föellage Dienstag, 2. Juni 1931
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Die Lteberwindung des Faschismus Zweiter Arbeitstag des Leipziger Parteitages
Leipzig, 2. Juni. (Eigenbericht.) . � Sitzung des Parteitags beginnt kurz nach 9 Uhr mit einem Referat über die Gefahr des Faschismus von Ludolf Breitscheid: Der Faschismus ist eine Staatsform oder die Bewegung zu einer Staatsform hin, die im Gegensatz zur Demokratie die oberste Gewalt im Staate und das Recht zur politischen Willensbildung nicht der Gesamtheit der gleichberechtigten Staatsbürger, sondern einem einzelnen oder einer bevorrechtet en Minderheit zu- erkennt. Dabei braucht auf die äußeren Formen der Demokratie nicht vollständig verzichtet zu werden, und wir sehen in der Praxis, wie um den Schein zu wahren, zu pseudoparlamenta- ment arischen Methoden gegriffen wird, die, wie z. B. das italienische Parlament, mindestens ein Mitbestimmungs- recht aller Staatsbürger vortäuschen sollen, und dadurch unterscheidet sich denn der Faschismus von der Diktatur im eigentlichen und engeren Sinne.(Lebhafter Beifall.) Wenn man so will, stellt er insofern einen Fortschritt gegenüber der Despotie und der Diktatur dar, als er der Demokratie immerhin eine gewisse Reverenz erweist und sich mit ihrem Mäntelchen zu umhüllen sucht. Von der staatsrechtlichen Wirkung aus gesehen, gibt es keinen Unterschied zwischen Moskau und Rom . Die Differenz liegt nur in den Klassen, die die Herrschenden stützen, und in der Zielsetzung. Während das Sowjetsystem die Demokratie im Namen der Arbeiter- klasse bekämpft, wendet sich der Faschismus gegen die Demokratie im Interesse der Erhaltung des Kapitalismus.(Beifall.) j Das wesenMche Ziel des Faschismus ist die Beseitigung der Demokratie und die Zurückweisung der Ansprüche einer klassen- bewußten Arbeiterschaft. Mussolini wird hingestellt als der Große, aus dessen Haupt der Gedanke der politischen und sittlichen Wiedergeburt seinks Landes entsprungen ist, der bewußt mit einem fertigen Programm klar und geradlinig seinem erhabenen Ziele zustrebte, und unter dessen Führung der Bolschewismus vernichtet und Italien wirtschaftlich wieder aufgerichtet und als Großmacht wieder hergestellt wurde. Alle Hohenzollernlegenden verblassen gegen- über dieser grandiosen Geschichtsfälschung. Mussolini hat einmal der Sozialistischen Partei angehört, aber er ist nie Sozialist gewesen. Er besaß weder sozialistisches Wissen noch sozialistisches Wollen. Die Partei war für ihn nur das Funda- ment, von dem aus er seine egoistischen Ziele verwirklichen wollte. In der Sozialistischen Partei stand Mussolini auf der äußersten Linken. Er war vor allem Revolutionär des Wortes. Er haßte jede Autorität, die des Staates wie die der Religion. Als der Weltkrieg einsetzte, verfocht er mit Lebhaftigkeit die italienische Neu- sralität, um dann wenige Monate später der glühende Befürworter des Eingreifens Italiens an der Seite der Entente zu werden. Ob dieser Wechsel auf Bestechungen zurückzuführen war, tut bei ihm ver- hältnismäßig wenig zur Sache, war es der Fall, so wird dadurch sein Charakterbild kaum geändert. Nach dem Kriege war Mussolini die Rückkehr zum Sozialismus versperrt. So gründete er den B e r» band der Kriegsteilnehmer, die Urzelle der Faschistischen Partei. Die Thesen seiner Organisation zeichnen sich durch Pro- grammlosigkeit und zynischen Opportunismus aus. Trotzdem rühmen ihm seine deutschen