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Morgenausgabe

Nr. 99 A 50

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P> Berliner Volksblatt

Sonnabend 28. Februar 19)1 Groß-Äerlin ly ps. Auswärts 15 pf.

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Moskau mordet dasNecht! ! privatisierungsgefahr in Berlin !

Bor verbrecherischen Lügen im Kampf gegen ihre politi- schen Gegner sind die bolschewistischen Diktatoren noch nie zurückgeschreckt. Und doch überbieten sie alle ihre bisherigen Leistungen mit dem Prozeß, der morgen in Moskau beginnt und in dem die russische Sozialdemokratie auf die Anklagebank gesetzt werden soll, als Partei derS ch ü d- I i n g c" undJ n t e r v e n t i o n i st c n"! Es genügt, diese zwei Worte mit dem Namen der Partei zusammenzustellen, an deren Spitze M a r t o w gestanden hat und die bis heutzutage fest an den Grundlinien der Marlow - scheu Politik hält, um die ganze bodenlose Verlogenheit der gegen sie gerichteten Anklage zu erfassen. Unsere Partei war mit dem bolschewistischen Umsturz nicht einverstanden, denn sie meinte, daß auf dem Boden der Demo- kratie die Interessen der Revolution und des werktätigen Volles besser gewahrt werden können, als auf dem Boden der Parteidiktatur, die, wie die Sozialdemokratie schon damals voraussah, unvermeidlich zu utopischen Experimenten, zum Terror und schließlich zur Herausbeschwörung einer kontcr- revolutionären Gefahr führen mußte. Keinen Augenblick dachte aber die russi- sche Sozialdemokratie daran, das Wirtschaft- lichc Werk der Bolschewisten irgendwie zu .s ch ä d i g c n In: Gegenteil, vom ersten Tage an stand sie mit voller Entschiedenheit gegen dieSabotage", mit der damals der überwiegende Teil derIntelligenz" die Bolfche- wisten bekämpfen wollte. Sie trat ein für die positive Mitarbeit an der wirtschaftlichen Auferstehung des Landes aus den Trümmern erst des Weltkriege-, dann des sogenanntenKnegskommunismus". Solange die Mitglieder unterer Partei dazu die Möglichkeit hatten, arbeiteten sie eifrig am wirtschaftlichen Aufbau des Landes. Und ohne Uebertreibung kann man sagen, gerade den Mensche- wisten. ihrem Fleiße, ihren Kenntnissen. i h r e r H i n g- b u n g v e r d a n k e n d i e B o l s ch e w i st e n einengroßcnTeilderErsolge.die ihnen die Epoche derneuen wirtschaftlichen Politik" brachte. Und das soll die Partei derSchädlinge" undSaboteure" sein? Uno o:e allgemeine Politik? Wir wissen uns eins mit der klassenbewußten Arbeiterschaft der ganzen Welt, wenn wir nach wie vor auf dem Boden der demokrati- s ch e n F r e i h e i t stehen und nicht von der Genialität dikta- torischerFührer, sondern von der freien und organisierten Betätigung der Arbeiterklasse selbst die. sozialistische Befreiung erwarten. Unser Stolz war aber und bleibt, daß wir in unse- rem Kampfe für die Demokratie niemals die besonderen Kräfteverhältnisse in Rußland , die Interessen der Revolution und die konterrevolutionären Gefahren vergessen haben. Eben deshalb traten und treten wir noch heute ein gegen den gewaltsamen Umsturz der bolschewisti- schen Diktatur. Eben deshalb predigen wir die B e r- stand i gung der kommunistischen und sozialistischen Ar- beiter zum Zwecke der allmählichen und friedlichen Demokrati- sierung des Sowjetregimes, als den einzigen für die Prole- torier gangbaren Weg von der Diktatur zur Demokratie. Eben deshalb haben wir schon in den ersten Tagen nach dem bol- schewistischen Umsturz die LosungKoalitionsregierung der sozialistischen Parteien" die bolschewistische mit inbe- griffen ausgestellt. Eben deshalb haben wir in dcnStundenderhöchsten Gefahr, alsDcnikins Weißgardisten Moskau bedrohten, die Mit- glicder unserer Partei mobilisiert und sie zur bewaffneten Verteidigung der bolsche- wistischen Regierung, die uns blutig ver- folgt«, aufgerufen. Eben deshalb treten wir bis heute gegen alle Pläne der Konterrevolution auf, auch wenn sie sich in den Mantel des Protestes gegen Terror, Verfolgung der Kirche, Zwangsarbeit oder Dumping hüllen. Und eine solche Partei soll mit der Konterrevolution konspirieren und von ihr ausgehalten werden? Brauche ich noch ein Wort über denJ n t e r o e n- tionismus" unserer Partei zu verlieren? Wir, die wir

Ausländisches Finanzkapital will die Elektrowerke beherrschen.

