dings hoffnungslose Opposition gegen das gesamte neue Budget eröffnet haben und auch die Unabhängige Arbeiterpartei spart nicht an der Kritik. Die einen: weil ihnen das Budget zuviel Sozialismus enchält, die zweiten beklagen sich über zu wenig! Maxton und Fenner-Vrockway erwarteten die Erweiterung des sozialen Pflichtkreises, Familienunterstützung. Erhöhung der Altersrenten usw. Die dazu erforderlichen erhöhten Ein- nahmen? Erhöhte Einkommensteuerl Was�Snowden mit der Antwort quittiert: Erhöhte Besitz- und Einkommensteuer be- deutet jetzt lediglich die Verminderung des Lohns und beides zusammen die Verschärfung der Wirt- schaftskrise! Entgegengesetzt der JLP.-Gruppe strebt die mächtige Konservative Partei zum allgemeinen Abbau. Her- unter mit den Steuern für die Besitzenden und herunter mit den sozialen Lasten, mit Arbeitslosenunterstützung. Alters- reuten und Witwenpensionen! Die Minderheitsregierung der Labourparty ist den mittleren Weg gegangen. Sie hat ihr vorjähriges Budget aufrechterhalten! Dem oberflächlichen Betrachter er- scheint es gering. In Wahrheit ist dieses neue Budget eine soziale und politische Tat ersten Ranges. Zu ermessen ist sie aus dem letzten Etat der konservativen Regierung Baldwin. Einige Zahlen und Beispiele: Fünf- hunderttausend Witwen und Waisen sind seit 1930 durch die Arbeiterregierung pensionsberechtigt geworden. 150 000 Ar- beitslofe, die die Konservativen der Armenunterstützung überließen, sind in die Arbeitslosenfürsorge übernommen worden und das künftige Abgleiten in die Armenklasse ist für Hunderttausende verhindert. Für die produktive Er- werbslosenfürsorge ist eine Anleihe von 173 Millionen Pfund Sterling bereitgestellt, wodurch bis jetzt 213 000 Arbeitslose in den Produktionsprozeß zurückgeführt werden konnten. Die Erwerbslofenunterstlltzung ist teilweise erhöht, und eine Anleihe von 90 Millionen Pfund sichert die Aufrechterhaltung und die Höhe der Erwerbslosenunterstützung. Bezahlter, cinwöchiger Erholungsurlaub für die Staatsarbeiter, 7i�-Stunden-Tag für die Bergarbeiter, Wohnungs- und Siedlungsbau, Landdrainage und Aufforstung. Agrargesetz und Schulgesetz mit Erhöhung des schulpflichtigen Alters und Unterstützung der Eltern find im Unterhaus durchgesetzt und nur durch den Widerstand des Oberhauses auf zwei Jahre hinausgeschoben, um dann automatisch Gesetz zu werden. Das ist nur der H a u p t t e i l der sozialen Tätigkeit der Arbeiterregierung. In sozialer Beziehung marschiert heute England an der Spitze aller Staaten. Um jährlich 47 Millionen Pfund Sterling ist der ordentliche Etat durch diese neuen sozialen Ausgaben be» lastet, während neun Zehntel der Kosten für die Arbeits- losigkeit im außerordentlichen Etat stehen und durch Schuldenaufnahme gedeckt werden. Diese 47 Millionen Pfund Sterling aber für die vermehrten sozialen Ausgaben sind ein für allemal gedeckt durch die im vergangenen Jahr vorge- nommene Erhöhung der Einkommensteuer und kein Pfennig wird hierfür aus indirekten Steuern gewonnen. Be- zahlt werden die 47 Millionen Pfund ausschließlich von jenen, die mehr als 500 Pfund Jahreseinkommen haben. Snowden hat in diesem Jahre schwerster Krise und größter Unsicherheit keine neuen Lasten dem Etat hinzugefügt. Agrar- und Schulgesetz'ruhen noch, und eine stärkere Belastung der Wirtschaft dünkt ihm falsch im Hinblick auf ihren Tiefstand. Der Kardtnalpunkt aber: die Labour- party ist in der Minderheit und eine Zlrbeiterregierung im Amt ist noch lange keine Arbeiterregierung in der kom- promißlosen Macht. Trotzdem hat sich Snowden von seinem Wege nicht abdrängen lassen. Kein Schilling sozialer Aus- gaben ist gestrichen, mit keinem Schilling hat er die Lebens» Haltung der Massen belastet, keinen Schilling Zollerhöhung, keinen Schilling indirekter Steuer: auch das ist ein Beispiel, und eine Tat, die sich sehen lassen kann.
