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£ydia Sseifultina: Qolflßt

Ihrer sechs ftni st-. Um neun Uhr hat sie der Millzionär hergebracht. Er Halle hie Absicht gehabt, eine Bestätigung zu verlangen, aber er wartete nicht so lange. Spuckte aus und ging. Sie aber sitzen jetzt da. Es ist ihnen gleichgültig. Nicht zum ersten Male sind sie in diesem Vorraum. Einzeln war jedes von ihnen schon hier. Jetzt Hot man sie auf dem Markt gesammell und zusammen her- gebracht. Sie sitzen auf dem Boden. Der Boden ist kalt, aus Kacheln. Bon der Türe her zieht es. Dennoch ist es hier wärmer als auf der Straße. Warum sollten sie also nicht sitzen bleiben? Kein Mensch erwartet sie. Sie haben nirgendwohm zu eilen, chier aber kann man von Zeit zu Zeit sogar ein Stück Brot bekomnien. Sie unterhalten sich ganz ernst. Fach- stmpeln Bei Weibern zu stehlen ist klüger*, stellt in überzeugendem Ton der zehnjährige Wanjka fest. Aber wie denn besser? Wenn sie zu kreischen beginnen, ver- sammelt sich gleich der ganze Markt um sie*, wirft mit heiserem Baß der Kleinste«in. Wie alt mag er sein? Acht? Zwölf? Erloschen«, kluge Augen in einem kleinen, nur faustgroßen Gesicht und ein« dürftige, gekrümmte Gestalt. Wanjka gibt nicht nach Mag mal eine kreischen. Aber schlagen kann ein Weibsbild nicht. Ehe sie sich umdreht, ehe sie in die Hände klatscht, kann der Mensch Fersengeld geben. Aber wenn sich so ein Bauer auf dich legt, dann kriegst du was ab. Der drischt mit Vernunft.* Und mich hat eine Frau beinahe als eigenes Kind ange- nommen*, brüstet sich Wanjka. Ihre blauen Augen leuchten. Sie sind das einzige, was in diesem erdfohlen, mageren Gesicht noch lebt. Strahlen ununter- brachen. Ist vielleicht Tränenschimmer in ihnen erkaltet? Wanjka hat einen Augenblick lang hinübergeschielt. Aus lauter Verachtung hat er nicht«imnal den Kopf nach dem Mädchen hin- gewendet. Angenommen! So!... Sieh dir dos eimnal an! Und sie hat dich wahrscheinlich auch so herausgeputzt: Leuchtet da mit dem nackten Leib und vom henid find nur Nähte und Läuse geblieben!* Na, du bist vielleicht eiligant?! Schau dir doch dein« Lumpen an! Ich sage es ganz richtig, um«in Haar hätte sie mich arrge- nommen.* Wieder heisert gutmütig der kleine Kostja, der Siebemnonats- kind genannt wird: Aber so eine Dame schwatzt ja nur daher: da kannst du lang« warten! Fräuleinchen, leihen Sie mir doch nur für«inen Zug ein Zigarettchen!* Das Fräulein, das mit der Zigarette vor dem Spiegel stand, drehte sich eilig um. Du rauchst? So ein Bürschchen? Das ist ja schrecklich!* Di« Locken auf dem Kopf zitterten vor Empörung. Wenn der Mensch sich vollgeraucht hat, dann quält ihn der Hunger weniger arg!* Nein, ich gebe keine! Um keinen Preis! Entsetzlich! Eni- setzlich!* Und lief davon. Luder!* stellte Wanjka zum Abschied fest.

