Nr. 121.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Bfg. fret tu's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz band: Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

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Vorwärts

13. Jahrg.

Insertions- Bebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. Juferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 1hr abends, an Soun und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Lernsprecher: Amt 1, Nr. 1508 Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die internationale Politik der Sozialdemokratie vor dem Londoner   Sozialistenkongres.

-

II.

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London  , 22. Mai.

Mittwoch, den 27. Mai 1896.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Um

empfehlen, daß die Sozialisten aller Länder sich darüber Wichtigkeit sind, so hätte der internationale Sozialismus einigten, drei praktische Verhaltungsregeln ihrer politischen durch eine mächtige Agitation einer Sache der Menschlich­Aktion zu grunde zu legen. feit einen Dienst leisten können, ohne zum Werkzeug chr Die erste Regel bestände darin, unausgesetzt darüber geiziger Berechnung und einer als Philanthropie verkleideten zu wachen, daß die Kolonialrivalitäten nicht zu einem nationalen Begehrlichkeit zu werden." Punkt getrieben werden, wo sie zu einem Krieg von Nation Drittens sollten die Sozialisten es sich zur Regel machen, gegen Nation führen können. Dazu bedarf es, daß die dafür zu wirken, daß die wichtigsten der ökonomischen In anderer Weise als der Engländer Bar*) hat der Sozialisten in jedem Land den Muth haben, allen über- Faktoren, um welche sich die Völker heute streiten, französische Genoffe Jaurès   vor einigen Tagen, ebenfalls triebenen Ansprüchen ihrer Nation entgegenzutreten. immer mehr einen internationalen Charakter erhalten. So im Hinblick auf den Londoner   Kongreß, in der Petite Aber dies fönnten sie nur dann mit Erfolg, sei es heute klar, daß alle europäischen   Nationen nach den République Française  " einen Artikel über den gleichen wenn sie die Kolonialbewegung und die Kolonial Quellen des Nils hin strebten, weil der Besitz des oberen Gegenstand die Kolonialfragen und die internationale unternehmungen fortlaufend auf's das genaueste ver Nils und der großen afrikanischen Seen die Herr Politit der Sozialdemokratie veröffentlicht, der sehr folgten. Bisher hatten sie dies aus systematischer und doktri- schaft über Egypten und die ganze Entwickelung geeignet erscheint, zur Grundlage für eine fruchtbare Dis- närer Feindschaft gegen das Kolonialsystem unterlassen und Afrikas Afrikas   gewähre. Dies das Geheimniß aller Jus kussion desselben zu dienen. Es sei erlaubt, ihn in einem gerade dadurch der chauvinistischen und kapitalistischen   triguen in und um Afrika  , von Gegensägen, die zweiten Artikel zu besprechen. Presse das Feld überlassen und ihr erlaubt, Legenden zu leicht eines Tages zu einem Krieg führen können. Jaurès   geht wie Bay von der Anschauung aus, daß schaffen, die den Frieden gefährden. Durch fortgesetzten Aus diese Gefahr zu beschwören, sei es nun garnicht nöthig, mit bloßen Protesten gegen die Rolonialpolitik der Bour- tausch ernsthafter Dokumente und loyaler Informationen der Thätigkeit irgend eines dieser Völker einen Zwang geoisie nichts gethan ist. Aber er will ausdrücklich erklärt müssen die Sozialisten aller Nationen darauf hinarbeiten, aufzuerlegen, aber warum nicht durch ein System inter­haben, daß wenn die Sozialdemokratie die Art verurtheilt, mit bezug auf diese Fragen eine internationale öffentliche nationaler Garantien allen den freien Gebrauch des Nil wie die Bourgeoisie kolonisirt, sie damit durchaus noch nicht Meinung zu schaffen, die maßlosen Forderungen einen Baum von den Quellen bis zum Meere sichern, wie das schon mit das Recht der Einbeziehung der Wilden in den Bereich auferlegt. Es heißt sicher von der hohen internationalen der Donau   und dem Suezkanal geschehen? Ich bestehe nicht der Zivilisation erreicht, sondern es der fozia- und humanen Gesinnung des Sozialismus nicht zu viel gerade auf dieser so unendlich bedenklichen und listischen Gesellschaft vorbehält, die nicht des Raubes