Zeit durch die sonst so hübsch« Geschichte der dänischen Arbeiter bewegung.— Im Jahre 1877 stellte das Ministerium Estrup— der dänische Affe Bismarck's — sein erstes„provisorisches Finanz- gesetz" auch d. h. er verwendete den Inhalt der Staatskasse zu ungesetzlichen Zwecken. Der Kampf mit den Volksvertretern begann, und in diesem Kampf fürchtete Estrup die neu entstandene Sozialdemokratie, besonders den Einfluß ihrer Führer Pio und Geleff. Um sich zu sichern, wandte er ein Mittel an, das die damalige Regierung ebenso schändet, wie diejenigen, die demselben zum Opfer fielen Pio und Geleff wurden unter Androhung von Preßprozessen und hohe» Gefängnäßstxafen mürbe gemacht und verließen, von der Polizei mit 25 000 Kronen Reisegeld ausgestattet, Dänemark und Europa . Der harte Schlag, der dadurch die noch junge und wenig prinzipienfeste Bewegung traf, verursachte zunächst einen Rückgang und zeitigte alsdann eine anarchistisch-„revolutionäre" Strönrung, deren Organ.„Der Herold', bis 1680 in stetem Wachs- thum begriffen war, während die Abonnentenzahl unseres Partei organs auf 2000 herabsank. Als jedoch 1881 W i i n b l a d die Redaktion übernahm, erfolgte ein erfreulicher Aufschwung. In drei Jahren stieg die Abonnentenzahl auf 18 000 und heute — 1896— steht Wiinblad an der Spitze eines Blattes, das 28 000 Abonnenten besitzt und damit die einflußreichste politische Zeitung Dänemarks ist. In Kopenhagen fehlt fie an keine,« öffenllichen Ort— von den eleganten Räumen des fashionablen Hotel d'Augleterre bis zu den entlegensten Arbeiterschänken der Vorstädte. Der vom Ministerium Estrup entfachte Verfassungskampf bekam für die dänische Arbeiterbewegung eine besondere Be- deutuug, indem er das Bündniß mit den Bürgerlich-Radikalen hervorrrsf. Der bürgerliche Radikalismus mußte in diesem Kampfe alle Minen springen lassen, um der Rechten die Landes- Hauptstadt zu entreißen, was ohne die Hilfe der Sozialdemokratie nicht möglich war. Eine Alliance mit einer bürgerlichen Partei ist in Deutschland leicht Mißverständnissen ausgesetzt. In dem vorliegenden Fall muß vor allem bedacht werde», daß in Dänemark hinter dem bürgerlichen Radikalismus ein freihändlerischer Bauernstand steht, der einende- wußten und scharfe» Gegensatz zu Junkern und Großkapitaliste» bildet. Der Bauernschädel ist in Dänemark , wo ein Netz von Genossenschafts- Meiereien und-Schlächtereien über das ganze Land gespannt ist, den sozialdemokratischen Ideen keineswegs un zugänglich. In mehr als einem Falle haben Hof. besitzer sozialdemokratische Kandidaturen unterstützt. Ob freilich die Alliance noch lange Zeit vorhalten wird, läßt sich schwer sagen— kann aber unsere Partei genossen auch vollständig gleichgiltig sein. Die Landarbeiter gehören ihnen, so weit sie politisch überhaupt geweckt sind, bereits vollständig; ihre Organisationen, ihre Presse, ihre Redner sind sozialdeniokratrsch. Unsere Ideen haben auf dem Laude in aller Ruhe tiefe Wurzeln schlagen können. Die übliche» reaktionären Mordgeschichten konnten— und das war ein großer Vorzug- gegen die Alliirten der Bauer» nicht in Anwendung konimen. Während unsere Genossen den städtischen Arbeitern und Hand. werkern gegenüber vollständig freie Hand behielten, wurde ihnen die Landagitation beträchtlich erleichtert. Heute kann sich die Linke in dem für die öffentliche Meinung des Landes so wichtigen Kopenhagen ohne die Hilfe unserer Partei nicht be- hauplen, wogeaeu diese auf dem Lande eine feste und durchaus selbständige Position errungen hat. Eine prinzipielle Verflachung der dänischen Bewegung ist somit vollständig ausgeschlossen. Der „Sozialdemokratische Bund", die politische Partci-Organisation, umfaßt gegenwärtig 200 