Tit. 226• 46. Lahfgans
2. Vellage des Vorwärts
Dienstag, 49. Mai 4934
Amerikanische Rationalisierung. Technische Atempause.— Fünftagewoche.— Technik und Wirtschastsordnung.
Gercuse in der Knsenzeit wird immer wieder In Deutschland gefragt, was denn eigentlich die Rationalisierung in Nordamerika , von wo ja die Nationalisierungswelle ausging, mache Ein« Antwort daraus oersuchte am Montag der stellvertretende Direktor de? Jäter- natwnalen Arbeitsamts in Gens ch. G- B u t l e r zu geben, der eben von einer Amerikareise zurückgekommen ist und den das deutsche Reichsarbeitsministerium zu einem Vortrag über die R a t i o n a l i- sierungsprobleme in den Vereinigten Staaten einlud. Was die Folgewirkungen anbetrifft, hat sich die Ratio- nalisierung in Amerika kaum anders entwickelt als in Deutschland . Wenn man die wirklichen Probleme kennzeichnen will, so muß man an das erste Programm der Sozialdemokratie, das Erfurter Programm anknüpfen, das in charakteristischer Weise immer wieder davon spricht, daß I in der
die produktiven Krcsie
kapitalistischen Wirtschaft
der kapitalistischen Wirtschaftsordnung über den Kopf wachsen. Die Probleme der Rationalisierung sind weniger Problem« der Technik und Produktion, wie man immer wieder fälschlich annimmt, sondern mehr Probleme der Wirtschaftsordnung, der Verteilung de» Wirt- schaftsertrags, der Höhe des Reallohns. Ratianalisierung ist von einem steigenden Verbrauch, von einer möglichst weitgehenden Beteiligung der breiten Massen an Yen Ratianalisierungssolgen und an der größeren Gütererzeugung nicht zu trennen, chier ergibt sich der grundsatzliche Unterschied zwischen Deutsch - land und Nordamerika , auf den Butler in seinem Referat am Montag hinwies. Gewitzigt durch die Erfahrungen während der großen Krise 1821-2? gingen die amerikanischen Unternehmer davon aus. daß der Verbrauch unter allen Umständen aufrechterhalten werden müsse. Deshalb wandten sie sich und wenden sie sich heute noch gegen jede Lohnkürzung. In Deutschland hat kleinlicher Unter- nehmergeist einen anderen und verkehrten Weg, den Weg der Der- brauchsreduzierung, der Lohnkürzung gewählt. Auf diese» Konto geht ohne Zweifel die Verschärfung der deutschen Wirtschaftskrise. Trotzdem, wie Butler annimmt, sich die industriellen Reallöhne in Amerika während der Ratianalisierungsperiode um 25 bis 30 Prozent gesteigert hoben, zeig« es sich, daß die Rationalisierung auf Grund verminderter Selbstkasten die Nachfrage nach Waren nicht in dem Maß« steigerte, um die freigesetzten Arbeitskräfte wieder aufnehmen zu können. Amerika hat selbst in günstigen Jahren(von 1924 bi, 1927) ständig zum mindesten 2 Millionen Arbeikslose gehabt. Das sind ö Proz. der industriellen Arbeiterschaft. Dazu kamen zum mindesten 1 Million Arbeitskräfte, die durch Maschimsie« rung der Landwirtschaft, durch Trattoren, Mähdrescher usw. von der Landarbeit abgedrängt wurden(Landflucht). Man kann hier wie dort die Betroffenen als direkte Opfer der Rationalisierung an- sprechen. Andererseits sind durch den zunehmenden Wohlstand, also allgemein durch die Reallohnsteigerung, neu« Bedürfnisse entstanden, deren Befriedigung- neue Beschafttgvngsmöglichteit schaffte. Dafür kamen in Frage Telegraph, Fernsprecher, Auto, Tankstellen, Sa- ragen, vermehrte» Vergnügen. Sport und Luxusgewerbs. Diese neuen Arbeitzmöglichkeiten reichten auch in Amerika nicht aus. Außerdem ergeben sich nach einer amerikanischen Spezialstatistit sehr weite Zeitspannen zwischen Entlassung und Wiedereinstellung (6 und mehr Monate). Nach derselben Statistik kommt überhaupt nur ein Drittel der freigestellten Arbeiterschaft in den alten Berufen wieder unter und auch nur mit weit niedrigeren Löhnen als früher. Butler folgert au» allem, daß in de» Vereinigten Staaten die Be- schäftigungsmögllchkeiten trotz des großen Ausschwung» der Industrie im Laufe der letzten 10 Zahre zurückgegangen sind. Das deutsche Unternehmertum hat in derselben Lage die These aufgestellt, man könne durch Lohndrück die Maschine ver- drängen. Die Erfahrungen der Nordameritaner beweisen etwas anderes. Butler stellt fest, daß selbst in Fällen, in denen die<Be- werkschaften niedrigere Löhne angenommen haben, ei ihnen nicht gelungen sei, die