge- leistet haben. Deutschland ist— neben Japan — das theaterreichste Land der Welt. Es hat auch die größte Rundfunkaktioität bekundet. Sich ausdrücken, sich auseinandersetzen, sich formen, klar werden— das heißt leben. Der Rundfunk ist wie das Theater ein Symptom der Lebensschwungkraft l" (Mitseteiit von Mira v. HollandenMunkh.)
WAS DER TAG BRINGT ERZÄHLT VON YORICK
Aschermittwoch... In Süddeutschland ist der Karneval ein anderes, ein Mehr an Lebenslust und Alltagsvergessen als im kühleren Norden. Es ist eine Zeit, in der das grau mahlende Mühlrad des Lebens plötzlich ver- wandelt scheint in eines der lustig bewimpelten Lufträder, die auf den Jahrmärkten kreisen; es steigt ein jeder ein, der Reiche und auch der Arme, denn die Plätze darin sind billig; und es dreht sich schneller und schneller, daß man vor Tanz fast den Atem verliert, und am Rosenmontag und am Fastnachtsdienstag kreist das Rad der Aus- gelassenheit so wild, daß es fast erschreckend ilt— um am Aschermittwoch jäh stillzustehen; denn am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit: woher schreibt sich doch das Wort Karneval? Von Earne vale— Fleisch, lebe wohl!— Das alles muß man über- denken, um jenen Friseurgehilfen aus Erding in Bayern zu ver- stehen. Der war erst vierundzwanzig Jahre all, aber er war auch stellungslos und ausgesteuert, und Hoffnung auf eine Stellung und auf ein Besserwerden hatte er wohl schon keine mehr. Der war ausgeschlossen vom Karneval— bis Fastnachtsdienstag: um da dabei sein zu können, hatte er gehungert; nun ober ging er mit Freunden zum Fest. Er tat sich eine Maske um, irgendeine lustige, reiche Maske, er spielte diese Maske bis in die Frühe hes Ascher- mittwochs, ausgelassener als je; er war zu Gaste bei demselben Leben, das ihn schon lange verstoßen hatte, er genoß all seine Gaben noch einmal, Wein, Tanz, Mädchen. Dann ging er nach Hause, legte sich in seinem Maskenkostüm auf sein Bert und schoß sich eine Kugel durch den Kopf. Carne vale... Sektionschef Celustka Eigentlich gibt's gar keinen Sektionschef C e l u st k a, sondern nur einen Settionschef P l i s ch k a; aber das ist eben die Ge- schichte, und sie spielt in der Tschechoslowakei , und ihr Held hat damit einen Rekord gebrochen, den bis dato ein Deutscher hielt: nämlich der Hauptmann von Köpenick... Es sängt mit einem ganz ge- wohnlichen Kriminalfall an, nämlich mit einem Aktentaschendiebstohl, ausgeführt von Herrn Eisenbahndieb Karl Celustka; das Opfer aber ist zufällig der Sektionschef im tschechoslowakischen Eisenbahn- ministerium Plischka; und die Tasche enthält ebenso zufällig Papiere, deren Besitz Herr Plischka aus irgendwelchen Gründen versehweigen muß, und deren Verlust er also nicht anzeigen kann. Außerdem aber birgt die Tasche das Passepartout, das Herrn Plischka als Sektionsches ausweist, und eine Danersreifahrkarte 1. Klasse. Diese beiden Papiere also besitzt nun Herr Celustka, und Herr Celustka versteht den Wink des Schicksals und fährt los. Fährt auf den tschechoslowakischen Stoatsbahnen hin und her, belobigt„seine" Beamten und rüffelt sie, je nach Laune, und findet schließlich heraus, daß die internationale Strecke Olmütz — Prag seiner Inspizienten- tätigkeit am dringendsten bedarf. Hier verkehren zum Beispiel die D-Züge mit den gutbesetzten Schlafwagen 1. Klasse; der Herr Sektionschef kontrolliert die Abteile aufs genaueste, zumal sich die Anzeigen über Verluste