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Morgenausgabe

Nr. 192

A 97

48.Jahrgang

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Vorwürts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

25. Apríl 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pi.

Die einipalt. Nonpareillezeile 80 Bt. Reflamezeile 5,- RM.., Sleine n zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf. jedes weitere Wort 10 Bi Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht ber Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Die Pläne der Regierung. Ein erledigtes Märchen.

Sozialdemokratische Besprechung mit dem Reichskanzler nächste Woche.

Das Reichsfabinett berät in den nächsten Tagen über die M à ß| so gestalten, wie die Kommunisten es ankündigen, aber auch wenn nahmen, die auf den Gebieten der Finanz-, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik getroffen werden follen. Die kommunistische Presse will schon heute das Ergebnis dieser Verhandlungen fennen. Nach ihrer Behauptung sollen in furzen wöchentlichen Abständen Notverordnungen ergehen, deren Inhalt bereits jetzt mit der Deutschen Volkspartei vereinbart feien. Die Agrarwünsche des Landbundes würden befriedigt, ein­schneidende Verschlechterungen der Arbeitslosenversicherung, ebenso der Invaliden- und Knappschaftsversicherung würden vorgenommen; bei der Unfallversicherung erfolge ein Leistungsabbau, die Beamten­gehälter würden so oder so, wahrscheinlich auf dem Wege einer zehn­prozentigen Zwangsanleihe gesenkt, und außerdem würde die Ver­fassung turzerhand abgeändert werden.

Die Kommunisten reihen einfach alle die Forderungen anein­ander, die in den letzten Tagen von rechtsgerichteten Parteien, Unter­nehmerverbänden und ähnlichen Wirtschaftsorganisationen auf gestellt worden sind. Sie fügen dann noch die am letzten Sonntag von dem Zentralvorstand der Deutschen Volkspartei formulierten ,, Rampfziele" für eine Verfassungsreform hinzu und stellen die Dinge so dar, als ob das Programm der Volkspartei das in der allernächsten Zeit durch Notverordnungen zu verwirklichende Programm der Regierung sei. Ueber eine solche dema­gogische Unverantwortlichkeit braucht tein Wort verloren zu werden. Auf der anderen Seite wird natürlich niemand in Abrede stellen, daß die Beratungen, die das Kabinett jetzt führt, von weit­tragender Bedeutung sind, und daß die Vertreter der Arbeiterschaft auf der Hut sein müffen. Die Dinge werden sich nicht

die Beschlüsse des Kabinetts hinter den, was die Kommunisten zu befürchten vorgeben, nicht unbeträchtlich zurückbleiben, könnte das Ergebnis doch von verhängnisvollen Folgen für die Arbeiterschaft sein. Jedenfalls wird die Sozialdemokratie auch in einer Zeit, in der das Parlament nicht versammelt ist, ihren ganzen Ein= fluß aufbieten, um zu verhüten, daß die wirtschaftliche und finanzielle Zwangslage, in der sich das Land befindet, in einer für die Arbeiterschaft unerträglichen Weise von der Regierung ausgenutzt wird. Sie befindet sich dabei jedenfalls in einer besseren Situation als die Kommunisten. Die Politik, die sie bisher betrieben hat, er­möglicht ihr, Gefahren abzuwenden, die die kommunistische Presse nur aufzuzeigen vermag. Ihre Möglichkeiten wird sie jetzt ebenso ausnuten, wie seinerzeit nach dem Erlaß der Notverordnung vom vergangenen Juli. Ihr Erfolg aber würde jedenfalls größer, wenn fie sich dabei auch auf diejenigen stützen könnte, die heute ganz ohne Rücksicht auf die faschistische Gefahr in dem sofortigen Sturz des Kabinetts Brüning die einzige politische Weisheit erblicken!

Der sozialdemokratische Fraktionsvorstand hat für den Anfang der kommenden Woche eine politische Aussprache mit dem Reichskanzler verabredet.

Schiele bei Brüning .

Reichskanzler Dr. Brüning hatte mit Minister Schiele eine Aussprache über sein gesamtes agrarpolitisches Programm. Die Fragen waren im Rahmen der Gesamterörterung des Arbeits­programms der Reichsregierung bereits in großen Umriffen be­sprochen worden und werden am Sonnabend im Kabinett im einzelnen beraten werden.

Spanische Nationalversammlung.

Wahl am 21. Juni.- Herabsetzung des Wahlalters.

Madrid , 24. April.

Die Regierung beschloß sofort die Berichtigung der Wahllisten und, wo es notwendig fein sollte, Neuaufstellungen vorzunehmen. Das Mindestwahlalter von bisher 25 Jahre wurde auf 23 Jahre herabgesett. Anträge, noch unter dieses Alter, mit dem nach

spanischem Gesetz die Großjährigkeit beginnt, herunterzugehen, murden abgelehnt. Wenn nichts dazwischen tommt, werden die allgemeinen Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung am 21. Juni abgehalten werden. Dieses Parlament soll dann den ganzen Sommer über ohne Unterbrechung tagen und die dringendsten Aufgaben erledigen, worauf die Regierung zurüdtreten wird. Diese wird eine Regierung der republikanischen Konzentration darstellen, in der die Sozialisten nicht vertreten sein werden. Das Barlament wird als eine seiner ersten Handlungen die Wahl des Staatspräsidenten vornehmen. Mit möglichster Beschleuni­gung werden überall dort die Gemeindewahlen noch einmal durch­geführt werden, wo Proteste gegen das letzte Wahlergebnis ein­gelegt wurden. Diese Erfahwahlen werden natürlich auf Grund der alten Wahllisten, die für die letzte Gemeindewahl maßgebend waren, abgehalten.