erwarten, wenn wir auf die Loyalität der gegenseitigen verwickelten Frage, ich erwähne sie hier nur, wegen, sondern um zu befreien und Frieden zu Informationen rechnen." um an einem Beispiel zu zeigen, welches die internationale. schaffen zivilifiren wird. Indeß, fügt er hinzu, die Völker Die zweite Regel fei, überall für die besiegten Völker Politik des Sozialismus in diesen Angelegenheiten sein find heute einmal sämmtlich in die Rolonialpolitik ver- und die unterworfenen Rassen die humanfte Behandlung follte." wickelt, und es sind nicht unsere Zukunftsformeln, die sie und die größten Sicherstellungen zu verlangen. Diese veranlassen werden, umzukehren. Der Fluß der Menschheit Politik werde in den einzelnen Ländern mit umso keit zu gunsten des Friedens und gegen hier oder dort er Also," schließt der Artikel, 1. Unablässige Wachsam­wartet in seinem Lauf nicht darauf, bis er von uns größerer Kraft und Wirkung durchgeführt werden können, hobene übertriebene Ansprüche; 2. Beständige Fürsorge für die filtrixt worden. Wir kennen das große Gesetz der Ent als sie allgemein und allgemein ehrlich werde befolgt unterdrückten Raffen, die nach und nach zur weitesten Autonomie wicklung, welches die Geschöpfe beherrscht und leitet; das werden und niemand eine Falle in ihr werde suchen heranzuziehen und mindestens gegen Exzesse der Gewalt fapitalistische Prinzip wird seinen Juhalt entwickeln und können. feine Konsequenzen erschöpfen, bevor es dem sozialistischen  und Ausbeutung zu schüßen sind; 3. Ausdehnung der inter­Selbst wenn also eine Prinzip weicht." Jaurès   weist darauf hin, wie sehr oft man heute da nationalen Garantien, die allen Völkern nach Maßgabe ihrer also eine der vor durch daran verhindert werde, in internationalen Fragen freien Bethätigung den Gebrauch der großen historischen geschrittneren, mehr wie andere von demokratischen Rücksichten der Sache der Humanität zu dienen, daß man fürchtet, das oder Handelswege des Erdballs sichern, das sind die geleitete Nation sich grundsätzlich jede koloniale Aus­breitung versagte, so würde sie damit die Summe der Spiel irgend welcher egoistischen Interessen zu spielen, praktischen Verhaltungsregeln, die der internationale die fich eines humanitären Borwandes in Asien   und Afrika   begangenen Grausamkeiten um kein So in der armenischen Frage. Die französischen   Sozialisten entscheiden, ob es nicht angebracht wäre, zum Vortheil der bedienen. Sozialismus annehmen könnte. Der Kongreß in London   mag Titelchen verringern; die anderen würden sie eben be- feien von London   aus aufgefordert worden, Protestversamm Sozialisten aller Länder eine Kommission für internationale gehen. Sie selbst würde dabei leicht die geprellte geprellt auch im sozialistischen   Sinne, denn lungen abzuhalten gegen die armenischen Greuel, bezw. zu Informationen einzusetzen, die alle Dokumente zu sammeln wenn sie sich beharrlich gegen jedes Ausdehnungs- die Natur der armenischen Komitees in London  , ohne zu zu besorgen hätte. Auf jeden Fall ist es wünschenswerth, daß gunsten der Armenier. Aber ohne genaue Auskunft über und ihre Vertheilung an die verschiedenen nationalen Gruppen Bedürfniß sträubte, würde sie nur die chauvinistischen wissen, ob nicht hinter denselben irgend eine internationale die menschheitliche Bethätigung des Sozialismus Form ans Leidenschaften und die unterdrückten Bethätigungs- Intrigue steckte, hätten sie Bedenken getragen, der Aufforderung nehme und seine internationale Kraft sich gerade in den bestrebungen im eigenen Lande aufregen und so die Chancen Folge zu leisten. Hätte zwischen den Sozialisten aller Fragen bethätige, die in jedem Moment den Frieden stören einer zäsaristischen Reaktion nähren. Unter diesen Umständen, glaubt Jaurès  , würde es sich anderen Länder und denen Englands, deren Loyalität uns und die verschiedenen Abtheilungen des Proletariats ber Unter diesen Umständen, glaubt Jaurès  , würde es sich eine genügende Garantie gewesen wäre, ein regelmäßiger Welt in einen verabscheuungswürdigen Bürgerkrieg gegen­und systematischer Austausch von Mittheilungen über alle einander treiben können." Fragen bestanden, die für die Sache des Friedens von Dies der Jaurès  'sche Vorschlag. Er wird vielen