Der Unterhaltungsstoff war erschöpft. Im Winkel saßen seil dem frühen Morgen drei Kinder, die noch kein Wort gesprochen hatten. Zwei Jungen in langen zerfetzten Hemden, ohne Hosen, ohne Schuhe. Der eine hatte«ine Soldaten- mütze auf, der andere einen zerlöcherten Hut. Das Mädchen da- neben trug Bundschuhe. Die schlitzäugigen Kinder schauen. Aber sonst kommt keine Regung und kern Laut von den'Baschkirenkindern, die da auf ihren gekreuzten Beinen hocken. Kostja sieht sie an: Mahommetaner! Man sollte ihnen ein Schweinsohr zeigen!* Wieder schweigen alle. Der Hunger ist erwacht. Es wird baE> drei. Gleich werden die Beamten gehep. Das Konstnissariat für Volksaufklärung wird in Schweigen versinken. Dieser sechs aber harrt wieder die Gasse. Zum Bahnhof, zu den Kasernen(die Soldaten haben die mildesten Herzen), in die Kirchen, hinter Zäun« werden die Kinder auf der Suche nach einem Nachtlager ziehen. Vielleicht wird es was zum Essen geben? Vielleicht aber auch nicht! Aus dem Flur stürzt lärmend und heulend ein Weib herein. Ein erschrecktes, dreijähriges Mädelchen klammert sich krampfhaft an den Rock der Frau. Ein noch kleineres Kind hält sie auf dem Arm. Ja, soll ich es denn erwürgen?* schreit sie wie besessen und fuchtell mit der von der lebendigen Bürde freien Hanld herum. Aus unserer Gegend*, sagt ganz leise Wanjka.Muller hat auch so gebrüllt...* Gebrüllt hin, gebrüllt her, aber sie Ist schon gestorben; es gibt aber welche, die sich noch plagen*, zischt Kostja durch die Zähne. Plötzlich beginnt die kleine Baschkirin zu weinen. Ueberlaut, von Zuckungen geschüttelt, atemlos. Die Beamten lausen aus der Kanzlei heraus. Auf eimnal ist das Vorzimmer voll Leben und Bewegung. Di« Frau mit den Kindern beginnt mit weiblichem Raffinement neuerlich zu lamentieren. Die Putzfrau geht zu ihr hin und beginnt Ihr barmherzig zu- zureden: Da gibt's jetzt viel solcher, Aermste... Viel solcher Kinderchen! Wie eine Wolke treibt es sie alle her... He, du dort, Mädelchen! He, Tatarekind, heul doch nicht...* Das Telephon an der Wand beginnt Kl rasseln. Ein schlanker Mensch mit Brille gibt Antwort: Ja, Vvlksaufklärung... Kinder herbringen? Die Amtssttmden gehen zu Ende... Bis morgen... Na, irgendwo... Sie sollen irgendwo übernachten... Morgen werden wir weitersehen... Da kann ich keinen Rat schassen... Ja, morgen...* Und zu den sechs gewendet: Na, geht inzwischen! Kommt morgen wieder* Sie stehen gehorsam auf. Eins nach dem anderen schieben sie sich zur Tür« hin. Hören noch die Stimme der Putzfrau: Heute haben wir siebenundfünfzig doch irgendwie unterge- bracht... Und morgen werden neue kommen.* Di« rleine Baschkirin ist verstummt. Schluchzt nur noch. Hinter den Kindern fällt krachend das Tor ins Schloß. Morgen werden sie wiederkommen. (Aus dem RullllÄen überlebt ton Zolevb ftalrnet.)

