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Beilage

Donnerstag, 26. Februar 1931

Der Abend

Shalausgabe des Lorwȧre

Arbeiterbildung als praktische Aufgabe

ngals

Schlußwort von Georg Decker

Jezt, nachdem die Diskussion über die Arbeiterbildung abge.| zuarbeiten versucht. Es tann nicht allgemein dekretiert werden, schlossen ist, muß ich rüdschauend zugestehen, daß ich in meinem Artikel über die katholische Volkshochschule einen großen Fehler be­gangen habe, der für die Diskussion von großem Schaden war. Ich hobe die weise Regel vergessen, daß man am besten nichts als bekannt unterstellen soll, wenn man eine fruchtbare Diskussion einleiten will. Ich zweifle zmar gar nicht daran, daß alle meine Opponenten den Tatbestand fennen, nämlich daß sie alle wissen, was die Arbeiter bildungsschule ist. Es hat sich trotzdem herausgestellt, daß es nötig gewesen wure, die grundlegenden Tatsachen in Erinnerung zu bringen, da diese Tatsachen von vielen Berfassern gänzlich übersehen wurden.

Das Wesen der Arbeiterbildungsschule Der Ausgangspunkt für alle Betrachtungen muß der sein, daß unsere Arbeiterbildungsschule teine Schule ist, in der alle Hörer nach einem bestimmten Lehrplan zu arbeiten haben und jeder Hörer in einem bestimmten Zeitraum mehrere Kurse absolviert, sondern nichts anderes als die Zusammenfassung durch eine Bildungsanstalt von verschiedenen Einzelkursen, die dem Hörer zur freien Bahl gestellt werden. Die meisten von diesen Kursen finden ein einzelnen Kreisen statt, in der Regel je 1 bis 2 Kurse in einem Semester. Es ist durchaus möglich, daß einige Hörer über haupt nur einen einzigen Kursus in der Arbeiterbildungsschule mit. machen. Ist dem so, so liegt es auf der Hand, daß eine solche Schule zwar unseren Funktionären einzelne wertvolle Kenntnisse vermitteln fann, für die einigermaßen abgeschlossene Schulung der Funktionäre aber gar nicht in Betracht kommt. Auf der anderen Seite darf die Arbeiterbildungsschule sich nicht nur an die Funktionäre wenden, und sie tut das auch nicht. In der Distuffion murde auch mit Recht auf die Werbeaufgabe der Arbeiter. bildungsschule hingewiesen. Hätten meine Opponenten diese tat­sächliche Seite des Problems berücksichtigt, so hätten sie zwar manche schöne Wortbildungen, wie Bildungssalat oder Bildungsbazar, und drohende Erinnerungen an Steiner und Maurenbrecher unterlassen müssen, die Distuffion wäre aber viel fruchtbarer gewefen. Durch die verschwommenen Auseinandersetzungen über die Bildungsideale" fommen wir auch nicht weiter. Mit Recht sagte Genosse Graf in jeinem hochinteressanten Artikel, daß wir fein Dogma, sondern einen richtigen Ausgangspuntt, einen richtigen Be­ziehungspuntt brauchen. Ich habe selbst am wenigsten an irgendwelches schöne Bildungsideal gedacht, um so mehr aber an die Wirklichkeit unserer Bildungsarbeit.

Mit Genoffen Hartig glaube ich mich mit Hilfe eines praktischen Beispiels verständigen zu tönnen. Wenn Genoffe Hartig eine Krawatte faufen will, so wird er schwerlich damit zufrieden sein, wenn man ihm im Geschäft teine Auswahl, sondern nur ein einziges, oder bestenfalls zwei Muster, vorlegt. Nicht deshalb, weil er auf einmal ein Dußend kaufen und sie alle gleichzeitig umbinden will( dann wäre en ein Krawattenfalat"), sondern deshalb, weil er das, was er braucht, laufen will. In der Arbeiterbildungsschule tann es fich nicht darum handeln, daß einzelne Hörer gleichzeitig verschiedenste Kurse hören. Ich lege auch feinen entscheidenden Wert darauf, daß viele verschiedenartige Surfe gleichzeitig veranstaltet werden. Die Hauptsache ist, daß vor der endgültigen Aufstellung des Lehrplanes die größere Möglichkeit der Auswahl vorhanden ist und daß das ,, Assortiment den vorhandenen Bedürfnissen entspricht. Daher die Notwendigkeit einer besseren Renntnis dieser Bedürfnisse und einer viel engeren und, ich möchte fagen, einer viel intimeren Fühlung init den in Frage kommenden proletarischen Kreisen, als dies häufig der Fall ist.