Seit einigen Wochen hatte die Stadt Berlin mit Preußen und dem Reich um die Beschaffung von Anlechen verhandelt. Dies« An- leihen sollten dazu dienen, den Banken mehrere hundert Millionen kurzfristige Kredite zurückzuzahlen und die Stadt von der Gefahr großer Kreditkündigungen, die immer wieder das finanzielle Ansehen Berlins gefährden, zu befreien. Diese Verhandlungen sind noch in vollem Gange. Jetzt hat sich eine ausländische Elektrogruppe, und zwar die Sofina" des belgischen Elektrosinanziers Darmie cheincitiann, an die Stadt Berlin mit einem Angebot gewandt. Der belgische Sosina- Konzern verspricht die Vermittlung einer Anleihe von etwa IM Mil- lionen Dollar. An diese Anleihe ist aber die Bedingung geknüpft, daß 51 proz. der Bewag in die Hände des Sofina-üonzern übergehen sollen. Was dieser Vorschlag bedeutet, ist ganz klar. Der Stadt Berlin soll der bisher allein entscheidende Einfluß über die Berliner Kraft- Versorgung und die Gestaltung der Berliner Kraft- t a r i s e zugunsten des ausländischen Kapitals entzogen werden. Es ist sicher, daß die belgische Sofina mit deutschen Bant- und Elektrokrcisen, die schon immer die Privoti- sierung der Berliner Werke betrieben haben, in Verbindung steht. Es ist ja bekannt, daß der einflußreiche Direktor Dr. Kehl von der Deutsche» Bank u. Discontogesellschaft schon seit Jahren für die Privatisierung der öffentlichen Unternehmungen in Deutschland

kämpft. Ebenso ist Generaldirektor Oliven von der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen stark an den belgischen Vorschlägen interessiert, der schon vor kurzem aus den Berliner Finanzverlegen- heitcn durch den Rückerwerb der Südwcst-A.-G.-Aktien Vorteil ge- schlagen hat. Herr Donnie heinemann von der belgischen Sofina hat zwar bisher noch nicht bewiesen, daß er die versprochene Anleihe auch beschaffen kann, aber die Berliner Oessenllichkeil muß jclzl mil der möglichen Gefährdung des bisher rein össcnllichen Charakters der Berliner Werke rechnen, der durch die Zusammenarbeit mit Preußen und durch das Zusammengehen mit Preußen und dem Reich nicht beeinflußt worden wäre. Die Siadt Berlin trisst an dem Eintritt solcher Gesahren keine Schuld. Berlin ist heute weniger verschuldet als im Jahre 1313, trotz der Geldentwertung und obwohl sich der Wert des städtischen Besitzes erhöht und die Bcvölkerung vermehrt hat. Berlin ist kredit würdig nach wie vor. Wenn es heute nicht genügend kredit fähig ist, so zeigen sich hier die Folgen der jahrelangen kammunalscindlichen Krcditzerstörung des ehemaligen Reichsbonk- Präsidenten Dr. Schacht und auch die allgemein den deutschen Kredit gefährdenden Folgen des Eintritts der Nationalsozialisten in die deutsche Politik. (Vergleiche die ausführliche Darstellung im Wirtschaftsteil.)

