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BERLIN Mittwoch

18. März 1931

Der Abend

"

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Nr. 130

B 65 48. Jahrgang

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Todesstrafe für Tehner beantragt

Hat er einen Lebenden oder einen Toten im Auto verbrannt?

Regensburg , 18. März.

Im Prozeß gegen den Versicherungsmörder Tehner beantragte der Erste Staatsanwalt Hebauer am Schluß seines dreiviertelstündigen Plädoyers gegen den An­geklagten Tehner wegen Mordes in Tateinheit mit ver. suchtem Versicherungsbetrug die Todesstrafe, wegen versuchten Mordes 12 Jahre Zuchthaus und Ab­erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit, gegen Frau Tehner wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit versuchtem Versicherungsbetrug 6 Jahre Zuchthaus, 10 Jahre Ehrverlust unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft.

*

Um heutigen zweiten Tage im Tehner- Prozeß in Regensburg war der Andrang des Publikums wieder so außerordentlich start, daß sich gleich zu Beginn der Sihung, wie übrigens auch schon gestern, Ohnmachtsanfälle in dem überfüllten Zuhörerraum ereig. neten. Die Angeklagten ftanden heute sichtlich unter dem Eindruck des gesteigen ersten Verhandlungstages. Frau Tehner hafte heute ganz vermeinte und gerötete Augen und ihr Mann war noch blasfer als sonst und starrte niedergeschlagen vor sich hin, als er wieder gefesselt in den Saal geführt wurde.

Als erster Zeuge wurde heute der Untersuchungsrichter Land gerichtsrat Schmitt. Regensburg vernommen. Er erklärte, daß Frau Tezner außerordentlich entrüstet gewesen sei, als man ihr vorhielt, daß ihr Mann bei seiner ersten Bernehmung in Straßburg fie als die Anstifterin des ganzen Planes bezeichnet habe. Sie habe daraufhin ihn erheblich belastet und erklärt, der ganze Plan stamme von ihm. Er habe ihr auseinandergesetzt, man müsse mit Hilfe des Autos einen großen Coup machen. Dasemige Arbeiten und Steuerzahlen müsse auch einmal ein Ende haben. Tegner sei dann erst Ende Februar 1930 aus Frankreich ausgeliefert worden. Im Zusammenhang hiermit teilte der Untersuchungsrichter mit, daß Tegner damals Angaben über die Person des verbrann­ten Handwerksburschen gemacht habe. Er habe erzählt, daß dieser einen fremdländischen Namen gehabt habe, daß er ein Sägewerfarbeiter aus der Tschechoslowakei gewesen sei, der keine Eltern, sondern nur noch Geschwister besessen habe. Der Name sei ihm aber entfallen. Tegner habe dann auch ihm, dem Unter­suchungsrichter, immer wieder trotz aller Vorhalte erklärt, daß er den Handwerksburschen lebendig verbrannt habe und dabei sei er auch geblieben, als man ihm das medizinische Gutachten, wo­nach das nicht möglich gewesen wäre, vorgehalten habe. Hundert mal habe er immer nur die stereotype Antwort gegeben:

Kommt nicht in Frage. Ich habe ihn lebendig verbrannt." Das habe man ihm schließlich auch geglaubt, weil inzwischen feſt= gestellt wurde, daß der Türverschluß an dem Opel von einem Un­fundigen nicht so einfach zu öffnen gewesen sei. Anfang Mai fei dann plötzlich der Umschwung bei Tegner eingetreten, er habe dem Untersuchungsrichter einen Brief geschrieben, er fönne sein Morogeständnis nicht mehr aufrechterhalten, er habe den Hand­werksburschen mur überfahren. Darauf fragte ihn der Unter­fuchungsrichter: Wollen Sie behaupten, daß Ihnen für Ihren Mord plan ein gütiges Schicksal eine Leiche dirett auf den Weg hin­präpariert hat? Darauf habe Tegner geantwortet: Ja, das will ich behaupten, ein gütiges Schicksal hat mir die Leiche hingelegt. Auf die weitere Frage, warum er sich denn ange­fichts dieses für ihn günstigen Tatbestanpes 5 Monate hindurch des Mordes selbst beschuldigt hätte, habe er erwidert, er hätte laienhafte Borstellungen über den Tatbestand des Mordes gehabt und außer­dem habe er gelaubt, daß seine erste Darstellung ihm in der Deffentlichkeit weniger verübelt werden würde. Bon seiner jezigen Darstellung, daß ihm in Straßburg ein Mitgefangener diese Aussage angeraten habe, sei damals nicht die Rede gewesen. Im Hinblick auf eine nicht ganz richtige Darstellung der Tat in dem für das Auslieferungsverfahren erlassenen Haftbefehl erklärte Land­gerichtsrat Schmitt: Wir bezogen damals unsere richtigen Informationen erst aus der Presse, die viel beffer und schneller orientiert war. Wir hinften mit unseren Feststellungen immer hinterher. Dann tam noch zur Sprache, daß in Nürnberg das Lotal ermittelt wurde, in dem Tegner sowohl mit Ortner wie mit dem später getöteten Handwerksburschen eingefehrt mar. Man tonnte sich dort aber nicht mehr entsinnen, ab er beide Male einen Begleiter gehabt habe. Nach Tegners zweiter Dar. stellung habe er an diesem Restaurant, dem Tiefen Keller", gegen. über der Lorenzifirche, in Nürnberg die Leiche des Ueberfahrenen ( Fortsetzung auf der 2. Geite.)

der

Der Nazifreisprecher von Glogau

Fünf Monate Berleumdungen- 300 M. Geldstrafe

die Regierungsmänner gehören ins Zuchthaus", eine harmlose Deutung zu geben. Dagegen wurde folgende Aeußerung des An­geklagten als erwiesen angesehen: Die Minister rufen uns stets zu,

Vor dem erweiterten Schöffengericht Glogau , dessen Borsitzender| listischen Entlastungszeugen, um hezerischen Redewendungen, wie bekannte Nazifreisprecher", ,, Nazifreisprecher", Landgerichtsdirektor Dr. Lau, ist, hatte sich wieder einmal ein berufsmäßiger Nazis verleumder zu verantworten. Diemal war es der noch recht jugend­liche, 25jährige Chemiter Wilhelm Trendel aus Breslau . In einer Versammlungsserie von Mai bis September hatte er in den Kreisen Glaz , Militsch , Guhrau und Steinau in unzähligen Ver­fammlungen die Republik und ihre Minister aufs gemeinste ver­

leinndet.

Der Vertreter der Anklage beantragte unter Berücksichtigung der Schwere der Beleidigung eine Gefängnisstrafe 5 Monaten.

von

wir sollten immer Ruhe und Frieden halten. Wer will denn Ruhe und Frieden? Die Diebe in der Nacht, die bei euch

Hermann Müllers Befinden.

Buffand äußerst fritisch.

Im Befinden des schwer erkrankten Genossen Her mann Müller ist leider auch im Laufe des heutigen Tages Die bedrohliche Herze feine Besserung eingetreten.

Anders jedoch handelte das Gericht. Es hielt den An­geflagten trotz der schweren Belastungen nur in einigen Fällen des Bergehens gegen das Republikschutzgesetz für überführt, und verschwäche hält an und hat cher noch zugenommen, so dak urteilte ihn an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von zwei Monaten zu 300 Mart Geldstrafe. Die milde Strafe begründete es mit der Unbescholtenheit des Angeklagten.

Derartige Strafen" find nichts anderes als verhüllte Frei fprüche. Sie zeigen, wie eine frondierende Parteijuftiz das Recht zerstört!

Für einhundert Mark!

Was man Ministern für diesen Preis bieten fann! Lehrreich für den heutigen Straftarif bei Ministerbeschimpfungen ist ein Urteil des Schöffengerichts in Braunsberg gegen den nationalsozialistischen Agitator und früheren Studenten Wilhelm Haas in Elbing , das uns im Wortlaut vorliegt. Der Berurteilte hatte im Juli 1930 in Mohrungen eine national­sozialistische Bersammlung abgehalten und in dreistündiger Rede eine Unmenge von Beschimpfungen und Pöbeleien vorgebracht, wegen deren Anklage gegen ihn erhoben wurde.

