Condon, 16. April.
Der Dreierausschuß des Bölferbundsrates, bestehend aus Außenminister Sendersen als Borsigenden, dem italienischen Botschafter und dem norwegischen Gesandten in Condon, traf zusammen, um über Petitionen von Mitgliedern der ukrainischen Minderheit in Polen zusammen mit den Beobachtungen der polnischen Regierung, an die diese Petitionen verwiesen worden sind, zu beraten. Der Direktor der Minderheitenabteilung des Böllerbundssekretariats war cbenfalls anwesend. Die Junkilonen des Ausschuffes beftauden darin. nach einer Prüfung der Dokumente zu entfcheiden, ob die Ungelegenheit auf die Agenda des Rates gefegt werden soll. Nach einiger Erörterung der ihm unterbreiteten Dokumente beschloß der Musfájuß, die polnische Regierung um weitere Informationen zu erfuchen.
Eine Reihe hervorragender englischer Publizisten, unter ihnen Noel Burton, Lord Didenson, Dr. Gooch, Prof. Gilbert Murray . Arnold Townbee, haben dem englischen Außenminister Henderson eine Denffchrift über die Ukrainergreuel überreicht, die anläßlich der jetzt in London begonnenen Beratungen des Dreierfomitees des Bölferbundsrates veröffentlicht wird. Die Unterzeichner führen darin aus: Sicherlich sind gewisse Gewalttätigkeiten der Ukrainer gegen die polnischen Behörden vorgekommen. Aber es ist fein Wunder, daß eine Bevölkerung zur Gewalt greift, wenn Staaten und Geseze derart verlegt werden, wie es von seiten ber polnischen Behörden der Fall gewesen ist. Erst nachdem der Gejm im Dezember 1922 die Selbstverwaltung in Ostgalizien beschlossen hatte, haben im März 1923 die großen Mächte Polen die Souveränität über dies Gebiet übertragen. Aber diese Selbstverwaltung ist niemals durchgeführt, ebensowenig ist die ukrainische Universität in Lodz errichtet worden. In den Schulen der Ukraine wird die Landessprache weitgehend unterdrüdt. Trotz der geringen Zahlen der Schulen und des geringen Umfanges des ukrainischen Sprachunterrichts werden ukrainische Lehrer fyftematisch nach anderen Teilen Bolens verbannt und polnische Lehrer an ihre Stelle gelegt. Statt den landhungrigen Ukrainern den Grund und Boden zuzuteilen, werden die Polen sogar in rein ukrainischen Distrikten bevorzugt. Die Teilnahme der Ukrainer an der Selbstverwaltung in Städten, Dörfern und Kreifen wird systematisch unmöglich gemacht. Die Folge davon war naturgemäß, daß die Bevölkerung hier und da zu Gewalttaten griff.
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Die polnischen Behörden haben eine Befriedungsaktion" durch geführt, in der die eingesetzten Truppen grauenhafte Ausschreitungen begangen haben. Der Vorwärts" hat darüber vor einigen Monaten ausführlich berichtet. Ohne jeden Zweifel ist, daß die Bauerne
bevölkerung
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maffenweise auf das unmenschlichste geschlagen wurde, ohne daß auch nur der geringste Versuch gemacht wurde, irgend jemandes Schuld nachzuweisen. Die Brügeleien haben viel fach in Gebieten stattgefunden, wo die Bevölkerung fich nicht die geringsten Gemalttätigteiten hat zuschulben fommen laffen. Und der angerichtete Sachschaden, insbesondere durch Zerstörung ufraini icher Konjumvereine und Molfereigenossenschaften, hat überhaupt nichts im mindesten mit den tatsächlich vorgekommenen oder behaup teten ukrainischen Gewalttaten zu tun. Die bevorstehenden Ratsverhandlungen im Mai über die Bolen greuel in der traine follten den Freunden Bolens in der Welt Sie Augen über has Regime öffnen und der Anstop perdert, daß fich die Machte, die fich sonst night genug tt tönnen, auf der Snnehaltung ber Berträge zu bestehen, einmal darum fümmern, wie hier internationale Berpflichtungen mit Füßen ges
treten werden.
Berirrte Schutzpolizei.
Bersehentlich die polnische Grenze überschritten. Geffern vormittag hat in der Nähe von Schneidemühl eine deutsche Schuhpolizeiabteilung bei einer Geländeübung nersehentlich die polnische Grenze überschritten und ist cinige hundert Meter auf polnischem Gebiet vorgedrungen.