fein

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) Siehe den Artikel mit gleicher Ueberschrift in voriger

Nummer.

33

Tene.

( Nachdruck verboten.) fie?"

Schön finden sie und fett finden sie. Was kosten Alle zusamm'?... Neunzig Kreuzer Roman von Nicolaus Krauß. Die Schusterin hielt einen Guldenzettel hin, und als Bald trat eine dicke Frau, der die Haare noch un- Lene zehn Kreuzer herausgeben wollte, wehrte sie ab mit gefämmt um den Kopf standen wie ein Wirrbüschel, an den Korb der Lene heran. Und ehe es sich das Mädchen ver­sah, hatte die Frau mit zwei Fingern von einem Butterſtück einen Theil abgezwackt und in den Mund geschoben. Und schmaßend fragte sie:

"

Was toftet heut die Butter?" " Fünfzehn Kreuzer der Viertling."

Js mir zu theuer."

Lene hatte sich von ihrer Ueberraschung noch nicht erholt, sah sie schon wieder zwei Finger an ihrer Butter herumtrabsen. Diesmal gehörten sie einer fein gekleideten " Madam". Jezt wurde das Mädchen so zornig, daß ihm die Thränen in die Augen traten.

Das geht nicht, das Stück mag mir ja dann kein Mensch mehr."

"

Die Dame lächelte mitleidig, als ihr Lene einen Löffel zum Rosten hinreichte, versuchte die Butter und fragte nach dem Preise. Das Mädchen hatte noch kaum die Antwort heraus, flog ihm der Löffel schon wieder in den Korb.

" Ihr Bauern wißt wohl gar nicht mehr, was Ihr ver­langen follt? Nein, eine so theure Butter kann ich mir als Beamtenfrau nicht leisten."

Sprach's und rauschte davon.

Kopf und Händen.

Behalt nur das Sechserl, es ist Dein's... Der gestrige Markt in Türschenreuth war gut... Und Du bist auch nur a Dienstbot...

Um elf Uhr mußte der Milchmarkt" geräumt werden. Lene hatte ausverkauft. Schnell würgte sie ein paar Bissen von dem mitgebrachten Brote hinunter und machte sich auf den Heimweg.

Nachdem sie sich zu Hause umgezogen, ging fie in die große Stube hinunter und gab der Wirthschafterin das Geld, das sie auf dem Markte eingenommen. Während diese rechnete und zählte, aß sie, was man ihr vom Mittag übrig gelaffen. Brony war mit der Abrechnung fertig und legte beide Arme über das aufgezählte Geld.

Bon dem Markterlös wurden die ganzen laufenden Ausgaben des Hauswesens bestritten, aus ihm erhielten die Dienstboten ihren Vorschuß, wenn sie ein Kleidungsstück kaufen, eine Tanzunterhaltung mitmachen wollten; so lange nicht auch auf diese Einnahmequelle der Bauer seine Hand legte, konnte der innere Betrieb des Hofes aufrecht erhalten werden.