Bewunderer und Anbeter Entschlossenheit und Zielklarheit nach. In der Tätigkeit für seine Organisation erbrachte Mussolini den Beweis, daß er sehr weit von dem Ideal des Ordnungsstifters entfernt ist, als den man ihn hin- stellen will. Als das erste Experiment der Fabrikbefehung in Italien gemacht nmrde. stärkte Mussolini den Arbeitern den Rücken (Lebh.: Hört, hörtl), und in seinem Kampf gegen die Staatsgewalt schrieb er den Satz:„Wir sind unbedingte Gegner jeder Diktatur!" Erst als die Arbeiterschaft den Kampf verloren hatte, als das Groß- und Kleinbürgertum wieder anfingen ihr Haupt zu erheben, trat der Faschismus als Ordnungsstifter auf. Er wurde die S a m m e l- stelle der Bourgeoisie, der Kriegsgewinnler und der Grundbesitzer, überhaupt aller derer, die sich an der Arbeiterschaft rächen wollten. Militärs beginnen in dem Faschis- mus eine große Rolle zu spielen und helfen die Banditenzüge, die Raub- und Mordkampagnen gegen die Häuser der organisierten Arbeiterschaft und gegen das Leben der Proletarier selbst organi- sieren. Als Mussolini später mit 34 seiner Parteigenossen in das Parlament einzieht, ist er bereit zu einer Verständigung mit den Sozialisten. (Stürmisches: Hört, hört!) Zeitweise spricht er davon, daß er sich von der Führung einer Partei, in der die Kapitalisten das große Wort führen, zurückziehen wolle. Dann aber setzt er doch auf die Karte des gewandelten Faschismus, weil ihm keine andere Wahl mehr bleibt und weil er es nicht vertragen kann, von dÄnnunzio aus seiner Rolle als Führer verdrängt zu werden. Der Führer folgt der veränderten Gefolgschaft. Aber Vorsicht, wenn man will Feigheit bestimmen doch immer wieder sein Handeln. ver Marsch auf Rom , der den faschistischen Triumph begründet. wird ohne ihn durchgeführt. Er bleibt in der kritischen Zeit in Mailand , um der Schweizer Grenze nahe zu sein, und er erschein« in Rom erst, als der Erfolg gesichert ist. dank der Feigheit des liberalen Bürgertums, dank der erbärmlichen Schwäche der Regierung, dank der Zersplitterung und Unentschlossen- heit der Arbeiterschaft. Von jetzt an ist Mussolini endgültig der Mann des kapitalistischen Bürgertums und der Faschismus mit ihm. Er tröstet sich selbst über diesen Gesinnungswechsel hinweg mit der Versicherung, der Faschismus werde eine Synthese zwischen den unzerstörbaren Synthesen der liberalen Wirtschastslehre und den neuen Kräften der Arbeiterwelt herstellen. Der deutsche Faschismus ist später entstanden Nicht als ob bei uns unmittelbar nach dem Kriege nicht ähnliche Vorbedingun- gen vorhanden gewesen wären wie in Italien . Das wirtschaftliche Elend war ebenso groß. An Empörung der Krieger über die Daheimgebliebenen, die sich, während die Soldaten ihr Blut vergossen, bereichern konnten, fehlte es nicht.(Sehr wahr!) Ebenso- wenig fehlte es an jenen deklassierten Existenzen, an den Menschen, die nach vier Iahren Krieg nicht wieder in das bürgerliche Leben zurückfanden, die Landsknechte waren und Landsknechte blieben. Da gab es die Freikorps , da gab es allerlei andere mehr oder weniger geheime, auf Anwendung von Gewalt und auf den Sturz der Republik gerichtete Verbände. Auch die National- sozialistische Arbeiterpartei ist schon frühzeitig gegründet worden, nur daß sie zunächst keine Rolle spielte. Die festere Organisation der alten Parteien, die sich nach dem Kriege, wenn auch unter ver- Namen, wieder zusammenjanden. hindert« sie daran. Auch
