Morgenausgabe
Nr. 247
A 125
48.Jahrgang
Böchentlich 85 Bt., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bf. Postzeitungs- und 72 Bf. Poftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drudfachen porto 5,- M
*
Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die bendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend". Jllustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenftimme", Technit", Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Sonnabend
30. Mai 1931
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 M.
Die einspalt. Nonpareillezeile 80 1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( aufäffig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Mort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Bf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts: Verlag G. m. b. H.
Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .
Der Plan der Notverordnung.
Die Vorlage des Reichskabinetts.
aber nicht unter 4 Proz. liegen wird, während der höchst jag bei etwa 8 Pro3. erreicht wird.
Am Freitag haben im Reichsfabinett die Beratungen über Die neue Rotverordnung begonnen. Sie dürften am Mon tag fortgesetzt und frühestens am Mittwoch vor der Abreise des Die 3udersteuer, die gegenwärtig 5,25 M. für den Zentner Reichstanzlers und Außenministers, nach Chequers endgültig fertig beträgt, wird auf 10,50 m. erhöht. Der Ertrag dieser Steuer. gestellt werden. Da dann noch die Zustimmung des von Berlin ab erhöhung wird für den Rest des Etatjahres auf 110 Millionen verwesenden Reichspräsidenten eingeholt werden muß, ist mit der Beranschlagt. Ob gleichzeitig eine Senkung des Höchstpreises eintritt, öffentlichung der Notverordnung nicht vor Ende der um die starte Steigerung der Zuckerpreise durch die Steuererhöhung nächsten Woche zu rechnen. Ueber den Inhalt der Notverord- zu vermeiden, wird noch erwogen. In Aussicht genommen ist ferner nung lassen sich deshalb in diesem Augenblid endgültige Tat eine Erhöhung des 3olles auf Mineralöle. Grörtert sachen nicht mitteilen. Alle bisher bekanntgewordenen Einzelheiten wird noch eine entsprechende Ausgleichsabgabe für das im Inland müssen mit dem Borbehalt der noch ausstehenden Zustimmung des erzeugte Benzin und Benzol. Bei der Tabaksteuer find Er Gesamtkabinetts versehen werden. höhungen nicht geplant. Man denkt lediglich an Maßnahmen, durch die der Konsum an Zigaretten, der unter dem Einfluß der letzten Steuererhöhung start zurückgegangen ist, wieder gehoben wird.
Die neue Notverordnung wird aus zahllosen Einzel bestimmungen bestehen, die in mehrere Abschnitte zusammen gefaßt merden dürften. An erster Stelle stehen die Ersparniffe.
Ihre Höhe steht nicht fest, auch ihre Berteilung auf die einzelnen Etatpofitionen nicht. Bersichert wird, daß etma 50 Millionen am Wehr- Etat gespart werden sollen, daß die den einzelnen Ministerien zur Verfügung stehenden Fonds zusammengestrichen werden, aber auch Kürzungen einiger fozialer Poften am Ctat des Arbeitsministeriums werden beabsichtigt.
Ein zweiter Teil wird sich mit der Schaffung von Mehr einnahmen für den Reichsetat und die Arbeitslosenversicherung beschäftigen. In erster Linie ist dabei zu erwähnen
die fogenannte„ krisensteuer“, die von allen steuerpflichtigen Einkommen erhoben werden foll
und deren Ertrag teils zur Deckung des Fehlbetrages der Arbeitslosenversicherung, teils für Zwede der Arbeitsbeschaffung und Unter. bringung von Erwerbslosen verwendet werden soll. Die Säge dieser Krisensteuer sollen sich nach der Höhe des Einkommens richten und
Der Fehlbetrag bei der Arbeitslosenversiche rung wird wahrscheinlich nach den angeblich von der Brauns Kommiffion einstimmig gefaßten Beschlüssen gedeckt werden.