der Reisenden häufen: immer kurz nach- der Kontrolle fehlen allerhand gute Sachen, etwa eine Tasche mit Juwelen oder eine mit Borgeld-- und der Herr Sektionschef verdoppelt seinen Eifer. Vor allem zeigt er sich rührig, als es in Süd- Mähren ein schweres Eisenbahnunglück gibt. Sofort setzt er sich in einen Sonderzug, er trifft gerade noch rechtzeitig an der Stätte des Unheils ein, um auf das Gepäck der Passagiere aufpassen zu können— es kommt während der Rettungsarbeiten manchmal was weg. Es kommt auch hier diverses weg, aber ohne die Tätigkeit des Sektions- chefs, so nimmt man an, wäre es vermutlich noch mehr gewesen. Ermutigt durch den Segen, den seine Tätigkeit stiftet, richtet sich
est durch Volksabstimmungen angenommen oder verworfen. Reichs- recht bricht natürlich auch hier das Landesrecht, aber das Landes- recht, das Kantonsrecht gibt doch den Gebieten das entscheidende Gesicht. Die Schweiz könnte vielen Staaten als Vorbild dienen, sie ist ja selbst ei» Staatenbund, in dessen unerschlltterten Grenzen die Deutschen , die Franzosen , die Italiener und die Romanen freundschaftlich zusammen wohnen. Die elektrifizierte Bahn— die weiße Kahle wird aus den reißenden Bächen und Flüssen und aus den Stauwerken geholt— federt leicht über die Schienen. Die Kantone liegen dicht beiein- ander; schon sind wir im Iura und verweilen in Aarau . In guten drei Stunden sind wir am Bodensee , in der Industrie- st a d t Arbo«, die auch eine sozialistische Mehrheit hat. Die Kunstscidefabrik liegt still, der schöne See schimmert, da drüben im Dunst liegt Deutschland , und auf dem Wasser schwimmen die schwarzen Bleßhühner und die schneeweißen Schwäne. Am nächsten Tag fahren wir nach Zürich und sehen eine Stadt im Umbau. Die Stadt ist im Umbau. Die alten Quartiere rechts der Bahn- Hofstraße mußten neuen Hochhäusern, Banken und Ver- waltungsblocks Platz machen. In den Randgebieten und an den Bergen, die Zürich begrenzen, haben sich überall blühende Siedlungen angebaut. Die Wohnungen sind nach deutschen Be- griffen teuer, aber der Lebensstandort der Schweizer Arbeiter ist höher als der ihrer deutschen Kameraden. Man merkt aus Schritt
und Tritt, daß die Schweiz vom Weltkrieg nur gewonnen hat. Die Schweizer haben von 1914 bis 1918 den Geschützkampf des großen Krieges nur als dunklen Donner gehört, sie werden wahr- schcinlich auch den Zusammenbruch dieser Weltkrise nur als dunklen Donner aus der Ferne hören. In Zürich sind neue Baumeister am Werk: die Stadt hat sozialistische Mehrheit, und der Beobachter wind in vielen Dingen an das rote Wien erinnert. Wie in Wien kauft auch Zürich die alten Häuser auf und will Licht und Luft in die schmalen Gassen der Altstadt bringen. Die Stadt hat den billigsten Gaspreis der ganzen Schweiz und eine vorbildliche soziale Gesetz- gebung. Dem Gast wurden einige Heime gezeigt, ein Kinderheim, ein Waisenhaus, ein Altersheim und ein Helm für so- zial gefährdete Mädchen, und überall gab es keine Uni- formierung und keinen Wohltätrgkeitsfimmel, sondern selbstverständ- Uche Hilfe und menschliche Würde. Und so sei zum Schluß die letzte Strophe eines Gedichtes Zitiert, das ein junger Schweizer schrieb, und das von dem neuen Geist in der neuen Stadt ebensoviel sagt als die schönste Reportage: Das neue Reich, die neue Welt! Auf, laßt uns Steine hauen! Das Alte ist verbraucht und fällt, Wir sind als Werker hingestellt: Wir pflügen und wir bauen!