Vereine, die rings in dem kleinen Lande vertheilt sind. Daneben geht eine prächtig florirende g e w e r k schaftliche Bewegung einher. In 710 Organisationen sind 42 000 Mitglieder vereinigt, die sämmtlich durch eine Zentral. kommisfion mit einander in Verbindung stehen. Von der Re- gierung ist kein Mittel unversucht gelassen, um diesen Aufschwung zu verhindern. Ma» hat unter dem Namen„Der Sozialist" ein Schnuchblatt ins Leben gerufen, daS der Sozialdemokratie in den Rücken fallen sollte; man hat förmliche Slreikbrcchervereine ge gründet; es ist verboten worden, Streikangelegenheiten öffentlich zu behandeln, ja, das Verbot ist sogar auf Privatbriefe ausgedehnt worden Meiverkschaftm sind verurlhcilt worden,den Kapitalisten de» durch einen Streik entstandenen Schaden zu ersetzen. Verlorene Liebesmüh! Heute verhandeln die Unternehmer mit den Gewerk schaften als mit den natürlichen Vertretern der Arbeiterinteressen. Wüthende Angriffe auf das Koalitionsrecht kommen nur noch vereinzelt vor und werden dann immer prompt zurückgeschlagen. So z. B. noch in den jüngsten Tagen von den eben erst organi sirte» ländlichen Arbeitern m den Kalkgruben von Fakse. Die dänische Sozialdemokratie hat heute, an ihrem J.'biläums. tage ein Recht stolz zu sei». Ans einer kleinen Schaar, die gehaßt, verhöhnt, todtgefchwiegen, brutalisirt wurde, ist sie eine mächtige Partei geworden, die von ihren Anhängern geliebt, von ihren Freunden geachtet, von allen aber in ihrer Stärke respektirt wird. WaS in dem letzten Vierteljahrhundert für die materielle und geistige Hebung des dänischen ArbeiterstandeS gethan worden ist, ist von rhr ausgegangen. Die Arbeiter haben unter ihrer Führung ihre eigenen Angelegenheiten verwalten und die gesellschaftlichen Zusammenhänge erkennen gelernt; sie hat sich durch Uebersetzung wissenschaftlicher sozialistischer Literatur — so u. a. von Marx„Kapital", Band I und II— sowohl ein geistiges, als ein politisches Verdienst erworben. So weit möglich, ist diese Literatur in billigen Broschüren den Arbeitern zugänglich gemacht; sie bildet de» Nährboden der zahlreichen Diskussionsklubs in Kopenhagen , aus denen ein kräftiges, iunges Agitatorengeschlecht hervorgeht. Von dem, was die dänische Partei aus eigenem hinzugefügt hat, erwähnen wir vor allem die unifangreiche, weit verbreitete Programmbroschüre, in der alle politischen und sozialen Fragen Dänemarks im Geiste der Sozialdemokratie dargestellt sind. Daneben das außer- ordentlich gründliche, breit angelegte Werk unseres Genossen P. Knudsen über„Altersversorgung und Krankenversicherung", das auch in den Kreisen der Fachgelehrten die verdiente Anerkennung gefunden hat. Kurz, welche Partie der öffentlichen Thäligkeit wir auch herausgreifen, und wohin wir auch blicken, in die Hauptstadt, in die Provinz, auf das Land:— überall sieht das Auge ein Leben und Wachsen, das eine trostreiche Garantie für die Zukunft enthält. Die dänische Sozialdemokratie steht in dem großen internationalen Arbeiterheer, mit dem sie sich eins weiß im Denken und Handeln, als eine wohlgerüstete und kluggeleitete Abtheilung da. Und als solche wird sie auch in der neuen Periode ihrer Existenz de» Kampf weiter führen— bis zum Siege._ politische Ltebevlicht. Berlin , 27. Mai. Tinte« für Reichstags Abgeordnete sind, so lange das Deutsche Reich besteht, von verschiedenen Parteien ge- fordert worden. Neuerdings haben Zentrumsblätter wieder die Geltendmachung dieser Forderung angeregt. Die Mehrheit des Reichstags ist sicher dafür; aber ein reaktionäres Blatt, die„Neuesten Nachrichten", glaube versichern zu können, daß die Regierung die Zu- stiminung zur Diätenzahlung zu einem Schachergeschäft aus- zunutzen versuchen würde. Was dafür eingehandelt werden soll, wird zwar nicht klar ausgesprochen, kann aber keinem Ziveisel unterliegen. Das gepriesene sächsische Beispiel giebt den Weg an. Das Volk würde die Zahlung von Diäten an seine Abgeordneten mit der Drangabe des allgemeinen Stimmrechts zu erkaufen haben. Die schlauen GeschäftSspekulanten dürften sich aber täuschen. Daß das Volk sich nicht für das Linsengericht der Tiätenzahlluigen s sein Erstgeburtsrecht, daS allgemeine Wahlrecht abschwatzen läßt, dafür wird die Sozialdemokratie schon sorgen.