Einführung arbeitsparender Maschinen aus diese Art lange aufzuhalten. Das hieße ja auch die Entwicklung aushalten. Wo» deutsche Unternehmer leider immer noch nicht begriffen haben. Ebenso wichtig ist der chinweis Butler» auf die auch für Nordamerika festzustellende Be- wegung, da» Tempo der Rationalisierung zu ver» langsamen. Das wäre die technische Atempause. Deutschland steckt gegenwärtig In diesem Stadium. Die Pause kann, wenn sich da» Unternehmertum endlich mal auf sich selbst besinnt, eine Senkung der Gestehungskosten durch verminderte Ab- schreibungen und damit die geforderte Preisverminderung, die Steigerung des Verbrauch» und ein« größer« Anpassung d«» Ab» fatzes an die Kapazität bringen. Butler bezweifelt aber für Amerika tiesgehende Wirkungen der technischen Atem- pause, weil gerade die Krise zu weiterer Technisierung anregt. Auch stehe in Amerika kartellmäßigen Verträgen, die ein« weitere Tech- nisierung der Wirtschast einschränken, das Antitrustgesetz und die öffentliche Meinung entgegen. Selbst wenn es in Amerika zur Aufhebung des Antitrustgesetzes käme, würde Pas nach Auffassung Butler» nicht genügen, um die Wirtschast der Genesung ent- gegen zu führen. Das sei auch«ine Frage, die international zu behandeln sei. Unter den gegenwärtigen Umständen seien aber irgend- welch« beträchtliche Beschränkungen oder Derlangsamungen der
Rotionalisienmg für Amerika unwahrscheinlich.— Unter diesen Voraussetzungen kommt Butler zu dem Schluß. die Arbeiisjeit zu verkürzen. wofür der amerikanische Gewerkschaftsbund schon vor vielen Jahren eingetreten ist(Forderung nach der 40-Stunden-Arbeit«woche). cheute schon seien in Amerika über 530 000 Gewerkschaftler im Genuß der 40-Stunden-Arbeitswoche. Butler stimmt dem amerikanischen Ge» werkschaftsbund zu, wenn er hinsichtlich der Arbeitszeitverkürzung eine„Planung für den ganzen Staatsbereich* fordert. Die Tendenzen des amerikanischen Gewertschafisbunde» gehen dahin, daß einmal jedes Gewerbe und schließlich sämtliche Gewerbe in dieser Frage zusammenarbeiten, und zwar muß eine beratend« Körperschaft aus Vertretern aller Gruppen der Produktion und der Verbraucher eine„umfassende Planung* durchführen. Die Verant- wortung für das wirtschaftlich« Gleichgewicht hätte bei einem L a n- deswirtschaftsrat zu liegen. Die Rationalisierung kann man nicht abstoppen. Wir werden vielmehr erleben— und das unterstreicht auch Butter— daß die Wissenschaften auf mechanischem, physikalischem, chemischem und elek- irischem Gebiet immer noch mehr Einfluß gewinnen. Dadurch werden die Möglichkeiten der yroduklionssteigerung und der Produktionsverbilligung in Zukunft mindesten» in demselben überreichen Maß bestehen wie während der letzten Jahre. Die Bilanz aus dieser Entwicklung für die hinter un» liegende Rationalisierungsperiode ist, daß der Der- brauchunddieBeschaffungneuerArbettsmöglich-
keiten dem Tempo der Rationalisierung nicht ge- s o l g t sind. Butler konstatiert das selbst für Amerika mit seiner beispiellosen Verbrauchssteigerung. Fürs erste kann als Gegen» Wirkung nur die allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit dienen. Butler ist sich ober darüber klar, daß wir mit der Technisierung erst im Beginn einer neuen Stufe der industriellen Entwicklung st ehe n. Er übersieht aber auch nicht, daß diese Entwicklung zu einer Steigerung de» Verbrauchs in der ganzen Welt Anlaß gibt, allerdings unter dem Vorbehalt, daß das internationale System der Zahlungsmittel hinreichend anpassungsfähig gestaltet und angemessen überwacht werden kann. Wenn diese Entwicklung reibungslos vor sich geht, so folgert Butler, dürfe jetzt schon angenommen werden, daß der allgemeine Wohlstand steigen und immer tiefere Schichten der Bevölkerung erfassen wird. Für die Landwirtschaft und das Gewerbe«erde dann ein kleinerer Teil der Bevölkerung erforderlich sein, ein größerer Teil werde im Bedienungsgewerbe aller Art tätig werden, wie sie avl Grund der gröheren Freizeit und Saufkrafk der breite» Massen entstehen. Anders kann die Entwicklung nicht sein. Die Wirtschaftsgeschichte beweist das. Der Z u k u n s t s st a a t, mit dem die modern« Arbeiter- bewegung ihren Siegeszug antrat, ist keine Illusion, sondern ein Ding— und das