Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 133 A 67

48.Jahrgang

Böchentlich 85 f., monatlich 3.60 m. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 M. einfchließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Postbestellgebühren. Auslands. abonnement 6,-M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drucksachen. Dosto 5,- M *

Der Borwarts" erscheint mochentag­lich zweimal Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend" Illustrierte Beilage und Zeit" Ferner Frauenstimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u.Stadtbeilage

Boit

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Freitag

20. März 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillegeile 80 f. Reklamezeile 5,- R. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 PL ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Bf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf., jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Zelle 40 f. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Postschecktonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

Kritische Nacht Hermann Müllers. Bom Dritten Reich.

Bewußtlosigkeit und zunehmender Kräfteverfall.

Der Zustand Hermann Müllers hat sich gestern abend| lautet: Der Zustand des Patienten ist äußerst kritisch, noch weiter verschlechtert. Da die Aerzte einen starken nachdem das Krankheitsbild heute abend noch durch eine Verfall des Patienten durch den allgemeinen Schwäche Lungenentzündung kompliziert ist. Das Bewußt. zustand feststellten, wurde gegen 8 Uhr abends neben sein des Patienten ist größtenteils getrübt. anderen Maßnahmen eine Bluttransfusion borge­

12 Uhr nachts. Das Befinden Hermann Müllers ist um 12 Uhr nachts sehr schlecht. Die Körperkräfte nehmen Der Bericht, den die Aerzte am Abend ausgaben, zusehends ab. Der Patient ist bewußtlos.

nommen.

75 Millionen Kredit für Berlin  .

Auf der Grundlage eines verbesserten Bewag- Planes.

Der Magiftrat der Stadt Berlin   hat gestern in außer| ordentlicher und bewegter Sigung das Angebat eines 75 Millionen Kredites angenommen, das von den in- und ausländischen Bantengruppen für den Fall gemacht worden ist, daß die Stadt Berlin   den hier mehrfach besprochenen Plan der Beteiligung des Privatfapitals unter Aufrechterhaltung des überwiegenden öffent­lichen Einflusses in den städtischen Elektrizitätswerten annimmt. Die städtische Nachrichtenstelle teilt darüber folgendes mit:

Sowohl das Bankenkonsortium wie die Stadt haben sich eine eingehende Prüfung fämtlicher Grundlagen der Trans­aktion ausdrücklich vorbehalten.

*

Die Annahme des 75- Millionen- Kredits bedeutet noch nicht die Annahme des Planes zur Umgründung und Teil­privatisierung der Städtischen Elektrizitätswerke. Immerhin be­deutet sie eine Bindung. Wenn der Plan nicht angenommen wird, ist der Kredit im Mai wieder fällig.

Ein unter Führung der Preußischen Staatsbant( Seehandlung) und der Reichskreditgesellschaft 2.-G. stehendes Bantentonjor tium, dem die Deutsche Bank und Discontogesellschaft, die Ber- rungen erfahren. Die neue Gesellschaft würde auch 47 Millionen liner Handelsgesellschaft, die Commerz- und Privatbank, die Darm­ städter   und Nationalbant, die Dresdner   Bant, Mendelssohn u. Co. und M. M. Warburg u. Co., für Amerika Harris, Forbes u. Co., Ofis u. Co., 3. H. Schröder Banking Corporation und die. Chafe Nationalbant, für England J. Henry Schröder u. Co., für die Schweiz   die Bailer Handelsbank und für Holland   Mendels­sohn u. Co., Amsterdam  , und Neederlandsche Handel- Maatschappij, n. V., angehören, haft der Stadt Berlin   einen 3 wischentredit von 75 Millionen Reichsmart zu einem Zinsfuß von 7% Pro­3pn eingeräumt.

Die Stadt hat dem Bankenkonsortium zugesagt, mit ihm über einen Plan zur Berwertung der Städtischen Elek­trizitätswerte zu verhandeln, den das Bankenkonsortium ihr vorgelegt hat. Der Plan sieht im wesentlichen vor, daß eine neue Aktiengesellschaft mit einem kapital von 240 millionen Marf ge­

gründet wird, in die die Berliner   Städtischen Elektrizitätswerke und die im Besitz der Stadt befindlichen 15 Millionen Mark Bewag Affien eingebracht werden. Als Gegenwert fließt der Stadt der Erlös für die Aktien der neuen Gesellschaft zu; ferner übernimmt die neue Gesellschaft die langfristige unverzinsliche Schuld der Stadt gegenüber der Bewag, die etwa 320 millionen Mart beträgt, jo daß der gesamte Kaufpreis 560 Millionen Mark

befragen würde.

Die Uftien werden eingeteilt: nominell 160 Millionen A- Affien, nominell 80 Millionen B- Uktien. Lettere sollen doppeltes Stimmrecht haben. Die A- Affien sollen dem Privatfapital angeboten werden, die B- Aktien sollen von der Stadt Berlin  , den Elektrowerken A.-G. und der Preußischen Elektrizitäts- Aktiengesell­schaft übernommen werden. Durch diese Regelung behält die öffentliche Hand die Führung.