— Das Unglück in der Kleophnsgrube und die Berg Polizei. Wir hatten aus einem Artikel der„Nation" mitgetheilt, daß die Bergpolizei in dem Bezirke der Kleophasgrube dem E i g e n t h ü m e r des Grubengebietes, dem Grafen v. Tiele-Winckler , dem Schwiegervater des Ministers v. Berlepsch zustehe. Im„Reichs-Anzeiger" sucht jetzt irgend jemand nachzuweisen, daß die Sache in schönster Ordnung sei. Nichts Ungesetzliches sei dabei im Spiele. Mit dieser feierlichen Aus einandersetzung kanonirt der„Reichs- Anzeiger" nach einer ganz falschen Richtung, wo der Angriff gar nicht herkam. Denn darüber muß mit recht Beschwerde geführt werden. daß es bei uns gesetzlich zulässig ist, daß der Gruben besitzer die Beamten ernennt, die die staatliche Gruben Polizei über den Betrieb der Gruben Pächter ausüben. Aus den Aus- führungen des„Reichs-Anzeigers" selbst geht hervor, daß die herrschaftlich Myslowitz -Kattowitzer Aussichtsbeamten zwar dem Ober- Bergamt als ihrer vorgesetzten Behörde Gehorsam schuldig sind und den allgemeinen Staats- dienereid schwören, aber mit dem Zusatz, daß sie gleichzeitig auch dem Regalherrn Treue und Gehorsam schulden. Der Tiele-Wmckler'sche Bergwerksdirektor also nicht von der Bergbehörde angestellt, sondern erst nachträglich in Eid und Pflicht genommen ist. Mit der Anstellung durch den Privatregal- Inhaber steht aber die Verpflichtung, als Aussichtsbeamter das Interesse der Arbeiter gegen den Unternehmer zu wahren, in einem offenen Widerspruch. Da der„Reichs- Anzeiger" selbst erklärt, über die Veranlassung zu dem beklagenswerthen Fall, bei dem 114 Manu zu gründe gegangen sind, sei die gerichtliche Untersuchung noch nicht abgeschlossen, läßt sich zwar nicht be- Haupte«, daß der Aufsichtsbeamte die Schuld an dem Unglück trägt. Aber selbst wenn er alles gethan hat, ist die Einrichtung, die ihn an solche Stelle gebracht hat, grundschlecht. Und diese Einrichtung muß geändert werden.— Tns russische Krönungs-Manifest hat keinerlei Ueber- raschnngen gebracht. Alle Andeutungen über den Inhalt des Manifestes, wonach es ein Regicrungsprogramm mit einiger liberaler Färbung bilden sollte, haben sich nicht bewahrheitet. Es ist das Werk eines Autokraten, frei von jedem Zugeständnisse an den Konstitütioualismus. Damit ist die Hoffnung auf eine neue Aera in Rußland endgiltig aus der Welt geschafft, und bestätigt wurde, was wir stets behaupteten, daß die Herrschaft Nikolaus II. sich, soweit es auf den Willen des Kaisers ankommt, in nichts von der Regierung seines Vorgängers unterscheiden wird. Das Manifest des Zaren eröffnet trübe Aussichten für Nußland. Das russische Volk geht schweren Kämpfen entgegen, es wird blos auf sich vertrauen und den Gegensatz gegen den Zarismus in der schärfsten Weise betonen müssen. n einem Punkte ist das Manifest Nikolaus, des zweiten weitergehender als das Krönungsmanifest seines iorgängers, die Begnadigungen erstrecken sich diesmal auch aus politisch Verurtheilte. Irgendwie ausreichend ist der Beguadigungsakt nicht, denn zahllose Opfer der Willkür werden auch weiter in Sibirien und in den Kerkern des Zaren schmachten. Soweit sich das Manifest auf Be- gnadigungeu bezieht, lassen