die größere politische Schulung, namentlich der Arbeiterklasse, war ein Hemmnis für das Erstarken einer faschistischen Bewegung. Dazu kam vielleicht auch die Neuheit der Demokratie in Deutschland . Das Elend der dauernden Arbeitslosigkeit, die Unsicherheit des Erwerbs, die Verarmung breiter Schichten hat die Zahl der Anhänger des Faschismus nach und nach in der Nachkriegszeit immer mehr er- starken lassen. Aber ebenso wie in Italien waren es anßer dem Lumpenproletariat in der Hauptsache mitlelständlerische Schichten, die dem Hakenkreuzbanner folgten: Bauern, Handwerker, Angestellte, Beamte. Diese Kategorien haben sich bei uns niemals ernsthaft mit Politik beschäftigt. Sie sehen nur sich selbst und ihren engsten Interessen- kreis. Einer solchen Geistes- und Gemütsverfassung entspricht na- türlich auch die Bewegung, die ohne die Köpfe mit wissenschaftlichen Erwägungen zu belasten und ohne von Prinzipien zu reden, den schnellen Umschwung zum Besseren verspricht. Was diese Bewegung Neues brachte, war im Wesentlichen die Lebhaftigkeit der Propaganda und die Romantik der Ziele wie der Methoden. Was ihr zum Vorteil gereichte war das Anwachsen der Klasse, die durch die Entwicklung zum Großbetrieb und zum Monopolkapitalismus hin ihrer Selbständigkeit mehr und mehr ver- lustig geht, die sich proletarisiett sieht und diedochdieseProle- tarisierung fürchtet und abwenden möchte. Hinzu kam die Sucht nach dem Neuen. Die alten Parteien haben die Lage nicht zu bessern vermocht. Gut, so versuchen wir es mit einer neuen, die mit Ungestüm auftritt und goldene Berge verheißt. Der K 0 m- m u n i s m u s vermochte nicht dieselbe Anziehungskraft auszuüben, dann wendet man sich eben dem Dritten Reich zu, dessen Pro- pheten bei allen Klassen die gleichen Hoffnungen und Illusionen erweckt, die je nach Bedarf arbeiterfreundlich oder Unternehmer- freundlich tun, je nach Bedarf die Kleinbauern und Großgrund- besitzer in ihre Arme schließen und im gleichen Atemzuge dem Hand- werker, dem Kleinrentner, dem Kriegsbeschädigten und dem An- gestellten ihre ganz besondere Sympathie versichert. Konstruiert wird ein Staatswesen im luftleeren Raum, in dem die diktatorische Leitung dafür sorgt, daß den Untertanen aller Kate- gorien das gleiche Genüge geschieht. Damit hat man dann auch eine Plattform gefunden, von der aus sich gegen die marxistischen Klassenkampfparteien reiten läßt. Daneben gibt es noch anderes. Zunächst einmal die verlogenen Darstellungen, als ob Deutschland seit dem Jahre 1919 marxistisch regiert worden ist und daß daher alle Not von der Sozialdemokratie verantwortet werden müsse. Nicht zuletzt aber wird das nationale Prinzip ins Treffen geführt. Auch das ist in der Hauptsache eine Waffe gegen die internationale So- zialdemokratie, die schwächlich, feige und verräterisch die Interessen des deutschen Volkes preisgeben. Dem Volk, das unter dem Vertrag von Versailles leidet, wird das Traumbild einer Viederauserstehung zur alten militärischen Macht und Herrlichkeit vorgegaukelt und so getan als ob seine Verwirklichung nur von dem nationalen Willen, von der Wahr- haftigkeit und dem Kamps gegen den Pazifismus abhänge. Man stellt es dem Kleinbürger so dar, als ob Deutschland in der Lage sei sich sozusagen von der Welt abzuschließen und ohne Rück- ficht auf sie Politik zu treiben. Ein Verständnis für die Wirtschaft- lichen Voraussetzungen internationaler Konflikte fehlt vollständig. In diesen Anschauungen