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Xr.23S.4S.3<*r»m« 4. 24. SUi 1931

Vlax Weiers:

3)er Ausflug im Qefängnis

Sin ZPfingflerlebnis vor 20 Sahren

Das Pfingstfest erinnert mich an ein Ereignis vor 20 Iahren, das deutlicher als dicke Geichichtsbände die stickige politische Atmo­sphäre beleuchtet, unter der die Arbeiterbewegung in der wilhelminischen Aera zu arbeiten gezwungen war. Insbesondere hatten die Mitglieder der damals überoll mächtig emporspriehenden Jugendbewegung unter einer geradezu sadistischen Verfolgungswut der Polizeiorgane zu leiden. Am meisten zeichnete sich in dieser Hinsicht Mitteldeutsch- land, vornehmlich Halle, aus. Ueber dos dortige Voltshaus, die von der Arbeiterschaft selbst geschaffene Stätte, die auch der Arbeiter» jugend für ihre Ausammenkünste diente, war die Polizeiaufsicht ver- hängt, und die Polizeistunde war aus 10 Uhr festgesetzt worden. In dieses Arbeiterheim hatte die Leitung der mitteldeutschen Arbeiterjugendbewegung ihren Jugendtag sür das Jahr 1911 ver- legt. Ich sollte am zweiten Pfingstfeiertag die bei solchen Anlässen unvermeidliche Festrede halten. Als ich gegen Mittag im Volkspark eintraf, waren Gebäude und Garten von Polizeibeamten umringt. Selbst im Reswurant beaufsichtigten mehrere Polizisten das Mittag- essen der Jugendlichen. Sozusagen als Vorspeise wurden mir die kriegerischen Ereignisse des Vortages und die Absicht der Polizei serviert, die Feswersammlung am zweiten Feiertag aus jeden Fall zu sprengen. Einige Arbeiter waren bereits verhaftet worden. Nichtsdestoweniger blieb die Jugend fest entschlossen, ihre Dersamm- lung abzuhalten, und diese wurde denn auch mit einem gemeinsam gesungenen Kampflied eröffnet. Daraus begann ich nieine Rede» Ich hatte gerade die ersten einleitenden Sätze gesprochen, die natur- gemäh der Polizei gewidmet waren, als zwei Polizeibeamte klirrend quer durch den Saal zu dem in der Mitte sitzenden Leiter der Veranstaltung stampften, um diesen zu ersuchen, die jugend- lichen Teilnehmer zum Verlassen des Saales aufzufordern,da der Redner beginne, politisch zu werden".(Nach dem damals herrschen- den Reichsvereinsgesetz durften Jugendliche unter achtzehn Iahren nicht an politischen Versammlungen teilnehmen.) Natürlich erregte die Ausforderung allgemeine Entrüstung. Ich mahnte zur Ruhe und forderte die Anwesenden auf, sitzen zu bleiben. Da stürzten auch schon zwei Polizeibeamte auf die Bühne und zerrten mich an beiden Armen herunter. In einem großen Bogen über die Köpfe der Be- amten hinweg warf ich meine Aktentasche, die einiges Material über die Bewegung enthiell, einem in der Nähe stehenden Jugend- genosien zu, der sie geschickt aufsing und sie unter den warmm Windeln eine» Säugling» im Kiuderivagen versteckte. Der Saal wurde nun unter den lauten Entrüstungs- und Hoch- rufen der Besucher von der Polizei geräumt". Wer den Polizisten nicht schnell genug aus dem Wege ging, wurde oerhaftet. Selbst der Wirt und der Heizer des Lokals mußten zur Wache wandern. Ich war einer der ersten Arrestanten, die quf den hölzernen Bänken der Wachtstube Platz nahmen. In kurzen Zwischenräumen folgten weitere Iugendgenossen. bis der Raum mit Verhafteten gefüllt war. Nach zwei Stunden wurde ich vom Polizeiinspektor ver- nommen:Wo haben Sie Ihre Tasche, die Sie vordem trugen?" Im Volkspark habe ich sie jemand gegeben."Wem?" ,T>az sage ich nicht." Er runzelte die Stirn und nach einer kleinen Pause: Sie sind entlassen!" Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sogen. Abermit des Geschickes Mächten..." Im Begrijf zu gehen, wurde ich von dem Kommissar, der mich verhaftet hatte, am Arm festgehalten. Mein Sträuben half nichts: er schob mich gewaltsam in ein leeres Reben- zimmer, ließ mich sämtliche Taschen leeren und konfiszierte einen kleinen Zettel, auf dem die Abfahrtzeiten der Eifenbahnzüge auf- gezeichnet waren: Ich verlangte den Zettel zurück, obwohl er wert- los war.Schmeißen Sie doch den Kerl raus!" brüllte er. Und im nächsten Augenblick flog ich auch schon, von vier Händen gepackt, auf den Flur, um danach von den beiden Polizisten aufgefordert zu werden, mit ihnen zum Arbeiterlokal zu gehen, da sie beauftragt feien, mirzu meinem Eigentum zu verhelfen". Der Volkspark war inzwischen in den Belagerungszustand ver- setzt worden. Eine Kette von Polizisten schloß ihn völlig ein. Ohne polizeiliche Erlaubnis durste niemand weder herein noch heraus. Natürlich wurde die Tasche nicht gesunden. Es ging zurück zur Wache. Don allen Arrestanten war ich allein übrig geblieben. Nach weiteren zwei Stunden wurde ich von einem behelmten und um- säbelten Polizisten zur Straße hinuntergeführt. Der Ausgang des Hauses war dicht belagert von einer Meng« neugieriger Kinder und Frauen und einigen Männern, die durch den mich erwartenden be- kannten grünen Wagen angelockt worden waren.Rrrin!" schrie der am Wageneingang mit einem Hunde postierte Beamte. Mir gegenüber nahm der Transporteur Platz, ein wohlbeleibter, mittel- großer Mann mit einem aufgedunsenen Gesicht und rotglühender Nase. An seiner einen Seite hing ein eingelederter Revolver, zu seiner andern Seite saß ein zottiger Köter, der fortwährend seine maulkorblofe Schnauze aufriß. Offenbar machte ein« verirrte, brummende Fliege den Hund nervös: wütend suchte er sie zu erschnappen, wobei seine Schnauze mit meinen Beinkleidern De- kanntschast machte. Mein menschlicher Begleiter saß unbeweglich auf seinem Platz, während der ganzen Fahrt sprach er kein Wort. Plötzlich hielt der Wagen, die Tür sprang auf.Rrraus!" Ich trat in einen von drei Polizisten und einem Hund um den Wagen- ousgang gebildeten Kreis. Ueber uns ein sternenklarer Himmel. Mensch, nehm Se'n Hut ab! Wat denken Se, wo Se sind? In't Pollezeijesängnis sind Se, vastand'n? Hier hab'n S« meinen An. ordnungen sofort Folge zu leisten, vastand'n? Umjehend, vastand'n? Sonst machen Se sich'n Widerstand jejen de Staatsgewalt schuldig. vastand'n!?" Der Gefängniswärter hieß mich voranschreiten und rasselte mit seinem großen Schlüsselbund hinter mir her. E» ging durch einen langen Gang in ein Zimmer. Hier brüllte er mich an:Ne Rede wollten Se schwingen? Det Se sich nich untersteh'», hier'mal'ne Rede zu schwingen, vastand'n!? Während er in den Akten blätterte: Vissedeut find Se ooch noch?" Allerdings!" antwortet« ich und kam so zum ersten Male zu Wort gegen das wüst« Geschimpfe.Na. den lieben Iott werd'n S« sich ooch noch suchen!" meinte der Bieder« und kramte aus einer schmalen Zelle, in die er meinen Hut auf dem Lustweg« beförderte. eine Pserdedecke, die er mir reicht«. Dann stiegen wir beide, scheinbar die einzigen lebenden Wesen in dem finsteren Haus, ein« steile und schmale Steintreppe hinaus. xr immer hinter mir mit de» riesige» Schlüsselbund rasselnd. Schließ-