Someit der Arbeitslosenversicherung nicht durch die Krisensteuer neue Mittel zufließen, ist ein Leistungsabbau durch Verlängerung der Wartezeit und Kürzung der Unterstützungsdauer zu erwarten. Eine Beitragserhöhung ist nicht mehr in Aussicht genommen. An ihre Stelle tritt die Krisensteuer. Der Rest der Mittel der Krisensteuer soll der Ankurbelung der Wirtschaft dienen. Hier wird an ein Arbeilebefchaffungsprogramm gedacht, durch das zunächst rund 125 000 Arbeiter in Beschäftigung gebracht werden sollen.
Die Zusammenfassung der Krisenfürsorge und der Wohlfahrts ermerbslosenfürsorge der Gemeinden ist anscheinend fallen gelassen worden. Den Gemeinden soll dadurch geholfen werden, daß ihnen der Gesamtbetrag der Kürzung der Gehälter der Beamten in den Ländern und Gemeinden zufließt.
durch die Beseitigung der Lohnsteuererstattungen
Bostscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
An zwei Wähler.
Antwort auf eine Briefkastenanfrage.
190 Werte Genossen!
Wir reden Sie mit diesem Namen an, obwohl Sie Ihren Brief an uns nur als Wähler unterzeichnet haben und aus ihm nicht hervorgeht, ob Sie auch Mitglied unserer Partei find. Das Wort Genosse ist für uns Sozialdemokraten ein Ehrentitel. Wir haben uns schon als Genossen gegrüßt und behandelt, als man für uns und unseren Namen nur Spott und Hohn übrig hatte. Bir nennen uns auch heute noch Genoffen, obwohl das Wort im Zeichen des Hakenkreuzes zu einer Karikatur seines ursprünglichen Sinnes gemacht worden. ist. Genoffe zu sein ist aber für uns mehr als die Anwendung einer Redeform, die den Verkehr von Menschen untereinander erleichtern sollen; dieses Wort soll uns ein Symbol dafür sein, daß wir uns der großen sozialdemokratischen Bewegung nicht deshalb angeschlossen haben, um an ihrem Aufstieg teilzunehmen, sondern daß wir uns ihr um so inniger ver= bunden fühlen, je schwerer unser Kampf ist, je mehr uns wirtschaftliche Not und politische Reaktion zu schaffen machen.
Sie mögen also aus unserer Anrede entnehmen, daß wir Ihr Schreiben durchaus ernst nehmen, obgleich es anonym geblieben ist. Aber wir wissen, daß aus Ihren Zeilen das wirtschaftliche Elend und der politische Jammer unserer Zeit spricht. Wir wissen, daß Sie, die Sie als zwei SPD. - Wähler unterschreiben, viele Millionen von Schicksalsgenossen haben, und daß nicht wenige unter ihnen sind, die keinen Ausweg aus der Krise unserer Gegenwart sehen. Daher antworten mir ausführlicher auf Ihren Brief, wenn Sie es auch vorgezogen haben, mit Ihren Namen im Dunkeln zu bleiben. Wir geben diese Antwort nicht im Brieffasten, wie Sie es wünschen, sondern öffentlich. Sie soll für alle bestimmt sein, deren Weg in die Irre zu gehen drcht. Sie soll Ihnen und den anderen die Augen darüber öffnen,
wo die Ursachen für unsere heutigen Zustände zu finden sind
beitenden Klassen zu einem glücklicheren und froheren Dasein
zwischen 1 Broz. und 5 Proz. gestaffelt sein. Sie werden neben der Außerdem sollen die Länder 60 Millionen vom Reich erhalten, die und welche Mittel mir haben, um einen Aufstieg der arbisherigen normalen Einkommensteuer einschließlich des Zuschlages für die hohen Einkommen über 8400 m. erhoben. Im Rechnungsjahr 1931 soll der Ertrag dieser Steuer rund 400 milersport werden. lionen betragen.