wird einer Erkenntnis bewußt oder unbewußt aus dem Wege gegangen, nämlich der, daß die Völker gerade durch die Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu einem großen Organismus zusammengefaßt sind. Wo man diese Beziehungen sieht, sucht man sie auf die verhängnisvollen Einflüsse des Judentums zurückzuführen und hat mit dem A n t i- f e m i t i s m n s ein neues Lockmittel für die unter dem Bankkapital und dem hohen Zinsfuß seufzenden Mittelstandes. Jede Politik der Verständigung wird abgelehnt. Der einzige Weg, den es zur Ver- tcidigung der nationalen Belange gibt, ist Gewalt. Ob die Hitlerianer zur Macht gekommen, die praktischen Konse- quenzen aus ihren so laut vertretenen Ideen ziehen würden, ist zu- mindest zweifelhaft. Ich erinnere nur an den Briefwechsel, den Hitler unmittelbar nach dem Wahlersolg ausgerechnet mit dem Franzosen H e r v 6 geführt hat und der Zugeständnisse enthielt, die bei jedem Sozialdemokraten als schlimmster Landesverrat aus- gelegt worden wären. Ich erinnere nur an das U m b u h l e n rechtsgerichteter englischer Kreise, die dadurch kaum gerechtfertigt werden kann, daß dabei der st a r k e Wunsch f i- nanzieller Subventionen mitspielt. Daß die größte H 0 f s n u n g immer wieder auf Italien gesetzt wird, ist selbst- verständlich. Die Freunde der deutschen Rasse haben gegen die Unterdrückung des Deutschtums in Südtirol nichts einzuwenden. Die Wirkung der ganzen nationalsozialistischen Agitation, die sich scheinbar mit gleicher Liebe an alle wendet, ist die sozial höchst- bunte Zusammensetzung der nationalsozialistischen Partei in der vom Hohenzollernprinzen bis zum kriminellen Lumpen- Proletarier alles beieinander sitzt und auf die Erfüllung seiner Spezialwllnsche hofft. Die Programmlosigkeit, mit der man sich noch gelegentlich besonders brüstet, ebenso wie Mussolini es getan hat, ist eines der Bindemittel für die heterogenen Bestandteile. Von einer Partei, die sich durch kein Programm festgelegt hat. kann jeder alles erwarten, wenigstens so lange sie nicht in einer Verantwortung sitzt. Dazu kommt bau der mit dem bedingten Gehorsam fordert. Die Disziplin, die auf diese Weise hergestellt wird, ist der Sympathien aller derer gewiß, für die po- litisches Denken und eigene politische Urteilsbildung eine grausame Anstrengung bedeutet. Es ist die G e i st e s t r ä g h e i t und die Feigheit weiter Teile des Bürgertums, die sie aus der Verantwortlichkeit und der selbständigen Betätigung zur Demo- kratie in die Diktatur flüchten läßt. Mussolini ist kein Tharakter, aber ein Talent der Eharakter- losigkeil. Hitler ist nicht einmal das. Er hat nur seinem großen Vorbild abgeguckl. wie er sich räuspert und wie er spuckt. iLebhafte Zustimmung.) Aber wir müssen gerecht sein: es gibt trotz allem innerhalb des Faschismus auch so etwas wie eine Ideologie. Es gibt, wenn auch nicht in der Masse der Mitläufer, so doch mindestens in einem Teil seines Kerns geistige und philosophische Triebkräfte. Sie sind be- stimmt durch die starke Abkehr der letzten Jahre von dem söge- nannten philosophischen Posivitismus, das heißt jener Lehre, die nur die Existenz dessen zugestehen will, was mit Händen zu greifen und nach ewigen Gesetzen zu errechnen ist. Wir können hier nicht in eine Kritik eintreten; aber Tatsache ist» daß sich gegen pe eine
