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BERLIN  Freitag 6. März

1931

Der Abend

Erscheinttäglich außer Sonntag. Sugleich Abendanusgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Donhoff 292-297

Spätausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 110 B 55 48. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigunoen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G.m. b... Berlin   Nr. 37 536. Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Nazis als Zellenbauer

Geheimarbeit in den Betrieben- als Vertrauensleute der Unternehmer

Die Gauleitung der Hitler  - Partei hat ein streng| und Schmierstoffe wurden in großen Mengen geliefert und bezahlt vertrauliches Rundschreiben an ihre sämtlichen ohne jede Kontrolle, mas damit geschehen ist. Der Lastwagen ist Ortsgruppen mit der Ueberschrift gerichtet ,, Die nachweisbar für über 1300 kilometer privater Fahrten Betriebe sind zu Hochburgen der Nabenugt morden, da ein Kraftfahrer im Gegensatz zu seinem Direktor tionalsozialismus zu machen". für genaue Buchführung gewesen ist.

Darin wird folgender Plan über die Minierarbeit in den Betrieben entwickelt: Wenn freigemertschaftliche Arbeiter Nationalsozialisten merden, sollen sie nicht aus der Gewerkschaft austreten, sondern möglichst unauffällig für den Nationalsozialismus wirken. Die Partei ernennt einen freigemertschaftlich organisierten Nationalsozialisten, Der vielleicht zu diesem Zmede erst der Gewerkschaft beigetreten ist, zum Betriebsfunktionär. Es wird ihm

zur Pflicht gemacht, sich zuerst das Bertrauen des Unternehmers. zu sichern.

Dann muß es ihn aber auch gelingen. Das Beritauen der Belegs fdjaft zu erwerben. So muß der Betriebsfattionär, obwohl selbst freigemertschaftlich organisiert, mit Hilfe des Unternehmers eine nationalfozialistische Zelle bilden und allmählich die freie Gewert­schaft zersetzen. Erst wenn der Zellenbauer eine gewisse Anzahl freie Gewerkschafter für den Nationalsozialismus, gewonnen hat, foll er mit diesen zu einer ,, nationalen Gewerkschaft" übertreten. Das werde, so wird in dem Rundschreiben offen gesagt, meistens auf andere Arbeiter so wirken, daß sie mit übertreten. Sobald als möglich merde dann ein nationales Gewertschaftsbüro ere richtet werden.

Die Betriebsfunktionäre will man durch einen besonderen Lehr­gang für die 3ersegungsarbeit gegen die freien Gemert­fchaften schulen. Jeder Betriebsfunktionär ist zugleich Vertrauens­mann für die NSDAP  .

Um die Betriebe von den freigemertschaftlich organisierten Arbeitern möglichst zu entblößen, sollen die Betriebsfunktionäre fich mit den Unternehmern dahin verständigen, daß auf jeden freiwerdenden Arbeitsplatz möglichst ein Nationalsozialist kommt. Wo sich das herumspreche, mürden zahlreiche Arbeiter, schon um eine Stelle zu bekommen, der NSDAP  . beitreten. Den erfolgreichen Be­triebsfunktionären wird in Aussicht gestellt, im kommenden Dritten Reich in den betreffenden Betrieben wirtschaftstommiifar zu werden.

Inzwischen hat aber die rheinische Gauleitung der NSDAP  .

viel näher liegende Sorgen.

Er ist platt!

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Braunschweig

DV.P

Dingelden: Und das ist der Lohn dafür, daß ich habe so brav ziehen helfen!"

Der beeidigte Sachverständige tommt zu dem Urteil, daß das Koblenzer   Geschäft der Naziabgeordneten Ley und Simon unter grober Pflichtverletzung ohne die geringste Sorgfalt und unter groben Berstößen gegen die geschlichen Bestimmungen verwaltet worden ist.

