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Ar 153 48 3abraana 1. Beilage des Vorwärts

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Jahrgang

1abuarts C

Berlins Verkehr als Spiegel

Immer wieder wird behauptet, der Ver­

kehrsrückgang bei den städtischen Verkehrs- BERLINER VERKEHRS- RÜCKGANG

mitteln sei allein die Folge einer falschen Tarifgestaltung der BVG. Der Vorwärts" hat bereits mehrfach nachgewiesen, daß nicht die Tarifgestaltung, sondern die Wirt­schaftslage die Zu- und Abnahme des Verkehrs entscheidend beeinflußt. Ueberdies hat der Verkehrsrückgang in vielen anderen deutschen   Städten noch weit ver­hängnisvollere Ausmaße angenommen als in Berlin  . Es ist auch falsch, wenn immer wieder behauptet wird, die Berliner   fahren schlechter als beispielsweise die Leute an der Seine und die Bewohner rund um die Themse  . Mehr als einmal haben ausländische Sach­kenner die Vereinheitlichung des Berliner   Verkehrs- eine sozialdemokratische Leistung als kommunalpolitische Großtat bezeichnet. Erst jetzt geht London   daran, seinen Verkehr nach Ber­ liner   Muster neuzugestalten.

Interessant für die Beurteilung des Ber­ liner   Verkehrs als Spiegel der Wirt­schaftsnot ist die Tatsache, daß der Verkehrsrückgang bei der Stadt- und Ring­bahn prozentual noch größer ist als bei den städtischen Verkehrsmitteln. Im Februar 1931 beförderte die Straßenbahn 41947 659, der Omnibus 10 690 981 und die U- Bahn 18 672 429 Fahrgäste, zusammen 71311069 Personen. Im gleichen Monat des Vorjahres mourden auf den Verkehrsmitteln der BVG. insgesamt 79 350 587 Fahrgäste befördert. Davon entfielen auf die Straßenbahn

STADTISCHE VERKEHRSMITTEL

STADT- UND RINGBAHN

48 494 018, auf den Omnibus 14 502 242 und auf die U- Bahn| 16 354 327 Personen. Die graphische Darstellung zeigt, daß der Verkehrsrückgang auf der Stadt- und Ringbahn im Be­richismonat prozentual größer geroesen ist als der bei den

Ein Tag neues Berlin  .

FEBRUAR 1930 UND 1931

فق

RUCKGANG

10,1%

RUCKGANG 13,3%

städtischen Verkehrsmitteln( 13,3 Proz. gegenüber 10,1 Proz.). Im Monat Januar 1931 betrug der Rückgang bei der Stadt­und Ringbahn 16,6 Proz. und bei den städtischen Verkehrs­mitteln 10,3 Proz.

Gestern Infrafttreten des neuen Gesetzes.  - Der Rumpf richtete Mahnung zur schnellen Erledigung der notwendigen Neu­magiftrat an der Arbeit.

Nachdem der Staatsraf von seinem Recht, Einspruch gegen das neue Berlin  - Gefeß zu erheben, feinen Gebrauch gemacht hat, ist das neue Gesetz bereits gestern in Kraft getreten. Aus ver­waltungstechnischen Gründen hat der Gesetzgeber ausdrücklich der Novelle bereits ab 31. März 1931 Gefehestraft verliehen. Die bis­herigen unbefoldeten Magistratsmitglieder haben deshalb gestern ihre Aemter niedergelegt. In dem Rumpfmagistrat, der nun bis zur Erledigung der notwendigen Ergänzungsnovellen Berlin   regieren wird, mußten zahlreiche Uenderungen in der Arbeitsverteilung durch­geführt werden. Der neu aufgestellte Geschäftsverteilungsplan stellt an die Arbeitskraft der einzelnen magistratsmitglieder so hohe An­forderungen, daß im Interesse der Aufrechterhaltung einer geord­neten Verwaltung die Neubesetzung der freien Stellen feinen Auf­fchub mehr duldet.

Es gilt nunmehr als sicher, daß die Stadtverordnetenversammlung in ihrer ersten Sigung nach Infra; ttreten des neuen Gesezes am 9. April die Wahl der neuen sechs unbesoldeten Magistratsmat glieber vornehmen wird. In dieser Sigung, für die bereits die ver­

Schicksal

Gerhart Hermann Mostar

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im fance

Mit leisem Schlag fällt die Pfeife in den Korb, das Spargel­

breit schiebt den Sand wieder in das Loch, der vieltürmige, meißleuchtende Dom da in der Erde wird wieder begraben, das Brett glättet droben den Sand; nun muß die nächste Kuppel, die fich hinaufbaut ans Licht, den Kranz wieder tragen, der sie verkündet und verrät.