lich wies er mich in eine Zelle. Ich fragte, ob ich heute vernommen würde.Nee! Heute is keen Dienst mehr. Morsen besinnt er um achte, dann wer'n S« jleich rankomm'." Ich bat, daß an meine Eltern, die mich am zweiten Feiertag zurückerwarteten, telegraphiert werden möchte.Deswej'n kann ich doch nich det janze Haus auf- rührerisch machen!" war die Antwort.(Erst durch die Zeitungen nach Pfingsten erhielten meine Angehörigen von meiner Verhaftung Kenntnis.) Zum Abschied stellte er mir einen Blechbecher Wasser in die Zelle und bedeutete mir, daß meine Beköstigung aus Wasser und Brot bestände. Er sei aber bereit, gegen Bezahlung mir alle lukullischen Genüsse zu verschaffen:Davor bin ick da." Sprachs und warf die Tür krachend ins Schloß. Noch ein Schlüsselklirren, dann war's totenstill. Fast die ganze Breitemeiner" Zelle war von der Pritsche, meinemBett", ausgefüllt. In der Länge zählle das Loch sechs Schritte. Das Inventar bestand neben der Pritsche aus einem an der Wand befestigten Schemel und einem kleinen Holzgestell, das an der Wand klebte und zur Aufbewahrung des Brotes diente. Eine kleine, dicht unter der Zimmerdecke angebrachte Luke ließ ein Zipfelchen des Sternenhimmels in die Zelle leuchten. Ich warf mich auf die Pritsche und versuchte zu schalfen. Das faule Stroh im Schlafsack stank entsetzlich. An Schlafen war nicht zu denken. Jede Stunde zählte ich die Schläge der Gefängnisuhr. In früher Morgenstunde öffnete sich die Tür, und ich konnte unter einem Wasserhahn mein« Morgentoilette verrichten. Danach wurde mir in einer Neinen verbeulten Tasse aus Schwarzblech mein Morgentrunk mit einem Stück trockenes Brot kredenzt. Dafür mußte ich aber 15 Pf. bezahlen. Gegen 10 Uhr vormittags wurde ich zur Vernehmung geführt. Hier wurde mir eröffnet, daß ich eine öffent- lich« Menschenmenge zum Ungehorsam gegen die Gesetze aufgereizt hätte, ein Verbrechen, das mit Gefängnis bis zu zwei Iahren ge- ahndet werde. Ich verlangte meine Freilassung. Aber man brachte mich zur Zelle zurück. Noch einiger Zeit ging's mit dem grünen Wagen zum Untersuchungsgefängnis. Wieder wurde mein« Bitte, meine Eltern benachrichtigen zu dürfen, abgeschlagen. Dazu sei am Nachmittage noch Zeit. Auch mein Ersuchen, dem Untersuchungsrichter vorgeführt zu iverden, wurde abgewiesen. So sollte ich auch noch den dritten Pfingstfeiertag in der Zelle ver- bringen. Es war gerade Mittagszeit, als ich sie wieder bezog. Bor der Tür stand ein großer Blechnapf, gefüllt mit dicken Erbsen und großen Kartosfelstücken. Verächtlich schob ich den Napf den Fuß- boden entlang in die Zell «. Das trug mir«ine Verwarnung des Aufsehers ein. Nach einiger Zeit erschien er wieder und reichte mir zur Unterschrist die Vollmacht für einen Rechtsanwalt, der sich um meine Freilassung bemühte. Dann wurde mir die Hausordnung ein- geprägt. Nach dem Ankleiden mußt« ich dasBett" ordnen, Hände,