Reaktion bemerkbar gemacht hat, die das Rechnerische, Zahlen- und Gesetzmäßige verachtet, die die Kraft des persönlichen Wollens be- tont und bei der eben der Mythos eine so große Rolle spielt. Diesen Elementen kommt die Romantik und die Programmlosigkeit des Faschismus entgegen. Sie� erblicken in ihm eine Erlösung aus der Nüchternheit des grauen, auf Kalkulationen aufgebauten Alltags. Sie stürzen sich in ihn wie in eine erfrischende Flut. Die Führer der Hitler -Partei sind sich durchaus bewußt, daß sie auf die Dauer weder durch eine zu scharfe Betonung des Charakters ihrer Bewegung als einer Arbeiterbewegung noch durch das Fest- halten an nebelhaften Formulierungen' sich über Wasser halten könne. Sie suchen deshalb, wenn auch vorsichtig, so doch mit vollem Bewußtsein den Anschluß an die kapitalistische Klasse und geben sich dabei Höchens der Hoffnung hin, daß die Masse ihre Wendung nicht ohne weiteres erkennen oder daß sie immer noch mit Hilfe der nationalen Phrasen bei der Stange halten würde. Für den größten Teil der leitenden Männer imjjeutschen Nationalsozialismus waren das Proletariertum und der Sozialismus nie viel mehr als auf der einen Seite Stimmenfang und Erpressungsmittel auf der anderen. Die He'rren wären bereit gewesen, schon unmittelbar nach der Wahl vom 14. Sep- tember mit den kapitalistischen Part est en gegen die Arbeiterschaft zusammenzugehen und die Brücken zu betreten, die ihnen nicht nur die Deutschnationalen, sondern auch die Deutsche Volkspartei und ein Teil des Zentrums zu bauen ent- schlössen waren. Grundsätze hinderten sie nicht an dem Begehen dieses Weges. Nur fürchteten sie damals von einem so plötzlichen Entschluß unerfreuliche Rückschläge für ihre Bewegung. In ihrem Uebermut stellten sie damals zunächst Forderungen,' die von den Verhandlungs- partnern nicht erfüllt werden konnten. Vor allem aber wurde das Zusammengehen mit den Bürger- lichen mit ihnen durch die Abwehrpolilik, zu der sich die Sozialdemokratie entschloß, auss äußerste erschwert. Aber gerade die Unterstützung, die die Sozialdemokratie einer bürgerlichen Regierung gewährte und die diese sich gefallen ließ, veranlahle den Nationalsozialismus dann zunächst noch einmal in seiner Agitation zu einer starken Herauskehrung antibürgerlicher und anli- kapitalistischer Tendenzen. Er griff die Sozialdemokratie wegen ihres„Verrats" von Grund- sätzen an und stürmte gegen die Regierungsparteien los, weil sie sich in Abhängigkeit von den Marxisten begeben hätten. Dabei rich- teten sie die Schärfe ihres Schwertes namentlich gegen das Zen- t r u m und machten auch vor der katholischen Kirche nicht halt. Dennoch hat die V 0 l k s p a r t e i, die in Thüringen mit den Nationalsozialisten auf einer Regierungsbank faß, sehr lange die Phrase von den wertvollen nationalen Kräften wiederholt, die in der Hitler -Partei vorhanden seien. Und nur dieFurchtvorden wirtschaftlichen Folgen eines Bürgerkriegs, der bei den kaum verhüllten nationalsozialistischen Aufrufen zur'Ille- galität kaum zu vermeiden gewesen wäre, und ferner der starke Gegensatz, in den der Katholizismus zu der Hitler-Bewegung ge- raten war, ließen die Volkspartei vorläufig auf ihre Pläne ver- zichten. Aber diese kreise haben an den nationalsozialistischen Tiraden der Hitlerianer niemals Anstoß genommen. Sie sahen und sehen genau wie ihre italienischen Slassengenossen in dieser Bewegung eine Waffe gegen die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften. (Lebhafte Zustimmung.) Sie sahen und sehen in ihr eine Helferin gegen die staats- und sozialpolitischen Ansprüche der Arbeiterschaft, und höchstens werden sie dadurch enttäuscht sein, daß die neue Partei bei den Wahlen dem Bürgertum und nicht dem Marxismus Ab- bruch tut. Immerhin hat die Taktik der Nationalsozialisten in diesem Winter mit einem Mißerfolg geendet. Und ihr A u s z u'g aus dem Reichstag war im Grunde nur der Ausdruck dieses Fiaskos.