In diesen Tagen findet auf dem Truppenübungsplatz Cara banchel bei Madrid eine große militärische Parade statt, wobei den Regimentern die neuen republikanischen Fahnen Ler­liehen werden sollen. Nachdem die Armee den Treueid tür die Republik nunmehr abgelegt hat, wird feht die Marine auf die= selbe Formel vereidigt. Bei den zivilen Staatsbeamten soll von dieser Formalität Abstand genommen werden, ausgenommen kei den diplomatischen und Konsularbeamten, die ebenfalls ouf die Re­ publik vereidigt werden.

Der Generalstaatsanwalt eröffnete am Freitag den Prozeß gegen den früheren Innenminister Martinez Anido regen seiner bereits vor der Diktatur Primo de Riveras ausgeübten Tätigkeit als Gouverneur von Barcelona . Anido hat bekanntlich damals die syndikalistische Herrschaft niedergeschlagen.

Spanien will nicht verleumdet werden.

Barcelona , 24. April.

Die feindselige Schilderung und Beurteilung der spanischen Revolution durch Blätter der französischen Rechten hat hier große Erregung hervorgerufen. Vor einigen Tagen bereits haben gah! reiche Industrielle und Kaufleute, an ihrer Spitze der Präsident der Handelskammer, in einem Telegramm an die Pariser Presse gegen die tendenziöse Berichterstattung protestiert und

mit dem Boykott französischer Waren gedroht.

Gestern zogen etwa 3000 Ratalonier vor das französische Konsulat und machten ihrem Unwillen durch Protestruse Luft. Eine Ab­ordnung versuchte, in das Konsulat einzudringen, um die Flaggen der spanischen Republik und Kataloniens zu hissen. Dies wurde von der Polizei verhindert. Die Demonstranten zerstreuten fich später auf Aufforderung des leitenden Polizeioffiziers. Der Zivil­gouverneur von Barcelona sprach dem französischen Konsul im Namen der Regierung das Bedauern über das Vorkommnis aus. Die Corteswahl dürfte auf den 21. oder 28. Juni aus­geschrieben werden; Wahlberechtigung und Wählbarkeit sind vom 25. auf das 23. Lebensjahr erweitert worden.

Der Generalstaatsanwalt hat beantragt, den Innenminister der Diktatur Primo de Riveras, Martinez Anido, vor Gericht zu stellen.

Der Legitimistenführer Don Jaime von Bourbon versucht in

einem Aufruf von Paris aus, den modernen Reaktionsdreh, den wir vom Kapp- Butsch her kennen, das Volk unter dem Zeichen ,, Kommunistenabwehr" für den Monarchismus Monarchismus einzuspannen. Borsichtig erklärt er die verfassunggebende Nationalversammlung für unerläßlich aber man müsse monarchistisch wählen.

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Hakenkreuzdämmerung in Bremen . Sozialdemokratischer Bürgerschaftspräsident.

Bremen , 24. April. ( Eigenbericht.) Heute wurde in der Bürgerschaft die Neuwahl des Präsidenten vorgenommen. Die Sozialdemokratie schlug den bisherigen sozial­demokratischen Vizepräsidenten Osterloh vor. Auch die Bolks partei, die Staatspartei und die Kommunisten präsentierten eigene Kandidaten, während die Nationalsozialisten den vor einigen Wochen von ihnen selbst gestürzten Kontul Bernhard wieder in Bor­schlag brachten. Die ersten drei Wahlgänge führten zu feinem positiven Ergebnis. Vor dem vierten Wahlgang erklärten die Volksparteiler, die voraussahen, daß ihr Kandidat nicht ge­wählt werden würde, daß sie wegen flegelhafter Beleidigungen der Deutschen Volkspartei im Bremer Naziorgan nicht für den national­sozialistischen Kandidaten stimmen, sondern sich der Stimme enthalten würden. Daraufhin erhielt Genosse Osterloh die Stimmen der Staatsparteiler und des Zentrums und siegte unter spontanem Beifall der SPD. - Fraktion mit 47 Stimmen über den Hitlermann, für den bei Stimmenthaltung der Volkspartei und der Kommunisten 43 Stimmen abgegeben wurden.

Von

die innerdeutsche Kapitalbildung 37-38 Milliarden Mark.