Erfahrungen

Ich habe der Anregung der Rebattion, über die katholische Bolts­hochschule zu schreiben und dadurch die Diskussion über unsere Arbeiterbildungsschule in Fluß zu bringen, mit Freude Folge geleistet, da es für mich ein willkommener Anlaß war, meine schon seit längerer Zeit bestehende Absicht zu verwirklichen. Es wird vielleicht nicht uninteressant sein, wenn ich hier den eigentlichen Ursprung dieser meiner Absicht wiedergebe. Ich habe in einigen Fällen feststellen fönnen, daß die jüngeren Genoffen, die in der Bildungs. arbeit in ihren Kreisen tätig sind, manchmal die Arbeiterbildungsschule einfach nicht in ihre Rechnung stellen. Einmal sprach ich darüber mit einigen Genossen, und die haben mir übereinstimmend erklärt, daß die Arbeiterbildungsschule nach den gemachten Erfahrungen wenigstens in ihrem Kreise eine Anziehungstraft hat. Das fiberraschte mich, weil die Kurse in diesem Kreis meiner Auffassung nach recht interessante Themen hatten und von guten Lehrern be­stritten wurden. Nun bestätigten mir die Genoffen ausdrücklich, daß die Lehrer ihre Sache sehr gut gemacht haben"; fie wissen aber nicht" wurde hinzugefügt was wir brauchen". Aus dieser Unterhaltung wurde mir flar, daß hier ein trauriges Mißver. ständnis vorliegt und daß eine an sich gute Lehrarbeit feine ents sprechende Wirkung hatte, weil irgendwelche notwendigen Voraus fegungen nicht erfüllt waren. Diese Boraussetzungen muß man finden, um dann um ihre Erfüllung zu sorgen.

Biele Wege führen nach Rom!

Jede Bildungsarbeit, die mit keinerlei 3wang verbunden ist, hat eine doppelte Aufgabe zu erfüllen: auf einer Seite hat sie bestimmte Bildungsinhalte, die von ihren Leitern für wichtig gehalten werden, zu vermitteln, auf der anderen Seite muß sie ein inter­effiertes Gehör finden und um sich selbst werben können. Eine Schule, die das schönste Bildungsideal verwirklicht, mußt nichts, wenn fie feine Hörer hat. Es muß also von dem vorhandenen Bedarf ausgegangen werden. Das schließt aber die Verfolgung eines be ftimmten Bildungszieles gar nicht aus. Die Lehrpläne der fatholischen Volkshochschule haben mir deshalb fo gut gefallen, wei! ich aus ihnen den Eindrud gewonnen habe, daß die Leiter der Schule miffen, daß nach Romviele Wege führen. Das ist zugleich die Frage des Lehrplans und die der Unterrichtsmethode. Man fann zum Beispiel als Einleitung zu dem Berständnis unserer politischen Aufgaben an Hand der Berufsstatistit die foziale Gliederung de= Deutschen Boltes, feine Klaffenftruttur und die Berhältnisse gifchen den verschiedenen Klassen schildern, und man fann genau dasselbe erreichen, indem man die Hörer die Berhältnisse in dem Stadtviertel, in hem fie leben, burbenten läßt oder die Eigenart ihrer Stadt aus

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zu nehmen. Ich freue mich erst recht, daß die Zeit, wo z. B. die Runst fragen eine rein bürgerliche Sache, ein Monopol der Be figenden waren, vorbei ist. Dementsprechend muß aber auch die Stelle da sein, die den bestehenden und entstehenden( also nicht immer nach einem Schema arbeiten!) Bedarf feststellt und ihn zu.bes friedigen sucht.