(Lebhafter Beifall.) Zugleich war es natürlich ein Schritt, der sozusagen gewaltsam eine Lösung in ihrem Sinne herbeiführen sollte. Sie erwart est en unüberwindbare Schwierig- leiten, rechneten mit einem Bruch zwischen Regierung und So- zialdemokratie, die nach ihrem Auszug mit den Kommunisten eine scheinbare Majorität besaßen, oder mit dem völligen inneren Zu- sammenbruch der Sozialdemokratie für den Fall, daß sie diese Mehr- heit nicht ausnutzte. Die Sozialdemo kstatische Partei und ihre Reichstagsfraktion aber haben sich nicht verleiten lassen, do>s Spiel ihrer Gegner zu spie- l e n. Gewiß haben wir neue und schwere Opfer auf uns nehmen müssen, aber wir haben verhindert, daß der Wunsch der Rechten in Erfüllung ging, das Parlament arbeitsunfähig wurde und die Feinde des Pariamentarismus damit an ihr Ziel kamen. Das aber bedeutet, daß die Hitler-Partei sich jetzt ernsthaft die Frage vorlegen mutz, ob sie auf den alten Wegen weiterschrciten kann und daß sie sowohl ihre Stellung zum Kapitalismus und seinen Parteien wie ihre Kampsmethoden einer Revision zu unterziehen hat. Was die Kampfmethodcn angeht, so häufen sich ihre L e g a- litätsbeterungen. Die sind wahrhaftig nicht sehr ernst zu nehmen, und wenn man Herrn Goebbels sagen hört, die Partei sei nur zur Legalität gezwungen, so weiß man, daß sie zur Ille- galität in demselben Augenblick zurückkehren wird, in dem der Zwang sich etwa lackern sollte. In der Zwischenzestt sind die Nationalsoziali st en mit Hugenberg zu den denkbar weite st gehend e�n Arrangements gelangt. Je größer die Aussichten auf eine solche Verständigung werden, um so bereitwilliger werden die Nationalsozialisten auch sein, auf alle Formeln zu verzichten, an denen das Unternehmertum heute noch Anstoß nehmen kann. Man spricht ja auch bereits von einem neuen Wirtschaftsprogramm Wenn bei ihm Hans Reupke mit seinen Ansichten über die Notwendigkeiten eines weit- gehenden Abbaues der sozialen Versicherung Pate steht, dann wer- den die etwaigen Widerstände der anderen Seite schon zu über- winden sein. In diesem Falle wird wohl auch von den von dem Mittelstand berechneten törichten Phantasien über Beseitigung der Zinsknechtschafst usw. nicht viel übrig bleiben', denn der Kapitalismus kann mit ihnen nichts anfangen. Schließlich wird man sich auch bereitfindcn, alle antikir'ch lichen und antikatholischen Ketzereien abzuschwören, um seinen Frieden mit dem Zentrum zu machen. Ich sage nicht, daß die nationalsozialistische Verbrüderung mit dem Kapitalismus unmittelbar bevorsteht, ich weise nur aus die Tendenzen hin, die wir nicht außer Acht lassen dürfen und die schließlich auch in den nationalsozialistischen Reihen selber erkannt werden. Die Rebellion der Stennes-Leute hängt damit zusammen. Aber wir wollen uns vor der Annahm« hüten, als könne die aus- gesprochene Hinwendung zum Kapitalismus und das Lippenbekennt- nis der Nationalsozialisten zur Legalität für die Partei sofort eine starke Erschüütterung oder sogar ihre Lösung bedeuten. Das wird um so weniger dann eintreten, wenn diese