Alle Krisendiskussionen und alle politischen Kämpfe der letzten Jahre hatten im Kern nur ein Thema: daß die öffent­liche Hand zuviel verbrauche, daß die Arbeiter und Ange­stellten einen zu großen Teil der Wirtschaftserträge für sich in Anspruch nehmen und daß die deutsche Privatwirtschaft deshalb auf keinen grünen Zweig fommen fönne. Es fehle in Deutschland an der notwendigen Kapitalbildung; öffent­licher Ausgabenabbau, Lohnabbau und Maßnahmen zur Förderung der privatwirtschaftlichen Rentabilität könnten allein helfen. Der Glaube an die unzureichende Kapital­bildung, gefördert durch die Last der Reparationen, wurde so allgemein, daß ein beherrschendes Schlagwort daraus wurde. Die Arbeiterschaft nannte diesen Glauben immer einen Irrglauben, aber es war umsonst, er wurde schließlich zur Richtschnur auch der Staatspolitik. Mit diesem Irr= glauben wird jetzt nicht durch Argumente, sondern end­lich durch Zahlen aufgeräumt. Das Institut für Kon­junkturforschung veröffentlicht, spät genug, umfangreiche Untersuchungen über ,, Kapitalbildung und Investitionen in der deutschen Volkswirtschaft von 1924 bis 1928", die die Behauptung mangelnder Kapitalbildung in Deutschland als Märchen erweisen und auf unsere gesamte Politik revolutio= nierend wirken müssen, denn diese Untersuchungen zeigen, daß die Kapitalbildung in den fünf Jahren von 1924 bis 1928 nicht weniger als netto 28 Milliarden Mark betragen hat. Um es gleich zu sagen: die in diesen fünf Jahren be­zahlten Reparationen von 9 bis 10 Milliarden und die vom Ausland eingeführten rund 14 Milliarden sind in dieser Summe nicht enthalten.

Wir geben nur die gröbsten Resultate der Untersuchung wieder; sie sind sensationell genug. Die Untersuchung geht so vor, daß sie berechnet, wieviel Kapital in den fünf Jahren in der deutschen Wirtschaft neu angelegt worden ist. Als Neuanlagen von Kapital wird nur die Errichtung neuer Produktions-, Verkehrs- und dauernder Gebrauchsanlagen und die Vermehrung der Warenläger gerechnet. In diesem Sinne ist für den Ausbau der deutschen Wirtschaftsanlagen und die Vermehrung der Lagerbestände in den fünf Jahren eine Summe von 39,3 Milliarden Mark aufgewendet worden. Davon fommen 26,8 Milliarden auf die Erweiterung von Anlagen und 12,5 Milliarden Mark auf die Erweiterung der Läger. An der Gesamtsumme von 39,3 Milliarden sind die Industrie mit 9 Milliarden, die öffentliche Verwaltungs­wirtschaft mit 5,7, die Wohnungswirtschaft mit 5,4, der Einzelhandel mit 5,1, das Verkehrswesen mit 4,3 milliarden Mark beteiligt, während für die Kraft-, Gas- und Wasser­wirtschaft nur 2,7, für die Landwirtschaft nur 2,6, für den Großhandel 2,2 und für das Handwerk 1,3 Milliarden ge= nannt werden. Der Zuwachs an Sachkapital ist aber mit den 39,3 Milliarden noch nicht erschöpft. Hinzugerechnet werden müssen die rund 2,3 Milliarden, um die die deutschen Noten­banken ihre Goldbestände erhöht haben, so daß sich ein ge ſamter Kapitalzuwachs von 41,6 Milliarden für die fünf

Jahre von 1924 bis 1928 ergibt.

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Wo sind nun diese enormen Beträge für Neuanlagen in Deutschland hergekommen? Die Theorie unserer deutschen Unternehmer lautet, daß im wesentlichen in Deutschland eine wirkliche Kapitalbildung nicht erfolgt sein könne, daß der größte Teil vom Ausland geborgt sein müsse und daß noch immer mehr ins Ausland, abfließe. Die Untersuchung des Konjunkturinstitutes stellt aber fest, daß gegenüber dem Aus­land in den fünf Jahren ein Verschuldungszuwachs von nur 13,6 Milliarden festzustellen ist, so daß 28 Milliarden aus innerer Kapitalbildung stammen müssen. Da man die Reparationszahlungen nach Abzug der ausländi­fchen Kapitalzuflüsse der inneren Kapitalbildung zurechnen muß auch wenn sie selbstverständlich als wirtschaftliche Fehlanlage betrachtet werden müssen, so tommt man zu einer Kapitalbildung in den fünf Jahren von 37 bis 38 Mil­liarden Mark, die innerhalb Deutschlands erwirtschaftet worden ist. Man könnte nun aber meinen, daß in dieser Summe vielleicht alles das auch enthalten ist, was für die Ersetzung verbrauchter Produktionsanlagen und für große Reparaturen an Kapitalaufwand notwendig war. Es han­delt sich hier um die Summen, die man unter den Begriff der Abschreibungen zusammenfaßt. Aber diese Abschrei= bungen, die vor der Errechnung der Kapitalbildung vor­genommen werden, sind mit 26,2 Milliarden Mart außer= dem erwirtschaftet worden. Es handelt sich also bei den 28 und unter Einrechnung der Reparationen bei