8rna fBüiing:

«/fugtifl, der boxende ffiär

, Er, der kleine Bär, sah aus wie ein halb entwirrtes Woll- knäuel, als pflegende menschliche Hände sich seiner aufs Sorgfältigst« annahmen. Das wollige Etwas hatte man gekauft für schweres Geld. Und dieses in sich zulammengekuschelt« Tierwesen sollt« ein gesunder Bär und ein intelligenter Kamerad werden. Man nannte das Jungtier August. Man rief August, wenn man ihm zu fressen gab, man rief August, wenn man ihn striegelt« und man rief auch August, wenn man ihn nur mit Motten liebkost«. Bald wußte der Bär, uh bin August. Ein Tier wird stets mit der Well vom Ichstondpunkt aus fertig, und der Bär faßte jeden neuen Eindruck auf unter der Rubrik August und seine Umgebung. Im Tierwagen nebenan hauste Bobby. Und im Schatten von Bobby oerlief die Jugendzeit von August. Bobby ist auch ein Bär, ein Rumäne mit kurzem Fell, acht Jahr« alt. groß und furchtbar böse. Bobby will keinen Zoologen Lügen strafen, der behauptet. von chrem fünften Lebensjahr« ab werden die Bären böse, und Bobby will auch keinen Dompteur blamieren, der aus seinem tag- lichen Umgang mit Tieren heraus der gleichen Meinung ist wie der oclehtte Herr. Bobby beißt, Bobby schlägt, Bobby ist immer nieder­trächtig. Selbst sein Dompteur, der ihn beretts drei Jahr« hindurch Tag aus Tag ein pflegt, muß sehr auf der Hut sein und jede Be- wegung des Tieres ängstlich beachten, ganz gleich ob er den Käsig säubett oder den Bären füttert. Sobald aber Bobby in den Ring geholt wird, geht ein« Ver- änderung durch sein ganzes Wesen. August kennt bewußten Rumänen ja bloß unter seinem Zivilnamen Bobby, jedoch ist der auf ollen Rummelplätzen Deutschlands bekannt als der große Ring- kampfbär aus Neukölln. Im Ring steht Bobby seinen Mann, im Ring ist Bobby fair. Er kämpft nur griechisch-römisch, er stellt nie «in Bein, er wird nie gemein. In diesem mächtigen Schädel des großen Ringkampfbären ist tatsächlich der Sitz echten Spottgeistes. Hat Bobby nun auf feine Weise August unterrichtet? Was wissen wir davon, die wir doch noch nie in einer Bärenhaut steckten! Hat Bobby womöglich zu August gesagt:Bei Musik darfst du ruhig schlafen: denn wir gehören einem Schausteller. Musik geht uns nichts an.* Hat er ihm ferner mitgeteilt:Im Wagen darfst du dir allerlei erlauben, da darfst du schlagen, da darfft du beißen, und wenn du«ine Tafel Schokolad « bekommst, dann darfst du den ganzen Wagen damit beschmieren und ihn nachher sauber lecken, bloß wenn du mal rausgeholt wirft zur sportlichen Betätigung, dann mußt du dich anständig benehmen.* Wie dem nun auch sei. auf jeden Fall war August sehr artig, als sein Herr, der junge Walldorf , ihn auf einen Stuhl setzte, �ierr- chen hatte die Tafch« voll Zucker, zählte immer 1, 2, 3, 4 und macht« mit den Tatzen des Bären schlagende Bewegungen. Diese Frei- Übungen machten Freund Petz Spaß, bald machte er sie aus sich heraus und selbst dann noch, als Herrchen sich Himer den Stuhl stellte. Darauf wurde der Bär aufgerichtet, man zog ihm Boxhand- schuhe über und sieh« da. der kleine Kerl stand wie eine Eich«. Man merkt«, daß er nicht klaMmett« und feschielt, was sanft Bärenatt ist, und entdeckt« sein ganz großes Talent zum Boxer. . Begabungen soll man nach Möglichkeit ausnutzen. Darum wurde jeden Morgen ein Automobil genommen und August fuhr mit seinem Herrn in tn« Olympia-Boxschule von Hänscherle. Die Berliner be- kommen bekanntlich viel zu sehen, jedoch hatten sie«inen Bären, der