ist im Grunde genommen Marxismus , das technisch-wirtschaftlich begründet ist. Eine andere Frage ist die, ob die gegenwärtige Wirtschaftsordnung ausreicht, um einen reibungslosen Vollzug dieser Entwicklung zu garantieren? Das deutsche Unternehmertum hat in der Krise glänzend bewiesen, daß das nicht der Fall ist. Daraus ergibt sich die geschichtliche Notwendigkeit des Sozialismus, der Entwicklung die Wege frei zu machen, eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die der gewaltigen, ganz automatisch sich ergebenden technischen Entwicklung entspricht. Rationalisterungsprobleme gibt es eigentlich nicht. Es gibt nur Probleme der Wirtschasteordnungl
Begehrte Bewag. Lleberzeichnung sür Berliner Krast» und JLichstZlktien. Wie nichl ander» zn erwarlen war. hat die Zeichnungsauffordc. rung auf den deutschen Anteil an der Ausgabe der neuen Berliner Kraft- und Licht-Aklien eine starke lleberzeichnung ergeben. Lei der Zuteilung werden nur die Aktien mit Sperrfrist voll zugeteilt werden; freie Stücke(die sofort weiterverkausl werden dürfen) werden »tur zu SO proz. des Ieichoungsbelrages zugeteilt«erden.
Gefunder Giaatsbergbau 4 proz. Oividende der preoßag. Die Preußag, Preußisch« Bergwerk«- und chütten-A.-G., in der die dem Preußischen Staat gehörenden Bergwerksbetriebe zu- sammengefchlossen sind, verösfentlicht jetzt Abschluß- und Geschäfts- bericht für das Jahr 1930. Selbstverständlich hat die Krise auch nicht vor den Betrieben der staattichen Unternehmen haltgemacht, doch sind sie bei der Preüßog in geringerem Maße fühlbar geworden als bei gleichartigen prfvat- wirtschaftlichen Unternehmen. So ist der Gesamtumsatz bei der Preußag von 137.6 auf rund 122,8 Millionen Mark, also um annähernd 12 Proz. zurückgegangen, während zum Beispiel bei der charpener Bergbau A.-G., die vor wenigen Tagen ihren Jahresabschluß veröffentlichte, der Kohlenabsatz um 22,5 Proz., also fast um da» Doppelt«, gesunken ist. Anderseits verringerte sich auch der Wert der eingekauften Betriebsmaterialien von 41,3 auf 31 Millionen Mark. Jn der Gewinnrechnung wird ein Roh- ertrag von 17,2 gegen Z4P Millionen Mark ausgewiesen, während der Reingewinn von 8,9 aus 5,5 Millionen Mark gesunken ist. Hieraus wird eine Dividende von 4 gegen 6 Proz. ausgeschüttet, wobei sich ober die Dividendensumme insolze der durchgeführten Kapitalzusammenlegung von 140 auf 110 Millionen Mark erheblich verringert Hot. Wie die Verwaltung im einzelnen noch ausführt, verursachen ihr die Zuschußbetriebe, die schon in den letzten Jahren mit Verlusten gearbeitet haben, jesst ganz besondere Sorge. Auf die Dauer könne die Belastung durch diese Zuschußbetriebe nicht ertragen werden. Jm letzten Jahr betrugen sie allein 3 Millionen. Mit der Stillegung des Oberharzer Werke? Clausthal habe man den Anfang gemacht, und wettere Zusammenlegungen sowie andere Rationalisierungsmaßnahmen im Harzer Erzbergbau müßten noch folgen. Besonder» schwierig sei es. für die Oberschlesischen Hüttenwerke in G l ei w i tz und Malopone eine richtige Lösung zu finden: auch diese Betriebe hätten im letzten Jahre wieder erhebliche Zuschüsse erfordert. Es seien bereits mtt verschiedenen Werken der oberschlesischen Eisenindustrie Verhandlungen wegen einer künstigen Zusammenarbeit und gemeinschaftlichen Auftragsverteilung«in» geleitet, jedoch seien positive Ergebnisse bisher noch nicht zu ver- zeichne«. Was über die neuen Arbeiten der Preußag auf dem Oelgebiei gesagt wurde, bot im wesentlichen nichts Neues.— Die im Juli vorigen Jahres beschlossene Herabsetzung de» Kapital» um 30 auf 110 Millionen Mark hat es dem Unternehmen ermöglicht, ihr« Bilanz nach den schweren Verlusten insolge der Vienenburger Schachtunglücke wieder zu konsolidieren. So hat die Der- waltung au» den, durch die Kapitalherabsetzung entstandenen Buch- gewinn eine Sonderabschreibung von 25,6 Millionen Mark auf die Anlagen vorgenommen. Die übrigen Wschreibupgen
sind diesmal auf 8,17 gegen 10,1 Millionen Mark im Vorjahr an- gesetzt worden. Unter Berücksichtigung dieser Bilanzveränderungen werden die Anlagen mit nur noch 76 gegen 98 Millionen Mark Wert ausgewiesen, obwohl im Berichtsjahr erneut fast 14 Millionen Mark neu in die Werksanlagen gesteckt wurden.