Erft als die Abteilung auf polnische Grenzbeamte sties, erkannte sie ihren Irrfum und kehrte unverzüglich auf deutsches Gebiet zurüd.
Der Oberpräsident in Schneidemüht hat dem polnischen Konjul gegenüber fein Bedauern über den Vorfall ausgesprochen, das Borkommnis ge mig billigt und Bestrafung der Schuldigen zugejagt. Der deutsche Gesandte in Warschau ist beauftragt worden, auch seinerseits der polnischen Regierung sein Bedauern zum Ausdruck zu bringen.
Justizkomödie mit Feder.
Urteile, die nicht exiftieren.
Dem nationalfazialistischen Reichstagsabgeordneten Feder, ber in Raffel megen Vergebens gegen das Gesez zum Schutz der Republit zu 1 Monat Gefängnis verurteilt murbe, ist von bem Gericht Strafausfegung auf 3 Sabre zugebilligt worden. Die Strafaussetzung erfolgt gegen Zahlung einer Buße von 200 m. Die Strafaussetzung erfolgt gegen Zahlung einer Buße pon 200 m.
Der Schwäbisch- deutsche Kulturbund in Südflewien hat nach zmeijährigem Warten die Bestätigung feiner Sagungen erhalten, deren Erneuerung nach dem Staatsstreich nom 6. Januar 1929( Einfegung der Diktatur) gefordert worden war. Der Bund fann wieder legal arbeiten.
bund Fall Schmidt Weimar. tisd
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Surra, jetzt wird der Schuhmann angeflagt!"
Der Kampf zwischen wirtschaftlicher Vernunft und politischer Abhängigkeit.
Sofia , Mitte April.( Eigenbericht.)
Kein politisches, wirtschaftliches oder sonstiges Ereignis der Nachfriegszeit hat in der Balkanpresse einen so starten widerhall gefunden wie das deutsch - österreichische Wirtschaftsübereinkommen. Eine wahre Sturmflut von Leitartikeln überschwemmt tagtäglich die Blätter und will heute, vier Wochen nach den Wiener Albmachungen, noch nicht abebben. Um es gleich vorwegzunehmen: Match in jenen Ländern des europäischen Südostens, wo die geplante deutsch - österreichische Zollunion infolge außenpolitischer Bindungen auf mehr oder weniger entschiedene Ablehnung stößt, tragen die Stommentare durchweg eine ruhige und vorsichtige Note. Offenfichtlich scheinen auch den überpolitifierten Ballanverbündeten Frant reichs und der Tschechoslowakei , in erster Linie Südflamiens,
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der Drang nach unpolitischer, wirtschaftlicher Neuordnung Europas und die Reffung vor dem wirtschaftlichen Untergang wichtiger zu sein als ihre militärischen und sonstigen Abkommen. Als der deutsche Außenminister noch in Wien meilte, erklärte die Belgrader Politika", daß nichts natürlicher sei als das gemein fame Bestreben Deutschlands und Desterreichs, ein folibarisches Borgehen bei den bevorstehenden Wirtschaftsverhandlungen festzulegen. Es handle sich um die Lebensinteressen der gesamten Wirtschaft boß bei allen neuen Handelsvertragsverhandlungen der anderen beiber Länder. Deshalb müsse mit der Möglichkeit gerechnet werden, Staaten mit Deutschland oder Desterreich eine gemiffe felbft verständliche deutsche Solidarität zu fühlen fei. Tata fächlich war in Belgrad und Butareft nach der Bekanntgabe des Biener Vertrages die Erfenntnis vorherrschend, daß die eigenen Wirtschaftsinteressen in diesem Falle mit denen der fleinen Entente, beutlicher gesagt mit denen der erregt protestierenden Tschechoslowakei nicht identisch seien. In dieser Hinsicht trat
erst nach Borstellungen der franzöfifchen und tschechischen Gesandten eine von oben befohlene Wendung ein.