Gesicht und Hals waschen, dann den mit Linoleum ausgelegten Fuß­boden bürsten und Staub wischen. Meine neue Behausung war sauber und hell, drei Schritt« brest und sechs Schritte lang. Auch das Inventar war etwas reichhaltiger als das der Zelle des Polizei- gefängniffes. Der kleine Wandschrank enthielt mancherlei kurzweilig« Dinge, wie Kleiderbürste, Wichsbürste, Staubtuch, Kamm, Messer mit hölzerner(!) Klinge, Salz, Seife, Trinkbecher und Waschschüssel. Ein kleiner Tisch und ein Schemel bildeten das Mobiliar des Zimmers. Das wichtigste Inventarstück war der im Verzeichnis als ..Leibstuhl" aufgeführte, bei den Eingeweihten alsBombe" bekannt« Kübel zur Aufnahm« allen Unrats. Eingehend wurde ich in die BeHand- lung derBombe", die möglichst fest verschlossen werden sollte, unter- richtet. Ich bezwang mich indessen, sie zu ihrem eigentlichen Zweck zu benutzen. Dafür dient« sie mir zur Aufnahme der klebrigen. grauen Wassersuppe, des mehligen Kaffees und der übrigen, mir gereichtenNahrungsmittel". Irgendein Unterhaltungsmittel, selbst die Bibel, fehlte, so daß ich ganz meinen Gedanken Überlassen war. Eine Abwechselung brachte erst die um 8 Uhr morgens des andern Tages beginnende Freistunde. Di« Gefangenen marschierten, die Arme auf dem Rücken verschränkt, in drei Schrill Abstand von- einander, auf dem kahlen, von hohen Mauern eingezäunten Ge- sängnishof im Kreise herum: derBärentanz" wurde die Per- anstaltung genannt. Natürlich durste nieniand sprechen. Drei offenbar besonders hart gesottene Sünder mußten in einem mittleren kleinen Kreis wie Karussellpferde herumtraben. Am Hoseingang standen zwei Aufseher mit dem Revolver in der Hand. Als ich wieder in meiner Zelle faß, bekam ich den Besuch des Pfarrers. Als er auf der Wandtafel las, daß ich Dissident fei, wollte er sich wieder entfernen. Erst mußte er aber meinen in zwei Nächten und einem Tag aufgespeicherten Groll über sich ergehen lassen. Der Mann Gottes schnappt« nach Luft und stottert« schließ- lich verlegen im(Sehen, er wolle mein« Klagen dem Direktor vortragen. Nach einigen Stunden stand ich vor dem Untersuchungsrichter. Das war der widerlichste Mensch von allen diesen Schergen. Ei» Meister im Wortverdrehen. Jeden Satz, den ich sprach, httht»«r umzudeuten, um mich möglichst zu belasten. Dazu war er schroff und abstoßend. Nach dem Verhör, dos nur ein Disput war. beon- tragte ich meine Entlassung, die er nach langem Hin und Her an- ordnete, mit der Warnung, daß ich sofort oerhaftet würde, wenn ich mll irgendeiner Person in Halle in Verbindung träte. Der Gefängnisaufseher schloß das große«ssern« Tor auf, und ich schlüpft« hinaus. Einige Stunden später brachte die Abendaus- gäbe desVolksblatts"«inen ausführlichen Bericht über m«ine Er­lebnisse in den beiden Gefängnissen. In dem folgenden Prozeß wunde ich nach einer meisterhasten Verteidigung des Genossen Wolfgang Heine von der Anklage der Aufforderung zum Widerstand gegen die Staatsgewall' und zur Uederj�etung der Gesetze freigesprochen. Der Polizetinspektor aber. der meine Verhaftung veranlaßt hatte, wurde wegen seiner hervor­ragenden Geistes gaben versetzt.