Zentrum des kulturellen Lebens...

welcher Weg der bessere ist: in jedem Fall ist derjenige Weg der beste, der das beste Gehör findet. Ich persönlich werde als Thema für meine Kurse im nächsten Jahr vorschlagen: Berlin und neue Berliner Romane." Nicht deshalb, weil ich meine Hörer sich mit der literarischen Kritit befassen lassen will, sondern weil ich versuchen will mit meinen Hörern zusammen eine Art Soziologie des Lumpenproletariats auszuarbeiten, und ich eine, fei es nur annähernde, Grenzziehung zwischen dem Proletariat Wenn die Aufgaben, die auf diese Weise entstehen, in den anderen und dem Lumpenproletariat versuchen will. Das ist ein für jede Bildungsanstalten der Arbeiterbewegung erfüllt werden, so braucht die Großstadt und namentlich für Berlin sehr wichtiges Problem, und Arbeiterbildungsschule selbstverständlich hier nicht einzugreifen. Daß die neuen Berliner Romane liefern für seine Klärung einen inter - aber darüber hinaus der Arbeiterbildungsschule ein sehr breites Bes effanten Stoff. Ich glaube, daß für solche spezielle Berliner " Betätigungsfeld zufallen muß, haben meines Erachtens Genosse Braun trachtungen auch der Bedarf, also eine gewisse Nachfrage für mein thal und Graf nachgewiesen. Ich möchte hier nur noch betonen, daß Angebot vorhanden ist. ich der Arbeiterbildungsschule eine gewiffe zentrale Bedeutung beimesse. Es muß eine Stelle vorhanden sein, in der die Beobach hungen über die Gedanken- und Gefühlswelt der proletarischen Kreise gesammelt werden, die übersehen kann, welcher Bedarf unbefriedigt bleibt, und ständig nach den Mitteln, diesen Bedarf zu befriedigen, suchen soll. Wenn mir schon irgendwelches Ideal voT­schwebt, so ist es die Arbeiterbildungsschule, die zum Zentrum des fulturellen Lebens des sozia­liftischen Proletariats geworden ist. Ich meine dabei die Arbeiterbildungsschule in engstem Zusammenhang mit dem Bildungsausschuß der Partei.

Indem ich meinen Gedankengang weiter verfolge, fann ich noch einen wesentlichen Tatbestand nicht umgehen. Ganz unabhängig davon, was meinen Opponenten oder mir als ein wichtiger Unter richtsgegenstand erscheint, existiert eine Menge von Fragen, mit welchen sich unsere Genossen und namentlich die jüngeren öfters quälen oder für die sie sich wenigstens start interessieren. Dürfen wir diesen Bedarf für nicht legitim, da von unserem Stand punft aus nicht ,, wichtig" genug, halten? Sollen wir es den Genossen überlassen, die Antworten dort zu suchen, wo sie von irgendwelcher Seite und unter irgendeinem Gesichtspunkt gegeben werden? Oder sollen wir ihnen vielleicht sagen, daß dies oder jenes Problem für sie ein Lurusartitel" sei und daß sie sich deshalb mit ihm gar nicht zu befassen haben? Wenn wir uns so verhalten, werden wir nach meinem Dafürhalten unserer Bildungsarbeit starten Abbruch tun. Wir müssen überhaupt die Auffaffung fallen lassen, daß irgendein Problem als rein bürgerliche oder belangioje Angelegenheit abgetan werden darf. Sogar wenn wir ein Problem so mit Recht beurteilen, muß es, falls entstanden, durchgearbeitet werden, damit die Ablehnung begründet wird. Und ich freue mich, wenn ich sehe, wie unsere Jugend versucht, zu allen Lebensfragen, auch zu denen, die ich persönlich für sehr unwichtig halte, Stellung

Wie die Funktionen im einzelnen zwischen den verschiedenen Bestandteilen unserer Bildungsorganisation verteilt werden sollen, ist schon eine rein organisatorische Frage. Daß sich die Arbeiter­bildungsschule, um an Anziehungskraft zu gewinnen, in dieser Richtung entwickeln muß, diese Erkenntnis habe ich nicht auf Grund irgendwelcher Bildungstheorie, fondern aus den vielen Unterhaltungen und Beobachtungen gewonnen. Man muß diese Erkenntnis ge­winnen, wenn man mit den nach Erweiterung und Bertiefung ihrer Bildung strebenden Genossen verkehrt. Deshalb bleibe ich bei meiner Auffassung, und ich weiß, daß ich den grünen Baum des Lebens auf meiner Seite habe.

Zu nichts zu gebrauchen?

Ein tragischer fall

machen, und die lobende Anerkennung der Hausmutter, die ohne Einschränkung ehrlich und ohne jedes fünstliche Wohlwollen aus­gesprochen war, verschaffte ihm ein Leistungsbewußtsein, wie er es sonst selten haben konnte. Stolz die Leine in der Hand, fuhr er auch mit einem Bauernknecht, dem er sich angefreundet hatte, aufs Feld. Hier stellte er für sich etwas dar, hier fonnte er etwas, hier norgelte niemand.