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Die füdslawischen Blätter, die heute ohne Ausnahme nolens volens Sprachrohre der Belgrader Diktaturregierung finb, machten sich nach den Borstellungen der Regierungen in Baris und Brag mehr oder weniger die Brager Argumente" gegen die deutsch österreichische Zollunion au eigen. Man argumentierte plöblich, daß die Zollunion den mitteleuropäischen Frieben ge fährde, den Paneuropaplänen Briands widerspreche und das Anschlußverbot der Friedensverträge verlege. Eine solche Durch brechung der Verträge fönne Sübilamien nicht billigen. Immerhin aber sei es der Meinung, daß feinerlei Gründe zur Beunruhigung vorlägen. Es sei überzeugt, daß Deutschland und Desterreich ihre internationalen Berpflichtungen nicht verlegen würden. Alle diefe Pluslaffungen find streng in den Formen gehalten, die bei inter nationalen Erörterungen üblich sind. Auch das zeigt, daß die offi. ziöjen Berlautbarungen von höheren Bündnisintereffen diftiert find. Intereffant ist ferner, daß die Stimmung der Wirtschaft im Gegensatz zu der offiziellen Haltung steht. Die Wirtschaft sieht bei einem deutsch öfterreichischen Wirtschaftsblod gesteigerte Abfagmög fichkeiten für ihre Agrarprodukte.
Beachtung und Zustimmung gefunden haben, ist erkennbar, baß man sich in Bularest nach anfänglichen Schwankungen zu einer nüch ternen und realpolitischen Haltung durchgerungen hat. Der Standpunkt der beiden anderen Ballanstaaten, Bul. garien und Griechenland , ist unzweideutig. Die bulgarische wie die griechische Oeffentlichkeit begrüßen den deutsch - österreichischen Plan als den verheißungsvollen Anfang einer ökonomischen Reorgani fation Europas . Auch Frankreich , wenn es ehrlichen Willen habe, helßt es in einem Athener Regierungsblatt, müßte die Wiener Bereinbarungen als den ersten Schritt der allgemeinen europäischen Zollunion im Geiste des Briandfchen Memorandums anerkennen und würdigen. Was die engeren Wirtschaftsbelange Griechenlands an gebe, so sei festzustellen, daß Deutschland und Desterreich hervor. ragende Abnehmer der griechischen Ausfuhr seien. Ein Block zwischen beiden Ländern fönne deren wirtschaftliche Kraft nur fteigern, woran Griechenland das größte Interesse habe.
Aeußerungen des bulgarischen Handelsministers Prof. mischaikow und des Finanzministers Mollow gegenüber dem Korrespondenten des Soz. Bressedienstes" waren in gleichem Tenor gehalten wie die offiziösen Athener Auslaffungen: Eine wirtfchaftliche Gesundung und Erstarfung der beiden deutschen Bruder= voffer tänne und werde nicht ohne günstige Auswirtung auch für Bulgarien bleiben.
Unter dem Borfis des Ministerpräsidenten Laval fond ame Freitag im Innenministerium eine Beratung über das Birt fchaftsprojekt statt, das in Genf dem deutsch - österreichischen 3ollabkommen entgegengesezt werden soll. Die geplanten Maßnahmen sollen, eine rationellere Organisation der landwirtschaftlichen Produktion in Europa zun Gegenstand haben.
Der Stand der durch die deutschösterreichische Initiative in Gang gefommenen europäischen Wirtschaftsverhandlungen ist zur Zeit folgender:
Zwischen der Wiener und der Berliner Regierung besteht eine Bereinbarung, eine Zollunion abzuschließen, insbesondere die deutschösterreichische Zollgrenze niederzulegen. In den beiden Auswärtigen Aemtern wird zur Zeit an der Formulierung des eigent lichen Bertrages und feiner Uebergangsbestimmungen gearbeitet. Auf der Bölferbundstagung, die am 18. Mai beginnt, tommt auf englischen Antrag feine rechtliche Seite zur Beratung. Es follen die 3meifel darüber beseitigt werden, daß er mit den bestehenden Berträgen vereinbar ist. Die franzöfifche Regierung möchte den 3ollanfchluß als ersten Schritt zum politischen Anschluß torpedieren. Wis Borwand und Grund wird dazu das Genfer Bro tofoll von 1922 genommen, in dem die Staaten, ble Desterreich eine Anleihe gewährten, es verpflichteten, fich feber wirtschaftlichen Bin bung zu enthalten, die feine Unabhängigkeit beeinträchtigt.