Jteinrich Jfemmer: Meute denke ich daran/ Pfingfigrotesken

Zeichensprache auf Java und ihre Kolgen. Was soll man zu Pfingsten auf Java beginnen? Weine Frau und Tochter waren nach derSozietät" gegangen, da gab's Musik und Tanz. Ich ging nicht mit. EinazFranzöfin hatte nachmtllags im Grand-Hotel eine Modeschau veranstallet und überständige Roben aus brüchiger Seide mll einer in Java ganz besonders un- angebrachten Pelzverbrämung an den Mann respektive dieFrauen" gebracht, die sich jetzt damit im Klub herumschwangen(bei der Hitze): nein ich ging nicht mit. Ich lag in einem Deckstuhl aus der Veranda und schlürfte geeisten Whisky-Soda. Kommt leise, barfuß «in Malaie auf mich zu und hält eine längere Rede. Ich zucke die Achseln: malaiisch verstehe ich nicht. Der Mann macht eine Spiralenbewegung mll der Hand über dem Kops und hält dann die hohlen Hände vor die Brust, weibliche Formen andeutend offenbar will er mir eine Frau besorgen. Ich bin verheiratet, lieber Freund, Frau und Tächterlein sind drüben in der Sozietät. Ich weise auf die Klublichter in der Ferne und konturiere die Umrisse der beiden Abwesenden. Der Malaie verschwindet. Ich schlafe ein. Nach einer Weile weckt er mich sonst. Was ist's? Seine Hand weist stolz auf zwei Gestalten hinter ihm: er hat mir eine Frau mll Tochter besorgt. Als ich daher dennoch in der Sozietät anlangte, sagte meine Frau: Siehst du. ich wußte es ja. du würdest dich zu Haus« langweilen." Es war nichts Besonderes, aber heute denke ich daran. Melonenfresser in Grado . Das einmal österreichische und jetzt italienische Seebad Grado mll dem seichten, sür Kinder sehr geeigneten Wallenstrand erhall zu Pfingsten seinen ersten Schub von Kurgästen: eine wahrhast kunter- bunte, olle osteuropäischen Sprachen sprechende Menschenladung, in der jedoch das tschechische Idiom vorherrscht. Was tun nun die tschechischen Badegäste, um sich mit den italienischen Ladeninhabern oder Beamten zu verständigen? Sie sprechen, so gut sie können (und sie können ganz gut, wenn sie wollen), das von beiden ver- pönte: Deutsch , das Volapük von Osteuropa . Auch unter meinem Fenster hörte ich an einem der Osteriattsch« ein in zwei undeutschen Akzenten geführtes deutsches Gespräch.Heute nacht wird die Sache ausgetragen", sagte ein italienischer zu einem tschechischen Musiker, der mlleinverstanden" antwortet«, und beide erhoben sich selbst- bewußt und gingen auseinander. Die beiden werden sich wohl wegen eines Sardinenmädchen» in den Haaren liegen, dachte ich. Die Osteria lag in dem sehr verwahrlosten Hasenviertel, wo die Obst- verkäuser tagsüber auf Kähnen chre Ware anbieten, zerlumpte Kinder den Fremden das Gepäck förmlich aus der Hand reißen mir wollten sie sogar den Strohhut tragen und die in allen mög- lichen Carmenallitüden vorüberziehenden Mädchen aus der Sardinen- fabrik einem den Kopf verdrehen, ob sie Schuhe an den Füßen haben oder nicht. In einem der engsten Gäßchen war ein Emheimischenball in Schwung, als ich von meinem Wendspaziergang zurückkehrt«, und ich blieb lange unter einer der offenen Türen stehen, die. wie die Fenster, von neugierigen und tanzlüsternen Sardwenmädchen be- lagert waren, von denen, wenn immer der Wirt den Rücken drehte. ein Paar wie ein losgeschleuderter Kreisel in die Diele hineinschoß und zwei-, dreimal herumwirbelte, bi» sie wieder herausbugsiert wurden. Es war Mitternacht geworden, und um die Tische vor der Osteria stand im Halbkreis da» Fischervolk versammelt.. Was gab's denn da für ein« Psingstjensation? Die beide» Musiker säße»

