**** Beilage
Sonnabend, 30. Mai 1931
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Shalausgabe des Vorwärt
Vor
Von
20000
Jahren
Max Eck- Troll
Mitten im Zentrum der ehemals freien Reichsstadt am Main ,
der Stadt Goethes und Schopenhauers, liegt das alte, architet 40 junts tonisch feingegliederte Bundespalais. Im großen quadratischen Vorhof hielten einst die Kuriere und Eilposten, die alten Postkutsch wagen der deutschen Reichs- Postfürsten Thurn und Tagis nach langer Reise über holprige Landstraßen, um Postsachen abzuliefern oder zu neuer Fahrt aufzunehmen. Hier stiegen auch die Weltreisenden" von arinodazumal ein und aus.
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Heute ist im Parterre und ersten Stod ein reichhaltiges Völkermuseum untergebracht. Unter dem mit rheinischem Edhiefer bedeckten Dachstock hat der bekannte Forscher, Geheimrat Frobenius , fein Afrita Archiv" ausgestellt. Hier hat eines der bedeutendsten und interessantesten Forschungs- Institute der Welt ein Heim gefunden. Wir können an diesem Ort, wenn wir genügend Zeit zur Verfügung haben, in dem Buch der Geschichte, des Lebens der ersten Menschen lesen. Wohl über dreißigtausend Nachbildungen der ersten Zeichnungen der Menschen sind systematisch geordnet. Mit unermeßlicher Mühe und Sorgfalt ist u. a. die Ausbeute der Expeditionen des Forschers und Gelehrten Frobenius zu sammengetragen.
Der wichtigste und für uns lehrreichste Teil dieses AfrikaArchivs sind die Kopien südafrikanischer Fels bilder, die zum Teil auf ein Alter von 20 000 und 30 000 Jahren zurückblicken. Hier find die Uranfänge menschlicher Kunst gesammelt. Dieses Archiv stellt das größte Bilderbuch der Geschichte der Menschheit dar.
Der heute 60jährige Forscher empfängt mich in seinem Arbeitszimmer. Ein jugendlicher Herr mit lebhaftem Temperament, der sich nicht nur auf seinem engeren Arbeitsgebiet gründlich ausfennt, sondern engste Fühlung mit Leben und Menschen von heute hält, plaudert mit mir nicht nur über sein Fachgebiet. Gedanken jeglicher Art finden selten gehörte Formulierungen. Mit freudig bewegten Worten schildert der Gelehrte seine Eindrücke über Vorträge vor dem arbeitenden Bolt. Wie freut ihn in der Erinnerung das atemlose Mitgehen dieser Zuhörer aus dem Proletariat! Ein Mitgehen, wie er, nach seinen eigenen Worten, ,, es bei feiner anderen Schicht des Volkes miterleben durfte". Wie freut ihn, um nur ein Beispiel zu nennen, sein Erfolg bei der Arbeiter und Angestelltenschaft der Junterwerfe in Deffau. Wie padend schildert mein Gegenüber das stille, intensive Miterleben
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und Babylonien des 4. Jahrtausend vor Christi in Zusammenhang| Schwester zu heiraten. Das Fortwerfen des Bogens ist Zeichen des gestanden haben, denn die Darstellung pflanzlicher Motive in Ber - Abschiednehmens vom Leben. bindung mit dem Figürlichen kam zum erstenmal um diese Zeit auf. Alle anderen Felsbilder, der südliche in Südafrika wie die Fels3. Felsgravierung auf Süd- Rhodesien. gravierungen in Nordafrika ( Sahara , Atlas, nubische Wüste), Ein besonders schönes Beispiel eines Baumtyps in dem archeowie die Felsbilderstile in Spanien und Frankreich , ent- logischen Stil. Bäume treten in der bildenden Kunst etwa im halten die geschilderten Motive nicht. Die französisch - spanischen 4. Jahrtausend v. Chr. auf. Darstellungen von Pflanzen gibt es aus dieser Zeit von Aegypten und BabyIonien.
dieser Zuhörer mit Nur"-Bolts mo schulbildung, die in seine Vorträge einen Bildungshunger mit echter Begeisterung für sein Forschen in die Uranfänge der Menschheit mitbringen.
Nun hat Frobenius in der ge= räumigen Festhalle zu Frankfurt am Main eine in dieser Fülle und Reichhaltigkeit noch nie gesehene Ausstellung der ersten fünftlerischen Betätigung der ersten Menschen veranstaltet. Vor einiger Zeit mar nur ein kleiner Teil dieser Ausstellung der Geister Bergessenen" in Paris . Ueber 27 000 Besucher begeisterten sich in den wenigen Tagen an den Felsbildern der ersten Menschen in
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der Stadt an der Seine.
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Diese Ausstellung soll dem Lebenswerk des Gelehrten ein dauerndes Heim fichern. Mögen Staat und die Stadt Frankfurt am Main auch in diesen schlimmen Zeiten der Arbeitslosigkeit und Geldknappheit Mittel und Wege finden, um dieses Wert eines großen Forschers vor Verstaubung und Untergang zu bewahren. Die erste Frage, die jeder Beschauer der Felsbilder an den Führer richtet, bittet um Ausfunft über das Alter der Felsbilder. Die meisten Bilder haben ein Alter von 6000 bis etwa 20 000 Jahren. Die hier gezeigten Bilder find zum Teil Typen des soge=
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nannten nördlichen süd= afrikanischen Stils, c der fich auf Südrhodesien beschränkt. Nach den bildlichen Darstellungen auf den Felsbildern muß diese Kultur der frühen Zeit am Indischen Ozean angehören, d. h. mit dem vorbynaftischen Aegypten
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4. Felsgravierung( sogenannte Busch
mannszeichnung).
