(Beilage Sonnabend, 4. April 1931
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Dalmatien, das laiiggestreckte Küstenland des nsrdwest- lichen Balkans, von Fiume bis Albanien reichend, durch den un- wegsamen Gebirgswall des Karster und der Dinarischen Alpen vom Hinterlande abgeriegelt, vor dem Kriege zuletzt in österreichischem Besitz— wer kannte früher dieses Land? Man sah wohl auf der Karte die reichgeglicderte Küste mit den vielen Inseln, hörte durch Gelehrte und Forscher von den Kunstschägen und Bauwerken, die dort noch vorhanden sein sollten. Aber die Unbequemlichkeit der Reise, Vorurteile gegen den Balkon schreckten von einem Besuch ob: Italien , das alte Reiseziel der nordischen Völker, war so viel leichter zu erreichen und lenkte den Strom der Reisenden immer wieder zu sich hin. Er st in den letzten Jahren ist durch die Propaganda der jugoslawischen Regierung, die auch für bessere Verbindungen und den vom Reisenden verlangten Komfort Sorge trug, die dal- matinischc Küste bekannt geworden, und überrascht sieht der Fremde die eigenartige Schönheit dieses Landes. Ucberwältigcnd ist der Eindruck, wenn nach langer Fahrt durch das öde Gebirge in ferner Tiefe die A d r i a sichtbar wird: unvergehlich sind die Bilder einer Schiffsreise an der Küste entlang durch das I n s e l g« w i r r. Der mannigfache Wechsel von Wasser und Land, der schroffe Gegensatz vom horten Grau der Felsen zur satten Bläue des Meeres, von unwirtlich kahlen Bcrghöhen zu fast tropisch anmutender Bege- tation— Palme, Agave, Myrte und Lorbeer gedeihen hier—, diese grandiose und zugleich liebliche Natur im Berein mit kunst- vollen Bauten des Mittelalters und der Antike im Glänze südlicher Sonne ist von überwältigender Wirkung. Wie ist nun diese eigenartige Forin des Landes entstanden, wie erklärt sich der Widerspruch von ruhigem Meer und zerklüfteter Küste? Als die ehemalige gewaltige Niederung zwischen Europa und Afrika vor Jahrtausenden infolge allmählicher Bodensenkung vom hereinbrechenden Ozean überflutet wurde, da verschwand auch das Tal zwischen Apeninnen und Dinarischen Alpen in den Wassern. Höher und höher stieg das Meer, die heutige Adria entstand, nur noch die Gebirgstämme ragen als Inseln und Klippen hervor, die oftmals in drei- bis vierfacher Reihe dem eigentlichen Festlande vor- gelagert sind. Wo Flußtäler tiefer in das Land einschneiden, ent- standen fjordartige Buchten, wie z. B. die vielgewundene groß- artige Bocche di Cattaro, jetzt K o t o r. Sie gaben vortreff- liche Häfen für die Ansicdlungen der Menschen. Schon in vorchristlichen Jahrhunderten waren die alten Griechen in ihrer großzügigen Kolonisationstätigkeit bis zu diesen Gegenden vorgedrungen und hatten blühende Niederlassungen ge- gründet. Später, unter der Herrschaft der Römer, wurde das Land eine reiche Provinz mit der Hauptstadt S a l o n a e, dessen ausgegrabene Ruinen auf eine mächtige Ausdehnung dieser Stadt schließen lassen. Um das Jahr 30V schuf Diokletian in der Nähe seinen wahrhaft kaiserlichen Ruhesitz: heute steht hier die Stadt Split (Spalato). Mit der Völterwanderung drangen Hunnen und Avoren über das Gebirge und verwüsteten das Land. See- räubcrnester bildeten sich in versteckten Buchten und wurden zum Schrecken des Handels, bis es dem venetianischen Reiche gelang, sie auszurotten und sich an der Küste festzusetzen. Nach wechselvolle» Kämpfen mit Ungarn setzte eine neue Epoche des Gedeihens ein. Reiche Städte entstanden, Paläste und Kirchen wurden gebaut: sie tragen noch heute dos Wahrzeichen Venedigs , den Löwen, als Schmuck. Aber der Friede der Entwicklung wurde durch die Türken gestört, die den Balkan besetzt hatten und immer wieder zur Küste
Omis vorzudringen versuchten. Jahrhundertelang wiederholten sich die Einfälle, und wenn es auch den Osmanen nicht gelang, sich an der .Küste festzusetzen, so hatte doch das Land unter den ewigen Kriegen gelitten: der wirtschaftliche Niedergang begann, Wälder wurden ab- geholzt, die Bodenkultur vernachlässigt. Das van Napoleon ge- gründete Königreich Jllyrien währt« nicht lang«: Oesterreich be- fetzte di« Küste, war aber nicht sähig, das Land wieder in die Höhe zu bringen. Erst in jüngster Zeit, durch die Bereinigung mit dem Hinterlar.de, sind neu« Möglichkeiten fiir Dalmatien geschaffen. Nach M das Volk arm: durch den Raub der Wälder ist der Boden steinig