Die Menschen stehen auf, strecken die Körper in wehende Luft; aber ihre Blide bleiben im Sand, indes ihre Hände Körbe und Geräte greifen, ihre Füße weiterschreiten bis zum nächsten, winzigen Ring, bis zum nächsten Bücken und Knien. Wenn ihre Furchen durchschritten sind, tragen sie die Körbe in Papendieds Spargelhaus, leeren sie und geben fo fort wieder; denn der Spargel, so hat Andreas Korn gelesen, wächst an sonnigen Tagen in jeder Stunde dreiviertel Benti meter, man muß dreimal täglich stechen das spornt zur Eile. Nur Anna Majchte bleibt: Papendiecks Organisation vom Vorjahr ist beibehalten worden, und Anna Maschte wäscht den Spargel unter Aufsicht von Papendieds Sonne, die sich überzeugt, daß selbst der stärkste Strahl nicht die Wasserbecken berührt; der Spargel muß bis zur Ablieferung im Schatten liegen.

schärften Geschäftsordnungsvorschriften gelten, wird auch der vom Gesetz neu geschaffene Stadtgemeindeausschuß gewählt werden. Die vom preußischen Innenminister an Berlin   ge­wahlen ist im Rathaus nicht ohne Erfolg geblieben. Gestern waren die Beauftragten der einzelnen Frattionen mit erhöhter Af­tivität an der Arbeit. Es gilt die Vorbereitungen für die Wahlen so zu erledigen, daß die genannten Termine auch wirklich einge halten werden können. Die Besprechungen nehmen heute ihren Fortgang, und es gilt als sicher, daß Berlin   am 16. 2 prif sein neues Oberhaupt erhalten wird.

Fünf Tote bei einem Flugzeugabsturz.

Mittwoch, 1. April 1931

Eine Stadt vernichtet.

Erdbeben in Rifaragua.

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Vierzig Opfer geborgen. New Yort, 31. März. Nach einer dem Washingtoner Marineministerium zu­gegangenen Meldung hat ein schtveres Erdbeben in Nikaragua   großen Schaden angerichtet. Die Hauptstadt des Landes, Managua  , soll zur Hälfte vernichtet sein. Die Meldung spricht von riesigen Schadenfeuern. Da die Erd­bebenstöße noch fortdauern, hat der Präsident Hoover an­geordnet, daß Armee, Marine und das Rote Kreuz sofort Hilfsexpeditionen in das betroffene Gebiet entienden sollen. Wie ,, Associated Pres" aus Panama City  meldet, sind bei der Erdbebenkatastrophe 40 Personen getötet worden.

,, Associated Pres" erhält einen Funkspruch der Tropical Radio Co. aus Managua  , wonach das Erdbeben, das den größten Teil der Stadt in Trümmer legte, um 10,02 Uhr vormittags örtlicher Zeit ein­setzte und nur von furzer Dauer war. In der Markthalle brach ein Brand aus, der sich sehr schnell ausbreitete und die noch unver­fehrten Gebäude im westlichen Teil der Stadt in Asche zu legen droht.

Panif in den brennenden Straßen.

Der Versuch, durch Dynamitsprengungen den Brand, der in der vom Erdbeben heimgesuchten Stadt wütet, einzudämmen, ist erfolglos geblieben, weil die Dynamitvorräte bald aufgebraucht maren. Auch die Löscharbeiten sind unmöglich, da die Wasser­straßen und die Wasserleitungen durch das Erdbeben zerstört wurden. Die Straßen find mit Flüchtlingen angefüllt, die von einer Banif ergriffen, aus der brennenden Stadt zu flüchten fuchen. Infolge der Trümmermassen sind die Straßen jedoch kaum paffierbar. In der ganzen Stadt ist fein einziges Gebäude unbe­schädigt geblieben.

Fünfhundert Menschen umgekommen?

Miami  ( Florida  ), 31. März.