Ruhestörungen in Hamborn . Erwerbslosendemonstration vor dem Rathaus. Hamborn , S. Mai. Heute vormittag kam es in Hamborn zu erheblichen Ruhe- störungen Gegen II Uhr erschien aus dem Stadtteil Neumühl ein Demonftrationszug von Erwerbslosen, der unter Hungerrufen vor das Rathaus zog und in das Gebäude eindrang. Die Schnellhilfe wurde herbeigerufen, doch leisteten die Demon- stranten derartigen Widerstand, daß es im Rathaus zu Schlägereien zwischen Demon st ranten und Polizei- b e a m t e n kam. Letztere muhten vom Gummiknüppel Gebrauch machen, und es gelang nur mit größter Mühe, die Demonstranten aus dem Gebäude herauszudrängen. Bor dem Rathaus und dem anschließenden Gerichtsplatz wurden die Beamten von der Menge mit Johlen empfangen und mit Stöcken geschlagen. Erst als beträcht- liche Verstärkung eintraf, konnte die Ruhe wieder hergestellt werden. Sechs Personen wurden festgenommen. Stahlhelm mit Handgranaten. Ein Landfriebensbruchproieß in Schleswig-Holsiein. kiel. S. Mal.(Eigenbericht.) In Bad Bramstedt wurden 2 Reichsbannerleute wegen Landfriedensbruchs zu je 3 Monaten Gefängnis und zwei zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. Ein Stahlhelm- mann erhielt in dem gleichen Prozeß ebenfalls 1 4 T a g e G e- f ä n g n i s. Gelegentlich eines Wortwechsels zwischen Reichsbannerleuten und Stahlhelmern, die sich mit Lastautos auf dem Wege nach Altona befanden, kam e» am 23. Februar in Bad Bramstedt zu einer Schlägerei. Angreifer waren die Stahlhelmer. die mit Stiel- Handgranaten, die mit breiten Cisenbändern be- schlagen waren, aus die Reichsbannerleute einschlugen. Es gab mehrere Schwerverletzte. Obwohl die Zeugenaussagen ergaben, daß die Stahlhelmer mit den Beleidigungen und Tätlichkeiten begonnen hatten, beantragte der Staatsanwalt gegen die Reichsbannerleute Gefängnisstrafen von 9 bis 3 Monaten, jedoch gegen den Stahl- helmer wegen einfacher Körperverletzung 3 Tage Gefängnis. Das Urteil hat unter den Republikanern der Provinz Schleswig- Holste,» große Entrüstung hervorgerufen.
München . 6. Mai.(Eigenbericht.) Die Jahresversammlung des Deutschen Museums, zu der rund 400 geladene Gäste aus Kreisen der in- und ausländischen Wissen- schast und Wirtschast in München eingetroffen sind, begann im Ehrensaal des Museums mit einem sensationell wirkenden Vortrag von Oswald Spengler über„Kultur und Technik". Seine Gedanken, die er vortrug, rüttelten in einem geradezu revolutionärem Tempo an dem alten Gebäude der zünftigen Wissenschaft. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte Spengler die Behauptung, daß der Mensch der hoch st entwickelte Typus der Raubtiere sei, die auf der Erde leben. In der heutigen Entwicklung der Menschheit sei die seelische Verwandtschaft zwischen den besten Menschen und den besten Raubtierexemplaren im Tierreich ungeheuer groß. Der Unterschied zwischen beiden Gattungen bestehe nur darin, daß mit dieser Art Mensch die in- dividuekle Technik in die Welt gekommen sei, die ihn befähigt habe, das größte aller Raubtiere zu werden. Das Alter der Menschheit schätzt Spengler auf etwa 150 000 Jahre. Die Entwicklung zur Technik habe im fünften Jahrtausend vor Christus begonnen, wo in einem kurzen Prozeß dem Menschen die Hand ge- worden sei und er dazu die Werkzeuge zur Technik erfunden habe. Seit diesem Zeitpunkt, in dem auch die menschliche Sprache cnt-
standen sei, habe sich die Seele des Menschen über die Seele des Raubtieres hinaus entwickelt, denn Arbeit und Handarbeit, Führer- arbeit und Ausführerarbeit hätten sich getrennt und bildeten von nun an die Basis für die Kultur der Technik. Eine zweite Zäsur der Menschheit verlegt Spengler in den Anfang des zweiten Jahr- taufends nach Christus. Es beginnt mit der Gotik und sei die letzte Epoche des nordischen Menschen, in der der Kampf des Lebens und ein unbegrenzter Wille zur Macht zum obersten Prinzip gemacht worden seien. In diesem Zeitraum ein- geschlossen liege die ungeheure Entwicklung der Technik im Kampfe gegen die Natur, die heute als im wesentlichen abgeschlossen bezeichnet werden müsse. Denn der Mensch sei zum Sklaven seiner eigenen Schöpfungen geworden, und die weiße Rasse, zu der er bemerkenswerterweise die Russen nicht zählt, stehe u n m i t t e l- bar vor ihrem Untergang. Das letzte, was noch zu tun übrig bleibe, sei, diesen Untergang mit Heroismus zu er- tragen. Die Zuhörer waren von dem Pessimismus der Spenglerschen Spekulationen sichtlich erschöpft, so daß Dr. Schacht als Vorsitzen- der in einem kurzen Schlußwort versuchte, durch einen Appell an die göttliche Sendung des Menschen den Alpdruck etwas abzu- schwächen. Die Koryphäen der Wissenschaft und der Wirtschaft gingen wie geprügelte Hunde auseinander.