Die Ruderer haben nun etwas Ruhe, denn wir treiben mit dem auflaufenden Wasser in das Innere vor. Gegen Abend kommen wir zum Bestimmungsorte, woselbst der sogenannte Nachtmarkt stattfand. Die ganze Nacht wurde gehandelt. Palmkerne, Kakao, Gummi, und so ein großer Teil unserer mitgenommenen Waren gegen Produkte umgesetzt. Am anderen Morgen ruhe ich erst aus, da das ablaufende Wasser gegen Mittag einsetzte. Lollbeladen mit den angekauften Lanhesprodukten ging die Heimfahrt oonstatten, ich wollte noch zum Ngchten ein Pflanzunzshaus an der Küste erreichen. Die Fahrt hen Creek abwärts ging gut vonstatten, aber wie der Blick zum ofsenen Meer hinausschweisen konnte, war mit Sicherheit«in bald eintretender Tornado zu erwarten. Mit voller Kraft legen sich alle Mann in die Riemen, ich selbst sitze am Steuer. Es ist gegen 6 Uhr abends, also Anbruch der tropischen plötzlichen Nacht. Noch ist das Wasser ziemlich ruhig, es ist noch immer die Hoffnung, die schützende Heimställe in der Pflanzung rechtzeitig zu erreichen. Was nun ge- fchah, war das Werk eines Augenblicks. Mit vollständig entfesselrer Gewalt peitschte«in Sturm das Meer aus, die Wellen brachen eine nach der anderen in das Boot, rundum tiefe Nacht, kein Stern, Blitz auf Blitz, und ein Regen prasselte hernieder, zwei Mann mußten sofort aufhören zu rudern und Wasser ausschöpfen. Grell leuchteten die gelben und roten Blitze, das Pflanzungshaus war zu erkennen, es war vielleicht noch 200 Meter von uns entfernt. Ich gab zwei Schüsse ab als Notruf an ken dort anfössizen Europäer, doch verhallten sie ungehört. Ich griff zur Leuchtrakete, der Pflanz ungsleiter beantwortete sie mit einer ebensolchen. Dies waren die einzigen lichthellen Augenblicke. Wir konnten uns gegenseitig schnell sehen, aber ein Annähern war unmöglich. Mit uimerminderter Gewalt tobten die Wasser, da kam das Unglück. Trotz des Verbots ließ ein Junge unbemerkt den Anker ins Wasser fallen, und nun saßen wir sest. Im Augenblick, da das Tau straff wurde, schleuderte uns eine Wog« auf einen Felsen, die nächste Woge hob das Boot abermals hoch, und sosott wurde es zwischen die Felsen geworfen und lag fest. Nun half nichts mehr, wir waren dazu verutteilt, dies« Raäjt im sestgerammten Boote zu verbringen, denn an Land zu kommen war unmöglich.- Gegen 8 Uhr abends flaute das Unwetter ab, die Wogen glätten sich zur Ruhe, mein Freund versucht es mit Ruscn und wir können uns verständigen. Er nimmt zwanzig Mann, die in das Meer hineingehen müssen, überall so verteilt, daß wir von einem zum anderen Verbindung nach dem Lande herstellen können. Alle Mann kommen wir so an Land, das Boot muß bis zum anderen Täge liegen bleiben. Nach kurzem Schlaf kommt der Morgen, das Boot muß frei werden, bei Beginn des ablausenden Wassers gelingt es uns, den Bootskörper frei zu bekommen und unter Hallo auf den Sand zu schleppen. Dott wird das Boot umgekehrt, die Kupserplatten des Bodenbelages hatten sich gelöst und das Boor so damit zwischen die Risse geklemmt, der Anter war bereits versandet. Nach not- dürftiger Wiederherstellung begann die Heimfahrt, die ohne Hinder- nis durch den nunmehr spiegelglatten Ozean vor sich ging.