Eine Stunde nach dem Essen hatte Lene Ruhe, wenn man Geschirrwaschen und Auskehren als teine Arbeit betrachtet, dann mußte sie wieder an ihre Kühe und Kälber denken, stundenlang den Wachholderstecken des Butterfasses ziehen, die Käsemilch mit Kälbermagen ansäuern, von der geronnenen Milch den Molken abgießen und den Weißkäse auspressen. Auch das Anmachen und Auskneten des Brot­teiges war ihr von der Wirthschafterin zugeschoben worden. Alle vierzehn Tage wurde im Streicher- Hof gebacken. Der Großknecht schleppte den Sack mit dem Brotmehl aus dem Kammerl herab, Lene ließ am Abend das Mehl in den großen Backtübel laufen, goß warmes Wasser zu und ließ Tu haft ja über einen Gulden mehr mitbracht, als beides sich vermengen, mischte etwas Fenchel darunter und ich Dir g'sagt g'habt. Und ich hab' so schon recht tüchtig von dem geweihten Salze, das von Ostern zu Ostern das g'rechnet... Haft in der Stadt an' Raffee trunken?... ganze Jahr hindurch an der Ofenstange hing. Der Sauers teig haftete noch vom letzten Backen her auf dem Boden des Gefäßes. Dann wurde der Kübel mit dem Holzdeckel geschlossen, mit einigen dicken Unterröcken bedeckt und an den Ofen gerückt. In aller Frühe, wenn die andern noch schliefen, stand Lene schon am Backofen und heizte ihn mit Fichtenscheiten. Bis die Frühsuppe auf dem Tisch stand, hatte die Magd auch das ganze Knetgeschäft erledigt, auf dem Fußboden standen ein halbes Schock Strohschüsseln mit dem in runde Laibe geformten, back­

Lene verneinte.

"

Das kannst allweil.... Und auch a Seidel Bier, wennst g'rad Appetit d'rauf haft... Weißt, dös will der Bauer net, daß D' Hunger u Durst leid'st... Und a die Stadtleut' derfft net übertheuern, sonst kaufen f' nix mehr von Dir... Mert' Dir dös, Moidl..."

Es tamen andere Käufer und sie waren anders geartet. Lene blickte auf. Das hatte alles ganz wohlwollend Ein alter Junggeselle, der sich seine Milch selbst holte, geklungen, aber das Auge der Sprecherin stimmte nicht zu wollte zum Abschiede Lene mit aller Gewalt in die Wange diesem Tou. Da saß wieder der lauernde Blick darin, den fneifen. Ein Dienstmädchen nahm ein Seidel" gute" Milch, Lene schon einmal bemerkt, an ihrem Einzugstage. Und fertigen Teig. trank die Hälfte ab und ließ nachfüllen, aber billige von der Stunde an hatte die junge Magd die Ueberzeugung, Die Ueberlastung Lene's fiel auch den anderen Dienst „ blaue". Als der Markt sich schon zu leeren begann, kam daß es die Wirthschafterin mit dem Bauer nicht ehrlich boten auf und sie redeten darüber, wenn sie unter sich noch eine behäbige Person, der man die Marktschustersfrau meine, daß sie ihn betrüge und anschmiere, hinten und waren. Und eines Abends vor dem Schlafengehen, als die schon auf zehn Schritte ansah. vorn, wo sie nur könne, daß sie weniger Marktkreuzer" Uebereifrige von der gethanen Arbeit noch glühte, daß ihr anfage, als cingingen, daß sie, wenn fie etwas für die die ganze Etivn voll Schweißperlen stand, meinte Girgl, Wirthschaft einkaufe, einen Zuschlag mache, den sie in die der Großknecht, in seiner ruhigen Weise: Tasche stecke.

Hast Tauben, Madel?"

" Ja, drei Paar sind noch da."

Die Schusterin fuhr mit der Hand in den Sack.

( Fortsehung folgt.)