Die Stadt erhält eine Abgabe, die bei steigendem Gewinn entsprechend vergrößert wird. Der Stadt foll ferner das Recht eingeräumt werden, die Anlagen nach Ablauf von 25 Jahren jederzeit zu einem angemessenen Preise zurüdzu­

erwerben.

Schnellzug entgleift.

Auf der Strecke Paris- Bordeaux.

und 50 Berlegte.

-

Bisher 10 Tote

Paris  , 19. März. Der Schnellzug Paris- Bordeaux, der die Haupt­ftadf um 19,32 Uhr verläßt, ist auf dem Bahnhof Efampes, eine Stunde von Paris   entfernt, aus noch nicht bekannter Ursache ent­gleift.

Bisher follen zehn Tofe und gegen 50 Berlegte geborgen fein. Nähere Einzelheiten fehlen noch.

50 Tote?

Wie die Reuteragentur aus Paris   um Mitternacht nach London   berichtet hat, spricht man davon, daß bei der Eisenbahnkatastrophe fünfzig Personen ums Leben gekommen seien.

Der Plan hat einige nicht unerhebliche Berbesse Stadtschulden an die Bewag aus dem Jahre 1930- übernehmen, so daß sich der gesamte Kaufpreis von 513 auf 560 Millionen er­höhen würde. Es wird ein Rückaufsrecht auf die Anlagen oder der Aktien vorgesehen bei gleichzeitiger Dividendenbegrenzung, was einer Uebersteigerung des Kurswertes der Aktien eine Grenze feizt. Berlin   erhält eine Abgabe von bis zu 16 Millionen jährlich ( bisher 14) und außerdem eine 50 Proz. erreichende Beteiligung am Mehrgewinn. Der überwiegende öffentliche Ein fluß wird durch Boolung des öffentlichen Aktienbesites( Berlin  , Reich, Preußen) gesichert; der öffentliche Einfluß fann eventuell durch Aktienzukauf noch gestärkt werden. Die Stadt Berlin   erhält den Vorfiz im Aufsichtsrat. Die Tarifpolitik würde ent­scheidend von der Stadt Berlin   beeinflußt.

Trotz dieser Berbesserungen fann der Blan, wenn er zur Durch Trotz dieser Verbesserungen kann der Plan, wenn er zur Durch führung fäme, keine Freude auslösen. Die Aktienkäufer machen war feineswegs ein so glänzendes Geschäft, wie es zunächst scheinen mag. Auf den zukünftigen Einnahmen der gemischtwirtschaftlichen Unternehmung würde die volle Steuerlast liegen, was mehrere Millionen ausmacht. Der Plan ist auch erheblich besser als das, was die belgische Sofina aus den Werken gemacht hätte; Dannie Heinemann hätte den überwiegenden öffentlichen Einfluß nicht zugelassen. Aber schon die Teilprivatisierung ist, auch trotz des Rücklaufrechts, schmerzlich. Weil aber durch Dr. Schachts fatastrophale Droffelungspolitik und die deutsche Kreditfchädigung im Ausland seit den Septemberwählen kommunale Anleihen im Aus fand noch immer nicht unterzubringen find, konnte kein anderer Borschlag als die Umgründung mit gleichzeitigem 2ttienverlauf ans private Ausland gemacht werden. Das ist Preußen und dem Reich cbenso unwillkommen wie der Stadt Berlin  .

Die Entscheidung über den Plan ist von hoher Berant. wortlichkeit. Berbesserungen und Sicherungen find grundfäß­lich und nach allen Richtungen anzustreben. Dazu ist vielfache Ge­legenheit auch bei Ausarbeitung der Konzeffionsverträge gegeben. Dazu wird in Zukunft noch manches zu sagen sein.

Von Dr. Wilhelm Hoegner  , M. d. R.

Die neuesten Saten freuzmorde zeigen mit er #chreckender Deutlichkeit, was die deutsche Arbeiterschaft zu erwarten hat, wenn der Faschismus in Deutschland   zur Macht gelangen sollte. Die bayerischer Ereignisse aus den Jahren 1920 bis 1924, von denen der Münchener   Ab geordnete Hoegner hier einen fleinen Ausschnitt gibt, sollen Warnung und Signal zugleich sein: Warnung vor Sorg­losigkeit und Gleichgültigkeit, Signal zu erhöhter Attivität und Kampfentschlossenheit!

In weiten Kreisen der norddeutschen Arbeiterschaft hat man von den Auswirkungen einer ganz oder halbfaschistischen Diftatur nur sehr unbestimmte Borstellungen. Auch innerhalb der Sozialdemokratischen Partei scheint man vielfach der Mei­nung zu huldigen, es werde so schlimm nicht fommen, auch die faschistische Suppe werde nicht so heiß gegessen werden, wie sie gekocht sei. Solche Hoffnungen sind erklärlich in einem Lande, das den deutschen   Rechtsradikalismus noch nicht eigentlich am Werke gesehen hat. In Preußen ist man durch die starke Regierung Braun- Severing politisch verwöhnt. Man fann es sich dort nur schwer vorstellen, daß die Aufbauarbeit der letzten zwölf Jahre mit dem Uebergang der Staatsmacht auf eine rechtsaktivistische Regierung sofort in Frage gestellt wäre. Da ist es vielleicht zweckdienlich, gerade im jetzigen Augenblick daran zu erinnern, was die bayerische   Arbeiter­schaft in den Jahren 1920 bis 1924 durchgemacht hat.