Ausgenommen von dieser Krisensteuer werden die Beamten. Bei ihnen wird diese Krisensteuer ersetzt durch eine kürzung der Gehälter,
Um die neue Rotverordnung der Bevölkerung schmackhaft zu
machen, plant die Regierung mit ihrer Beröffentlichung in der Form einer Mantelnote einen eigenen Kommentar dazu zu liefern, in dem eine Rechtfertigung der in ihr enthaltenen drakonischen Maßnahmen versucht und die Umrisse der sonstigen politischen Absichten der
die nach der Einkommenshöhe gestaffelt ist, deren Mindest sagl Regierung dargelegt werden.
Kampf um den Brotpreis.
Brüning und Stegerwald gegen Schiele.
Brotpreises Einfluß zu nehmen, sind von der preußischen Staatsregierung im Zusammenwirken mit dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit den lokalen Stellen Verhandlungen über eine Ausdehnung der Aktion auf induſtrielle Gebiete mit einer
zu ermöglichen.
Sie beginnen Ihren Brief mit folgendem Sat:„ Wir erinnern uns gerne der Zeit nach dem Kriege, wo Sie sich sehr für den arbeitenden Stand, die kleinen Beamten und auch für die armen Kriegsbeschädigten eingesetzt haben, wo diese Anerkennung gern entgegen, denn häufig genug wird es uns Kleinen allen besser ging als heute." Wir nehmen jetzt von den Gegnern der Sozialdemokratie behauptet, sie habe niemals etwas für die arbeitende Bevölkerung getan. Bir dürfen dabei aber noch folgende Einzelheiten in Ihre Erinnerung zurückrufen: Die ersten Handlungen der sozialdemokratischen Volksbeauftragten nach dem militärischen und politischen Zusammenbruch der kaiserlichen Herrschaft bestanden darin, daß sie die Arbeitszeit auf acht Stunden herabsetzten, das Vereinigungs- und Streifrecht für alle Arbeiter und Angestellten sicherten, den Beamten die politische Freiheit gaben, die während des Krieges aufgehobenen Arbeiterschutzbestimmungen wieder in Kraft setzten, die Unterstützung der Erwerbslosen durchführten, die Krankenversicherung ausdehnten, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung einer geregelten Volfsernährung und zur Bekämpfung der Woh
Zu den ersten Gegenständen, die in der gestern eröffneten Reihe| Berlin herabzusetzen und auch in Leipzig auf die Gestaltung des von Kabinettsberatungen zu erledigen waren, gehört die Entscheidung über die korrettur der legten Brotpreis erhöhungen. Dr. Brüning hat sich, wie man weiß, dafür start gemacht, daß diese Erhöhungen wieder rückgängig gemacht würden, nötigenfalls auch durch Zollsenkung, und er hat im Hinblic ftarten Arbeitslosenzahl eingeleitet worden. In Köln werden in mungsnot einleiteten. Dazu gehörte selbstverständlich auch
auf die Forderungen der großen Deffentlichkeit, die ihm in den letzten Tagen vor allem vom Zentrum und von der Sozialdemokratie flargemacht wurden, alles Interesse daran, schnell zu einer Entscheidung über den Brotpreis zu gelangen, bevor sich daraus politische Kom plikationen ergeben.
In der gestrigen Kabinettssitzung hat sich Dr. Brüning energisch für die sofortige Korrektur der Brotpreiserhöhungen eingesetzt, ist aber, wie zu erwarten war, mit dem Verlangen nach Zoll. ermäßigung beim Reichsernährungsminister Schiele auf entschiedenen Widerstand gestoßen Minister Schiele schlug seinerseits die Aufhebung des Nacht badverbots vor, von der er anscheinend eine Möglichkeit der Brotpreissenkung erhofft, fand aber mit diesem Vorschlag schärfsten Widerspruch beim Reichsarbeitsminister Stegerwald. Die Auseinandersegungen im Kabinett scheinen zeitweise ziemlich lebhaft perlaufen zu sein. Da jedoch der Reichstanzler auf seinem Borsaz beharrt, die Brotpreiserhöhung rückgängig zu machen, und da die Mehrheit des Kabinetts offenbar auf seiner Seite steht, wird mit einer Entscheidung des Kabinetts im Sinne der Zusage des Kanzlers bestimmt gerechnet. Ob Minister Schiele daraus Konsequenzen ziehen wird, steht dahin.