wir es hier folgen: Erlassen werden Steuerrücksläude für das europäische Ruß- laud und für Pole», die Grundsteuer wird auf 10 Jahre auf die ~älfte herabgesetzt. Geldstrafen werden erlassen oder ermäßigt, .orderungeu des Staates verschiedener Art werden nieder- geschlagen. Ferner werden erlassen Verurtheilungen für leichtere Vergehen, welche nnl Ermahnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 800 Rubeln oder mit entsprechender Haft bezw. Gefängniß be- droht sind; ausgenommen sind Diebstahl, Unterschlagung, straf- barer Eigennutz. Wucher, Erpressung, leichtsinniger Bankerott. Vergehen gegen Ehre und Gesundheit. Die nach Sibirien Verbannten können nach Ablauf von zwölf Jahren nach dem Eintreffen daselbst, die nach entfernteren anßersibirischen Gouvernements Verbannten nach z e h n I a h r e n einen freien Aufenthaltsort wählen mit Ausnahme der Hauptstädte und shauptstädti- schen Gouvernements und ohne Wiederherstellung ihrer Rechte. Verbrecher, welche in Sibirien oder in entfernteren Gouvernements internirt oder an bestimmte Wohnorte gefesselt sind, erhalten et» Drittel S l r a f e r in ä ß i g u n g. Die zur Ansiedelung Verschickten sollen nicht nach 10, sondern schon nach Jahren Bauern werden. Tie zu Zwangsarbeit V e r- u r t h e i l t e u erhalten ein Drittel Straferlaß. Die Strafe einer lebenslänglichen Zwangsarbeit wird in zwanzig- jährige herabgemindert. Ferner werden eine große Reihe anderer Strafmilderungen und eine Abkürzung der Verjährung befohlen. Der Minister des Innern ist ermächtigt, im Einverständniß mit dem Jnstizminister über die Strafen der Staatsverbrecher, welche nach Art ihrer Schuld oder wegen guten Be- trage ns oder Rene eine Strafmilderung verdienen, die über die allgemeine Amnestie hinausgeht, besonders zu berichten, ebenso der kaiserlichen Entscheidung Ge- uche um Wiederherstellung der Geburtsrechte solcher Verschickten, welche nach Verbüßung der Verbannung sich durch niakelloses und arbeitsames Leben ausgezeichnet haben, zu unterbreiten. Der Minister des Innern wird ferner ermächtigt, die kaiserlich« Entscheidung anzurufen über das Schicksal der wegen taatsverbrechen auf administrativem Wege Best rasten, welche durch ihr Betragen, die Art ihrer Vergehen oder durch ihre Reue Nachsicht verdienen. Staatsver- brechen, welche nach dem Gesetze nicht verjähren, werden außer Verfolgung gesetzt, wofern seil der Slrafthat 15 Jahre verflossen "ind. Flüchtlinge anS dem Zarthum Polen und aus den Westgouvernements, welche keine Todtschläge, Mißhandlungen, Raub oder Brandstiftung zur Unterstützung des polnischen Ausstandes begangen haben, werden, wenn sie in das Vaterland zurückkehren und den Eid der Treue leisten, von der durch Manifest vom 15. Mai 1883 angeordneten Polizeiaufsicht befreit; denselben wird reie Wahl des Aufenthaltsortes gewährt. Flüchtlinge, welche sich der genannten Verbrechen schuldig gemacht haben, unterliegen einer dreijährigen Polizeiaussicht an einem vom Minister bestimmten Orte.— Zu den neuesten Euthülkungen über Tropenkoller n D e u t s ch- O st a f r i k a, die von dem Afrikareisenden Eugen Wolf an die Oeffentlichkeit gebracht waren, um die Werther'sche Expedition zu verhüten, wurden auch von anderer Seite Beiträge geliefert. Ein Redakteur des Hannoverschen Anzeigers" hat bei wohlunterrichteten Per- oncn Erkundigungen über die Sache eingezogen und theilt nun folgendes mit: „Der Zug in das Goldland wird zu einem Raub- g u g werden- Daß ein solcher, selbst wenn die Expedition wohl- behalte» die Küste wieder erreichen würde, für die nach schweren Kämpfen mühsam wieder hergestellte Ruhe nicht förderlich sein kann, liegt aus der Hand. ,., Seit 1886 sind wir in I Ostafrika ans