einander gegenüber, und jeder halle eine Wassermelone vor sich, so groß wie der Globus einer größeren Realschule. Jetzt schnllten sie die grünen Kugeln mllten durch und machten Scheiben, die sie von rechts nach links den Mund entlang zogen, um dann die leere Schale im großen Bogen ins Hafenwasser zu werfen. Es war ein Melonen- wellessen. 200 Lire lagen aus dem Tisch, und der Gewinner konnte sie einstreichen. So komisch sich die Szene ausnahm, ich wandte ihr bald den Rücken und ging, eingedenk der Wiener Knödel- wettessen, der bayrischen Maßkrugchampiontrinkereien und anderer unästhetischer und gesundheitsschädlicher Veranstaltungen angewidert auf mein Zimmer. Als ich beim Morgengrauen die Jalousien auf- stieß, mußte ich doch lachen. Die beiden Musiker saßen einander gegenüber, jeder den Kopf eines schlafenden Mädchens an seiner Brust: auf drei restliche, scheinbar unvertllgbar« Melonenscheiben starrend, die der eine sowohl wie der andere auf dem Teller liegen halle.Remis" sagt« der Italiener und der Tscheche streckte seine Hand noch ein letztes vergebliches Mal nach einer Scheibe vor und ließ sie hllflos sinken: Remis antwortete er. Beim Morgenkonzert auf der Kurpromenade fiel es auf. daß sowohl die Flöte wie das Saxophon trotz des herrlichen Pfingstwellers klägliche, stöhnende Laute von sich gaben niemand außer mir tonnte sich erklären, warum Die Musiker sah ich nie wieder Melonen essen, selbst wenn sie im Menü mit einbegriffen waren. Es war nichts Besonderes, aber heute denk« ich daran. Warum ihm Australien nicht gefällt. Ich war qut diesem Oesterreicher, der«ine Reise um die Well machte, in meine australische(zwelle) Heimat zurückgekehrt und ver- suchte diesesLand der Sellsamkellen" seinem Verständnis näher zu bringen. Wir lagen wonniglich hingestreckt(ich, der Millionär und sein Söhnchen Korli, das nach einem nur an hohen Feiertagen, wie den Pfingstsonntag, ihm gestatteten Genuß von Zuckerwert, leidlich zufrieden schien) auf dem lichterfüllten, wellgeschwungenen, von starren, schattenlosen Norfolkpinien eingefaßten unvergleichlichen Badestrande von Manly, der trotz der kühleren Herbsllcmperatur noch immer von Menschen wimmelte, badenden und nichtbadenden Grün - schäumende Champagnerwogen brausten heran, auf welche üppig- straffe Badenixen sich bäuchlings überwarfen und an Land treiben ließen wie ein Stück Holz. Wer die Wellenreiterinnen waren offenbar nicht nach dem Geschmack des Millionärs, er schüttelle ver­drießlich den Kopf. Sie werden sich wohl fühlen in diesem im Inneren so häßlichen und doch so fröhlichen, sorglosen Lande der ällesten und gesündesten Menschen der Well. Wissen Sie, daß nirgends so viele Leute 100 Jahre alt werden? Wissen Sie, daß diese einsamen, schattenlosen Urwälder, dies« aus zerbrochenen Schnee- bergen gebildeten unendlichen Hammelebenen, diese sich verlaufenden Flüsse ohne feste» Bett, wissen Sie, daß dieser menschen- und tierarme unterm schillernden Kupferhimmel oder einer unver- gleichlichen Sternenpracht hingestreckte andersplanetarische Kontinent einen Menschen wie nicht» anderes auf der Well faszinieren kann? Wissen Ei«, daß dieses weltverlorene Menschenhäuflein hier einen neuen Menschen schaffen will, geschassen hat. freier, menschlicher...? Was ist Ihnen, was ist Ihnen nicht recht im Lande Australien ? Ach", seufzte der Millionär aus tiefstem Herzensgrunde und blickte aus seinen Sprößling:Karli hat schon wieder Diarrhöe." Da» war vielleicht doch beinah« etwas Besondere», heut« denke ich erst daran.