Herr Sektionschef Celustka nunmehr in Böhmisch-Trübou ein repräsentables Büro ei»; dorthin läßt er sich von den Station»- beamten berichten, ob etwa Reisende mit besonderen Wertsachen in den Zügen sind, die also besonderen Schutzes bedürfen; die Beamten sind froh, daß die Regierung sich der skandalösen Diebstähle energisch annimmt, sie erhoffen wohl auch Beförderung und melden'eifrig. Das geht so ein halbes Jährchen, das ginge noch heute— wenn eben nicht das Büro gewesen wäre; Hochmut kommt vor dem Fall; der Fall heißt hier der Fall Celustka, Betrug und Diebstahl in Tat- einheit mit Amtsanmaßung, und findet vor dem Olmützer Gericht damit seinen Abschluß, daß Herr Celustka für 2M Jahre ein Sonderabteil zugewiesen bekommt— allerdings nicht in einem inter - nationalen Luxuszug— und betreut von weniger devoten Beamten. Wochenragout Es gibt einen„N a t i o n a l v e r b a n d der belgischen S ch w e i n e h ä n d l e r", und der hat Sorgen. Geistige Sorgen sogar. Von so schwerwiegender Art, daß sich der Verband an die französische Akademie um Abhilfe gewandt hat. Der Verband wünscht nichts Geringeres als— eine neue Vokabel für„Schwein". Das Wort Schwein selbst, so argumentiert der Verband, sei längst zum Schimpf- wort herabgesunken. Die Schweine selbst aber können nichts dafür. Es sei also recht und billig, sie zu rehabilitieren.— Recht so! Vielleicht melden sich auch noch die Verbände für Rindvieh-, Kamel- und Eselzucht und erzielen neue Vokabeln für ihre Tiere; die alten Bezeichnungen könnten dann der nationalen Opposition zu ausschließ- lichem Gebrauch in den Parlamenten überlassen werden! Missionare der katholischen Negermission haben ausgerechnet, daß heutzutage in Afrika eine christliche, von Missionaren ausgebildete Frau bereits soviel kostet wie zur Zeit des Arminius eine Germanin; und zwar wird eine solche Negerin um eine halbe Ziege höher bewertet als eine heidnische und unausgebildete. Die Missionare würden von sich aus die Frauen ohne Entgelt abgeben; das aber würde sie für den Mann vollkommen entwerten; und somit ist denn gegen die Hausse in Missionsaktien auf dem afri- konischen Heiratsmnrkt nichts einzuwenden.
e Buch
OHo Slake Der Roman, erschienen im S.-Fischer-Verlag, führt de» linier- titel„Die Suche nach der Nation". Montijo, ein Deutsch- spamer, steht zwischen den Rassen und Nationen, aber dieses Problem wird nicht zum Zentralpunkt der Diskussion. Flake variiert auch hier das Ruland-Thema, nämlich das Weltbild des geistigen Menschen, das Thema, das seit der„Stadt des Hirns" immer wieder umkreist wird. Von einer geistigen Mitte aus umfaßt der Mensch die Welt der Erscheinungen. Es kommt darauf an, wie die Eingliederung vor sich geht, wie überhaupt der ganz« Prozeß verläuft. In der „Stadt des Hirns" und in„Nein und Ja" kam es in erster Linie auf die Dcnkvorgänge selber an. Hier jedoch wie auch in den Romanen um Ruland dominieren die äußeren Geschehnisse oder die Aufnahme dieser Geschehnisse durch die geistige Persönlichkeit. Montijo wird Schriftsteller, nachdem er einsieht, daß der Groß- kaufmann seiner Individualität nicht mehr liegt, nachdem er aus diesem Beruf herausgewachsen ist und die Welt nur noch vom geistigen Standpunkt wertet. Aber weder er noch die anderen tragen besondere Berufsmerkmale, sie erscheinen als Vertreter eines bestimmten Typs moderner Kultiviertheit, sie sind nur Re- Präsentanten der Geistigkeit. So Ruland oder so Neuheuven in „Villa USA." und so Montijo. Diese moderne Geistigkeit beruht in erster Linie auf dem Gleichmaß des Lebens, das durch eine sehr solide finanzielle Unter- läge begründet wird. Die Leute haben Geld und können deshalb die Problematik ihres Seins in anderen Dingen sehen. Sie haben ihre Sorgen aus eine höhere Ebene. Es lzandelt sich für sie darum. die Welt mit ihrem Geist zu durchdringen. Sie sind für sich und für einen engen Zirkel Lebensphilosophen , sie suchen die Harmonie von innen und außen und wollen alle Problematik auflösen, vor allem die Problematik zwischen Denken und Fühlen. Für Montijo, Neuheuven oder Ruland ist darum die Liebe ein Vorgang, der durchgeistigt werden muß, ein Element des Weit- bilde» wie andere Elemente. Die Frauen werden nicht nur genossen, sondern in ihrer individuellen Eigenart erfaßt. Das Gefühl klingt [ordiniert. Auch in der Liebe herrscht im Grunde eine oppolinische Ruhe� Ueberau muß der Ausgleich eintreten. tlloke steht heute in bewußter Isolierung. Sein Weltausschnitt ist klein. Kämpfe des Tages, soziale und politisch« Probleme sind Objekte der Diskussion, aber nicht Objekte der Gestaltung. Eine Schicht von Elitemenschen bleibt die Welt seiner Darstellung. schlimmer ist jedoch, daß Flake immer mehr in festgefügtes Schema gerät, daß er schwerer geworden ist und andererseits diese Schwer- blütigtcit durch eine mondän gefärbte Oberfläche verhüllen möchte. Delix Lclrerret.