Motive des Königssohnes, der aus Gram, weil er seine Geliebte nicht zur Frau nehmen fann, sich vom Felsen stürzt. Schätzung des Alters der Felsenzeichnung etwa 6000 Jahre.
Die im Abend" veröffentlichten Studien über den Neger des Dozenten für Psychologie an der Universität Prätoria( Südafrika ) B. Sta. mran haben uns gelehrt, daß es nicht ohne meiteres möglich ist, die geistigen Qualitäten des Negers mit denen des Weißen zu vergleichen. Der Kulturkreis des Schwarzen, seine Umwelt find anders als die des Weißen. Begriffe und Anschauungsmethoden, die uns gegeben find, fehlen ihm. Wollte man dem Neger gerecht werden, müßte man sich erst in seine Umwelt und in seinen Anschauungsfreis einleben und von dort aus zu psychologischen Wertsegungen gelangen. Damit erst würde man die Forde= rung erfüllen, die wir an den Neger stellen. Aber würden wir diese Forderung besser erfüllen als der Neger? Sehr leicht möglich, daß der psychologisch beobachtende Neger hier zu ähnlichen Ergebnissen kommen würde wie der Weiße, der die Annäherung des Schwarzen an den Rassedünkel und
Felsbilder sind schon lange als Kunstwerke des jüngeren| abendländischen Kulturkreis beobachtet. Balaolithitum erkannt worden. Da fie den Kulturperioden des Nationalbüntel beruhen ja zum großen Teil auf dem Aurigraceen und Magdalenien zugeteilt wurden, fann man ihre tragischen Unvermögen der Völker, ihre außerhalb des ihnen selbst Entstehung auf etwa Zehntausend v. Chr. festlegen. Andere Gev- gegebenen Bolts- und Staatsverbandes lebende Mitmenschheit anders als am Maßstab ihrer engeren Lebensgemeinschaft zu messen. logen haben viel ältere Daten angenommen, jedoch ist die neuere Forschung der Ansicht, daß man taum über 20000 Jahre 3urüdgehen fann. Der südliche Stil in Südafrika hat am meisten Aehnlichkeit mit dem ostspanischen, der ebenfalls prähistorisch ist. Die Forschungen von Leo Frobenius über diese Malereien wurden durch den bekannten französischen Prähistoriker Breuil bestätigt, der ebenfalls den steinzeitlichen Charakter der füdafrikanischen Felsbilder feststellte.
Unsere Wiedergaben stellen dar:
1. elsbild aus Süd- Rhodesien. Darstellung eines mythologischen Inhalts. Die aufrechte, gerade Linie erinnert an einen Blig, unter dem ein Mensch begraben liegt. Der Blitz endet in einer Schlange, was durch die beiden Dhren tenntlich ist. Heute noch lebendige Mythen erzählen, daß, um Regen herbeizuführen, eine jungfräuliche Königstochter begraben wurde, aus deren Grab ein Baum wuchs, der nach drei Tagen den Himmel berührte, wodurch starker Regen fam. Nach diesem Ereignis wurde der Abendstern zum erstenmal gesehen. Die oben befindliche große weibliche Figur könnte dem Abendstern, die unten begrabene Figur dem Morgenstern entsprechen, da der Morgenstern als Symbol des unschuldigen Mädchens gilt.
2. Felsbild aus Süd- Rhodesien. Sowohl der strenge Stil wie die landschaftlichen Motive( See mit Fischen, Baum und Felsen) deuten auf einen jüngeren Stil, der mythologische Inhalte darstellt. Hier wird ein Mann dargestellt, der feinen Bogen fortgeworfen hat und im Begriff ist, ins Baffer zu gehen. Auf dem Fels sitzt eine Frau in flagender Stellung. Heute noch lebendige Mythen unter den füdafrikanischen Eingeborenen enthalten häufig das Motiv eines Königsfohnes, der ins J Baller geht, weil man ihm vermehrt, feine eigene
Die von Leo Frobenius gesammelten Dokumente zeigen uns, daß es bereits vor 20 000 Jahren unter den Negervölkern Afrikas eine beachtenswerte Kultur gab: Mythenbildung, Dichtung und bildende Kunst waren ihre Wesensformen. Die Tier- und Baumbilder verraten ein um so höheres fünstlerisches Können, als sie mit den denkbar primitivsten Mitteln ausgearbeitet wurden. Die mythischen Darstellungen laffen eine rege dichterische Phantasie erkennen. In die Wiedergabe der Menschen, die übrigens erstaunlich naturnah ist. schwingt ein starkes Gefühl für Raum und Linie mit. Eine starte tompofitorische Begabung ist nicht zu verkennen. Die Elemente einer echten und tiefen Kunst sind also gegeben. Besonders interessant ist es, den Ideengehalt dieser uralten Negerkunst mit dem Ideengehalt unseres Kulturkreises zu vergleichen. Der Konflikt zwischen Sittengesetz, Ethik und höchstem Wunsch treibt zur Katastrophe. Selbst hier zeigt sich durchaus llebereinstimmung zwischen der abendländischen Problematit und der Frühkultur des Negers.
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