Der hiesige Beamte der Tropical Radio Company berichtet, daß nach einem von ihm aufgefangenen Funfipruch die Zahl der bei dem Erdbeben in Managua   umgekommenen Personen 400 bis 500 befrage. Panama City  , 31. März.

berichtet, daß das Funkgebäude in Managua   durch das Erd­Der in Managua   ftationierte Beamte der Tropical Radio Co. beben zerstört sei und der Funkbetrieb von einer 8 Kilometer außer halb Managuas gelegenen Fabrit aus aufrechterhalten werde. In Managua   sei das Kriegsrecht proklamiert worden.

Schlagwetterfatastrophe.

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Ein zwischen Kansas City   und Wichita verfehrendes Post unb Paffagierflugzeug der Transcontinental and Western Air Company stürzte über einer unweit Emporia gelegenen Farm ab. Die zwei tagabend in einer Kohlengrube bei Oviedo   eine schwere Piloten und drei Paffagiere waren auf der Stelle tot.

Konzert erwerbslofer Mufiter. Am Karfreitag, 20 Uhr, ver anstaltet ein Orchester von 200 erwerbslosen Musikern unter dem Dirigenten Goldschmidt in der neuen Welt" ein Konzert. Ein tritt 50 Pf. bis 2 M.

mut in ihrer Liebe zum Kranten; es ist eine Dankbarkeit in ihr, die sie zu allen Dingen gut sein läßt Nur bei einem Gedanken, bei einem einzigen Gedanken kann sie ein hämisches Lächeln sich nicht verfneifen: bei dem Gedanken an die Weiber in der Kreisstadt, an deren Fenstern und Türen Baul Maschte jezt achtlos vorüberrast, wenn er dort ist. Und er ist oft dort der Hypotheken wegen; es ist ziemlich sicher, daß man Geld befommen wird, aber die gerichtlichen Eintragungen ver­schleppen die Sache; bitter ist das, denn man fann feine fremden Arbeitskräfte bezahlen ohne das Geld...

Aber Anna ist bereit, zu arbeiten für drei. Draußen schuftet Paul Maschke seine sechs Morgen her­

unter.

Er ist immer am schnellsten fertig von allen; aber er tut es ohne Liebe. Es entgeht ihm feins der kleinen, verräterischen Sandhäufchen, fein Auge ist scharf; aber es ist etwas wie But in dieser Schärfe. Er verletzt und zerbricht keine der schlanken Spargelpfeifen, aber sein Ohr genießt das Todes fnirschen des Pflanzenfleisches; und die Stangen läßt er nicht in die Körbe fallen, er wirft sie. Es ist eine sinnlose But in ihm gegen dies leichenblaffe Gewächs, die stammt von jenem Morgen her, als Papendied starb; das weiß er. Aber es nüßt ihm nicht sehr viel, das zu wissen; es hilft gerade dazu, daß er aushält mit Hirn und Nerven und nicht gleich nach Hause flüchtet, zu Anna, die warm ist und zittert, wenn man sie berührt, wie Leben zittert, und nicht starr ist wie Tod...

Auf dem Felde nebenan arbeiten Korns; und arbeiten ganz anders. Sie bleiben nie gebückt stehen, wenn sie stechen wollen: sie fnien immer nieder; das ist eine Geste der Sorg­falt. Sie zählen jedesmal die Pfeifen, die noch hinaufwollen, und schätzen ab, wann sie oben sein werden; und die ge­stochenen legt Luise sorgsam in den Korb wie Blumen. Andreas freilich gibt sich etwas mürrisch. Wenn er eirien jungen Trieb trog aller Sorgfalt beschädigt hat, flucht er auf die ganze Spargelbauerei, die eine Arbeit für Weiber fel. ja, wenn man mit Sensen ran tönnte!" Und er macht die Bewegung des Mähens und sagt zu Luisen: Beene weg!" Dann fleht er sich die Beine an, die reichlich did sind, und reibt die Hände: Luiseken, Luiselen, wenn deine Beine Spargel wären, und denn bloß hundert von der Sorte wir hätten ausgesorgt!" Und er schielt hinüber zum Felde Papendiecks.