Arbeiislose Neichsbank. Rekordtiefstand an Wechselbeziehungen. Nach dem Ausweis der Reichsbank vom IS. Mai hat sich die gesamte Kapitalanlage der Bank um 255,7 auf 1700,9 Mtll. Mark verringert. Jm einzelnen haben die Bestände an Handelswechseln um fast 269 Mill. Mark abgenommen und weisen mit nur 1417,4 Mill. Mark einen Retordtiefstand auf. Dieser außerordentlich niedrige Kreditbedarf der Wirtschaft zeigt, in wie ge- ringem Umfange sich bisher dieSaisonbelebung— von Auf- triebstendenzen gor nicht zu reden— fühlbar gemacht hat. Der Notenumlauf hat in der zweiten Maiwoche insgesamt um 16L,Z Mill. Mark abgenommen. Die Bestände an Gold und dcckungsfähigen Devisen haben sich um 1,9 Mill. Mark auf 2541,1 Mill. Mark erhöht. Diese Zunahme um rund 2 Mill. Mark ist um so bemerkenswerter, als die Reichsbank in der Verichtswochs die Transferierung der monallichen Reparationsraten vorzunehmen hatte. Ganz zweifellos haben die Zuflüsse aus der Dewag-Trans- aktion und«ine günstigeZahlungsbilanzdie Beschaffungs- maßnahmen der Reichsbank sehr erleichtert, denn es gelang ihr, die für die Reparationen notwendigen Devisenposten auf dem freien Markt aufzukausen. Demgegenüber hatte sie im April 51 Mill. Mark Devisen aus eigenen Beständen hergeben müssen. Die Deckung der Noten durch Gold allein erhöht« sich in der Berichtswoche von 58,1 auf 60,6 Proz. und die Deckung durch Gold sowie deckungsfähige Devisen von 62,3 auf 65 Proz. Wir können nicht annehmen, daß die Reichsbank bei dieser günstigen Währung»- und Notenbilanz an ihrer Zurückhaltung in der Diskontsenkung festhält. Inzwischen sind gegenüber der ersten Mauvoche. wo erst die New-Torler Diskontsenkung vorlag, durch die über London und Amsterdam hinweggegangene Diskontabbau-Welle neue Anregungen für die Reichsbank gegeben. Die Gründe sind in der Tat nicht ersichtlich, die die Zentralnotenbant hindern, der deutschen Wirtschaft, insbesondere dem völlig daniederliegenden Daumarkt durch eine Kreditverbilligung neuen Auftrieb zu geben.
Kupferpreis wieder ermäßigt. Alle Versuche des Internationalen Kupfertartell», den Preis für Kupfer zu halten oder gar wieder in die Höhe zu treiben. scheitern an der Verbrauchsstockung. Dos Kartell sucht das Angebot durch Einsperrung der Vorräte möglichst gering zu halten, aber die Außenseiter drücken mtt ihrem Angebot dauernd auf den Markt. Ihren Preisunterbietungen muß das Kartell, wenn auch zögernd, immer wieder folgen: dos tut es mit möglichst geringen. aber um so zahlreicheren Preisermäßigungen. Erst am 13. Mai Hot es den Prei, für ein englische» Pfund(450 Gramm) von 9.7714 auf 9.5214 Cent» herabgesetzt: nur 5 Tag« später folgte die weitere Ermäßigung auf 9, 2714 Cents. Eine Aenderung der Lage ist nicht so bald zu erwarten. Trotz der Produktionseinschränkungen sind die Vorrät« bei den amerikanischen Produzenten weiter ge- stiegen(auf 368 000 Tonnen): die Ausfuhr nach Europa ist im letzten Monat weiter(auf 32 000 Tonnen) gefallen.
a/w Paucht' fä
dem Mist
Gold ii. Dick rund o-M.
PACKUNG PFENNIG