Wir hatten in Bayern   seit dem Kapp- Putsch bis Juni 1924 ausgesprochene Rechtsregierungen. Sie haben der nationalsozialistischen Bewegung im allgemeinen freien Lauf gelassen. Zahllosen nationalsozialistischen Ausschreitungen wurden von den Behörden durch die Finger gesehen. Die Jünger des Dritten Reiches fonnten in bewaffneten Scharen durchs Land ziehen, auf deutschen   Tagen" Arbeiterwohnungen stürmen, Gewerkschaftler mißhandeln, in ihren Zeitungen eine unerhörte Mordheße treiben, ohne daß ihnen wesentliches ge­schah. Sie wurden sogar als" Notpolizei" eingestellt und in Reichswehrtafernen militärisch für den Straßenkampf ausge­bildet. Republikaner waren nahezu schutzlos, vogelfrei. Eine rechtsradikale Pressemeute konnte dazu auffordern, den sozia­ listischen   Landtagsabgeordneten Gareis niederzuschlagen ,, wie einen roten Hund". Wenige Tage darauf war er ermordet. Die Täter sind nie gefunden worden. Am 25. Oftober 1921 wurden aus dem südlichen Friedhof in München   auf Erhard Auer   Schüsse abgegeben. Die Polizei hat nichts herausge bracht. Die Sozialdemokraten Timm und Saenger   wurden auf offener Straße bedroht. Gegen die sozialdemokratische Münchener Post" wurden immer wieder Handgranaten­anschläge verübt. Nie wurde man der Urheber habhaft.

#

Am 1. Mai 1923 marschierte Hitler   mit seinen bewaff­neten Scharen in München   auf, um die Arbeiter, die den 1. Mai feierten, in den Straßen wie tolle Hunde nieder­zuschießen".( Amtlicher Bericht.) Die Justizverwaltung griff in das schwebende Verfahren ein und schob so die Bestrafung der Schuldigen hinaus. Als dann der Hitler Butsch ge= scheitert war, verhängten die Gerichte jo lächerliche Strafen, daß selbst die Presse der Bayerischen Volkspartei von einer bayerischen Justiztatastrophe" schrieb. Zu Ende des Jahres 1923 mar Bayern   nach einem Worte des jeßigen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held zu einer Unordnungszelle" ge worden, in der kein anständiger Mensch seines Lebens mehr ficher war.

Das waren aber nur die Begleiterscheinungen. Auch die Staatsgemalt selbst ging unmittelbar gegen die freie Arbeiterschaft vor. Am 26. September

Baldwin fiegt über die Zeitungskönige. 1923 wurde in Bayern   der Generalstaatskommissar v. Kahr  

Die Nachwahl in Westminster.

London  , 19. März( Eigenbericht).

Bei der Nachwahl für den verstorbenen ehemaligen konser vativen Kriegsminister Worthington Evens im Londoner rein bürger­lichen Wahlkreis West minst er siegte der offizielle Kandidat der Konservativen Partei Duff Cooper   mit 17 242 Stimmen gegen den Kandidaten der Zeitungsfönige Beaverbrook und

Rothermere, der nur 11 532 Stimmen erhielt.

Die anderen Parteien hatten in dieser fonservativen Hochburg teinen Kandidaten aufgestellt und den Kampf zwischen den beiden konservativen Richtungen austragen lassen. Duff Coopers Sieg ist ein großer moralischer Erfolg für den um seinen Führer posten schwer fämpfenden Baldwin.

Aus dem Memelland   ausgewiesen haben die Litauer meiter den Betriebsleiter Bukowski und den Maschinenseger Ellwig von der Memelländischen Rundschau" in Hendekrug.

eingesetzt. Sein Programm war: Kampf dem Marrismus, Austragen der Gegensäge". In diesem Kampfe mißbrauchte er rücksichtslos die staatlichen Machtmittel, über die er unein­geschränkt gebot. Bereits am 29. September 1923 löfte er die sozialdemokratischen Sicherheits- und Selbstschutzverbände auf, deren Vorhandensein seit geraumer Zeit ganz allein die Sprengung fozialdemokratischer Bersamm lungen durch den nationalsozialistischen Terror verhindert hatte. Damit war unser Versammlungswesen lahm­gelegt. Ueberflüssigerweise wurden auch noch ausdrück­lich alle politischen Versammlungen verboten. mit einer Anordnung vom 1. Oktober 1923 wurde der Streit und jede Störung und Hemmung der Arbeit in den lebenswichtigen Betrieben bei Meidung von 3uchthaus­strafe verboten. Mit der gleichen 3 uchthausstrafe wurde bedroht, wer einen Beamten, Angestellten oder Ar beiter megen feines Arbeitswillens, feiner vaterländischen oder