in die Boxschul« fähtt, noch nicht gesehen. Darum sammelte sich jeden Margen eine Riesenmenschcnmenge vor der Boxschule an, sobald Augusts Taxi fällig war. Auf diese Art und Weise wurde er ans Publikum gewöhnt. Nach IHsähriger Ausbildung ist er jetzt ein guter Boxer. Ist er schlechter Laune und die Laune eines Bären ändert sich ungefähr SOOmal am Tage, schlägt er sehr hart. Ist er friedlich gesonnen. streichell er seinen menschlichen Partner. Aber in einem ist er zu- verlässig: er geht nicht aus dem Ring. Sobald der Psisf ertönt, be­gibt er sich in seil« Eck« und setzt sich auf seinen Stuhl. Ein Bär ist von Natur kurzatmig und wenn er sich nach der Runde hinsetzt, geht seine Brust wie ein Blasebalg und der Laie meint, August kopiere einen schwer atmenden Menschen. In der einen Runde geht August nieder bis 5, in der anderen bis 8 und wenn fein Gegner auf der Erde liegt, dann macht August sich krumm und guckt sehr interessiert zu. Natürlich bleibt August Sieger: denn Bärenkräfte bezwingt kein Mensch. Und wenn ihm nach dem Kamps der Handschuh ausgezogen wird und der Bär sich über sein Fell fähtt, als ob er sich den Schweiß abwiische, dann weih man: August, du bist nicht nur gut dressiert, du kleiner Kerl hast regelrechtes Schaufvielertalent! August liegt jetzt im Tienoagen. Er schläft im Schatten, von Bobby. Bobby ist der berühmt« Ringkampfbär aus Neukölln, aber es gibt mehrere Ringkampsbären. August hingegen ist der einzige boxende Bär. Darum hofft man, daß er über die Schaubude hin- wegwachsen, daß er den Weg zum Variete gehen wird. Er ist unter Menschen, die seit Jahrzehnten mit Tieren arbeiten, durch Krieg und Inflation alles verloren und selbst in schlimmsten Jetten das letzte Stück Brot mit dem Tiere teitten oder es ihm ganz überliehen. August ist ein Talent. August frißt den einen Tag Brot, den zweiten Reis, den dtttten Rüben. Der Bär ist bereits zu einer stattlichen Erscheinung herangefuttert. Auch hat er sich schon frei- geboxt und die Feuerprobe des Debüts, obwohl der Ring für ihn ungewohnt hoch lag, glänzend bestanden. Und nun träumt man berechttgtcrweise von der großen Nummer. Einmal muß sie doch glücken: wenn es dem Vater nicht gelang, nun. dann gelingt es womöglich dem Sohn, und wenn es Bobby nicht ist, dann wird's vielleicht August. So plant man und arbeitet man im unzerreiß- lichen Verbundensein von Mensch und Tier.

Julius Sieggelmann: Schilfbruch an Afrikas SKüfie Das große Rettungsboot, wie es die Dampfer haben, war voll- gepackt mit Handelswaren aller Art, und ich bekam den Austrag, den Transport zu begleiten. Die Fahrt ging von der westafrikani- schen Hafenstadt aus längs der Küste etwa 6 Fahrstunden. Im Voot« waren 12 Mann zum Rudern. Die Küstenfahrt war trnver- gleichlich schön, das weite Meer wie Silber, der Himmel wolkenlos, der große Peak von der spanischen Insel Fernando Poo ragte klar in die Tropenluft. Nach etwa vierstündiger Fahtt kam ein sog«- nanntex Creek, den wir bis zu seinem Ende zu befahren hatten, eine Zeitdauer von etwa 4 Stunden Träge das Wasser, grau- gefärbt, links und rechts hohes Mangrovendickichr. Schlingpflanzen und ein« Menge kletternder Affenherden und kreischender Papageien.