de»Kämpfen nichtherauSgekommen, und nun sendet man einen hinaus, der nur zu wahrscheinlich bewirken wird, daß der Tanz von frischem losgeht, einen Menschen, dem der Schauspieler im Blute steckt und der uns noch in Ostafrika eine Tragödie aufführen wird, deren Abschluß Ströme von Blut bilden können. Für die Bemerkung, daß die Anklagen des Herrn Wolf doch nicht unbeachtet bleiben könnten, hatte unser Gewähremann nur ein ungläubiges Lächeln. Gegen das V e r t u s ch u n g s s y st e m, das heute herrsche, werde vielleicht auch Herr Wolf vergebens ankämpfen. Im Auswärtigen Amte liegen genug Beschwerden gegen Lieutenant Werther, auch Chef Leue habe eine Be- schwerde gegen Werther in Empfang genommen und über diese an Freiherrn v. Scheele Bericht erstattet, und eZ gebe auch einen Zeugen dafür, daß Lieutenant Werther persönlich den Henker gespielt habe. An Material, das viel gravirender sei als das Wolf'sche, fei kein Mangel, aber ohne einen starken Druck durch die öffentliche Meinung werde es im Staube der Archive verschwinden. Das Auswärtige Amt habe ja eine Rücken- deckung an Wißmann, der, als er befragt wurde, ob er gegen Werther Bedenken hege, dies selbstverständlich verneinte, weil er zur Zeit der Thaten Werther's sich weit weg vom Schauplatz der- selben am Tanganika befand." Chronik der Mnjestntsbeleidigungs- Prozesse. Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Berlin II hatte sich am 27. Mai der Kuhfütterer Wilhelm Blank ans Spandau wegen Majestätsbeleidigung zu verantworten. Es war wieder einmal die politische Kannegießere! am Biertische, welche den recht harmlosen, ziemlich beschränkten Mann auf die Anklagebank gebracht hatte. Am 21. April saß Blank mit anderen Arbeitern in eineni Lokal der Schömvalderstraße in Spandau . Es kam zu einem politischen Disput, der sich auch auf die beiden Kaiser Friedrich und Wilhelm II. ausdehnte. Während der An- geklagte den Kaiser Friedrich als einen wahren Freund des Volkes darstellte, setzte er den Kaiser Wilhelm II. zwar nicht in beschimpfender, aber doch nach der Beamtenauffassung beleidigenden Weise herab. Die Sache wurde von einem der Theilnehmer an dem Disput angezeigt und das Ende vom Liebe war, daß der Angeklagte zu zweiMonaten Gefängniß verurtheill wurde. In Hannover verhandelte die Strafkammer I. des Land- gerichts am 22. d. Mts. gegen den Abdeckergehikfen Carl Schmidt ans Rodenberg wegen Majestätsbeleidigung. Gleich- zeitig war damit auch noch eine Anklage wegen Bedrohung eines Gendarmen und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verknüpft. Die Verhandlung, welche bei verschlossenen Thür«» stattfand, endete mit der Verurtheilimg deS Angeklagten zu Monaten Gefängniß. Der Schlosser Emil Wald mann war von der Frank- furter Slraskammer am 9. Januar 1896 zu drei Monaten Ge- fängniß verurtheilt worden. Auf eingelegte Revision ist dieses Urtheil vom Reichsgericht aufgehoben und die Sache zur»och- maligen Verhandlung vor das königliche Landgericht zu Wiesbaden verwiesen worden. Die Verhandlung am 23. Mai führte zu Waldmann's Freisprechung. Die Kosten sind auf die Staatskasse übernoinmen. Vertheidiger war Rechtsanwalt Dr. Löwemhal. »* Deutsches Reich. — Streit im Freihandelslager. Selbst die, die unter dem„Banner St. Manchester's" den Vertheidigungskampf führen, empfinden den zersetzenden Einfluß der Zeit. Die„Frei- sinnige Zeitung" hatte vor einiger Zeit ihrem Unmuth über die„Freihandels-Korrespondenz" Luft gemacht, deren Ausführungen „theils zu breit, theils zu veraltet" seien. Jetzt vergilt die„Freihandels-Korrespondenz" den Angriff mit dem Nachweis, daß die„Freisinnige Zeitung" der Korrespondenz in den Jahr- gängen 1891 bis 1393 nicht weniger als 110 Artikel cnt- nommen habe. Herr Eugen Richter wird anS diesem Vorkommniß wohl die Lehre entnehmen müssen, daß nian vor allem nicht nach solchen Glashäusern mit Steinen werfen muß, aus denen man seine eigenen Schmuckgewächse bezieht.