unablässig gegen die Interventionisten aller Art kämpften und noch kämpfen, die unablässig gegen alle Versuche einer wirtschaftlichen oder finanziellen Blockade Sowjetrußlands protestierten und protestieren und unablässig die diplomatische Anerkennung der Sowjetregierung forderten und fordern wir können ruhig mit tief st er Verachtung den An- klägern antworten: Sie kennen ja die ganze Verlogenheit ihrer Anklage ebenso gut wie wir selbst! Ja, sie kennen sie. und darum wird der ganze Prozeß mit einer raffinierten Perfidie aufgemacht, die ihresgleichen selbst in der Geschichte der bolschewistischen Justiz kaum findet. Als. vor Jahren derProzeß der Sozialrevolutionäre" in- szeniert wurde, so saßen doch auf der Anklagebank wirkliche Mitglieder des Zentralkomitees der Sozialrevolutionären Partei. Die Angeklagten, die jetzt dasU n i o n- büro des Zentralkomitees der Sozialdemo- kratischen Partei Rußlands " darstellen sollen, haben nicht nur nichts gemein mit den Zentralin st anzen unserer Partei, son- dern find fast ausnahmslos vor zehn und mehr Jahren öffentlich aus unserer Partei ausgetreten. Sie wollten parteilos sein und meinten, daß dierein sachliche Arbeit" besser als die politische Oppo- sition den wirtschaftlichen Aufbau des Landes und zugleich den allmählichen Abbau der Diktatur und die Rückkehr zur demokratischen Freiheit fördern würde. Das war gewiß eine Illusion. Aber diese Illusion wurde ihnen von den Bolsche- wisten selbst, ja von Lenin selb st in den Jahren der neuen wirtschaftlichen Politik" beigebracht. Sie wurden auf die höchsten Posten gestellt, alsechte Sowjctspezialisten" und Volksgelehrte" gefeiert. Und nun müssen sie diese Illusionen büßen, müssen die Rolle der Prügelknaben für die R y k o w, B u ch a r i n, T o m s k i, für die ganzealte Garde" des Bolschewismus spielen, die sich unzertrennlich mit dcrNep", mit derneuen ökonomischen Politik", verbunden hat, die der abenteuerlichenGenerallinie" nicht folgen kann, weil sie an ihrem Ende die Katastrophe und die Konterrevolution sieht, und die man eigentlich meint, wenn man auf G r o- man, Suchanow und ihre Leidensgenosien losschlägt! Dieselben Groman und Suchanow müssen aber auch die Partei vertreten, der sie mehr als 16 Jahre vordem den Rücken gekehrt haben, von der sie nichts wissen, mit der sie schon lange nicht mehr verbunden sind! Auf diese Weise denken die feigen Henker mit der Sozialdemokratie leichter fertig zu werden. So glauben sie leichter die erforderlichen

Beweise" bekommen zu können, als wenn sie sich mit uns von Gesicht zu Gesicht in freiem, offenem und ehrlichem Kampfe auseinanderzusetzen versuchten. Sie kennen ihre eigene Niedertracht nur zu gut! Ist es nicht bezeichnend, daß gerade in diesem Prozeß der berühmte W y s ch i n s k y, der bisher immer in solchen Fällen den Vorsitz führte, nicht figuriert? Warum? Ja, eben weil er s e l b st aus unserer Partei ungefähr zu derselben Zeit ausgetreten ist, wie Groman, Suchanow und ihre Mitangeklagten! Ob es den Henkern durch ihre nur allzubekannten Methoden gelingen wird, diesen oder jenen Angeklagten zu Geständnissen" zu zwingen, deren wir so viele in anderen Prozessen erlebt haben und deren Vorgeschmack uns die schäm- lose und lächerliche Lüge über die angebliche Reise des Genossen Abramowitsch nach Moskau gibt, das werden wir in den nächsten Tagen sehen. Die Henker können unzählige Menschenleben vernichten: der Sozialdemokratie können sie nichts an- tun. Da die sozialdemokratischen Ideen auch in Rußland aus den Lebensbedürfnissen der Arbeiterklasse selbst geboren wer- den, so wird auch der Prozeß nur ihre Popularität in der russischen Arbeiterschaft fördern. Hoffentlich wird er auch im internationalen Proletariat zum Verständnis der gefchicht- lichen Aufgaben der russischen Sozialdemokratie beitragen. Jeder ehrliche klassenbewußte Arbeiter muß sich doch ein- mal fragen: Wie kommt es, daß gerade in den Tagen, wo im Lande derproletarischen Diktatur" vomA n- d i e- W a n d- Stellen" der Sozialdemokraten gesprochen wird. die scharf macherische st en der deutschen Kapi- talisten feierlich und mit Freundfchafts- bczeugungen empfangen werden? Die Borsig, die Poensgen und wie sie alle heißen, ja, sie werden aus ganzem Herzen der Vernichtung dieser sozialdemokratischenSchädlinge" applaudieren. Ja. die Scharfmacher dcr ganzen Welt werden an dem Prozeß gegen die Sozialdemokratie ihre reine Freude haben! Um so mehr haben d i e A r b e i t e r der ganzen Welt Ursache, sich mit aller Leidenschaft und Wucht zur Verteidigung der russischen Sozialdemokraten zu erheben. Nicht nur, weil es seit jeher der Stolz der internationalen Arbeiterklasse war und ist, Vorkämpferin im Kampfe gegen jede Ungerechtigkeit, jede Vergewaltigung zu sein, sondern auch weil der Kampf der russischen Sozialdemokratie für die Revolution, für die Arbeiterklasse und für den Sozialismus ihr eigener K a m p f i st!