und trocken geblieben, der glühende S c i r o c c o(Südwind) und die ewige Boro<Ziordwind) tun noch ein übriges, um ihn aus- zudörren. Viele der ehemals mächtigen Städte sind im Rang zu Fischerdörfern herabgesunken: der Strom der Reisenden belebt sie zwar, kann aber den alten Glanz nicht erneuern. Wenn auch der Charakter der Städte noch italienisch ist und bis vor kurzem noch die italienischen Ortsbezeichnungen gebräuch- lich waren, so sind doch nur noch 2 Proz. der Bevölke- rung romanischen Blutes, und auf dem Lande trifft man nur reine Kroaten. Es ist ein stolzes Volk, das streng darauf bedacht ist, sich seine Eigenart, Sitten und Trachten zu erhalten. Seine Redlichkeit und Freundlichkeit überrascht den Fremden aufs angenehmste, eine Unterhaltung mit dem Bauern, der meist Deutsch versteht, unterrichtet uns oft besser über Land und Erzeugnisse, als manches Reisehandbuch. In teilweise noch primitiver Art bewirtschaftet der Landmann seinen Boden, der als Acker kaum brauchbar ist. Die wenigen Ziegen und Schaf« finden ihre Nahrung in den Kräutern und dem Blattwerk der Büsche, die zwischen den Felsblöckcn gedeihen. Der landwirtschaftliche 5)auptfaktor ist der Obstbau. Der Wein- stock, der Feigenbaum und daneben der Oelboum, die schon in der Bibel als di« wichtigsten Begleiter der Menschheit genannt werden, sind auch hier die Lebensquellen des Landmannes. In schweren dunklen Trauben gedeiht ein wundervoller Wein. Statt mit Kelter und Presse werden die Beeren oft noch mit den Füßen der Besitzer bearbeitet, um den Most zu gewinnen. In Schläuche aus Tierfellen wie einst im Altertun« wird er dann eingefüllt und auf den Rücken von Eseln korawanenweise zu den Kellereien geschafft. Zum Teil werden die Trauben auch ge-
trocknet und ein feuriger Süßwein(Prosee) hergestellt. Ebenso sieht man di« Feigen an langen Stricken dörren, um dann Handelsartikel zu werden. Im Spätherbst beginnt dann die Oel» gcwinnung: die Oliven werden mit primitiven Werkzeugen ausgepreßt und geben ein vorzügliches Oel, das leider ganz zu Unrecht bis jetzt die Konkurrenz mit dem italienischen Oel nicht auf- genommen hat. In hartem Kampfe mit Felsboden und Wind muß das Land- volk in unendlicher Mühe der Erde ihre Produkte abgewinnen. Er- gicbiger ist das Meer, und daher gehört der Hauptteil der Be- völkerung der Fischer- und Seesahrerzunst an. Groß ist der Reichtum der Adria an Fischen mancherlei Art und Schalen- tieren. Sordinen und Tunfische werden in großer Menge gefangen, Krebse, Hummern und auch Austern kommen vor. Tintenfische, Polypenarme und Schnecken sind ein VolksnahrungsmiÜel. Als tüchtige Seeleute waren di« Dalmatiner schon im Alter- tum bekannt, sie ruderten auf den Galeeren der Römer und waren die besten Matrosen auf den venetianischen Handelsschiffen. Heute fahren die Männer der Küste auf allen Meeren, und viele sind in der Freinde geblieben. Aber jeder Auswanderer bewahrt di« Liebe zu seiner Heimat: meist kehrt er später zurück oder unterstützt von ferne seine zurückgebliebenen Angehörigen. Die Industrie des Landes ist wenig entwickelt und beschränkt sich außer Konservierung von Fischen, Früchten und Oel auf Z« m c n t f a b r i k a t i o n und Aluminium gewin- n u n g. Vorzüglich aber sind die Erzeugnisse der Hausindustrie. Die Geschicklichkeit und der Fleiß der Frauen hat eine hochentwickelt« Volkskunst geschaffen. Wir sehen prächtige Stickereien in Wolle und Seide an den Kleidungsstücken von Frauen und Männern: Beutel und Taschen in phantasicoollen Mustern, seine Spitzen, Schuhwerk in farbigem Leder, Gebrauchsgegenstände wie Schüsseln, Lössel und dergleichen mit eigenartigen Schnitzereien. Silberschmuck in origi- nellen Formen wird zum Verkauf angeboten, und vielerorts findet sich noch altertümliche Keramik. Dalmatien wird oft als das Land der Zukunft bezeichnet. Gewiß, wenn die Berge wieder aufgeforstet sind und damit die Bodenverhältnisse besser werden, wenn neue Straßen und Bahnen neu« Verkehrs- und Absatzmöglichkeiten bringen, wenn die Industrie weiter ausgebaut ist und der Fremdenverkehr weiter zunimmt, dann wird auch ein« neu« Zeit des Wohlstandes für dieses Land anbrechen. Hoffentlich bleibt ober auch dann noch das Idyllische des Landes und die Eigenart des Volkes erhalten.