Rurz vor der Ratstagung findet ebenfalls in Genf eine Sigung ber europäischen Ratsmitglieder unter dem Ramen Europäisches Studienfomitee" statt. Sie wird sich auf deutschen Antrag mit ben Zollverhältnissen in Europa , insbesondere mit dem deutschösterreichischen Zollunionplan nach seiner wirtschaftlichen Seite hin beschäftigen. Um ihn von dieser Eette her zu bekämpfen, Sie follte leitet die franzöfifche Regierung eine Gegenattion ein. erft in einem Gegenzollverein bestehen, bei dem man auch an die Einbeziehung Deutschlands dachte. Die französische Industrie hat das verhindert. Die franzöfifche Gegenaktion besteht jetzt wur noch darin, daß Frankreich feine überlegene Finanzmacht mobil
Die Haltung Rumäniens zu der Zalmion hat ebenfalls einige Bandlungen durchgemacht. Nach den französischen und tschechie schen en Borstellungen erblickte das führende Wirtschaftsblatt Argus" plöglich in den Tatsachen, daß die Borverhandlungen geheimgehalten murben und die beiden Staaten Industrie- und Agrareinfuhrländer feien, einen Beweis für den porplegen politischen Charafter des Bertrages. Die Nachfolgeftaaten mirden jene mirtschaftlichen Borteile, die sie Desterreich hätten bieten tömmen, einem deutsch - öster reichischen Wirtschaftsblod nicht gewähren. Watch andere Organe lahnten, wenn auch in sehr gemäßigtem Ton, das Zollangleichnungs projett ab. Ueberraschend famen dann die Erflärungen des General- macht, um den Getreideüberschuß der Balfanstaaten fetretärs im Aderbauministerium, Dr. Ehe, der im Sommer 1930 Führer der Verhandlungen über das französisch- rumänische Handelsablommen war. Dr. Che hob hervor, daß nur diejenigen von dem Wiener blommen überrascht worden feien, Döblins expressionistische Bariationen über die Cheie nicht mitgebührender Aufmertfamtett der Entder Proletarier und Bürgerphilifter wurden widerstandsios midiung der politischen und wirtschaftlichen Lage und mit großer Dankbarkeit als eine zu vielen Gedanken und gee gefolgt feien. Die rumänische Regierung habe bie 3ollunion funden Empfindungen aufrüttelnde Offenbarung aufgenommen. vorausgesehen und
M. H.
Schiller Theater. the Schiller- Theater.
Emilia Galotti.
Jehner inszeniert Leffings Trauerspiel, ohne daraus ein ftilis stisches Experiment zu machen. Die Aufführung ist fultiniertes, realistisches Theater. Dankbarer Beifall für Regiffeur und Dar teller F. Sch.
im französisch- rumänischen Handelsabkommen die notwendigen Borbehalte für den Fall der Bildung der Zollunion gemacht. Deutschland und Desterreich seien die wichtigsten Abnehmer der rumänischen Ausfuhr, und Rumänien müffe schon heute wählen, ab es Wert darauf lege, feine Ausfuhr in diese beiben Länder aufrechtzuerhalten, oder ob es unter Verzicht auf diese Möglichkeit fich nach neuen Ablaßmärtten umiehen wolle. In jedem Falle müffe man mit dem deutsch - österreichischen Blod mie mit einer feften Tat jadje rechnen. Aus diesen Erklärungen, die in Rumänien starte
zu finanzieren, ihn zum Beispiel trotz der meiten Transportwege nach Frankreich zu bringen. Bei dem französischen Plan henbelt es sich nicht um bie grundsägliche Niederlegung von Zollschranken, fondern um die Schaffung von Vorzugszöllen und staatlichen Abfagorganisationen. Die französische Stellung gegen die beutschy österreichische Joliunion wird dadurch verstärkt, baß die deutschen Agrarier ihre Erweiterung nach Südoften verhindern, da sie den deutschen Markt gegen die Agrarprobufte bes Balfans durch Sall. steigerungen abzusperren versuchen.
Solange man in Genf nicht zusamunengekommen ist, pollziehen fich diese europäischen Wirtschaftsvorgänge in einem diplomatischen und politischen Kampf der deutschen und der französischen Regierung. As europäisches Ziel der Maiverhandlungen in Genf ist zu fordern, daß wenigstens an einer Stelle die 3ollschranke niedergeriffen und dadurch der Kern einer europäischen Wirtschaftseinheit geschaffen und darüber hinaus Verhandlungen über die Schaffung eines meiteren Wirtschaftsgebietes unter Einbeziehung Frankreichs begonnen werde