Die Zerfchung in der bisherigen Hochburg Koblenz   schreitet in Kein Wunder, daß sich Parteimitglieder, wie auch in diefem foige toller Korruption fort. Unter den Augen des Reichstagsabge. Falle an einen Sozialdemokraten mit dem Ersuchen ge­ordneten Simon ist mit den Parteigeldern eine schlimme Wirtschaft wendet haben, durch Beröffentlichung dieser Zustände für Besserung getrieben worden. Infolgedessen ist die Ortsgruppe Koblenz   der zu sorgen. In der NSDAP  . fei Rritit hoffnungslos, weil Nationalsozialisten trog aller Zuschüsse des Friedrich Christian  , es Meinungsfreiheiten nicht gebe. Die nationalsozialisti. Prinz von Lippe, und anderer reicher Gönner finanschen Gewährsleute haben diesem bekannten Sozialdemo 3tell fo bankrott, daß sie nicht einmal ihren Mujitzug mehr fraten sowohl in das vertrauliche Rundschreiben wie in das Original öffentlich auftreten lassen tann. Diese musikalischen rauhen des Gutachtens eines beeidigten Budyjadyverständigen Einsicht nehmen Kämpfen des Dritten Reichs lehnen nämlich ab, ohne entsprechende lassen. Bezahlung mit Trompeten und Trommeln die nötige Begeisterung in die SA. zu bringen.

Da niemand aus dem Durcheinander der Korruption des Koblenzer   Parteigeschäfts noch hindurchfonumen fonnte, hat der Reichstagsabgeordnete Ley die Geschäftsbücher in Koblenz   durch einen vereideten Sachverständigen prüfen lassen. Das Ergebnis ist für die Vorkämpfer der Reinigung Deutschlands   vernichtend.

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Das, was man Buchführung nennt, entsprach nicht den ein­fachsten Bestimmungen des Handelsgesehbuches, und nicht die geringste Sorgfalt war darauf verwendet worden. Jeder Kaufmannslehrling würde hinausfliegen, wenn er irgendeine Kladde so führen wollte, wie es die Vertrauensleute und Freunde der Reichstagsabgeordneten Len und Simon getan haben. Größere vereinnahmte Beträge waren nicht verbucht und fehlten in der Kasse Wie hoch diese Summen sind, wird nie feftgestellt merben fönnen. Jedenfalls gehen sie aber in die Tausende. Der Geschäftsführer war entsprechend der Lehre seines Meisters Feder für Schwundgeld" Er haßte jeden Kassenbestand und verbrauchte den Mammon einfach a conto- Gehalt".

Kassenabschlüsse wurden nicht gemacht Auch über Einfauf und Aufträge murde fein Buch geführt. Ebenso ließ das Wechselfonto alles zu wünschen übrig. Der ganze Laden ist eine einzige stinkende Korruption.

Die beiden Autos murden nach Belieben privat benugt. Brenn

Schulz, der Paraderedner.

Femevertreter" im Gerichtsurteil.

Heute findet im Sportpalast eine nationalsozialistische Berjamam fung statt, in der als Redner der bekannte Feme- Bertreter" Ober­leutnant Schulz angekündigt mird. Thema der Sportpalastfund­gebung ist Die gefesselte Justiz". Oberleutnant a. D. Schulz ist wahrlich der richtige Mann, über die Justiz zu sprechen, ist er doch selbst nicht nur Subjekt, sondern audy oft genug Objekt der Rechtsprechung gewesen. Es ist deshalb angebracht, aus dem in den beiden Fememordprozessen bekanntgewortenen und in der Dejfentlichkeit diskutierten Urteil über Schulz und Genossen einige Feststellungen der Gerichte ins Gedächtnis der Deffentlichkeit zurückzurufen.

In dem Urteil des Schwurgerichts in Landsberg  an der Warthe   im Jahre 1926 in der Straffache Schibuhr und Ge­offen, unter denen sich auch Oberleutnant Schulz befand, wurde Schulz zwar freigesprochen, ta seine leberführung durch die Beweis. aufnahme nicht gelang. Das Gericht stellt aber ausdrücklich feft, daß die juristische Freisprechung ihn( Schulz) von der moralischen Schuld an dem Tode eines Menschen keineswegs befreit. Zu thm blickten die Angehörigen der Formation in Ehrfurcht und Bewunderung auf; trotzdem scheute er sich nicht, feinen Untergebenen die Ermordung

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eines Menschen nahezulegen und fich Bertraute zu halten, von denen er wußte, daß sie bereit waren, auf das leisefte, ja jogar auf ein vermutetes Zeichen von ihm einen Mord zu begehen".