Anna hat sich beinahe sorgfältig zurecht gemacht, als fei der Stubbenlander Spargel vornehme Kundschaft; es läßt sich freilich nicht leugnen, daß sie vor Papendiecks Tode sich etwas vernachlässigt hatte, und daß es jetzt doppelt auffällt, wenn ihr aschiges Haar immer glatt gestrichen ist. Auch sind ihre Bewegungen nicht mehr wirr und aufgeregt, sondern sehr ruhig, und es zeigt sich, daß ihre dünnen Arme schön aus­sehen, wenn sie sich langsam bewegen. Sie schneidet den Spargel so, daß feine Stange länger ist als zwanzig 3enti­meter; sie fortiert ihn nach der Stärte der Pfeifen und wiegt ihn ab; fie legt ihn in die Wasserbeden, sorgsam, wie man Kinder bettet, fie schaut auf die dice, glatte, weißtöpfige erste Sorte beinahe mit Berehrung und auf die dünne, verkrümmte,| zerbrechliche vierte Sorte beinahe mit Liebe. Es ist aber Denn Lenes Beine sind jung, ihre Konturen schwingen feine Demut in ihrer Verehrung des Gesunden, teine Beh- sich in den Rock hinein wie Flugbahnen träftiger Vögel, es

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Bisher 19 Zote! Explosion in der Kohlenarube. Paris  , 31. März.( Eigenbericht.).. Wie aus Madrid   gemeldet wird, hat sich am Mon Schlagwetterfatastrophe ereignet. Von den 28 an der Unglücksstelle arbeitenden Bergleuten sind bisher neunzehn Tote und vier Schwerverletzte geborgen worden. Zum Zeichen der Trauer ruhte am Dienstag die Arbeit in sämtlichen Gruben des Bezirks.

ist, als hätten fie feines Leibes Schwere zu tragen; Strümpfe brauchen sie nicht, denn ein ganz feiner Flaum liegt darüber, und der erscheint Herrn Schmizer wie die Seide des lieben Gottes. Ueberhaupt Herr Schmiger: wenn er aufblickt, sieht er Sand und See und Kiefern immer umrahmt von diesen Beinen, und zuweilen hängt der Rand ihres Haares vom gefentten Ropfe her in das Bild der Landschaft hinein; das ist dann wie der Rand der Sonne. Immer bleibt ihm so die Welt von ihr umschlossen. Sich selbst empfindet er als schwarzen, unrhythmisch friechenden Fleck in dieser gelb= goldenen Welt; vielleicht ist es der kurze Atem, der seine Be­wegungen verzerrt, sie schwanken läßt zwischen hast und Langsamkeit. Die Arbeit strengt ihn sehr an, er müßte viel ausspeien und magt es nicht vor ihr, er würgt alles hinunter und glaubt zu fühlen, wie seine Lunge fleiner wird, enger wird. Aber was tut ihm das: um so mehr Platz hat das volle Herz. Ach, du feuchter, modriger Pavillon, Siegfried Schmißer fieht dich nur noch nachts, menn die Müdigkeit den Körper achtlos in den Schlaf wirft wie ein Bündel; ach ihr jammervollen, ihr schmierigen Geschäfte, ihr könnt am Feld­rand stehen und warten, Siegfried Schmizer ist erlöst, Sieg­Fried Schmiger ist Landarbeiter...

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Dicht vor ihm ist jetzt die Lene, der Wind treibt ihr leinenes Kleid wie ein helles Segel auf ihn los und alle 3eit und alle Grenzen verwehen im Wind, versinken im Sand, und er ist Jakob, der kleine, schmutzige, häßliche Jakob, der um die schöne, große Rahel dient in harter Feldarbeit wenn es sein muß, sieben Jahre lang.

Nach dem letzten Stechen, um fünf Uhr nachmittags etroa, helfen sie alle der Anna Mafchte beim Spargelwaschen. Nur Andreas geht sofort in den Stall und holt den Hans. Denn man muß ichnell fein; um halb sieben Uhr geht von Schloß­heide der Güterzug ab, der den Spargel nach Hamburg   bringt.

Unter vielem Zureden schirrt Andreas den Hans an den Bagen, der schon mit verdeckten Körben beladen ist. Deh, Hans, öh! Na, fünf Wochen noch, alter Bursche, dann fannst du dich ausruhen! Deh, stille halten, nicht niden!" Es ist wirklich, als hätte hans geniet; ausruhen, das hört er gerne. Weil Lene ihr Pferd verlaufen mußte, um vorerst leben zu fönnen, darum muß er Abend für Abend zur Bahn. Früher hätte ihm das nichts ausgemacht; aber lieber Himmel, er ist alt, die Gruben über den Augen sind recht tief geworden, Anna Maschtes fleine Faust past hinein; und vor die Augen selbst, vor das rechte besonders, zieht sich ein weißer Schleier, der deckt langsam das schöne, sanfte Braun zu: Hans wird blind.. ( Fortsetzung folgt.)