Alle hatten dazu beigetragen, es ihm, bem feinen Karl| tragen. Das fonnte er zu aller und zu seiner eigenen Zufriedenheit Mühbrach, recht deutlich zu machen, daß er nichts miffe, nichts fönne, daß nie und nimmer etwas aus ihm würde. Der Bater trant, häufiger und mehr, als ihm gut war, und wenn der Junge ihm in den Weg seiner berauschten Schritte lief, entdeckte sein getrübtes Auge nur das Unzulängliche, und oft fiel das Wort: Du Dummbart, geh' mir aus dem Wege! Die Stiefmutter hatte der ersten Ehe ihres Mannes nicht Zeit noch Kraft übrig blieb, und mit den beiden eigenen Kindern so viel zu tun, daß für die brei aus guter Bille war wohl auch nur wenig vorhanden. Der Karl war ein Stehimwege und teine zuverlässige hilfs traft. Schelte und Schläge waren ihre Erziehungsmittel; freund fiche Worte waren felten wie Sonntage in der alten Hansestadt. Die Großmutter litt am Leid des Jungen, versuchte auszugleichen, nahm ihn in Schuh, steckte ihm Geld und Süßigkeiten zu, um Freude zu bereiten, soweit sie es mit ihren paar Groschen vermochte.

Mir deuchte diese Beobachtung ein Wink zu sein, den Jungen auf seine fünftige Berufsmöglichkeit hinzuweisen. Er gehörte auf einen fleinen Bauernhof, dachte ich. Dort gibt es noch primitive Arbeiten, die er selbständig leisten tann; dort wird ihm fein Selbstgefühl und das Bewußtsein seines Wertes wieder wachsen.

Wir, feine Klaffengemeinschaft, hätten ihm ein solches Schicksal, das uns ein Glück für ihn bünfte, gern gegönnt. War er doch um einer Eigenschaft willen unserem Herzen immer wieder nahe ge fommen. In aller Not seines fleinen Lebens hatte er sich eine gewisse Unbetümmertheit und innere Fröhlichkeit noch bewahrt. War ein Regenschauer" cben an ihm vorübergezogen, so blidte er doch bald wieder mit lächelndem Gesicht darein, als ob er nie einen bösen Streich verübt.

Doch wir hatten bei solchen Ueberlegungen nicht mit dem Fort­hatte. Die Bauern, bei denen wir uns um ein Unterkommen für unseren Karl bemühten, lehnten ab. Sie wollten feinen Dummkopf haben, trotzdem wir seine Lichtseiten und seine Geeignetheit in den besten Farben malten. Landwirtschaft sei heute ein Beruf, der auch Anforderungen an die Geistest räfte mit Recht zu stellen habe. Sie wollten Menschen haben, die selbständig arbeiten fönnten, bei denen nicht immer einer hinterher zu stehen brauche.

Das war sein Milieu, als ich ihn fennenlernte. Was die Schule von ihm verlangte, blieb ihm gleichgültig. Seine Ber. standeskräfte waren schwach, sein Wille zur Arbeit, zur Konzen tration völlig unentwickelt. Nur die Anfänge der Schulweisheit hatte er sich angeeignet, notdürftig Lesen und Schreiben und ein wenig Rechnen. Reiner der Wissenschaften fonnte er Geschmad abge. winnen, nie und nirgends war er zu begeistern. Nur für gefchritt gerechnet, der auch auf dem Lande feinen Einzug gehalten [ hichtliche Begebenheiten hatte er ein auffälliges Interesse und einiges Verständnis, wobei ich gestehen muß, daß mir eine Erklärung für diese merkwürdige Tatsache nie gelungen ist. Haus arbeiten wurden felten angefertigt, attive Mitarbeit in der Klassen­gemeinschaft war nicht zu spüren. Selbst bei der werflichen Betätigung vermochte er nur Handreichungen zu leisten. Aber wo es galt bei einem dummen Streich mitzutun, war er bereit. Da war er hellhörig und scharfsichtig, fand schnell Anschluß und war eifriger Kumpan. Es ließ sich nicht vermeiden, den Jungen dieses Ergebnis der Beurteilung wissen zu lassen, er erhielt mehr Rüge als Anerkennung und bekam ein Schulzeugnis, an dem sich niemand begeistern fonnte, Karl auch nicht.