In demselben Urteil heißt es von Schulz und seinen Kame= rapen: Es war für sie ein besonderes Bergnügen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit den mehrlosen, zitternden, blutenden Kameraden zu mißhandeln und mit anzusehen, wie er sein Gehirn zerquälte, um immer neue Lügen als Antwort zu erfinden, die immer neue Quälereien nach sich zogen."

Herr Schulz, der jetzt in nationalsozialistischen Versammlungen als Redner auftritt und der wegen seiner Taten gerühmt wird, war noch im Dezember 1929, mie ebenfalls aus Presseveröffentlichungen hervorgeht, soweit geistig und moralisch zusammenge. brochen, daß die Aerzte ihm in längeren Gutachten bescheinigten, daß er, Schulz, an Angst zu ständen litte, pseudohalluzinatorische Erscheinungen habe, menschenscheu sei, turz, ihn als eine Persönlichkeit bezeichneten, die eine Beränderung im paranoiden Sinne habe!

Also noch im Dezember 1923 mar Herr Schulz nad ärztlichem, damals durch die Zeitungen zitiertem Zeugnis zumindest an det Schmelle der Geistestrantheit Heute ist er Haupte redner in nationalsozialistischen Sportpalastfundgebungen!

Sereniffimus Adolf I.

Soheit verleiht Hoheitszeichen  .

Im Leibblatt Adolf Hitlers   finden wir diese prachtvolle ,, Bers ordnung":

Zum Gedenktag des ersten öffentlichen Auftretens der NSDAP  . am 24. 2. 1920 in München   ordne ich an:

1. Das bisher den Mitgliedern der Reichsleitung vorbehaltene Abzeichen( Hoheitsabzeichen der Bewegung) wird fünftighin von der gesamten SA. und ES.( Führer und Mann) getragen

2. Von den nicht in der S2. oder in der SS.   tätigen Mit­gliedern der Bewegung tragen das Hoheitsabzeichen fünftig alle politischen Leiter von der Ortsgruppe aufwärts. Adolf Hitler  . Stilvoll, schneidig, pyramidal! Jang, wie weiland SM. sis räusperte und spuckte!

Nur wird der Schwung der Verordnung durch die prosaische Nachbemertung gemildert: Der Reichsschazmeister teilt nämlich mit, daß das hoheitsabzeichen" des dritten Reiches von der ,, Reichszeugmeisterei" für I u mpige vier Groschen oder 40 Pf. zu haben ist. Dadurch wird Hoheit Adolf I.   zum billigen Jakob gestempelt. Und das sollte er sich in einer neuen Verordnung dringend verbitten...

Curtius im roten Wien  .

Besuch und Anerkennung der Gemeinde Wohnbauten. Der Reichsaußenminister und der Staatssekretär der Reichs fanzlei sind von Wien   zurückgekehrt. Sie haben dort vor ihrer Abreise einige der großen städtischen Wohnhöfe und Sied lungen besichtigt. Die Gäste äußerten sich wiederholt an er fennend über die schönen modernen Anlagen; Reichsaußen minister Dr. Curtius erbat mit lebhaftem Interesse nähere Mit­teilungen und Erklärungen über das System und die Durchführung des Wohnhausbaus der Gemeinde.

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Man wird den beiden Herren wohl nicht verschwiegen haben, daß der heftigste Kampf der Antimarristen" gegen die Bestreitung der Kosten dieser Anlagen durch die Wohnbau ste u er und nicht durch Anleihen, sowie gegen die sehr niedrigen Mieten dieser Wohnungen geführt wird. Herr Curtius fann jetzt seinen DoIts parteilichen Frattionsfollegen etwas von dem Wert der Wiener   Rathausmargiften erzählen.

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Zu dem Besuch des Reichsaußenminifters Curtius in Wien   wird von zuständiger Stelle mitgeteilt, baß die dort geführten wirtschafts­politischen Verhandlungen besonders darauf abzielen, neue handelspolitische Wege in Südosteuropa   zu suchen. Es gilt insbesondere, die einzelnen Wirtschaftssysteme für die bevor stehenden Handelsverträge einander anzugleichen und einen neuen Organismus zu schaffen, der der jetzigen Lage entspricht. Auf dieser Linie liegen wie die deutsch  - österreichischen Berhandlungen auch die ießt in Wien   begonnenen Wirtschaftsverhandlungen zwischen Dec fand und Rumänien   somie Defterreich und Ungarn  .