3)er Straßenbau in ZDeuifchland Letzten Endes ist natürlich auch der Straßenbau eine Geldfrage, und wenn man heute vielfach über schlechte Landstraßen klagt, so darf man dabei nicht vergessen, daß wir eben in Deutschland nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um uns auch im Straßenbau alle die Wünsche zu erfüllen, die mir gerne erfüllt sehen möchten. Aber auch bei dieser Einschränkung bleibt doch noch immer die Frage, ob wir wirklich bei unseren Straßenbauten den besten Weg gehen. Man könnt« auch auf diesem Gebiete einigermaßen steptisch sein, wenn man vom Gebiete de» Hochbaue» aus seine Schlüsse zieht. Dort näm- lich üben wir noch so rückständig« Methoden, daß es uns eigentlich niemand verdenken kann, wenn wir auch dem Straßenbau und seinen Methoden etwas skeptisch gegenüberstehen. Die Frage guter Verkehrsstraßen ist heute mehr denn je ein« Frage des gesantten Wirtschaftsiebens. Wir können uns schlechte Verkehrsstraßen einfach nicht keiften, weil sie zu teuer sind. Weil sie unseren Wirtschaftsverkehr hemmen und uns in vieler Beziehung konkurrenzunfähig machen. Die Verkehrsstraßen sind also nicht eine Angelegenheit des nrehr oder minder guten Wohlbefindens des Auto- mvbilisien, sondern vor allen Dingen der Volkswirts chost. Was mau bisher an Versuchen mit Straßenbauten unternommen hat, war ziemlich ziel- und planlos. Wir haben nrtt den verschiedensten Straßendecken herumprobiert, jedoch ohne sie systematisch nach den unterschiedlichen Gesichtspunkten und Bedürfnissen hin zu erforschen. Erst in allerjüngster Zeit beginnt man planmäßig Studien über den Straßenbau. An der Technischen Hochschule zu Berlin hat man ein Forschungsinstitut für Straßenbau errichtet, an dem systematische Versuche mit den verschiedenattigen Straßendecken unternommen werden. Selbstverständlich gibt es keine ideale Straßendecke, die für olle Zwecke gleichmäßig gut ist. Man wird zunächst unterscheiden müssen zwischen Straßenbauten in der Stadt und auf dem freien Lande. Man wird auch die Straßen auf dem Lande noch nach ihrer Ver- kchrswichtigkeit in verschiedene Gruppen einteilen und dabei be- denken müssen, daß gerade hier ein großer Teil de» Verkehrs sich noch mit Pferdefuhrwerken abspielt, ein Zustand, der im nächsten Jahrzehnt wohl erst langsam überwunden werben wird. In den Städten tobt der Kampf zwischen dem Stampf» a s p h a l t und dem Rauhasphalt. Die Verkehrstechniker der Städte sind mit der Dauerhaftigkeit des Stampfasphalts sehr zu» frieden und sind dann auch schwer zu bewegen, von ihm abzulasien. Dagegen ist es gar kein Zweifel, daß der Stampfaiphalt sich in seiner jetzigen Form für die Straßen der Großstadt durchaus mcht über- mäßig günstig bewähtt hat. Er wirkt bei Feuchtigkeit geradezu ver- kehrslähmend, alle Automobile müssen ihre Geschwindigkeit um min- bestens SO Proz. herabsetzen. Außerdem ereignen sich auf dem schlüpfrigen Asphall kotz aller Vorsicht noch zahlreiche Verkehrs­unfälle, die sich bei einer anderen Verkehrsdecke bestimmt vermeiden ließen. Bisher haben allerdings die Versuche mit anderen Asphalt- decken keine großen Erfolge gezeitigt. Man hat sich deshalb in Berlin entschlossen. Versuche zur Verbesserung des Stampfasphalts durch Zusätze und Auftragungen zu machen. Dies« Mittel werden in die Decke«ingewalzt, um sie auf diese Weis« rauher zu gestalten. Der Rauhasphall ist zwar sehr viel besser al» der Stampsäsphalt, man behauptet aber, daß er sehr viel unwirtschaftlicher sei als dieser und sehr viel größer« Kosten verursacht. Bisher haben allerdings auch die Versuche, den Stampfasphall rauher zu gestalten, noch ,zu keinem rechten Erfolge geführt, so daß dos Problem der Straßendecke kür die Städte noch als durchaus unzureichend gelöst angesehen wer- den muß.'Fast noch schlimmer liegt e» aus dem Gebiet der Chausseen. Unsere Landstraßen bilden heute ein seltsam buntes Bild der ver- schiedenattigsten Straßen. Größtes Kopfsteinpslaster wechsell mit schönsten Mosaikstraßen, Teerstraßen mit Schotterstraßen, fand- bedeckte mit spiegelglatten Straßen, der Automobilist muß sich oft- mals in wenigen Minuten drei- und viermal umstellen in bczug auf die Veränderung der Straßendecke. Es ist an her Zell , daß wir auch hier zu einer einheitlich anerkannten Straßendecke kommen und diese bei allen Neubauten zur Anwendung bringen.<?. Sek.