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Wenn einem Menschen und ein Kind ist dafür besonders empfindlich tagtäglich, bei jeder passenden und unpassenden Ge­legenheit bescheinigt wird: Du kannst nichts! Du taugft nichts! Aus dir wird nie etwas! so wird das auf den stabilsten nicht ohne Eindruck bleiben. Er wird sich erst äußerlich, später aber auch innerlich nicht mehr gegen die Behauptungen mehren; er wird das unnüße Glied der menschlichen Gesellschaft halten, als das er sich schließlich die Beurteilung zu eigen machen und sich selbst für immer hingestellt wird. Minderwertigteitsgefühle

werden in ihm die herrschende Macht darstellen.

Karl war im Hause das Aschenbrödel, dem alle üble Arbeit zu geschanzt wurde und der trotzdem nie Dank erntete, sondern nur Schelte und Prügel. Die Schule gab sich zwar große Mühe, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, verlangte feine Arbeiten von ihm, die er nicht zu leisten vermochte, bescheinigte ihm jedes gelungene Werf mit Worten der Anerkennung, und die Kinder unterstützten den Lehrer in dem Bemühen, herobjezzende Kränkung zu vermeiden. Trotzdem ging es nicht ohne herbe zurechtweisung und scharfen Tadel, wenn er es immer wieder auch an Fleiß und Haltung fehlen ließ. Und wenn das Du fannst nichts! aus bir wird nie etwas!" auch niemals ausgesprochen wurde, so lag es doch wahrscheinlich so in der Luft, daß Karl es fühlen fonnte und der Minderwertigteits­Tomplex, den ihm das Haus geschaffen.

Nur wenige Male habe ich ihn ganz selbstbemußt gesehen. Im Schullandheim hatte ich ihn zu Zeiten von der Arbeit der Klaffengemeinschaft beurlaubt; er durfte bann Kohlen für bie Rüche

So wurde Karl fein Bauer, sondern blieb in der Stadt. Eine Handwerkslehre war nicht für ihn zu finden, auch verlangte der Bater, daß der Junge sofort mitverdiene. Die erste Stelle fand er bei einem Gemüsebauern und Milchhändler in der Borstadt als Mädchen für alles. Doch war die Situation gleich so mannigfaltig, daß er nach wenigen Wochen entlassen wurde, weil ,, er nicht zu gebrauchen war". Dann versuchte er es bei einem Fuhrmann. Zum Kutschieren mit Pferden hatte er im Landheim ja seine Neigung entdeckt. Das dauerte zwei Monate. Und dann wechselten die Stellen wie das Aprilwetter. Immer wieder erging es ihm wie früher: Du kannst nichts, du bist zu nichts Riftenfabrit, jugendlicher Arbeiter in der Wolltämmerei; jedesmal, zu gebrauchen! Er war Bote in einer Drogerie, Helfer in einer wenn man ihn traf, war er woanders. Lebensmut hat er sich bei diesem Verfahren, das die menschliche Gesellschaft mit ihm an stellte, nicht erwerben fönnen. Sein Lächeln hatte jetzt einen Anflug von Tragit bekommen. Hoffnungslos schaut er um sich und vor sich.

theaters. Ein wenig stolz fogar. Die blaue Müze schief und fühn Zur Zeit steht er als Portier am Eingang eines Borstadtlichtspiel­auf dem Dhr. Die bunte, goldverschnürte Uniform um die hängenden Schultern. Ganz Würde. Nun ist er etwas, jeder kann es ihm ansehen, feine Kleidung verrät seine wichtige Aufgabe.

das vielgeftaltige Leben teinen Raum für ihn? Wird er nicht bald Bleibt er? Hat er den passenden Platz gefunden? Oder hat hinabgestoßen ins Nichts? Alles hat seinen Teil dazu beigetragen, diesen Menschen minderwertig zu machen, Anlage und Milieu, Haus, Schule und Leben. Keine Stelle war start genug, ihn zu halten und aufzurichten. Er fann seinem Schicksal nicht entrinnen. Und die bittere Frage will nicht verstummen:: Bie muß die Ge. fellschaft geartet fein, die folche Verstridung nicht mehr zuläßt?

Aevermann