Der Amtliche Preußische Breffedienst meldet: Nachdem es auf bem Bege verbilligter Abgabe von Roggen aus dem Bestande der Deutschen Getreidehandelsgesellschaft gelungen ist, den Brotpreis in
allernächster Zeit von den Brotfabriken und von den Konsumgenossenschaften die Preise für Graubrot von 50 auf 47 Pfennig, für Schrot brot von 36 auf 34 Pfennig herabgesetzt werden. Eine gleiche Herabfetzung durch die Kölner Bäcker ist zu erwarten. In weiteren industriellen Städten Rheinland- Westfalens, der Provinz Sachsen und in Frankfurt a. M. erfolgen entsprechende Einwirfugen auf die Gestaltung der Brotpreise. Ueber das Ergebnis der Bemühungen wird in allernächster Zeit die Deffentlichkeit unterrichtet werden.
*
Nachdem, wie schon gemeldet, von den Kölner Brot Zeit die Preise für Graubrot von 50 auf 47 Pfennig und für Schrot fabriten und Konsumgenossenschaften in allernächster brot von 36 auf 34 Pfennig herabgefeßt werden, haben sich nunmehr, wie der Amtliche Preußische Pressedienst meldet, auch die Kölner Bäder dieser von der preußischen Staatsregierung eingeleiteten Attion in vollem Umfange angeschlossen.
Flucht aus der Hakenkreuz- Kirche. Weber 50 Kirchenaustritte in Heiligenhafen . Heiligenhafen , 29. Mai. ( Eigenbericht.) Die Erbitterung über den Nazi- Pastor Nissen, der dieser Tage Gewalttaten der Nazis durch sein öffentliches Verhalten billigte, hat bisher zu über 50 Kirchenaustritten geführt. Zeitweise standen die Gegner des Pastors vor dem Amtsgericht Schlange.
ie, fofortige Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen
und direkten Wahlrechts.
Wir erinnern Sie auch gleichzeitig daran, daß die Sozialdemokratie noch niemals die Mehrheit im Reichstag oder in einer Regierung des Reichs besessen hat. Sie hatte stets damit zu rechnen, daß sie mit ihren Forderungen auf den Widerstand der bürgerlichen Parteien stieß. Es muß anerkannt werden, daß in den ersten Jahren nach dem Kriege bei den bürgerlichen Parteien der Mitte die Geneigtheit bestand, den Grade entgegenzukommen. Mag es auch die Angst vor dem fozialdemokratischen Forderungen bis zu einem gewissen steigenden Einfluß der Arbeiterklasse auf die Gesetzgebung und die Verwaltung des Reiches gewesen sein, die dieses Entgegenkommen veranlaßten, so bestand doch für die Sozialdemokratie immerhin die Möglichkeit, in Koalitionsregierungen wesentliche Fortschritte für die werftätige Bevölkerung zu erringen. Trotzdem die Republik das furchtbare Kriegserbe übernehmen mußte, das das Kaiserreich dem deutschen Volke hinterlassen hatte, wurde doch vieles geschaffen, was dem arbeitenden Bolfe zugute fam. Um aur einiges zu nennen: das Steuerwesen wurde vereinheitlicht, die Besigbelastung erhöht, die Massenbelastung ermäßigt; die soziale Fürsorge murde auf eine neue Grundlage gestellt die Arbeitslosenunterstügung ihres Almosencharakters entkleidei;