Kontrollausschuß einberufen. Zollunion und österreichische Fmanzwirischafi werden in Gens geprüst.
Genf , 6. Mai. (Eigenbericht.) Trotz wiederholter Dementis bestätigt sich nunmehr, daß der internationale Kontrollausschuß für die österreichische Sanierungsanleihe zum 13. Mai nach Genf einberufen worden ist. Der Zweck feines Zusammentritts ist, den Einfluß der Zollunion auf die österreichische Finanzwirtschaft zu prüfen. Der Ausschuh steht unter dem Vorsitz Italiens und wurde gemäß dem Protokoll von 1922 über die Finanzhilfe in Oesterreich ge- bildet. Seine Einberufung, die einen gewissen Schluß aus die Haltung Italiens zu dem Problem der Zollunion zuläßt, vermehrt die Schwierigkeiten, denen das deutsch -österreichische Projekt in Genf gegenüberstehen wird. Sind die Verhandlungen unierbrochen? London , 6. Mai. (Eigenbericht.) Der diplomatische Korrespondent des„Daily Herald" entnimmt aus der Unterhauserklärung Hendersons über die deutsch -österreichische Zollunion, daß die diesbezüglichen deutsch - österreichischen Verhandlungen einstweilen unterbr l�ch e n worden sind. Das beweise eine verändert« Haltung Deutschlands , das setzt ängstlich darauf bedacht sei. die Be- mühungen des Völkerbundes nicht zu stören, sondern einen ruhigen Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten suche. Hochschuhzoll in Oesterreich . Wie aus Wien berichtet wird, wird die österreichische Re- gierung in den nächsten Tagen eine neue Zolloorlage ein- bringen, die einen ausgesprochen Hochschutz zöllnerischen Charakter trägt, und zwar sowohl für landwirtschaftliche wie für industrielle Erzeugnisse, deren Zollsätze bedeutend erhöht werden sollen. Es scheint, daß die gegenwärtige Bundesregierung die Zollunion
mit Deutschland im Interesse der landwirtschaftlichen Kreise insofern vorweg nimmt, als sie Hochschutzzöll« nach dem Muster Schicles einführen will. Dabei sollen, wie ein Wiener Bericht des „Berliner Tageblatts" unterstreicht, eine ganze Reihe von Industrie- waren mit erhöhten Zöllen bedacht werden, die Oesterreich f a st ausschließlich aus Deutschland bezieht. Allerdings würden sich diese neuen Sätze Deutschland gegenüber einstweilen nicht auswirken, da der Handelsvertrag zwischen Deutschland und Oesterreich erst im Januar 1933 kündbar wird.
Reuer ZoNwaffenstillstand? Frankreich ratifiziert nachträglich. Genf . 6. Mai. Zum allgemeinen Erstaunen und reichlich spät hat die französische Regierung dem Völkerbundsrat nunmehr ihre Ratlfikativn des allgemeinen Handelsabkommens vom 24. März 1930 mitgeteilt. Das Abkommen war auf der dritten Zollsriedenskonferenz im Mörz 1031 infolge des französischen Widerstandes endgültig ge- scheitert. In Genf erklärt man, daß die nachträgliche Ratifi- kation des Abkommens durch Frankreich im April fast unbemerkt durch den französischen Senat vollzogen worden sei und daß sie nur moralischen Wert habe. Es scheint aber, daß die Ratifikation doch in einem inneren Zusammenhang mit dem belgischen Vorschlag für die Europaverhondlungen steht, das Kernstück des gescheiterten Handelsabkommens in einem neuen Abkommen noch einmal aufzugreifen, in dem sich die Staaten verpflichten sollen, im Falle etwaiger Aufkündigung ihrer Handelsverträge sich vorher gegenseitig zu benachrichtigen, um Ausgleichsverhandlungen zu er- möglichen. Man hört deshalb auch, daß dieser Gedanke unter Um ständen für den französischen Gegenplan zu dem deutsch -österreichischen Zollabkommen bei den Europaoerhandlungen eine Rolle spielen könne.