Die meisten Punkte betrafen Verlegungen des Republikschutz­gesetzes. Wegen einiger Aeußerungen erfolgte Freispruch, obwohl drei Beamtenzeugen die Beschimpfungen auf Grund von Notizen bekundeten, die sie sich zur Berichterstattung an ihre vorgesetzte Behörde gemacht hatten. Hier genügten die üblichen nationalsozia

Goebbels , der Mutige

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Goebbels

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Wird mir ein Haar gefrümmt, gibt es einen Judenpogrom!"

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der Zustand des Patienten als äußerst kritisch be

trachtet werden muß.

einbrechen!" Wegen diefer Gleichsetzung der Minister mit Ein­brechern verhängte das Gericht auf Grund des Republitschutzgesetzes sechs Wochen Gefängnis mit der ausdrüdlichen Begründung. daß eine Geldstrafe doch von der Parteikasse getragen, den An getlagten daher nicht treffen würde.

Außerdem aber standen noch zwei Ministerbeleidigungen übelster Art zur Anflage. Ueber Genossen Hilferding hatte der Angeklagte gesagt: Hilferding habe als früherer Frauenarzt in Deutschland bei Frauen unerlaubte Eingriffe gemacht, so daß er Deutsch land habe berlassen müssen! Durch diese Tat habe er sic als Doctor med. qualifiziert. Als Finanzminister habe Hilferding dann die Finanzen abgetrieben. Ueber den Genossen Grzesinsti hatte der Angeklagte die bekannten Nazilügen wiederholt, daß Grze finski ein uneheliches Kind aus dem Hause Cohn sei, daß er seine Frau erster Ehe in seiner Ministerzeit habe hungern lassen( fie hatte in Wirklichkeit ein Drittel des Ministergehalts bezogen). Ueber die Tochter Grzesinskis hatte der Redner Gemeinheiten ge äußert, die sich der Wiedergabe entziehen, außerdem hatte er dem Genossen Grzesinski , der gar keinen Sohn besitzt, noch einen miß­671 ratenen und verkommenen Sohn angedichtet!

In der Begründung sagt das Gericht zwar auch hier, daß eine ,, empfindliche Strafe" am Plazze sei. Troßdem verhängte es für jeden Fall der Ministerbeleidigung nur einhundert Marf, im ganzen zweihundert Mart Geldstrafe! Und dies trot ber im gleichen Urteil ausgesprochenen Erfenntnis, daß eine Geldstrafe den Angeklagten überhaupt nicht träfe!

Im zweiten Bande seiner Denkwürdigkeiten erinnert Fürst Bülow an den Fall des Winkeljournalisten Brandt, der zur Zeit des Eulenburg- Falles dem Reichsfangler vorgeworfen hatte, daß auch dieser homojeruell veranlagt sei. Für diese Beschinipfung ver­hängte damals ein altpreußisches Gericht einundeinhalbes Jahr Gefängnis! Die Beleidigung des Fürsten Bülow mar gemiß für die damaligen Zeitverhältnisse schwer, aber sicherlich nicht schwerer als die hier erörterten Beleidi gungen Hilferdings und Grzesinstis, die mit je ein­hundert Mark Geldstrafe gefühnt" worden sind.

Flieger Udet aufgefunden.

Bollkommen erschöpft auf einer einsamen Nilinfel. Mairobi, 18. März

Der deutsche Flieger Ubet, der sich gegenwärtig auf einem Fluge von Langangita nach Europa befindet, war seit einigen Tagen vermißt, so daß man ernstliche Besorgnisse wegen feines Schidfals hegte. Einem englischen Flieger ist es nunmehr gelungen, Udet auf einer unbewohnten Insel im Fluß­gebiet des Weißen Nils zu entdecken. Mit großer Mühe gelang es dem Flieger, auf der Insel zu landen. Er gab dem deutschen Flie ger, der sich in ziemlich erschöpftem Zustande befand, Biskuit, Wasser und Zigaretten und stieg wieder auf, um den in Khartum statio­nierten englischen Luftstreitkräften die genaue Position anzugeben. Ubet hat wegen Brennstoffmangels niedergehen müssen.