— — Der Naumburger Oberstaatsanwalt am Oberlandesgericht hat auf eine von dem Genossen L a n k a u in Magdeburg eingereichte Beschwerde geantwortet:„Auf Ihr« Beschwerde vom 12. d. M. finde ich mich nicht veranlaßt, gegen den Ersten Amtsanwalt Ehrecke wegen der von ihm im Hauptverhandlungstermin vom 6. März d. I zur Begründung des gegen Sie gestellten Strafantrages gethan« Aenßerung.„Ihre Handlungsweise zeuge von ehrloser Ge- sinnung", imAutsichtswege ei»>uschreiten. Ob seine Auffassung richtig war oder nicht, kann völlig dahingestellt bleiben, jeden- falls war sie es nach seiner Ueberzeugung, und eS kann den Beamten der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt werden, zur Be- gründung der von ihnen am Schlüsse einer Hanptvcrhandlung zu stellenden Strafanträge dasjenige vorzutragen, was sie nach pflichtmäßiger Ueberzengung hierzu für erforderlich halten." Genosse Laukau wird sich nunmehr an den Justizminister wenden. Es muß durch alle Instanzen zum Austrage gebracht werden, ob es einem Slaalsanwalt gestattet sein darf, eine Kritik politischer Einrichtungen und Personen, mag sie auch noch so scharf ausfallen, als eine Ehrlosigkeit zu brandmarken.— Köln, 26. Mai. Felix Freiherr v. L o ö, Mitglied deS Hanfes der Abgeordneten und Präsident des Rheinische» Bauern- vereins, ist heute Nachmittag gestorben. Herr v. Loe gall als Führer der wesffälisch-rheinischen Agrarier in der Zentrums» partei. — In der bayerischen Abgeordnetenkammer bat sich Finanzminister Freiherr v. R i e d e l am vergangenen Freitag in scharfer und offener Weife gegen die maßlosen agrarischen Forderungen ausgesprochen. Die„Münchcncr N. Nachr." fassen ihr Urtheil über den Verlauf der Freitags- Sitzung der bayerischen Abgeordnetenkammer in folgenden Säuen zusammen: ... Freiherr v. Riedel hob an mit der Brandmarkimg der„beispiellosen Agitation", die auf dem Lande getrieben werde, die das Urtheil trübe und der Laudivirthschast nur Unglück bringe. Der Minister wies dann im einzelnen nach, welche bedeutenden Opfer in Bayern bereits für die Landwirth- schaft gebracht sind, und wie falsch die Behauptung ist, daß daS Land mit Steuern höher belastet sei, als die Städte. Seit 1813 hat der Staat, d. h. die Steuerzahler, für Tilgung der Boden- zinsschuld 46 Millionen Mark aufgebracht. Von 1869 bis 1896 sind die Grundsteuern nur um 5 v. H., die übrigen Steuern aber um 282 v. H. erhöht worden, zu der Zunahme der Gesammtstaats- einnahmen von 1873 bis 1896 um 129 Millionen haben die Grund- und Arealsteuer so gut wie nichts beigetragen. Der Minister wies weiter an einzelnen schlagenden Beispielen nach, wie die Städte um das Bielfache mehr belastet sind als das Land.„Die Landwirthschaft hat doch kein Recht. ein Geschenk auf Kosten anderer Staat»» angehöriger zu erhalten." � Oesterreich. Wien , 27. Mai. Abgeordnetenhaus. Von den Abgeordneleu Kaizl und Pernerstorfer wurden betreffs des blutigen äusammenstohes zwischen den ausständigen Arbeitern und der endarmerie in Dörfel bei Reichenberg Driuglichkeilsaiiträge gestellt, über welche am Schluß der heutigen Sitzung verhandelt werden soll.— Lemberg , 26. Mai. („Magdeburg . Ztg."). Der christlich. soziale Agitator Pater Stojalewski, der kürzlich erst eine drei» wöchentliche Arrestftrafe verbüßt hatte, wurde neuerdings ver» hastet.— Frankreich. Pari», 23. Mai. (Gig. Ber.) Ein Rnndschreiben Mcline'S enthält folgende Angaben über das Wachsthum der land -
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