Die Werkspionage bei der ZG.-Karben. Weitere Verhaftungen. Frankfurt . S. Mai.(Eigenbericht.) Der Fvaukfurter Generalanzeiger schreibt zu der bekannten Wertspionageasfäre bei der I. G.- Farbenindustrie und anderen Betrieben, er habe von gut unterrichteter Seite erfahren, daß jetzt auch der Werkmeister einer großen chemischen Fabrik in Frankfurt festgenommen worden sei. Der Ober- relchsanwalt habe auch die politische Polizei mit der Klärung der Zusannnenhänge der unter Leitung des vechaststen Kommunisten Erich Steffen stehenden Berliner Splonagezentrale und der sowjet- ruisslschen Handelsvertretung in Berlin beauftragt. Aus Geständnissen von Arbeitern der Höchster Farbwerte usw. sowie auf Grund von beschlagnahmten Fragebogen, dte Steffen bzw. seine Vertrauensleute Arbeitern und Angestellten zum Ausfüllen vorgelegt hatten, könne der Schluß gezogen werden, daß die Berliner Handels- Vertretung der Sowjetunion von der Spionageasiäre gewußt I)aben müsse. Gandhi und Manchester . Boykott englischer Waren steigert indirekt Produktion. V London , 6. Mai. Infolg« der indischen Boykottbewegung gegen britische Baum- wollwaren arbeiten 25 Spinnereien in Bombay jetzt mit ooppel- t e r Belegschaft. 15 000 Arbeiter konnten neu eingestellt werden. Verschiedene weitere Spinnereien tragen sich ebenfalls mit dem Ge- danken, Doppelschichten«inzuführen. In einer Protestkundgebung an der Börse von Man- ch e st e r faßten die Mitglieder der Börse und die Arbeltgeber und Arbeitnehmer der Spinnereien von Lancashir« am Dienstag eine Entschließung, in der die englische Regierung aufgefordert wird, be! der indischen Regierung dringend Schritte zur Aufhebung des Boykotts zu tun, der Hunderttausende» von britischen Arbeitern die Existenzmöglichkeit raube. Auf die Erklärung der Mitglieder der Börse von Manchester erwiderte Gandhi , der Boykott englischer Erzeugnisse sei eine wirt- schaftliche Selbstverteidigungsmahnohme des halbverhungerten indischen Volkes. Anstatt eine drohende Haltung Indien gegenüber einzunehmen, hätten die Leute von Manchester und Lan- cashire besser getan, wenn sie sich nach Mitteln und Wegen um- gesahen hätten, um ihr« Waren in anderen Ländern unterzu- bringen, in denen ihre Erzeugnisse willkommener seien als in Indien .
Heilung der Krebstrankheit? Entdeckung eines englischen und eines holländischen Gelehrten. London . 6. Mal.(Eigenbericht.) Der„Daily Herald" meldet als erste» englisches Blatt von einem großen Aortschritt in der Krebsforschung und Srebsheilung, erzielt von einem jungen englischen Med!- zinwisseaschaftler und einem holländischen Arzl . Beide sind ,u dem Ergebnis gekommen, daß der Krebs eine Erkrautnug de» Blute» sei. Der englische Entdecker behandelt sei« sechs Monaten in drei Londoner Hospitälern Krebskranke durch ein Präparat, gewonnen aus einer Halsdrüse. Die die Wirkung verfolgenden Sachverständigen spenden der Behandlung großen v-isall und sind außerordentlich besriedtg« über die erzielten Erfolge. Der holländische Arzt stell« sein heilpräpara» auf technischem Wege her und soll ebenfalls die besten Resultate ge- mannen haben. Einstweilen bleiben die Namen der Entdecker über die Einzelheiten der Behandlung verschwiegen.
Toulon größienieits zerstört. Bei Lustmanövern. Pari», 6. Mai. (Eigenbericht.) Auf der Reede von Toulon haben in den letzten Togen kombinierte Luft- und Flottenmanöver stattgefunden, die am Dienstag mit einem Massenangrisf auf den Hafen von Toulon durch 150 Flug- zeuge abgeschlossen wurden. Obgleich sich KüstenabwehrboUerien und mehrere Jagdflugzeu ggeschw oder an der Abwehr des Angriffs be- 1�ur&e•am Schlüsse des Manövers zugegeben, daß im Ernstfälle ein großer Teil von Toulon zerstört wordev wäre. Zestkonzeri der Arbeitersänger. (Philharmonie.) Im großen Saal der Philharmonie fand gestern abend das erste Festkonzert anläßlich der tO-Iahr-FeierdeeDAS. Gau Berlin statt. Die Ausführung des Programms, das in reicher Folge Volkslieder des In- und Auslandes brachte, zeigt« unsere Arbettersänger aus der Höh« chrer künstlerischen Aufgab«. Es gab begeisterten Beifall nach jeder Nummer. SL P.