Korcula
Unser erstes Bild zeigt die Bucht von Omis, als besonders charakteristisch für die Art, wie Berge und Felsen aus dem Meere emporsteigen. Im Mittelalter war es ein berüchtigtes Seeräuber- nest, jetzt ist es als Erholungsort sehr besucht. Die reizvolle Stadt Korcula ist ursprünglich eine dorisch« Siedlung: man behauptet, daß sich der Stadtgrundritz durch zwei
Split(Spalato)
Jahrtausende erhalten Hot. In prachtvoll geschlossener Anlage be- deckt die Stadt eine Halbinsel, die von drei Seiten vom Meere um- spült ist. Im Mittelpunkt und auf der höchsten Stelle liegt der Marktplatz mit einem Dom aus dem 13. Jahrhundert. Bon hier gehen schmale Güßchen über viele Stufen zum Meere hinab. Hinter ruinenhasten Fassaden eines großartigen venetianischen Stiles liegen armselige Wohnungen und winzige Läden. Rest« alter Befestigungen sind an zwei Seiten noch vorhanden. Das Peristyl(Säulenhalle) in der Stadt Sp l i t(S p o l a t o) bildete früher den Borhof zu dem gewaltigen Palast des römischen � Kaisers Diokletian . In feinen Riesenausmaßen war dieser Gebäude- komplex wohl als Bollwerk gegen das andringende Christentun« gedacht, dessen weltobgcwandtcs Aszetentum dem prachtliebenden � Imperator zutiefst verhaßt war. Später, mit dem Zerfall des ; Römerreiches, wurden die verlassenen Mauern eine Zufluchtstätte für Flüchtlinge, die sich darin ansiedelten und die Stadt begrün- deten. Das große Palostkorree bildet noch heute den Kern der Stadt. 3000 Menschen wohnen innerhalb der alten Mauern. Die Säulenreihen sind ausgemauert und stützen die Wandungen der Wohnhäuser. Der Haustempel des Kaisers ist zum Baptisterium geworden, und das Mausoleum, in dem er und seine Gattin bei- gesetzt sind, war schon im frühen Mittelalter christlicher Dom. Den Vorplatz dazu blldet das Peristyl, dessen Giebelsorm, Säulen, Bögen und Gebälk noch klar zu erkennen sind. Die ideale Ruhe und Ge- schlossenheit des Platzes ist seit zwei Iahren leider durch ein« riesen- haste Statue des Stadtheiligen stark beeinträchtigt worden. Wie Split von den Flüchtlingen aus Solonae, so wurh« Ra- g u s a(D u b r o w n i c) von den vertriebenen Einwohnern der an- tiken Stadt Spidaurus gedründet. Fast ein Jahrtausend lang Hot diese kleine Republik es verstanden, durch kluge Diplomatie dem mächtigen Venedig gegenüber seine Selbständigkeit zu wahre». Wohlerhalten sind noch Stadt und Befestigungen, wir sehen den alten Hofen, der einst den Mittelpunkt und di« Stärke der alten Stadt bildete. Für den neuzeitlichen Verkehr ist er längst zu klein geworden. Eine neuc Hofenstadt(G r u c) ist außerhalb der Mauern an einer großen Bucht entstanden. Hier wird sich über- Haupt das neue Dubrownic entjalten und die Fremden aufnehmen. Hotel reiht sich an Hotel auf der Halbinsel Lapad: das alte Ragusa kann dadurch unverletzt erhalte» bleiben: Ein lebendiges Denkmal hoher Kultur und stolzen Unabhängigkeitswillens.